Papst Franziskus fordert Ende der Gewalt im Heiligen Land in Botschaft an Christen

VATIKANSTADT – Der Papst hat gestern „mit großer Freude“ seine Seligkeit Theophilos III. empfangen, den griechisch-orthodoxen Patriarchen von Jerusalem in einer Audienz im Vatikan. Der Patriarch befindet sich in dieser Woche auf Besuch in Rom und der Papst nutzte die Gelegenheit, eine Botschaft der Ermutigung an die Christen im Heiligen Land zu senden.

Nachdem er kurz an seinen Besuch im Jahre 2014 erinnert und für den herzlichen Empfang gedankt hatte, sprach sich der Papst lobend über die Restaurierung des Heiligen Grabes aus, die vor knapp einem Monat beendet wurde. „Man hat nicht nur die Integrität eines Monuments aus der Vergangenheit bewahrt, sondern auch daran gearbeitet, dass in der Zukunft das Zeugnis erklingt, das vom leeren Grab ausgeht.“

Franziskus drückte erneut all jenen seine Nähe aus, „die aufgrund der Konflikte leiden, die das Heilige Land seit Jahrzehnten belasten.“

„Die Ungewissheit der Situation und das mangelnde Verständnis zwischen den Parteien verursacht weiterhin Unsicherheit, Einschränkungen der Grundrechte und den Auszug aus dem eigenen Land.“

„Deshalb erflehe ich die Hilfe Gottes und bitte alle Beteiligten, ihre Bemühungen zu vermehren, damit die für einen dauerhaften Frieden notwendigen Voraussetzungen geschaffen werden, die auf Gerechtigkeit und Anerkennung der Rechte aller gründen.“

Um das zu erreichen, „müssen wir jedoch mit Entschiedenheit die Anwendung jeglicher Art der Gewalt, jeglicher Form der Diskriminierung sowie jegliche Manifestation der Intoleranz gegenüber Personen oder Stätten der jüdischen, christlichen oder muslimischen Konfession zurückweisen.“

„Die Heilige Stadt, deren Status Quo verteidigt und bewahrt werden muss, sollte ein Ort sein, an dem alle friedlich zusammenleben können; ansonsten wird sich für alle diese Spirale der Gewalt ohne Ende weiterdrehen.“

Den Christen im Heiligen Land „wünsche ich, dass sie weiterhin fester Bestandteil der Gesellschaft sind“ und „ohne müde zu werden zum Gemeinwohl und zum Aufbau des Friedens beitragen.“

Konkret ruft der Papst dazu auf, „die christlichen Familien und Jugendlichen zu unterstützen, damit sie nicht in eine Situation geraten, die sie zwingt, ihr eigenes Land verlassen zu müssen.“

Des Weiteren wünscht sich der Papst die Gemeinschaft zwischen den verschiedenen religiösen Konfessionen, aber auch unter den Christen selbst.

Übersetzt aus dem Spanischen von Susanne Finner. (CNA Deutsch)

Paul VI. im Heiligen Land: Der Beginn eines langen Weges

Papst Paul VI.50 Jahre genau ist es her, als die Ära der reisenden Päpste begann, 50 Jahre genau ist es her, dass katholische und orthodoxe Kirchen sich auf den Weg der Annäherung machten, 50 Jahre genau ist es her, dass die Gedanken zu Dialog und Ökumene des gerade tagenden Zweiten Vatikanischen Konzils konkret wurden: Vor 50 Jahren, am 4. Januar 1964, brach Papst Paul VI. zu seiner ersten Reise ins Heilige Land auf.

„Es ist unsere Absicht, im kommenden Monat Januar mit der Hilfe Gottes nach Palästina zu reisen, wo Christus geboren wurde, lebte, starb und von den Toten auferstand und auffuhr in den Himmel (..). Wir werden das verehrte Land sehen, von wo aus der heilige Petrus aufbrach und wohin noch nie einer seiner Nachfolger zurück kehrte.“ Die Worte Papst Pauls VI., gesprochen am 4. Dezember 1963, in der Ansprache zum Abschluss der zweiten Session des Zweiten Vatikanischen Konzils. Mit dieser Ankündigung überraschte der Papst die Welt.

Es war die erste Papstreise außerhalb Italiens seit Jahrhunderten, noch nie hatte ein Papst ein Flugzeug benutzt und die Massenmedien waren auch noch nicht an einen reisenden Papst gewöhnt – und der Papst nicht an sie. Dementsprechend hab es Verwirrung, der Reisemarschall ging während eines Besuchs in der Altstadt Jerusalems verloren und bei weitem nicht alles verlief glatt. Die Vorbereitungen waren mit aller gebotenen Diskretion durchgeführt worden: Die politische und religiöse Situation in den frühen 60er Jahren war mehr als kompliziert.

Bereits diese erste der folgenden vielen Reisen Pauls und seiner Nachfolger zeigte aber auch den hohen symbolischen Wert, den diese haben würden. So wurde aus den drei Tagen vom 4. bis zum 6. Januar 1964 ein Prototyp dessen, was folgen würde.

Diese Pilgerreise war ein persönlicher Glaubensakt des Papstes, richtete sich aber gleichzeitig auch an die gesamte Kirche und auch an das Konzil, nicht von ungefähr hatte der Papst eine Konzilsansprache zur Ankündigung der Reise gewählt. Auch seine weiteren Reisen, etwa die nach Indien oder zu den Vereinten Nationen in New York, können unter anderem als Botschaften an das Konzil verstanden werden, genauso aber auch als Ausdruck dessen, was das Konzil mit der Kirche wollte: Eine Öffnung.

William Shomali, heute Weihbischof von Jerusalem, war damals ein junger Seminarist und steckte im Gedränge um den Papst: „Ich erinnere mich gut, es war ein sehr kalter Morgen, als Paul VI. nach Bethlehem kam um die Messe in der Geburtsgrotte zu feiern. Für uns war das ein außerordentlicher Augenblick. Ich habe ihn kurz sehen können, aber ich konnte ihn selber nicht grüßen, alles wollten das, aber es war unmöglich.“

Shomali hat später immer wieder die Ansprachen des Papstes gelesen und empfindet sie bis heute als „Klassiker“, als geistlich tiefe Texte. „Die Absicht des Papstes war es ja, als Pilger ins Heilige Land zu reisen, aber es war für alle ja ein Anfang: Er hat die Tür für alle zukünftigen Besuche geöffnet.“

Auch schon damals wurde die Begegnung mit dem orthodoxen Patriarchen Athenagoras als der bedeutendste Moment der Reise gesehen. „Das ist wahr! In seiner Pilgerreise hat der Papst dem eine große Bedeutung zugemessen und natürlich dem gemeinsamen Beten des Vater Unser auf dem Ölberg. Es war damals Athenagoras Initiative, den Papst zu treffen. Aber dann war er selber sehr bewegt … . Ich denke, dass gerade das, von einem ökumenischen Punkt aus gesehen, den Besuch zu etwas ganz Besonderem gemacht hat.”

Rückkehr zu Jesus Christus, dem Zentrum der Kirche – so könnte man das Thema der Reise kurz umschreiben. Und das war dann auch der Grund, auf dem sich Paul mit dem orthodoxen Patriarchen von Konstantinopel, Athenagoras, auf dem Ölberg treffen konnte, das erste Mal seit dem großen Schisma fast 1.000 Jahre zuvor. Kurze Zeit darauf, im Dezember 1965, erfolgte dann die Aufhebung der gegenseitigen Exkommunikation, diese Reise war also ein Meilenstein und eine eminent ökumenische Reise, eine Reise des Dialoges mit den übrigen christlichen Kirchen.

„Die Wege, die zur Einheit führen, von hier und von dort aus, werden freilich lang sein und zahlreiche Schwierigkeiten werden das noch behindern können,“ sah der Papst in seiner Ansprache an Athenagoras am 5. Januar voraus. Aber er wolle sich dem ökumenischen Weg verschreiben: „Das Zeichen dieser Liebe soll der Friedenskuss sein, welchen uns wechselseitig zu spenden uns erlaubt ist aus Gottes Güte heraus in diesem heiligsten Land.“

Und diese Reise der Ökumene ist noch nicht zu Ende. (rv)

Nahost: Sechs Konfessionen in der Grabeskirche – Und jeder findet seinen Platz

In die Jerusalemer Grabeskirche drängen zu Ostern jährlich ganze Pilgerströme. Das leere Grab, aus dem Christus auferstanden sein soll, ist Anziehungspunkt für viele tausend Gläubige der unterschiedlichen christlichen Konfessionen. Veronica Pohl hat sich die Anziehungskraft des Ortes erklären lassen:

Bruder Marcello stammt aus Argentinien. Er gehört dem Franziskanerorden an, der seit 1342 im Heiligen Land vertreten ist. Die Franziskaner verwalten im Auftrag des Papstes die Bereiche der Grabeskirche, die den römisch-katholischen Christen zugesprochen sind. Bruder Marcello beschreibt die vielen Menschen, die zu Ostern die Kirche besuchen, so:

„Die Meisten kommen tatsächlich als Pilger. Für sie wird am Heiligen Grab deutlich, dass Gott die Transzendenz hinter sich gelassen hat, sich hineinbegeben hat in unsere Welt. Und dann auferstanden ist, damit auch wir auferstehen! Der kleinere Teil kommt als Touristen. Was mich fasziniert ist, dass diese Menschen zwar als Touristen kommen, aber diesen Ort als Pilger verlassen. Das bewirkt die Besonderheit der Grabeskirche. Das Geheimnis des Leeren Grabes. Hier begegnet man wahrhaftig dem Herrn.“

Jedes Jahr freue er sich auf das Osterfest – trotz des Trubels in der Altstadt von Jerusalem. Denn in der Grabeskirche werde das Osterereignis greifbar wie nirgends sonst, findet Bruder Marcello:

„Das Heilige Grab ist das Zentrum unseres Glaubens: Christus ist gestorben und auferstanden – dafür stehen das Kreuz und jede Christusnachfolge. Damit ist das Grab der Mittelpunkt der christlichen Spiritualität. An diesem Ort gedenken wir im Gebet dessen, was der Herr für uns getan hat. Denn für uns ist er gestorben und von den Toten auferstanden. Das ist der Kern unseres christlichen Glaubens. Und hier am Grab hat dieser Glaube seinen Ursprung.“

Der Glaube an Christus sei der gemeinsame Glaube aller vertretenen Konfessionen. Deshalb sei die Einheit unter den katholischen, koptischen, griechisch-orthodoxen, armenischen, syrisch- und äthiopisch-orthodoxen Christen vor Ort stärker, als gelegentliche Zwiste das vermuten ließen:

„Dieses Miteinander ist keine bloße Idee, sondern wird hier tatsächlich umgesetzt. Im Zusammenleben gibt es immer mal wieder Reibungspunkte – auch an Ostern wird das deutlich. Aber vor allem begegnet man sich. Und weiß, dass uns der christliche Glaube hier am Grab Christi und am Kalvarienberg eint. Zu Ostern werden die Schwierigkeiten, die das Miteinander der Konfessionen im Alltag prägen, vielleicht sogar eher etwas hintangestellt.“

Aram Katchaturiam stammt aus Armenien, führt Pilger aller Konfessionen durch die Grabeskirche und teilt diesen Eindruck grundsätzlich:

„Nein, als feindselig würde ich das Verhältnis nicht beschreiben. Es gibt bestimmte Anspannungen, besonders zwischen den griechischen und den armenischen Christen. Aber das Zusammenleben ist hier in der Grabeskirche gut geregelt, auch die Abläufe zum Osterfest. Jeder hat seinen angestammten Platz und seine festgelegten Zeiten, und das ist auch gut so! Früher gab es immer mal Unklarheiten und die haben dann zum Streit geführt. Aber jetzt ist das weniger der Fall.“

Diese Regeln haben also auch ihr Gutes. Das findet auch der Geistliche, der den griechisch-orthodoxen Kreuzigungsaltar am Kalvarienberg bewacht. Er nickt zufrieden und bemerkt in österlicher Stimmung:

„Das Kreuz Christi, mit Maria und Johannes, das repräsentiert unsere Gemeinschaft hier. Am Golgathafelsen sind wir dem Osterereignis besonders nahe.“ (rv)