Israel: Katholische Bischöfe fordern Rücknahme des „Nationalitätengesetzes“

JERUSALEM – In einer gemeinsamen Erklärung haben die katholischen Bischöfe des Heiligen Landes die umstrittene Definition von Israel als „Nationalstaat“ des jüdischen Volkes kritisiert, wie es das im Juli vom israelischen Parlament beschlossene „Nationalitätengesetz“ beschreibt.

Die katholischen Bischöfe fordern eine Rücknahme der Entscheidung, meldet die Agentur „Fides“, weil dieser Schritt den demokratischen Prinzipien widerspreche, die sowohl den Gesetzen des Landes zugrunde liegen als auch internationalen Gesetzen und Konventionen, die Israel unterzeichnet habe.

Israel soll die „Menschenrechte, die Achtung der Vielfalt und die Stärkung von Gerechtigkeit, Gleichheit und Frieden“ gewährleisten, so die Unterzeichner, zu denen der Apostolische Administrator des lateinischen Patriarchats von Jerusalem, Erzbischof Pierbattista Pizzaballa OFM sowie der Kustos der Franziskaner im Heiligen Land, Pater Francesco Patton OFM zählen.

Tatsächlich definiert das Gesetz Israel als Nationalstaat für jüdische Menschen und historisches jüdisches Heimatland, macht Hebräisch zur offiziellen Nationalsprache – unter Herabstufung des Arabischen – und bekräftigt Jerusalem als Hauptstadt. Zudem heißt es im Gesetzestext: „Der Staat sieht die Entwicklung jüdischer Gemeinden als nationalen Wert an und wird diese ermutigen und fördern.“

Ist ein so definierter „jüdischer Nationalstaat“ noch mit Menschenrechten wie der Religionsfreiheit und den Grundregeln der Demokratie vereinbar?

Die Vertreter der katholischen Gemeinden im Heiligen Land kritisieren, das Gesetz enthalte Elemente der Diskriminierung, wenn die Rede von der bevorzugten Förderung des „Wohlstands und der Sicherheit“ Bürger jüdischen Glaubens ist.

„Unsere Gläubigen, Christen und muslimische Brüder und Schwestern, Drusen und Bahais, alle Araber“ heißt es in dem Dokument weiter, „sind nicht weniger Bürger dieses Landes als unserer jüdischen Brüder und Schwestern.“

Die katholischen Bischöfe stellen in diesem Zusammenhang fest, dass seit der Unabhängigkeitserklärung Israels eine gewisse Spannung in der Formulierung enthalten gewesen sei, die den israelischen Staat sowohl als „jüdisch“ als auch als „demokratisch“ definiert, so „Fides“.

Das nun im Juli 2018 verabschiedete neue Gesetz über den „jüdischen Staat“ ändere zwar in der Praxis erst einmal wenig, doch es biete „eine verfassungsrechtliche und rechtliche Grundlage für die Diskriminierung israelischer Staatsbürger, indem betont wird, dass jüdische Bürger im Vergleich zu anderen Bürgern privilegiert sein sollen“.

Angesichts des Risikos potenzieller Diskriminierungen, so die katholischen Bischöfe und Religionsvertreter des Heiligen Landes, fordere man, „dass Christen, Muslime, Drusen, Bahai und Juden als gleichberechtigte Bürger behandelt werden“. (CNA Deutsch)

Heiliges Tattoo! Eine 700 Jahre alte christliche Tradition blüht in Jerusalem

JERUSALEM – In der Altstadt von Jerusalem ist der Pilger umgeben von Geschichte. Eine schnelle Suche auf dem Smartphone führt einen in jahrhunderte-alte Geschäfte, zu den Stufen einer tausend Jahre alten Kirche, vorbei am 3.000 Jahre alten Tempelberg – und alles platzt aus den Nähten. Aber in den steinernen Mauern von „Razzouk Ink“ kann sich der moderne Pilger diese Geschichte als lebenslanges Memento auf den Körper zeichnen lassen.

Christliche Pilger kommen seit den Kreuzfahrerzeiten zur Familie Razzouk, um sich die alten Zeichen christlicher Identität und des Pilgerns einprägen zu lassen. Heute sind die Geräte modern, und manche Entwürfe auch behutsam aktualisiert worden. Doch die Familie Razzouk sticht Tätowierungen aus Jahrhunderte alter Tradition und Geschichte.

Ein in Tinte gestochenes Familienerbe

Wassim Razzouk, 43, ist ein Tätowierungskünstler mit einer Jahrhunderte alten Ahnenreihe: einer 700 Jahre alten, um genau zu sein.

„Wir sind Kopten, wir kommen aus Ägypten, und in Ägypten gibt es eine christliche Tradition des Tätowierens, und schon meine Vorfahren aus uralter Zeit gehörten zu den Tätowierern koptischer Christen“.

Die ersten belegten christlichen Tätowierungen lassen sich in Ägypten und im Heiligen Land zurückverfolgen bis ins 6. oder 7. Jahrhundert. Von dort hat sich die Tradition unter den Ostchristen ausgebreitet, darunter den Äthiopischen, Armenischen, Assyrischen und Maronitischen Kirchen. Bis heute verlangen viele Koptische Kirchen als Beweis für die Zugehörigkeit zum Glauben ein Kreuz-Tattoo oder etwas vergleichbares. (Weitere Traditionen christlicher Tätowierung, etwa unter Kelten und Kroaten, entstand unabhängig davon zu einem späteren Zeitpunkt.)

Mit der Ankunft der Kreuzfahrer im Jahr 1095, zur Befreiung des Heiligen Landes von muslimischen Eroberern, verbreitete sich dann die Tradition auch unter europäischen Christen. Der Brauch, sich als Pilger ins Heilige Land dort zum Abschluss tätowieren zu lassen – eine Tradition, die bis heute fortbesteht – lässt sich bis ins 17. Jahrhundert zurückverfolgen.

Bei meinem Besuch des Geschäftes beobachtete ich, wie die Familie Razzouk einen römisch-katholischen Bischof beriet, der sich nach dem Abschluss einer persönlichen Wallfahrt noch in diesem Jahr tätowieren lassen will. Einige Wochen zuvor wurde hier Theophilos tätowiert, der Koptische Bischof des Rosten Meers. Weitere Kunden der Familie Razzouk waren christliche Würdenträger aus Äthiopien, verfolgte Christen, und Pilger aus ganz unterschiedlichen Gemeinden in aller Welt.

Als Wallfahrer kamen ursprünglich auch die ersten Mitglieder der Familie Razzouk nach Jerusalem. Nach vielen Wallfahrten und mehreren Generationen, die vor Ort Pilger und einheimische Christen des Heiligen Landes tätowierten, siedelten sie schließlich im Jahr 1750 permanent um in die Heilige Stadt. Wassim erzählte:

„Seit über 500 Jahren tätowieren wir Pilger im Heiligen Land, und es wurde von Vater zu Sohn immer weitergereicht.“

Künstler und Kunstwerkzeug

Die Wändes des Geschäftes erzählen aus der Familiengeschichte. Neben umrahmten Zeitungsartikeln mit Kunstwerken von Wassim und seinem Vater, Anton, hängen Schaukästen mit Portraits der Vorfahren: Wassims Großater, Yacoub, und Urgroßvater Jirius. Daneben sieht man Kunstwerkzeug wie eine ein traditionelles Gerät zum Stechen der Bilder, sowie ein frühes Tattoo-Instrument.

Traditionell stellten die christlichen Tätowierer ihre Tinte selber her und stempelten Bilder auf die Haut, bevor sie diese mit der Nadel einpausten. Auch wenn Wassim das alte Rezept für Tinte – bestehend aus Ruß und Rotwein – nicht mehr verwendet, sondern lieber moderne, sterilisierte Tinte, sind doch viele der 168 hölzernen Stempel im Besitz der Familie heute noch in Gebrauch.

Wassim stempelt die Entwürfe nicht direkt auf die Haut, sondern übeträgt sie auf ein Pauspapier, dass dann auf die Haut kommt. Während ich Wassim interviewte, sah ich, dass praktisch alle Kunden sich für Elemente dieser uralten Entwürfe entschieden. Zwei Frauen aus dem Westen Armeniens – eine Region, die heute unter türkischer Kontrolle ist – kamen herein und erzählten, dass sie gerade ihre Pilgerreise ins Heilige Land abgeschlossen hätten und nun ein traditionelles Pilger-Tattoo wollten. Ohne Änderungen.

Sie wählten den Stempel eines traditionellen Armenischen Kreuzes aus, ein kleines Kruzifix, dass zarte Blütenblätter als Elemente enthält.

Razzouk stich zum Abschluss das Jahr „2017“ darunter, um an die Zeit der Pilgerfahrt zu erinnern. Jedesmal, wenn die Frauen wieder eine Wallfahrt ins Heilige Land unternehmen, erklärte Wassim, werde dann eine weitere Jahreszahl dazukommen.

Nachdem die Frauen gegangen waren, zeigte man mir eine Schublade mit Dutzenden hölzerner Stempel, von denen jeder einmalig ist. Mehrere Entwürfe basierten auf dem Jerusalemer Kreuz: Ein Kreuz mit gleichlangen Armen, in dessen Viertel wieder je ein kleines Kreuz ist. Andere stellten die Jungfrau Maria dar, den Erzengel Sankt Michael, die Auferstehung Jesu, Lämmer, Rosen oder der Anfang Bethlehems. Ein jeder Stempel enthielt zutiefst christliche Symbolik, und erzählte damit eine Geschichte.

Die meisten Holzblöcke, die aus Oliven- und Zedernholz geschnitzt sind, stammen wohl aus dem 17. Jahrhundert, also aus einer Zeit, in der die Razzouks selber noch Pilger waren. Doch nur zwei Stempel sind verlässlich datiert – einer stammt aus dem Jahr 1749, der andere aus dem Jahr 1912. Doch Wassims Mutter, Hilda, erzählte mir, dass die ältesten Stempel bis zu 600 Jahre alt sind.

Das Retten einer Jahrhunderte alten Tradition

Trotz der tiefen geschichtlichen Verwurzelung und langen Tradition christlicher Pilger, die sich in Jerusalem tätowieren lassen: Immer wieder stand der Brauch kurz vor dem Aussterben.

Im Jahr 1947, dem Krieg für Israelische Unabhängigkeit, flohen viele Palästinenser aus Jerusalem in Sicherheit, darunter auch die Familie Razzouk. Sie kehrten zurück, aber sie waren die Ausnahme: Razzouks waren die einzigen christlichen Tätowierer, die übrig blieben.

Ein weiteres Mal stand die Tradition vor gut zehn Jahren vor dem Aus: Wassim und seine Geschwister entschieden sich, andere Berufe auszuüben.

„Ich wollte das eigentlich nicht werden“, sagte mir Wassim. „Ich stand nicht auf Tätowieren und wollte das also auch nicht machen, dafür verantwortlich sein.“

Somit studierte Wassim lieber Gastwirtschaft und verfolgte andere Interessen. „Eines Tages las ich dann online ein altes Interview mit meinem Vater“, erzählte Wassim. „Er sagte, dass er wirklich traurig sei: Er dachte, diese Tradition und das Familien-Erbe sei am Ende, weil ich es nicht tun wollte.“

Bis vor einem Jahrzehnt war Anton, Wassims Vater, der Tätowiermeister in der Familie. Keines seiner Kinder wollte den altehrwürdigen Beruf ausüben. Der Artikel und diese Realität wog schwer auf Wassims Gewissen. „Ich wollte nicht der Typ sein, dessen Name dafür steht, dass er dies abgebrochen hat – der Typ, der das gekillt hat“, so Wassim.

So begann er eine Lehre bei seinem Vater wie auch bei zeitgenössichen Tattoo-Studios, modernisierte das Geschäft und die Werkzeuge, brachte alles auf den neuesten Sicherheits- und Hygienestand. Dann verlegte er das Geschäft selber, weg aus den verschlungenen Gassen des Christenviertels in die Nähe des geschäftigen Jaffatores.

Heute arbeiten Wassim und Gabrielle, seine Ehefrau, gemeinsam im Studio. Und sie bilden ihre eigenen Kinder im Kunsthandwerk aus, wobei sie aber darauf achten, nicht zuviel Druck auszuüben, dass die nächste Generation sich nicht gezwungen fühlt, das Geschäft zu übernehmen.

Die Kunden sind froh darüber, dass das Familienerbe der Razzouks fortgeführt wird. „Ich kann mir einfach keinen besseren Weg vorstellen, dieser Wallfahrt zu gedenken, als hier mit diesem Laden“, erzählte mir Matt Gates, ein Pilger aus Daphne im US-Bundesstaat Alabama. Er ließ sich ein Jerusalemer Kreuz stechen.

Nach dem spirituell begeisternden, geistlich stärkenden Erlebnis dieser Reise habe diese Tätowierung eine ganz besondere Bedeutung für ihn. „Das ist so ein cooles Erbe, hier sich mit einem 500 Jahre alten Stempel tätowieren zu lassen“, sagte er. „Ich habe eine Menge Tattoos, aber dieses wird so viel mehr bedeuten als alle anderen“. (CNA Deutsch)

Christen in Jerusalem reagieren auf Vandalismus durch Siedler

JERUSALEM – Vertreter christlicher Kirchen verteidigen die Notwendigkeit einer christlichen Präsenz in der Altstadt Jerusalems angesichts Berichten über zunehmenden Vandalismus, Beschimpfungen, und aggressiven Grundstückskäufen durch jüdische Siedler.

„Die Kirche wird heute massiv bedroht durch bestimmte Siedler-Gruppen. Die Siedler versuchen hartnäckig, die Präsenz der christlichen Gemeinde in Jerusalem zu erodieren“, sagte der griechisch orthodoxe Patriarch von Jerusalem, Theophilos III, in einem Interview mit der Zeitung „the Guardian„.

„Diese radikalen Siedler-Gruppen sind hoch organisiert. In den vergangenen Jahren sind wir Zeuge der Schändung und Zerstörung einer bisher nie dagewesenen Zahl von Kirchen und Heiligenstedten geworden, und erhalten immer mehr Berichte von Priestern und Gläubigen vor Ort, die angegriffen und beschimpft wurden“, fuhr der Patriarch fort.

Katholische Institutionen und Gläubige sind auch Opfer solcher Angriffe, so der Priester David Neuhaus, Der dem Päpstlichen Biblischen Institut angehört.

„Was Patriarch Theophilos beschreibt ist richtig, insofern kirchliches Eigentum und einzelne Christen angegriffen worden sind“, sagte Pater Neuhaus gegenüber CNA.

„Die Angreifer unterscheiden nicht zwischen verschiedenen christlichen Konfessionen“, erklärte Pater Neuhaus weiter. So seien oft auch katholische Einrichtungen und Gläubige Opfer dieser Angriffe Punkt

Die meisten Christen in Israel sind Araber und gehören entweder der griechisch-katholischen Kirche an, der griechisch-orthodoxen, oder der römisch-katholischen Kirche.

Die deutschsprachige Benediktinerabtei Dormitio wurde in den vergangenen Jahren fünfmal mit anti-christlichem Graffiti in hebräischer Sprache beschmiert.

im September 2017 zerschmetterten Angreifer Kirchenfenster und zerstörten eine Statue der Muttergottes in der Stephanskirche in Beit Jamal, einem Salesianer-Kloster im Westen von Jerusalem.

Der Orden vom Heiligen Grab hat vor kurzem eine Spende bewilligt für einen Zaun um eine ebenfalls geschändete Kirche in Nazareth. Dieser soll weitere Angriffe unterbinden helfen.

Für Pater Neuhaus ist es wichtig daran zu erinnern, dass „diese Angriffe auch gegen Muslime verübt werden“, und „viel mehr Moscheen als Kirchen angegriffen werden“. Die Gewalt der Siedler richte sich gegen alle Nichtjuden.

„Die Frage der Siedler und damit verbundener Gewalt ist ein wichtiges Phänomen in der israelischen Gesellschaft und betrifft Christen und Muslime sehr tief“, sagte der US-amerikanische Priester.

Der Direktor von „In Defence of Christians“, Philippe Nassif, sagte gegenüber CNA, dass er besorgt sei über extremistische Angriffe „von allen Seiten“.

„Es ist wichtig, dass Christen sich frei fühlen, ihren Glauben auszuüben, zu arbeiten, und in Israel ohne Angst vor Gewalt durch eine Handvoll Extremisten, und wir bitten die israelische Regierung dringend, die Straftäter solcher Verbrechen auch vor Gericht zu bringen und wirklich zu bestrafen“, so Nassif weiter.

Auch das Lateinische Patriarchat von Jerusalem hat vergangene Woche die Bedeutung der christlichen Gemeinschaft in Jerusalem betont.

„Die Identität Jerusalems wäre ohne eine lebendige und sichtbare christliche Präsenz nicht vollständig. Die Heiligen Stätten und die Anwesenheit vieler Pilger sind nicht genug, um den christlichen Charakter der Stadt zu bekräftigen: Ohne die Anwesenheit einer lebendigen und aktiven Gemeinde kann es keine Kirche geben „, schrieb Erzbischof Pierbattista Pizzaballa, Apostolischer Administrator des Patriarchats, in einem Brief an die Lateinische Gemeinde in Jerusalem am 3. Mai.

Erzbischof Pizzaballa sagte, die Kirche erwäge, in Jerusalem eine zweite Pfarrei zu gründen, um die christliche Präsenz zu stärken.

„Es ist daher eine Priorität und grundlegend für uns alle, unsere Präsenz in Jerusalem nicht nur zu bewahren, sondern vielmehr zu stärken und den christlichen Charakter der Heiligen Stadt zu bewahren“, schrieb der Erzbischof.

Am 14. Mai werden die Vereinigten Staaten ihre neue Botschaft in Jerusalem eröffnen und die USA zum ersten Land machen, das Jerusalem seit der Gründung des Staates im Jahr 1948 als Hauptstadt Israels anerkennt.

Nachdem Präsident Donald Trump im Dezember vergangenen Jahres diesen Schritt angekündigt hatte, drückte Papst Franziskus seine „tiefe Besorgnis“ aus und appellierte an die internationale Gemeinschaft, sicherzustellen, dass „sich jeder gemäß den einschlägigen Resolutionen der UN dazu verpflichtet, den Status quo der Stadt zu respektieren.“

Papst Franziskus drängte darauf auch im Oktober 2017 bei seinem Treffen mit Theophilos III. – dabei sprachen die Oberhäupter auch über die Sorge des Patriarchen um die christliche Gemeinschaft angesichts der Aggression jüdischer Siedler.

Der Papst sagte: „Jede Art von Gewalt, Diskriminierung oder Intoleranz gegenüber jüdischen, christlichen und muslimischen Anbetern oder Orten der Anbetung muss entschieden abgelehnt werden. Die Heilige Stadt, deren Status Quo verteidigt und bewahrt werden muss, sollte ein Ort sein, an dem alle friedlich zusammenleben können; Sonst wird die endlose Spirale des Leidens für alle weitergehen. “ (CNA Deutsch)

Dialog ist immer möglich, sagt Kardinal angesichts der Spannungen in Jerusalem

JERUSALEM – Der Vorsitzende des Päpstlichen Rates für den Interreligiösen Dialog, Kardinal Jean-Louis Tauran, hat in Bezug auf die Situation im Heiligen Land betont, dass der Dialog „immer möglich“ sei.

In einem Interview mit der Tageszeitung des Vatikan, L’Osservatore Romano (LOR), bekräftigte der französische Kurienkardinal auch die Bedeutung der gegenseitigen Achtung in Bezug auf die Anhänger anderer Religionen.

Kardinal Tauran erklärte gegenüber LOR, „den Dialog als Weg zu beschreiten, ist immer möglich; aus diesem Grund sollte er, trotz allem, befördert werden. Ja, denn der Christ ist aufgerufen, auch in schwierigen Zeiten ein kohärentes Zeugnis abzulegen, vor allem in einer Welt, in der die Gewalt zunehmend im Namen Gottes oder der Religion verübt wird.“

Seiner Meinung nach gebe es noch Hoffnung für den Frieden im Nahen Osten, betonte er, in Bezugnahme auf die Entscheidung des Präsidenten der Vereinigten Staaten, Donald Trump, Jerusalem als Hauptstadt Israels anzuerkennen.

„Der Dialog muss weiterhin auf allen Ebenen geführt werden. Es genügt, daran zu denken, was aufgrund eines signifikanten Zufalls am 6. Dezember passiert ist, als die Entscheidung des Weißen Hauses öffentlich bekanntgemacht wurde“, erinnerte der Kardinal in Bezug auf das Treffen des Papstes mit den Teilnehmern einer Versammlung des Dikasterium und der Kommission für den Interreligiösen Dialog des Staates Palästina.

Diese ganze Situation, so der Kardinal, „zeigt, wie wichtig es ist – für uns Christen – in unserem Glauben eifrig und konsequent zu bleiben, in den Schwierigkeiten einer Welt, die so pluralistisch ist, und uns nicht entmutigen zu lassen, um die charakteristischen Herausforderungen einer multikulturellen Realität besser zu verstehen und zu bezeugen, dass es möglich ist, zusammenzuleben, in der Überzeugung, dass die Liebe die einzige Kraft ist, die fähig ist, die Welt zu einem besseren Ort für uns alle zu machen.“

Der Status Quo Jerusalems

Am Mittwoch, den 6. Dezember, hatte Donald Trump seine Entscheidung bekanntgegeben, die Botschaft der Vereinigten Staaten von Tel Aviv nach Jerusalem zu verlegen.

Damit wurde Jerusalem durch die USA als Hauptstadt Israels anerkannt, was zu teilweise gewalttätigen Zusammenstößen geführt hatte. Die palästinensische Organisation Hamas rief zu einer neuen “Intifada” auf, das heißt zu einer neue Rebellion, einem neuen Aufstand gegen Israel.

Mehrere Länder und UN-Vertreter haben Trumps Entscheidung kritisiert. Andere Regierungen haben jedoch die Ankündigung der Vereinigten Staaten befürwortet, wie Guatemala, das ebenfalls ankündigt hat, den Sitz seiner Botschaft in Israel nach Jerusalem zu verlegen.

Der Status Jerusalems ist ein Schlüsselthema im israelisch-palästinensischen Konflikt, da beide Seiten auf diese Stadt als ihre Hauptstadt Anspruch erheben.

Über Jahre hinweg haben die amerikanischen Präsidenten den diplomatischen Sitz in Tel Aviv belassen, wie die meisten Nationen der Welt auch, und ihn nicht nach Jerusalem verlegen wollen.

Die Palästinenser und ein Großteil der arabischen und muslimischen Welt akzeptieren nicht, dass Jerusalem Hauptstadt Israels sei. Neben der umstrittenen Territorialfrage spielt dabei auch eine Rolle, dass sich in Jerusalem heilige Stätten des Judentums, Christentums und Islam befinden.

In der Generalaudienz am 6. Dezember appellierte Papst Franziskus nachdrücklich an den Frieden und daran, eine Lösung für die neue, durch den amerikanischen Präsidenten ausgelöste Krise zu finden. (CNA Deutsch)

Vatikan/USA: Sorge wegen Botschaftswechsel nach Jerusalem

Im Vatikan stößt das Vorhaben der US-Regierung, ihren Botschaftssitz in Israel von Tel Aviv nach Jerusalem zu verlegen, auf Unverständnis. Für den langjährigen Ständigen Beobachter des Heiligen Stuhls bei der UNO, Erzbischof Silvano Tomasi, müsse weiterhin die Zwei-Staaten-Lösung verfolgt werden, wie er im Gespräch mit Radio Vatikan an diesem Mittwoch sagt. Seit jeher unterstütze der Heilige Stuhl die Haltung der Vereinten Nationen, die darauf abzielt, einen palästinensischen Staat neben einem israelischen Staat anzuerkennen. Voraussetzung sei, dass sich beide unabhängige Staaten gegenseitig respektieren, fügt Erzbischof Tomasi an. Doch mit der Verlegung der US-Botschaft nach Jerusalem werde dieses Ziel wesentlich schwieriger zu erreichen sein.

„Jerusalem muss weiterhin allen drei großen abrahamitischen Religionen zugänglich bleiben, also für Christen, Muslime und Juden. Die Tatsache, dass man sagt, Jerusalem sei die Hauptstadt allein von Israel und all die damit verbundenen juristischen Konsequenzen, verkompliziert die bisherige Haltung der UNO, die auch vom Heiligen Stuhl unterstützt wird. Deshalb muss eine politische Linie verfolgt werden, die nicht Trennungen hervorruft, sondern die im Gegenteil Eintracht stiftet und Frieden garantiert.“

Als langjähriger Vatikandiplomat habe er festgestellt, dass es einer „vertieften Zusammenarbeit“ auf internationaler Ebene bedarf. Man können nicht einseitige Beschlüsse fassen, gerade wenn es um die Beziehungen zwischen Staaten gehe.

„Doch solche Gesten und auch solche Äußerungen, die den internationalen Konsens zerbrechen, bergen die Gefahr neuer Gewaltausbrüche. Wir müssen aber stattdessen versuchen, eine solche Politik mit allen möglichen Mitteln zu verhindern.“

Gerade die jüngsten Beschlüsse in den USA seien nicht förderlich. So würde der sogenannte „Travel Ban“ – auch „Muslim Ban“ genannt – ein falsches Zeichen setzen und in die falsche Richtung führen. Der Oberste Gerichtshof der USA entschied diese Woche, dass Donald Trumps umstrittener Bann mit Einschränken vorerst in Kraft treten dürfe.

„Dieser Beschluss ist selektiv, weil damit sieben Länder auf die Schwarze Liste gesetzt werden. Es handelt sich um sehr arme Länder und vor allem leben dort mehrheitlich Muslime. Die Haltung der US-Regierung stiftet somit sehr viel Trennung anstatt Einheit. Es fehlt an gutem Willen, mit der internationalen Gemeinschaft zusammenzuarbeiten. Auch entspricht eine solche Haltung nicht der Tradition der USA, die – vergessen wir es nicht – ein Einwanderungsland par excellence war und ist.“

Und dritter Streich der US-Regierung: Sie zieht sich auch aus einer Flüchtlingsvereinbarung der UNO zurück. Trump wolle sich nicht länger an der Ausarbeitung des globalen Flüchtlings- und Migrationspaktes beteiligen, erklärte die US-Vertretung am Sitz der Vereinten Nationen in New York. Die dazu verabschiedete New Yorker Erklärung sei „unvereinbar“ mit der Einwanderungs- und Flüchtlingspolitik der USA, hieß es aus dem Umfeld Trumps. Auch das stößt bei Erzbischof Tomasi auf Unverständnis.

„Gemäß der Katholischen Soziallehre müssen wir uns alle dafür verantwortlich fühlen, was auf der Welt passiert. Wir sind eine einzige Menschheitsfamilie. Was die Frage um die aktuelle Migration auf der Welt betrifft, so können wir die Probleme nicht damit lösen, dass man selektiv vorgeht, also die einen hineinlässt und andere nicht und dass man selber entscheidet, ohne andere mit einzubeziehen. Es bedarf stattdessen einer internationalen Zusammenarbeit. Diese multilaterale Kooperation drückt sich vor allem in der Zusammenarbeit aller Länder bei der UNO aus, die an Lösungen zum Migrationsphänomen arbeiten. Die ablehnende Haltung der USA ist keine Unterstützung für die Lösungssuche auf internationaler Ebene. Es hilft auch nicht, Frieden zu stiften und zu fördern. Wir können die Migration nur auf eine multilaterale Weise angehen. Das bedeutet, dass sich alle Staaten daran beteiligen sollten. Gerade die USA sind sehr wichtig, auch weil sie wegen ihrer langjährigen Tradition im Bereich der Einwanderung sehr viel beitragen könnten.“ (rv)

Papst Franziskus fordert Ende der Gewalt im Heiligen Land in Botschaft an Christen

VATIKANSTADT – Der Papst hat gestern „mit großer Freude“ seine Seligkeit Theophilos III. empfangen, den griechisch-orthodoxen Patriarchen von Jerusalem in einer Audienz im Vatikan. Der Patriarch befindet sich in dieser Woche auf Besuch in Rom und der Papst nutzte die Gelegenheit, eine Botschaft der Ermutigung an die Christen im Heiligen Land zu senden.

Nachdem er kurz an seinen Besuch im Jahre 2014 erinnert und für den herzlichen Empfang gedankt hatte, sprach sich der Papst lobend über die Restaurierung des Heiligen Grabes aus, die vor knapp einem Monat beendet wurde. „Man hat nicht nur die Integrität eines Monuments aus der Vergangenheit bewahrt, sondern auch daran gearbeitet, dass in der Zukunft das Zeugnis erklingt, das vom leeren Grab ausgeht.“

Franziskus drückte erneut all jenen seine Nähe aus, „die aufgrund der Konflikte leiden, die das Heilige Land seit Jahrzehnten belasten.“

„Die Ungewissheit der Situation und das mangelnde Verständnis zwischen den Parteien verursacht weiterhin Unsicherheit, Einschränkungen der Grundrechte und den Auszug aus dem eigenen Land.“

„Deshalb erflehe ich die Hilfe Gottes und bitte alle Beteiligten, ihre Bemühungen zu vermehren, damit die für einen dauerhaften Frieden notwendigen Voraussetzungen geschaffen werden, die auf Gerechtigkeit und Anerkennung der Rechte aller gründen.“

Um das zu erreichen, „müssen wir jedoch mit Entschiedenheit die Anwendung jeglicher Art der Gewalt, jeglicher Form der Diskriminierung sowie jegliche Manifestation der Intoleranz gegenüber Personen oder Stätten der jüdischen, christlichen oder muslimischen Konfession zurückweisen.“

„Die Heilige Stadt, deren Status Quo verteidigt und bewahrt werden muss, sollte ein Ort sein, an dem alle friedlich zusammenleben können; ansonsten wird sich für alle diese Spirale der Gewalt ohne Ende weiterdrehen.“

Den Christen im Heiligen Land „wünsche ich, dass sie weiterhin fester Bestandteil der Gesellschaft sind“ und „ohne müde zu werden zum Gemeinwohl und zum Aufbau des Friedens beitragen.“

Konkret ruft der Papst dazu auf, „die christlichen Familien und Jugendlichen zu unterstützen, damit sie nicht in eine Situation geraten, die sie zwingt, ihr eigenes Land verlassen zu müssen.“

Des Weiteren wünscht sich der Papst die Gemeinschaft zwischen den verschiedenen religiösen Konfessionen, aber auch unter den Christen selbst.

Übersetzt aus dem Spanischen von Susanne Finner. (CNA Deutsch)

Parolin: Das erwarte ich von der Papstreise

Kardinal ParolinAm Samstag fliegt Papst Franziskus ins Heilige Land: Dort besucht er Jordanien, Palästina und Israel. Zwar handelt es sich nicht um eine politische Tour, sondern um eine Pilgerreise, wie er am Mittwoch noch einmal betonte – doch unvermeidlich wird der Papst sich ins Gewebe nahöstlicher Probleme und Komplikationen verstricken. Israelis ärgern sich, dass er zunächst nach Palästina reist und die Westbank als entfernt staatliches Gebilde anerkennt; Palästinenser sind verstimmt, dass Franziskus als erster Papst auch das Grab des Ur-Zionisten Theodor Herzl besuchen will. Der vatikanische Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin hofft, dass die Visite aus Rom vor allem in ökumenischer Hinsicht Früchte trägt, schließlich ist ihr Haupt-Anlass ja das Treffen mit dem Ökumenischen Patriarchen der Orthodoxie, Bartholomaios. „Und wir hoffen auf eine Frucht des Friedens. Wir wissen ja, dass der Papst in eine besonders leidgeprüfte Region reist. Ich hoffe, dass die Reise den Verantwortlichen und allen Menschen guten Willens wirklich helfen wird, mutige Entscheidungen auf dem Weg des Friedens zu treffen.“ Dass die auf US-Initiative betriebenen Friedensgespräche zwischen Israelis und Palästinensern vor kurzem wieder einmal abgestürzt sind, hat den Vatikan verärgert. Er hofft auf ein baldiges Wiedererstehen des Gespräche-Phönix aus der Asche. Worum geht es?, fragte das Vatikanfernsehen CTV Kardinal Parolin. „Auf der einen Seite ist da das Recht Israels, zu existieren und in Frieden und Sicherheit innerhalb von international anerkannten Grenzen zu leben. Das Recht des palästinensischen Volkes auf eine souveräne, unabhängige Heimat, die Reisefreiheit, das Recht auf ein Leben in Würde. Und dann die Anerkennung des heiligen und universellen Charakters der Stadt Jerusalem, ihres kulturellen und religiösen Erbes, die Anerkennung als Pilgerziel von Gläubigen der drei monotheistischen Religionen. Das sind die Punkte, auf denen der Papst besonders bestehen wird. Das ist – in Anführungszeichen – die ‚Politik‘ des Heiligen Stuhls, was den israelisch-palästinensischen Konflikt betrifft.“ Aber wie gesagt: Die Reise dient vor allem der Ökumene. Erstmals in der Geschichte halten die Führer der katholischen und der orthodoxen Kirchen einen gemeinsamen Gottesdienst in der Grabes- und Auferstehungskirche von Jerusalem – eine Erinnerung an das historische Treffen von Papst Paul VI. und Patriarch Athenagoras I. in Jerusalem vor genau fünfzig Jahren. „Die Ökumene ist eine der Errungenschaften des Zweiten Vatikanischen Konzils, und das Treffen zwischen Paul und Athenagoras hat ihr entscheidenden Schwung verliehen. Manchmal zählen Gesten eben mehr als Worte. Ich wünsche mir, dass das Treffen zwischen Papst Franziskus und Patriarch Bartholomaios diese Flamme wieder hochzüngeln lässt. Diesen Enthusiasmus für den ökumenischen Weg, der alle Projekte – an denen es ja nicht fehlt! – stärker beleben sollte. Die Leidenschaft für die Einheit, die das letzte Gebet Jesu vor seinem Leiden und Sterben war.“ (rv)

Jerusalem: Voll, aber friedlich

Via DolorosaGläubige und Pilger aus der ganzen Welt kommen in das Heilige Land, um die religiösen Feiern in der Grabeskirche zu verfolgen, Christen aller Konfessionen sind am Karfreitag dort, um mit Holzkreuzen den Leidensweg Jesu – die Via Dolorosa – nachzuempfinden. Dieses Jahr überlagern sich die religiösen Feste in Jerusalem. Trotz unterschiedlicher Kalendersysteme feiern die Christen der Ost- und Westkirche zur selben Zeit Ostern und zusätzlich die Juden ihr Pessach-Fest. Alle wollen nach Jerusalem! Der Journalist Ulrich Sahm ist vor Ort und hat in einem Interview mit dem Domradio vom Ausnahmezustand erzählt:

„Da steht natürlich das ganze Land Kopf. In diesen Tagen werden in einem Land von einer Bevölkerung von nur acht Millionen Menschen eine Million Menschen allein den Flughafen passieren. Pilger, die kommen und Israelis, die in den Pessach-Urlaub irgendwohin fliegen, in die Türkei oder anderswohin. Die Polizei steht Kopf, weil fürchterliche Staus erwartet werden. Insofern ist es furchtbar.“

Es ist selten, dass Ostern der West- und Ostkirche an einem Termin zusammenfallen. Das passiert erst wieder 2017 und dann wieder 2025. Warum? West- und Ostkirche konnten sich bisher nicht auf ein gemeinsames Datum für die Feier der Auferstehung Christi einigen. In den meisten orthodoxen Kirchen richtet sich die Lage der Festtage nach dem alten Julianischen Kalender und nicht nach dem Gregorianischen Kalender, den Papst Gregor XIII. im 16. Jahrhundert im Zug seiner Kalenderreform einführte. Dieser gemeinsame und große Ansturm der Gläubigen führt in Jerusalem zu erhöhten Sicherheitsmaßnahmen, kontrollierten Zugängen in der Altstadt und schließlich auch zu Beschränkungen am Tempelberg. In den vergangenen Tagen ist es zu Ausschreitungen zwischen Palästinensern und israelischer Polizei gekommen, gefährlich sei es aber nicht, so Ulrich Sahm.

„Anschläge, würde ich sagen, kann man fast ausschließen. Es gibt Spannungen auf dem Tempelberg, zum Beispiel haben dann die Israelis beschlossen, dass keine Touristen und keine Juden auf den Tempelberg steigen dürfen und dass nur Frauen und Männer über 50 mit israelischem Ausweis dort beten gehen dürfen. Also, es wird versucht, da auch diese Spannungen ein wenig zu mindern, zu lindern. Anschläge werden eigentlich nicht erwartet. Es hat ja schon einige Jahre lang keine richtigen großen Anschläge mehr gegeben, Selbstmordattentate oder dergleichen. Insofern ist Jerusalem eigentlich ein sehr ruhiger Fleck geworden, auch wenn es fürchterlich voll ist.“

Den Ostergottesdienst feiern die Katholiken in der Grabeskirche aufgrund des besonderen Zeitplans der unterschiedlichen Religionen bereits am frühen Samstagmorgen. Laut Sahm kann es passieren, dass durch die Absperrungen und Kontrollen auch einige Christen, die aus fernen Ländern wie Äthiopien angereist sind, bei der Osterzeremonie nicht teilnehmen können. Er befürchte aber keine großen Auseinandersetzungen:

„Da gibt es nun einen so genannten Status quo, das heißt Regeln, die sind über 300 Jahre alt, die aufgestellt worden sind und die dafür sorgen, dass jede religiöse Gemeinschaft, Kirche, Konfession, dass jeder an seinen Altären genau zu festgelegten Zeiten betet oder Gottesdienste feiert, dass die Prozessionen eine nach der anderen abgehalten werden, damit es da nicht zu Zusammenstößen kommt. Es gibt manchmal Prügeleien, weil bei manchen die Uhren nicht so ganz richtig gehen. Aber dafür ist ja Polizei präsent und die sorgt dann dafür, die Streithähne auseinanderzutreiben.“
(rv)

Israel: „Welle der Fremdenfeindlichkeit“

Sie kommen aus dem Südsudan, oder aus Eritrea. Irgendwie haben sie es nach Israel geschafft: Jetzt fühlen sie sich sicher. Aber sie täuschen sich: Immer wieder werden Menschen ohne legalen Status aus Afrika Opfer rassistischer Angriffe. Erst in Tel Aviv, dann in Jerusalem. Vor drei Tagen steckten Unbekannte in der Heiligen Stadt ein Haus in Brand, in dem eritreische Immigranten wohnen. Tötungsabsicht, sagt die Polizei. „Eine Welle von Fremdenfeindlichkeit", sagt David Neuhaus. Der Priester ist Arbeiter-Beauftragter der katholischen Kirche in Israel.

„Hier leben 60.000 Afrikaner, arme Leute, die Asyl suchen. Ihr Leben in Israel ist unglaublich hart: Sie wohnen in Tel Aviv in Stadtvierteln, wo es schon viele einheimische Arme gibt, die fühlen sich dann bedroht, und die Spannung explodiert, weil es keine klare Linie der Regierung gibt und keine Aufklärung der Israelis, die sich ja immer bedroht fühlen. Am letzten 23. Mai haben wir in Tel Aviv eine Demonstration erlebt, bei der die Teilnehmer auf jeden Afrikaner losgingen, der gerade vorbeikam. Presseberichte über Vergewaltigungen durch Afrikaner hatten die Stimmung angeheizt. Eher überraschend war dann das Feuer in Jerusalem: Hier gibt es noch nicht viele afrikanische Asylbewerber. Dass Rassisten ein Wohnhaus von afrikanischen Einwanderern in Brand setzen, ist darum sehr, sehr schwerwiegend."

Vor der Demo von Tel Aviv, also vor den ersten rassistischen Ausschreitungen, hatten Premierminister Benjamin Netanjahu und Innenminister Eli Yishai von der Shas-Partei „sehr aggressive Dinge gesagt", so Pater Neuhaus. Aber danach hätten „einige dann doch mildere Töne angeschlagen, an die Verantwortung appelliert". Israels neue Rassisten seien Mittelständler, die den sozialen Absturz fürchteten, und Leute, die denken, dass Nichtjuden in Israel nichts zu suchen hätten.

„Das kommt beides zusammen und wird von den wirtschaftlichen Schwierigkeiten noch verstärkt. Politiker stacheln arme Israelis auf, da geht`s zunächst um finanzielle Sorgen, und das Klima der Fremdenangst schürt dann das Feuer des Rassismus."

Die Knesset hat erst vor kurzem ein Gesetz gegen illegale Einwanderer verabschiedet, das Pater Neuhaus „ausgesprochen hart" findet:

„Wer illegal nach Israel einreist, riskiert jetzt drei Jahre Gefängnis. Damit will Israel vor allem das Einsickern von Einwanderern über die ägyptische Grenze stoppen, die man hier „Infiltrationen" nennt. Zusätzlich baut Israel dort aus dem gleichen Grund auch eine Mauer. Nicht nur das Gesetz, auch die Worte sind hart. Diese Menschen werden nie als Personen angesprochen, die vor dem Tod oder dem Hunger fliehen – stattdessen herrscht die Vorstellung vor, dass das illegale Infiltrierte sind, also Kriminelle, die ins Gefängnis gehören."

Pater Neuhaus arbeitet mit einigen israelischen Verbänden zusammen, die sich gegen Rassismus und für die Rechte von Einwanderern einsetzen. Für ihn gehört das zur „Berufung des Heiligen Landes". Auch mit einigen Ministern und Verantwortlichen bei den Behörden sei das Lateinische Patriarchat von Jerusalem in Kontakt, „um diesen armen Menschen zu helfen". Aber er gibt zu bedenken:

„Die Kirche ist sehr schwach, wir sind ja nur einige wenige, aber darum müssen wir eben versuchen, besonders klar zu reden. Wir haben auch eine Erklärung zu den Vorgängen des 23. Mai veröffentlicht – es ist sehr wichtig, Klartext zu reden, zu zeigen dass man die Problematik versteht, dass man aber Gewalt als Lösung nicht akzeptiert. Die Berufung der Kirche ist eindeutig, und wir haben eine immense Arbeit zu leisten. Zu unserer Kommission gehören Personen, die aus diesen Ländern kommen, etwa eine Ordensfrau aus Eritrea, die mit Landsleuten arbeitet; andere, die mit Sudanesen, Philippinos und mit Indern arbeiten." (rv)

Nahost: Sechs Konfessionen in der Grabeskirche – Und jeder findet seinen Platz

In die Jerusalemer Grabeskirche drängen zu Ostern jährlich ganze Pilgerströme. Das leere Grab, aus dem Christus auferstanden sein soll, ist Anziehungspunkt für viele tausend Gläubige der unterschiedlichen christlichen Konfessionen. Veronica Pohl hat sich die Anziehungskraft des Ortes erklären lassen:

Bruder Marcello stammt aus Argentinien. Er gehört dem Franziskanerorden an, der seit 1342 im Heiligen Land vertreten ist. Die Franziskaner verwalten im Auftrag des Papstes die Bereiche der Grabeskirche, die den römisch-katholischen Christen zugesprochen sind. Bruder Marcello beschreibt die vielen Menschen, die zu Ostern die Kirche besuchen, so:

„Die Meisten kommen tatsächlich als Pilger. Für sie wird am Heiligen Grab deutlich, dass Gott die Transzendenz hinter sich gelassen hat, sich hineinbegeben hat in unsere Welt. Und dann auferstanden ist, damit auch wir auferstehen! Der kleinere Teil kommt als Touristen. Was mich fasziniert ist, dass diese Menschen zwar als Touristen kommen, aber diesen Ort als Pilger verlassen. Das bewirkt die Besonderheit der Grabeskirche. Das Geheimnis des Leeren Grabes. Hier begegnet man wahrhaftig dem Herrn.“

Jedes Jahr freue er sich auf das Osterfest – trotz des Trubels in der Altstadt von Jerusalem. Denn in der Grabeskirche werde das Osterereignis greifbar wie nirgends sonst, findet Bruder Marcello:

„Das Heilige Grab ist das Zentrum unseres Glaubens: Christus ist gestorben und auferstanden – dafür stehen das Kreuz und jede Christusnachfolge. Damit ist das Grab der Mittelpunkt der christlichen Spiritualität. An diesem Ort gedenken wir im Gebet dessen, was der Herr für uns getan hat. Denn für uns ist er gestorben und von den Toten auferstanden. Das ist der Kern unseres christlichen Glaubens. Und hier am Grab hat dieser Glaube seinen Ursprung.“

Der Glaube an Christus sei der gemeinsame Glaube aller vertretenen Konfessionen. Deshalb sei die Einheit unter den katholischen, koptischen, griechisch-orthodoxen, armenischen, syrisch- und äthiopisch-orthodoxen Christen vor Ort stärker, als gelegentliche Zwiste das vermuten ließen:

„Dieses Miteinander ist keine bloße Idee, sondern wird hier tatsächlich umgesetzt. Im Zusammenleben gibt es immer mal wieder Reibungspunkte – auch an Ostern wird das deutlich. Aber vor allem begegnet man sich. Und weiß, dass uns der christliche Glaube hier am Grab Christi und am Kalvarienberg eint. Zu Ostern werden die Schwierigkeiten, die das Miteinander der Konfessionen im Alltag prägen, vielleicht sogar eher etwas hintangestellt.“

Aram Katchaturiam stammt aus Armenien, führt Pilger aller Konfessionen durch die Grabeskirche und teilt diesen Eindruck grundsätzlich:

„Nein, als feindselig würde ich das Verhältnis nicht beschreiben. Es gibt bestimmte Anspannungen, besonders zwischen den griechischen und den armenischen Christen. Aber das Zusammenleben ist hier in der Grabeskirche gut geregelt, auch die Abläufe zum Osterfest. Jeder hat seinen angestammten Platz und seine festgelegten Zeiten, und das ist auch gut so! Früher gab es immer mal Unklarheiten und die haben dann zum Streit geführt. Aber jetzt ist das weniger der Fall.“

Diese Regeln haben also auch ihr Gutes. Das findet auch der Geistliche, der den griechisch-orthodoxen Kreuzigungsaltar am Kalvarienberg bewacht. Er nickt zufrieden und bemerkt in österlicher Stimmung:

„Das Kreuz Christi, mit Maria und Johannes, das repräsentiert unsere Gemeinschaft hier. Am Golgathafelsen sind wir dem Osterereignis besonders nahe.“ (rv)