„In allen Beziehungen Frieden“: Die Bedeutung der Ökumene in der Papstreise

Kard_KochDank für die Vergangenheit und ein weiterer Schritt in die Zukunft: So bezeichnet der Ökumene-Verantwortliche des Vatikan, Kardinal Kurt Koch, die Begegnung von Jerusalem. Papst Franziskus hatte sich am Sonntag mit dem griechisch-orthodoxen Patriarchen getroffen. Die persönliche Unterhaltung der beiden dauerte länger als vorgesehen – ein Zeichen der Herzlichkeit und dafür, dass sich beide viel zu sagen haben. Im Gespräch mit unserem Korrespondenten Pater Bernd Hagenkord schätzt Kardinal Koch die Wirkungen ein, welche die Begegnung von Jerusalem für die Ökumene hat.

„Diese Begegnung ist ein neuer Schritt in die Zukunft, die Begegnung weiter anzugehen.“

Im Vorfeld ist immer wieder gesagt worden, dass die ökumenische Begegnung das Herzstück der Reise sei, nun hat aber der Papst mit dem Gang zur Mauer in Bethlehem und der Friedensinitiative noch andere Akzente gesetzt. Ist die Ökumene jetzt etwas in den Hintergrund geraten?

„Ich glaube nicht. Die Botschaft des Papstes ist ja ‚In allen Beziehungen Frieden‘. Dazu gehört die Versöhnung mit den Orthodoxen. Das Erreichen der Einheit und auch der eucharistischen Gemeinschaft und das andere hängen eng zusammen. Die Eucharistie ist die Feier der Versöhnung – und dass von da auch Impulse bis in die Politik hinein kommen, ist meines Erachtens nur logisch.“

Aus dem deutschen Sprachraum kommend bedeutet Ökumene vor allem Ökumene mit den Kirchen der Reformation. Was bedeutet das Treffen von Jerusalem für diese Ökumene, für ‚unsere‘ Ökumene?

„Ich glaube, nicht wenige Gründe, die zur Entfremdung zwischen Ost und West geführt haben, gehören auch zu den Vorbedingungen der Reformation in den westlichen Kirchen. Wenn wir hier im Dialog mit den Orthodoxen weiter kommen, bin ich überzeugt, dass wir auch im Dialog mit den aus der Reformation hervorgegangenen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften neue Perspektiven haben.“

Wie wird es im Dialog jetzt in den kommenden Monaten und Jahren weiter gehen?

„Wir unterscheiden ja immer zwischen dem Dialog der Liebe und dem Dialog der Wahrheit. Der Dialog der Liebe hat sich in den vergangenen fünfzig Jahren sehr verfestigt. Im Dialog der Wahrheit – also im theologischen Dialog – sind einige Probleme neu aufgetaucht. Wir haben die nächste Vollversammlung im kommenden September und ich hoffe, dass wir in den Schwierigkeiten, die jetzt aufgetreten sind, vor allem auch mit der Erklärung des russisch-orthodoxen Patriarchats zum Primat, einige Schritte voran gehen können.“ (rv)

Kardinal Koch: Interview über seine Reise nach Minsk

Der vatikanische Ökumene-Verantwortliche, Kardinal Kurt Koch, war vom 12. bis 16. November in Weißrussland. Eingeladen hatte ihn der orthodoxe Metropolit von Minsk Filaret. Der aus der Schweiz stammende Kurienkardinal besuchte aber natürlich auch die Katholiken im Land. Weißrussland ist nach Litauen der Staat der früheren Sowjetunion mit der größten Prozentzahl von Katholiken. Am Sonntag feierte Koch mit ihnen die Messe in Minsk.

„Es waren alle Bischöfe anwesend, und die Kathedrale war sehr voll; auch viele Kinder waren da. Ich habe den Eindruck, dass der Glaube und die Kirche auf katholischer Seite in diesen Gegenden lebt und dass ein großes Bedürfnis da ist, den Glauben wieder in dieser neuen Situation zu leben."

Anlass der Reise war die siebte internationale Konferenz über christliche ethische Werte in Europa, so Kardinal Koch im Gespräch mit Radio Vatikan an diesem Donnerstag:

„Ich denke, das ist eine sehr sinnvolle Initiative – vor allem, dass das ökumenisch gestaltet wird. Ich habe den Eindruck, dass die ökumenischen Beziehungen sehr positiv und sehr tief sind. Das ist natürlich wesentlich das Verdienst des orthodoxen Metropoliten Filaret, der ein sehr offener Mensch ist und ökumenisch sehr viel unternimmt."

Er habe viele Gespräche mit orthodoxen Theologen geführt, auch mit einem orthodoxen Bischof aus der Ukraine. Es sei um die „gemeinsame Sendung von Orthodoxen und Katholiken" gegangen „und ihre Verantwortung in der heutigen Gesellschaft". Aber nicht um das orthodoxe Konzil – das erste seit über tausend Jahren –, um dessen Organisation sich vor allem der Ökumenische Patriarch Bartholomaios I. bemüht:

„Von diesem pan-orthodoxen Konzil war nicht die Rede, aber natürlich steht das immer im Hintergrund, und im Grunde können wir Katholiken ja nur hoffen, dass diese pan-orthodoxe Synode zustande kommen wird, weil das eine wesentliche Hilfe auch für den Dialog sein wird."

Der deutsche Ökumene-Experte Johannes Oeldemann, der ebenfalls auf der Tagung in Minsk war, äußerte gegenüber der Katholischen Nachrichtenagentur die Einschätzung, zu einem Treffen zwischen dem Papst und dem russisch-orthodoxen Patriarchen Kyrill I. werde es „in absehbarer Zeit" nicht kommen. Kardinal Koch erinnert demgegenüber daran, dass er im letzten März mit Kyrill gesprochen habe:

„Ich habe an sich den Eindruck gehabt, dass er einer solchen Begegnung positiv gegenübersteht und dass die Situation sich sicher verbessert hat in den vergangenen Jahren. Er hat aber auch klar gesagt, dass man noch nicht über Daten reden kann, weil es wichtiger ist, dass eine solche Begegnung dann auch intensiv vorbereitet wird, statt schon irgendwelche Daten in die Welt zu setzen."

In Minsk hat sich der Kardinal auch mit dem weißrussischen Präsidenten Alexander Lukaschenko getroffen:

„Also, die Einladung kam von ihm – er wollte unbedingt eine Begegnung haben. Er hat dabei auch an seinen Besuch hier im Vatikan bei Papst Benedikt erinnert, und er wollte einfach zum Ausdruck bringen, dass ihm eine gute Beziehung mit den Kirchen – der katholischen, der orthodoxen, mit der Ökumene – ein wichtiges Anliegen ist und dass er gern diesen Kontakt vertiefen möchte. Er hat das auch zum Ausdruck gebracht, dass er auf mehr Hilfe aus dem Vatikan setzt. Nun ist das natürlich eine gegenseitige Situation, und man muss die Fragen sehr intensiv angehen, was das Verhältnis zwischen Kirche und Staat in Weißrussland betrifft. Aber ich denke, in allererster Linie ist das zunächst eine Angelegenheit der katholischen Bischöfe dort in diesem Land." (rv)

Kardinal Koch: „Kirche ist kein Sündenbock“

Die katholische Kirche muss derzeit vieles erdulden. Unbegründete Kritik bekommt sie auch hinsichtlich ihrer ökumenischen Haltung zu spüren. Das sagt im Gespräch mit Radio Vatikan der päpstliche Ökumene-Verantwortliche, Kurienkardinal Kurt Koch. Seit etwas mehr als ein Jahr leitet der Schweizer den Päpstlichen Rat zur Förderung der Einheit der Christen. Seine Bilanz:

„Ich kann immer weniger die Kritik verstehen, die sagt, dass Rom schuld daran sei, dass die Ökumene nicht weiterkommt. Ehrlich gesagt kenne ich keine Kirche, die soviel in die Ökumene investiert wie die katholische Kirche. Trotzdem ist sie immer an allem schuld. Diese Sündenbock-Theorie möchte ich in Frage stellen, weil Ökumene einfach Zeit und Geduld braucht."

Bei den Begegnungen mit Patriarchen, Metropoliten und Vertreter von anderen christlichen Kirchen habe er festgestellt, dass…

„der Heilige Vater schon längst so etwas wie einen ökumenischen Petrusdienst ausübt. Viele suchen das Gespräch mit dem Papst und so ist er ein Bezugspunkt für viele Kirchen geworden. Das find ich sehr schön. Das müssen wir vertiefen und weiterführen. Denn die Ökumene lebt, steht und fällt mit der persönlichen Begegnung."

Im Rahmen des Deutschland-Besuchs von Papst Benedikt XVI. ist am kommenden Freitag eine ökumenische Begegnung vorgesehen. Der Papst will im Augustinerkloster in Erfurt mit 20 Vertretern der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) zusammentreffen. (rv)