Die Papstrede bei der Begrüßungszeremonie in Quito

EcuadorHier die Ansprache des Papstes bei Begrüßungszeremonie beim Internationalen Flughafen Mariscal Sucre in Quito, am Sonntag, 5. Juli 2015 (Ortszeit)

Herr Präsident, verehrte Vertreter der Regierung, liebe Brüder im Bischofsamt, meine Damen und Herrn, liebe Freunde,

Gott sage ich Dank dafür, dass er es mir ermöglicht hat, nach Lateinamerika zurückzukehren und heute hier mit Ihnen in diesem schönen Land Ecuador zu sein. Mit Freude und Dankbarkeit erlebe ich den herzlichen Empfang, den Sie mir bereiten. Es ist ein weiteres Beispiel der Gastfreundschaft, welche sehr gut die Menschen dieses werten Landes beschreibt.

Ich danke Ihnen, Herr Präsident, für die freundlichen Worte, die Sie an mich gerichtet haben und die ich mit meinen besten Wünschen für die Ausübung Ihrer Aufgabe erwidere. Sie haben mich sehr viel zitiert. Herzlich grüße ich die geschätzten Vertreter der Regierung, meine Brüder im Bischofsamt, die Gläubigen der Kirche in diesem Land und alle, die mir heute die Türen ihres Herzens, ihres Hauses und ihres Landes öffnen. Ihnen allen gilt meine Zuneigung und aufrichtige Dankbarkeit.

Bei verschiedenen Gelegenheiten habe ich Ecuador aus pastoralen Gründen besucht; so komme ich auch heute als Zeuge der Barmherzigkeit Gottes und des Glaubens an Jesus Christus. Derselbe Glauben hat durch Jahrhunderte die Identität dieses Volkes geformt und viele gute Früchte gebracht, unter denen berühmte Gestalten hervorragen wie die heilige Mariana de Jesús, der heilige Bruder Miguel Febres, die heilige Narcisa de Jesús oder die selige Mercedes de Jesús Molina, die vor dreißig Jahren während des Besuches des heiligen Johannes Paul II. in Guayaquil selig gesprochen wurde. Sie lebten den Glauben voll Intensität und Begeisterung, und während sie tätige Barmherzigkeit übten, trugen sie von verschiedenen Bereichen aus dazu bei, die Gesellschaft Ecuadors ihrer Zeit zu verbessern.

In der Gegenwart können auch wir im Evangelium die Schlüssel finden, die es uns möglich machen, uns den aktuellen Herausforderungen zu stellen, indem wir die Unterschiede schätzen, den Dialog und die Beteiligung ohne Ausgrenzungen fördern, so dass die Erfolge in Fortschritt und Entwicklung, die gerade erzielt werden, eine bessere Zukunft für alle garantieren. Hierbei ist besonderes Augenmerk auf unsere schwächsten Brüder und Schwestern zu legen und auf die am meisten verletzlichen Minderheiten. Das ist eine Schuld, die das gesamte Lateinamerika hat. In dieser Hinsicht können Sie, Herr Präsident, immer auf das Engagement und die Zusammenarbeit der Kirche zählen.

Liebe Freunde, ich beginne voll Vorfreude und Erwartung die Tage, die vor uns liegen. In Ecuador befindet sich der Punkt, der dem Himmel am nächsten liegt: Es ist der Chimborazo, den man deshalb den Ort nennt, der „der Sonne am nächsten“, dem Mond und den Sternen am nächsten liegt. Und wenn der Mond vor der Sonne steht, dann verdunkelt er den Himmel. Wir Christen vergleichen Jesus Christus mit der Sonne und den Mond mit der Kirche, der Gemeinschaft; nichts, ausgenommen Jesus, hat eigenes Licht. Möge in diesen Tagen uns allen die Nähe „des aufstrahlenden Lichts aus der Höhe“ (vgl. Lk 1,78) deutlicher werden, und mögen wir ein Widerschein seines Lichtes, seiner Liebe sein.

Von hier aus möchte ich ganz Ecuador umarmen. Dass vom Gipfel des Chimborazo bis zu den Küsten des Pazifiks, vom Urwald des Amazonas bis zu den Galápagosinseln niemals die Fähigkeit verloren gehe, Gott zu danken für das, was er für uns getan hat und tut, die Fähigkeit, den Kleinen und den Einfachen zu beschützen, seine Kinder und Alten zu behüten, die das Gedächtnis seines Volkes sind, auf die Jugend zu vertrauen sowie den Edelmut seiner Menschen und die einzigartige Schönheit seines Landes zu bestaunen. Und sicherlich ist Ihr Land, Herr Präsident, ein Paradies.

Das Heiligste Herz Jesu und das Unbefleckte Herz Mariens, denen Ecuador geweiht ist, mögen über Ihnen Gnade und Segen ausgießen. Vielen Dank. (rv)

Papst besucht 2015 Kuba

KubaPapst Franziskus besucht noch in diesem Jahr Kuba. Der Papst habe die Einladung durch Kirche und Politik angenommen und entschieden, vor seiner Reise in die USA im September einen Abstecher auf die Insel zu machen, gab Vatikansprecher Federico Lombardi an diesem Mittwoch bekannt. Die Etappe war seit einiger Zeit im Gespräch, aber bislang nicht bestätigt worden. Ein genaues Datum für den Abstecher nannte der Sprecher noch nicht. Die Papstreise in die USA zum Weltfamilientreffen, zur UNO und zum US-Kongress ist für September geplant.

Im vergangenen Herbst hatte der Papst als Vermittler zwischen den Regierungen Kubas und der USA geholfen, Gespräche über die Wiederaufnahme von diplomatischen Beziehungen in Gang zu setzen und den seit den 60er Jahren andauernden Konflikt zwischen den Ländern auf dem Dialogweg zu lösen. Zuletzt war Papst Benedikt XVI. 2012 auf der Karibikinsel gewesen. (rv)

„In allen Beziehungen Frieden“: Die Bedeutung der Ökumene in der Papstreise

Kard_KochDank für die Vergangenheit und ein weiterer Schritt in die Zukunft: So bezeichnet der Ökumene-Verantwortliche des Vatikan, Kardinal Kurt Koch, die Begegnung von Jerusalem. Papst Franziskus hatte sich am Sonntag mit dem griechisch-orthodoxen Patriarchen getroffen. Die persönliche Unterhaltung der beiden dauerte länger als vorgesehen – ein Zeichen der Herzlichkeit und dafür, dass sich beide viel zu sagen haben. Im Gespräch mit unserem Korrespondenten Pater Bernd Hagenkord schätzt Kardinal Koch die Wirkungen ein, welche die Begegnung von Jerusalem für die Ökumene hat.

„Diese Begegnung ist ein neuer Schritt in die Zukunft, die Begegnung weiter anzugehen.“

Im Vorfeld ist immer wieder gesagt worden, dass die ökumenische Begegnung das Herzstück der Reise sei, nun hat aber der Papst mit dem Gang zur Mauer in Bethlehem und der Friedensinitiative noch andere Akzente gesetzt. Ist die Ökumene jetzt etwas in den Hintergrund geraten?

„Ich glaube nicht. Die Botschaft des Papstes ist ja ‚In allen Beziehungen Frieden‘. Dazu gehört die Versöhnung mit den Orthodoxen. Das Erreichen der Einheit und auch der eucharistischen Gemeinschaft und das andere hängen eng zusammen. Die Eucharistie ist die Feier der Versöhnung – und dass von da auch Impulse bis in die Politik hinein kommen, ist meines Erachtens nur logisch.“

Aus dem deutschen Sprachraum kommend bedeutet Ökumene vor allem Ökumene mit den Kirchen der Reformation. Was bedeutet das Treffen von Jerusalem für diese Ökumene, für ‚unsere‘ Ökumene?

„Ich glaube, nicht wenige Gründe, die zur Entfremdung zwischen Ost und West geführt haben, gehören auch zu den Vorbedingungen der Reformation in den westlichen Kirchen. Wenn wir hier im Dialog mit den Orthodoxen weiter kommen, bin ich überzeugt, dass wir auch im Dialog mit den aus der Reformation hervorgegangenen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften neue Perspektiven haben.“

Wie wird es im Dialog jetzt in den kommenden Monaten und Jahren weiter gehen?

„Wir unterscheiden ja immer zwischen dem Dialog der Liebe und dem Dialog der Wahrheit. Der Dialog der Liebe hat sich in den vergangenen fünfzig Jahren sehr verfestigt. Im Dialog der Wahrheit – also im theologischen Dialog – sind einige Probleme neu aufgetaucht. Wir haben die nächste Vollversammlung im kommenden September und ich hoffe, dass wir in den Schwierigkeiten, die jetzt aufgetreten sind, vor allem auch mit der Erklärung des russisch-orthodoxen Patriarchats zum Primat, einige Schritte voran gehen können.“ (rv)

Papstprogramm am Sonntag im Heiligen Land

GrabelkircheAn diesem Sonntag findet der programmierte Höhepunkt dieser ersten Heiliglandreise von Papst Franziskus statt: abends um 18 Uhr (römischer Zeit) steht das Kirchenoberhaupt zusammen mit dem Ökumenischen Patriarchen Bartholomaios I. in der Grabeskirche in Jerusalem einem ökumenischen Gottesdienst vor. Ebenfalls anwesend sind die katholischen Bischöfe des Heiligen Landes, der koptische, der syrische und der äthiopische Erzbischof, der anglikanische und der lutherische Bischof und andere Würdenträger. Davor unterzeichnen Franziskus und Bartholomaios eine ökumenische Erklärung. Bis nachmittags hält sich Franziskus in der Geburtsstadt Jesu, in Betlehem auf. Auf dem Platz vor der Geburtskirche feiert er am Vormittag eine Heilige Messe, die einzige große Messe, die das Programm für Palästina und Israel vorsieht. 10.000 Besucher sind dazu erwartet. Am Nachmittag besucht Franziskus die Geburtsgrotte in Betlehem und trifft anschließend Kinder in einem Flüchtlingslager. Vor den palästinensischen Autoritäten in Betlehem hielt Franziskus noch vor der Messe eine Rede. Danach blieb er kurz und überraschend vor der israelischen Sperrmauer aus dem Papamobil aus und betete einige Momente lang in Stille. Das Mittagessen nimmt Franziskus nicht mit Würdenträgern ein, sondern mit einigen Familien aus Palästina. Nach dem Besuch der Geburtsgrotte macht er sich zum Flüchtlingslager Dheisheh auf, das bereits Johannes Paul II. bei seiner Heiliglandreise 2000 besucht hatte. Dort begrüßt der Papst Kinder. Danach bringt ihn der Hubschrauber nach Tel Aviv und von dort nach Jerusalem zum Ökumenischen Gottesdienst. Das Treffen zwischen Papst und Patriarchen ist der eigentliche Anlass der Reise. Es erinnert an eine Versöhnungsgeste zwischen den Amtsvorgängern Paul VI. und Athenagoras vor genau 50 Jahren. 1964 leiteten sie eine Wende in der Beziehung ihrer seit mehr als 1.000 Jahren getrennten Kirchen ein. (rv)

Nachlese zur Papstreise: Die Neuevangelisierung und die deutsche Gesellschaft

Neuevangelisierung: Neben der Ökumene hat der Papst die Stärkung des Glaubens im christlich geprägten Deutschland – denn das ist mit Neuevangelisierung gemeint – im Vorfeld seiner Reise als Hauptanliegen herausgestellt. Wenige Tage vor Abfahrt sagt Benedikt XVI. im „Wort zum Sonntag", ausgestrahlt im Ersten Deutschen Fernsehen:

„All dies ist nicht religiöser Tourismus, und noch weniger eine Show. Worum es geht, sagt das Leitwort dieser Tage: ‚Wo Gott ist, da ist Zukunft’. Es soll darum gehen, dass Gott wieder in unser Blickfeld tritt, der so oft ganz abwesende Gott, dessen wir doch so sehr bedürfen."

I. Ein Staatsgast in höherer Mission
Ähnlich äußert sich der Papst dann auch in seiner Ansprache vor dem deutschen Bundespräsidenten Christian Wulff im Schloss Bellevue: Er sei „in erster Linie" gekommen, „um den Menschen zu begegnen und über Gott zu sprechen". Benedikt XVI. kommt als Staatsgast, ja, will aber als „Pontifex Maximus" – „Oberster Brückenbauer" zwischen Menschen und Gott – wahrgenommen werden. Vielleicht versucht er in Schloss Bellevue mit diesen Worten auch noch – ein paar Stunden vor seiner Bundestagsrede – die allzu hohen Erwartungen zu dämpfen, die seinem Besuch in den vergangenen Wochen entgegenschlugen: Politisch beziehe ich hier keine Stellung, so könnte man den Papst deuten, und eine Moralpredigt über Einzelfragen werdet ihr auch nicht bekommen.

Wie spricht Benedikt XVI. in Deutschland also über Gott? Es bedarf einer „Wiederentdeckung von Grundwerten", so der Papst zum Auftakt seines Deutschlandbesuches im Schloss Bellevue. Freiheit und Solidarität kämen dank der Anwesenheit von Religion in die richtige Waage:
„Die Religion ist eine dieser Grundlagen für ein gelingendes Miteinander. ‚Wie die Religion der Freiheit bedarf, so bedarf auch die Freiheit der Religion‘. Dieses Wort des großen Bischofs und Sozialreformers Wilhelm von Ketteler, dessen zweihundertsten Geburtstag wir in diesem Jahr feiern, ist heute nach wie vor aktuell. Freiheit braucht die Rückbindung an eine höhere Instanz. Dass es Werte gibt, die durch nichts und niemand manipulierbar sind, ist die eigentliche Gewähr unserer Freiheit."
Es braucht Gott, eine „höhere Instanz", erinnert Papst Benedikt XVI. und meint damit auch: die moderne Gesellschaft ist in Fragen der Moral und Wahrheit nicht kompetent, sie ist – wie die Politik – auf geschichtliche Größen, auf Religion, Werte, Weltanschauungen, angewiesen.

II. Die Mission: Stärkung des Glaubens
Warum hält der Papst eine Stärkung des Glaubens in Deutschland für so wichtig, ja für grundlegender als zum Beispiel strukturelle Reformen innerhalb der Kirche?
„Der Religion gegenüber erleben wir eine zunehmende Gleichgültigkeit in der Gesellschaft, die bei ihren Entscheidungen die Wahrheitsfrage eher als ein Hindernis ansieht und statt dessen Nützlichkeitserwägungen den Vorrang gibt", warnt Benedikt XVI. im Schloss Bellevue, und entwickelt damit seine fortwährende Moderne-Kritik weiter: Relativismus, Individualismus und technische Entwicklung haben im Denken des Papstes katastrophale Folgen. Nicht grundsätzlich, wohlgemerkt, aber immer dann, wenn sie einer christlichen Grundlage entbehren: Beispiel Präimplantationsdiagnostik und die Wahl zwischen angeblich „lebenswertem" und „nicht lebenswertem" Leben. Vernunft werde zum Fluch, wenn sie vom transzendenten Grund losgelöst handele, unterstreicht der Papst, auch mit Blick auf die düstere deutsche Geschichte. Gott ist dieser Grund und er muss es auch bleiben.

Wo verliert Gott in Deutschland nach Ansicht des Papstes an Wirkung? Benedikt XVI. nennt in seiner Predigt im Berliner Olympiastadion als Beispiel eine um sich greifende Beziehungslosigkeit; der Papst sieht den Nukleus der Gesellschaft und der katholischen Glaubensgemeinschaft, die traditionelle Familie, auch in Deutschland in Gefahr:

„In unserer Zeit der Rastlosigkeit und Beliebigkeit, wo so viele Menschen Orientierung und Halt verlieren, wo die Treue der Liebe in Ehe und Freundschaft so zerbrechlich und kurzlebig geworden ist, wo wir in unserer Not wie die Emmaus-Jünger rufen wollen …, da schenkt uns der Auferstandene eine Bleibe, einen Ort des Lichtes, der Hoffnung und Zuversicht, der Ruhe und Geborgenheit."

Dass unter den Deutschen tatsächlich ein Bedarf an Sinnstiftung besteht, unterstreicht der deutsche Bundespräsident Christian Wulff: Viele Menschen seien auf der Suche: Angesichts „ökologischer und wirtschaftlicher Krisen", „Unfrieden" und „Ungerechtigkeit" sowie „Erfahrungen persönlicher Unsicherheit und Entwurzelung" wachse die Sehnsucht nach Sinn, stimmt der Bundespräsident dem Papst in Bellevue zu. Wulff, der selbst geschieden ist und in zweiter Ehe lebt, wünscht sich „Barmherzigkeit" der Kirche im Umgang mit „Brüchen" in den menschlichen Lebensgeschichten, etwa bei geschiedenen Wiederverheirateten. Die Notwendigkeit eines „anderen Umgangs" mit diesen Gläubigen hatte zuletzt auch Erzbischof Robert Zollitsch betont.

Neu-Evangelisierung heißt für Benedikt XVI. auch, die Kirche in Deutschland „neu" zu sehen, und nicht an ihrer „äußeren Gestalt" hängenzubleiben. Auch darauf geht er bei der großen Messe in Berlin ein. Denn ansonsten „…erscheint die Kirche nur mehr als eine der vielen Organisationen innerhalb einer demokratischen Gesellschaft, nach deren Maßstäben und Gesetzen dann auch die so sperrige Größe „Kirche" zu beurteilen und zu behandeln ist".
Der Papst erwähnt dann auch den großen Vertrauensverlust, den die Gläubigen in Deutschland mit dem Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche erlebten: „Wenn dann auch noch die leidvolle Erfahrung dazukommt, dass es in der Kirche gute und schlechte Fische, Weizen und Unkraut gibt, und der Blick auf das Negative fixiert bleibt, dann erschließt sich das große und tiefe Mysterium der Kirche nicht mehr."

Der Papst wünscht sich hier Glauben im grundlegendsten Sinn: Vertrauen, auch wenn der Missbrauchsskandal die Gemüter erschütterte, auch wenn manche Strukturen der Kirche fehlerhaft sind. Öffnet euer Herz neu dem Glauben, wieder und gerade jetzt, so könnte man Benedikts Worte verstehen.

III Zum Begriff der „Neuevangelisierung"
Halten wir also fest: Katholische Kirche und Glauben in Deutschland sind nach Benedikt XVI. keine beliebigen Betätigungsfelder in der deutschen Gesellschaft. Sie bilden die wesentliche Grundlage des demokratischen Zusammenlebens. Damit hat Benedikts Botschaft in Deutschland letztlich auch politisches Gewicht. Und sie steht in einer Linie mit einem Hauptanliegen dieses Papstes: Der neuen Evangelisierung. Benedikt XVI. hatte am 29. Juni 2010, am Tag des römischen Patronatsfestes Peter und Paul, angekündigt, einen neuen Päpstlichen Rat einzurichten, der sich um genau diese Fragen kümmert:
„Auch der Mensch des dritten Jahrtausends will ein authentisches und erfülltes Leben, braucht die Wahrheit, die wirkliche Freiheit, die selbstlose Liebe. Auch in den Wüsten der säkularisierten Welt hat die Seele des Menschen Durst nach Gott, nach dem lebendigen Gott."

Der neue „Rat zur Förderung der Neuevangelisierung" wurde danach mit dem apostolischen Schreiben „Ubicumque et Semper" ins Leben gerufen. Dabei sollte es wohlgemerkt nicht um eine zweite Christianisierung gehen, sondern eine Auffrischung des Glaubens in Ländern mit christlichen Wurzeln. Zum Thema wird im Herbst 2012 im Vatikan eine Bischofssynode stattfinden.

Neu ist dieser Gedanke nicht – schon vor gut 25 Jahren sprach Papst Johannes Paul II. von neuer Glaubensvermittlung in Europa; Benedikts Vorgänger war der erste Papst, der explizit von „Neuevangelisierung" sprach. Angesichts der „tiefen und vielschichtigen kulturellen, politischen und ethisch-geistigen Veränderungen", die der europäischen Gesellschaft „eine neue Gestalt gegeben haben", brauche es eine „neuartige Evangelisierung", die es verstehe, „dem heutigen Menschen die bleibende Heilsbotschaft in überzeugender Form neu vorzulegen", sagte Johannes Paul II. im Jahr 1986 auf einer Tagung zu Europa, wenige Jahre vor dem Fall des Eisernen Vorhangs (vgl. Johannes Paul II., Neuevangelisierung Europas. Ansprache an die Teilnehmer des VI. Symposiums der europäischen Bischöfe am 11.10.1985).

IV. Die neuen Bundesländer
Dass die neuen Bundesländer bei Benedikts Deutschlandbesuch besondere Aufmerksamkeit des Papstes bekommen würden, das stand schon mit den Reisestationen auf dem Gebiet der ehemaligen DDR – Berlin und Thüringen – fest. Die Spätfolgen von Nationalsozialismus und Kommunismus für den christlichen Glauben seien bis heute spürbar, sagte der Papst in Erfurt, wo er den christlichen Widerstand in der Ex-DDR würdigte:

„Die Mehrzahl der Menschen in diesem Lande lebt mittlerweile fern vom Glauben an Christus und von der Gemeinschaft der Kirche. Doch zeigen die letzten beiden Jahrzehnte auch gute Erfahrungen: ein erweiterter Horizont, ein Austausch über Grenzen hinweg, eine gläubige Zuversicht, dass Gott uns nicht im Stich lässt und uns neue Wege führt: Wo Gott ist, da ist Zukunft."

Dieser erweiterte Glaubenshorizont ist es auch, den der Papst gerade auf dem Gebiet der Ex-DDR betont: Kein Glaube „im Privaten", sondern nicht weniger als geteilter, öffentlicher Glaube muss es sein. Für Benedikt XVI. soll die deutsche Kirche – gerade an diesem Ort – Weltkirche sein:

„Hier zeigt sich, wie wichtig der geistliche Austausch ist, der sich über die ganze Weltkirche erstreckt, der aber grundlegend für das Werden der Kirche in unserem Land ist – er bleibt grundlegend für alle Zeiten – dass wir miteinander über die Kontinente hin glauben und voneinander glauben lernen. Wenn wir uns dem ganzen Glauben in der ganzen Geschichte und dessen Bezeugung in der ganzen Kirche öffnen, dann hat der katholische Glaube auch als öffentliche Kraft in Deutschland Zukunft."

V Glaubensleben in Deutschland: Keine „Stunde Null"
Nun könnte die Lage des Glaubens in Deutschland – entgegen der sehr besorgten Vision des Papstes – freilich schlechter sein. Der Anteil der Christen an der Gesamtbevölkerung liegt bei 62 Prozent. Ein Drittel gehört der römisch-katholischen Kirche an, ein anderes ist evangelisch. Konfessionslos oder andersgläubig sind – inklusive Orthodoxe und evangelische Freikirchen – ein weiteres Drittel aller Deutschen. Zwar gab es vor allem in 2010 eine dramatische Austrittswelle aus der katholischen Kirche, akut in Gefahr scheint das Christentum in Deutschland aber nicht zu sein: Das zeigt unter anderem die große Beteiligung und Begeisterung bei den Papstmessen in Berlin, Erfurt und vor allem Freiburg. Papst Benedikt hat auf seiner Deutschlandreise dann auch lobend Bereiche genannt, die aus einer auch christlichen Ethik heraus etwas zur deutschen Gesellschaft beitragen: Im Bundestag lobte er die Menschenrechte als für Deutschland maßgeblich, weiter würdigte er den Einsatz der ökologischen Bewegung, drittens ging er in Freiburg auf die hervorragende Arbeit der Caritas, der Laien und das Ehrenamt ein.

Aber auch wenn karitative Strukturen noch so gut funktionieren und die deutsche Kirche in ihrer Vielfalt wirkt, Benedikt XVI. verlangt mehr: Die innere Einheit der deutschen Kirche und ihre unbedingte Einheit mit Rom – das unterstreicht er deutlich in seiner Predigt in Freiburg:

„Die Kirche in Deutschland wird die großen Herausforderungen der Gegenwart und der Zukunft bestehen und Sauerteig in der Gesellschaft bleiben, wenn Priester, Gottgeweihte und christgläubige Laien in Treue zur jeweils spezifischen Berufung in Einheit zusammenarbeiten (…) Die Kirche in Deutschland wird für die weltweite katholische Gemeinschaft weiterhin ein Segen sein, wenn sie treu mit den Nachfolgern des heiligen Petrus und der Apostel verbunden bleibt (…)."

Besondere Protagonisten bei der Neuevangelisierung sind für den Papst die angehenden Priester. Benedikt XVI. rief am 19. Juni 2009 das Priesterjahr aus, in dem er in zahlreichen Predigten und Betrachtungen das Besondere dieses Amtes ins Licht rückte. Der Missbrauchsskandal hat für Benedikt XVI. das Priestertum als solches nicht in Frage gestellt – im Übrigen auch nicht den Zölibat. Denn den versteht der Papst keinesfalls als Absage an Bindungen oder als Bindungsunfähigkeit. Im Freiburger Priesterseminar erinnert er die angehenden Geistlichen an ihre doppelte Identität „in Christus" und zugleich „in der Welt":

„Wenn sie wirklich mit ihm sind, dann sind sie auch immer unterwegs zu den anderen, dann sind sie auf der Suche nach dem verlorenen Schaf, dann gehen sie hin, dann müssen sie weitergeben, was sie gefunden haben, dann müssen sie ihn bekannt machen, Gesandte werden. Und umgekehrt, wenn sie rechte Gesandte sein wollen, dann müssen sie immer bei ihm sein."

Und welche Rolle sollen engagierte Katholiken und Laien bei der „Auffrischung des Glaubens in Deutschland", der Neuevangelisierung, spielen? Ob bei christlichen Kulturinitiativen, Katechesen in den Pfarrgemeinden, ob bei karitativen Diensten oder dem Lebensschutz – die Laien sollen weitermachen wie bisher, so Benedikt XVI., allerdings sollen sie auch sie das Laienapostolat mit neuer Glaubensstärke füllen. Die Rede von Strukturreformen ist hier sekundär, lässt sich aus den Worten des Papstes an das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) in Freiburg heraushören. Benedikt beklagt darin einen „Überhang an Strukturen gegenüber dem Geist":

„Die eigentliche Krise der Kirche in der westlichen Welt ist eine Krise des Glaubens. Wenn wir nicht zu einer wirklichen Erneuerung des Glaubens finden, wird alle strukturelle Reform wirkungslos bleiben."

Schon früher hatte der Papst bei den deutschen Laien, das sagte er am 18. November 2006 gegenüber den deutschen Bischöfen, eine „verengende Fixierung auf die Mitarbeit in kirchlichen Leitungsgremien, auf hauptamtliche Stellen in kirchlich finanzierten Strukturen oder auf die Ausübung bestimmter liturgischer Funktionen" beobachtet. Von mehr Verantwortung der Laien in kirchlichen Ämtern, auch angesichts des um sich greifenden Priestermangels, war auch in Freiburg jetzt mitnichten die Rede. Dem Priester das Seine, dem Laien das Seine, so könnte man Benedikts Worte in Freiburg interpretieren. Im Vordergrund muss – vor allen Reformfragen – die Stärkung des Glaubens in Deutschland stehen. (rv)

Papstreise nach England: Keine Tickets, sondern Beiträge

Die Papstreise nach Großbritannien rückt näher: Noch einen guten Monat, und Benedikt XVI. wird sich aufmachen, um der Einladung von Königin Elisabeth II. ins Vereinigte Königreich zu folgen. Der Besuch beginnt am 16. September in Schottland: In Edinburgh wird der Papst von der Queen als offizieller Staatsgast begrüßt. In Schottland leben auch die meisten Katholiken der Britischen Inseln. So ist es kein Zufall, dass Papst Benedikt die erste Messe in der mittlerweile größten Stadt Schottlands, nämlich in Glasgow, unter freiem Himmel feiern wird. In den Medien sorgte im Vorfeld der Papstvisite aber vor allem ein Thema für Aufmerksamkeit und Polemik: sogenannte Eintrittskarten für die Veranstaltungen mit dem Papst – und zwar nicht kostenlos. Der Koordinator des Papstbesuches, Pater Andrew Summersgill, erklärt, worum es bei den „Tickets für die Papst-Gigs“ eigentlich geht: „Es ist ein Beitrag und nicht, wie ich teilweise gelesen habe, eine Eintrittskarte zur Messe. Die Absicht dahinter ist, die Transportkosten zu decken… Es handelt sich ja um eine große Zahl an Personen, es geht auch um die Ausgaben für die Sicherheitsleute, die den Pilgern Zugang gewähren. Man denke an das, was bei anderen Veranstaltungen mit dem Papst gemacht wurde, vor allem beim Weltjugendtag. Beim Weltjugendtag waren alle eingeladen, sich online zu registrieren, und diese Registrierung umfasst auch einen Beitrag. Es ist also nichts anderes als das, was wir schon in anderen Teilen der Welt gemacht haben.“ Die beiden anderen Höhepunkte der Reise werden die Papstmesse in der Westminster Cathedral in London und die Messe zur Seligsprechung von Kardinal John Henry Newman in Birmingham sein – Veranstaltungen, zu denen Zigtausende erwartet werden. „Zwei Dinge müssen gesagt werden: Erstens ist der Beitrag für alle derselbe und somit ein Akt der Solidarität – jeder, der an der Seligsprechungsmesse oder der Messe in Glasgow teilnimmt, gibt denselben Betrag, unabhängig von seiner Herkunft. Das andere ist, dass wir den Betrag nicht direkt von den einzelnen Personen erbeten haben.“ Es wird also keine langen Schlangen von Gläubigen vor Ticketschaltern für die Papstveranstaltungen geben, erläutert Pater Summersgill. Die Teilnahme an den Messen und das Aufbringen des Beitrags wird in den einzelnen Diözesen organisiert. „In England und in Wales werden die Beiträge über die Diözesen gesammelt; es liegt dann bei ihnen, wie sie die Beiträge innerhalb der Diözesen einsammeln. Die Diözese kann selber den Beitrag abgeben, der dann an die Pfarren weitergegeben werden kann; es kann Gruppen innerhalb der Pfarren geben, die Beiträge sammeln und dann andere Personen unterstützen, die an den Veranstaltungen mit dem Papst teilnehmen. Es sind also die Pfarren, die komplett selber entscheiden, wie sie ihren Beitrag leisten. Ich glaube, es ist wichtig, dass wir so deutlich wie möglich machen, warum solche Beiträge verlangt werden.“ Nach britischen Medienberichten belaufen sich die Beiträge, die von den Teilnehmern an Papstmessen in Großbritannien erbeten werden, auf Summen zwischen 23 und 30 Euro. Insgesamt kostet die Papstreise nach Medienspekulationen etwa 8,3 Millionen. (rv)  

Papstreise Malta: Das Programm

Der Vatikan hat an diesem Mittwoch das Programm der Papstreise nach Malta veröffentlicht. Anlass der Visite ist der 1950. Jahrestag des Schiffbruchs des Apostels Paulus vor der Insel.
Programm:

Samstag 17.04.2010
Rom
15.25 Abflug aus Rom vom Internationalen Flughafen Leonardo da Vinci aus
Luqa
17.00 Willkommenszeremonie am Internationalen Flughafen von Malta in Luqa.
Rede des Heiligen Vaters.
Valletta
18.15 Höflichkeitsvisite beim Präsidenten im Palast von La Valletta.
Rabat
19.45 Besuch der St. Paulus-Katakomben in Rabat. Gebet und Grußworte des Heiligen Vaters.
Sonntag 18.04.2010
Floriana
10.00 Messe in Floriana. Omelia des Heiligen Vaters. Regina Coeli. Ansprache des Heiligen Vaters.
Rabat
13.00 Mittagessen mit den Bischöfen von Malta und mit dem päpstlichen Gefolge in der Apostolischen Nutiatur in Rabat.
16.00 Abschied von der Nuntiatur.
Kalkara
16.45 Abfahrt mit dem Schiff aus dem Hafen von Kalkara und Fahrt zum Hafen von La Valletta.
La Valletta
17.15 Treffen mit Jugendlichen am Hafen von Valletta. Ansprache des Papstes.
19.10 Abflug vom Internationalen Flughafen von Malta zurück nach Rom. (rv)