„Konsum statt Wachstum führt in die Krise“

Der vatikanische Chef-Banker geht hart ins Gericht mit der westlichen Finanzpolitik. Die Vereinigten Staaten und Europa hätten dabei „versagt", den wirtschaftlichen Verfall aufzuhalten, weil sie die Tatsache ausgeblendet hätten, dass menschliche Entwicklung immer ganzheitlich sein muss, sagte Ettore Gotti Tedeschi gegenüber Radio Vatikan. Der Leiter des vatikanischen Geldinstituts IOR äußerte sich mit Blick auf den G20-Gipfel, der an diesem Donnerstag in Cannes beginnt.

„Der Mensch ist aus Seele, Geist und Körper gemacht. Das haben wir komplett vergessen. Wenn ein Instrument wie die Wirtschaft und die Finanz vergisst, dass es ein Instrument ist, eben ein Mittel zum Zweck, dann geht das zwangsläufig gegen den Menschen. Jetzt ist uns die Lage entglitten. Wir haben keine Kontrolle mehr über die Schulden, über die Inflation, die Produktion, den Konsum, über die Arbeitskraft und wie wir sie erhalten können."

Die Politik der Industrienationen hat aus Sicht Gotti Tedeschis enttäuscht, weil sie zuließ, dass die Finanz „eine Art moralische Autonomie" gewinnt. In den vergangenen drei Jahren habe die Politik nach außen hin einen Optimismus gezeigt, der an der Realität der Dinge vorbeigehe.

„Die Politik hat die Ursachen der Krise verkannt. Seit drei Jahren behauptet sie, der Finanzmarkt sei Ursache des Problems, der Schuldenberg der Banken und der Wachstumsstopp wegen der niedrigen Geburtenrate. Aber soeben wurde der siebenmilliardste Mensch geboren. Die westliche Welt hat die Stirn gehabt, die Tatsche zu ignorieren, dass, wenn die Wirtschaft stabil und ausgeglichen wachsen soll, auch die Bevölkerung stabil und ausgeglichen wachsen muss. Auf diese Art haben wir fast die Würde des Menschen beleidigt, weil wir die Leute gleichsam dazu genötigt haben, sich materiell zu befriedigen, um den Konsum anzukurbeln."

Aus Sicht des renommierten Finanzfachmanns gibt es nur noch ein Mittel, aus der Krise herauszufinden: sparen. Man müsste „eine lange Zeit der Kargheit ausrufen", sodass sich die Fundamente der Wirtschaft erholen können. Die Politik sträube sich aber, unpopuläre Maßnahmen umzusetzen.

„Die Teilnehmer am G20-Gipfel sollten mit einer großen Portion Demut auftreten, sie müssen die Tragweite ihrer Entscheidungen verstehen. Es muss ihnen klar sein, dass sie in diesem Moment eine historische Verantwortung für die gesamte Menschheit tragen." (rv)

„Der Papst kommt nicht, um Lektionen zu erteilen“

In zwei Wochen wird Benedikt XVI. nach Benin reisen – warum gerade nach Benin? Päpste besuchen – das ist ein Teil der Antwort – immer nur politisch stabile Staaten; nicht jede Destination in Afrika ist also möglich. Das kleine Benin hingegen erfüllt die Kriterien der päpstlichen Reiseplaner. Zwar ist es schon das dritte Mal, dass ein Papst nach Benin kommt, aber dieses Mal ist mit den anderen nicht zu vergleichen aufgrund seiner Tragweite. Das denkt der Priester und Intellektuelle André Quenum, Leiter der katholischen Wochenzeitung „La Croix du Benin" und Pressesprecher des Papstbesuches. Er sagte uns in einem Interview:

„Der Papst kommt nach Benin, aber nicht nur für Benin, sondern für ganz Afrika. Er unterzeichnet und überreicht eine wichtige Botschaft, die Postsynodale Exhortation der Afrika-Synode. Die Leute von Benin sollen verstehen, dass das hier ein großer Besuch ist, dass der Papst mit einer Botschaft kommt, die sich an ganz Afrika richtet, damit Afrika sich erhebt und den Weg der Versöhnung einschlägt, der Gerechtigkeit und des Friedens."

André Quenum ist fest davon überzeugt, dass es keine rein innerkatholische Botschaft ist, die Benedikt im Gepäck hat.

„Christen und Nichtchristen sollen die Themen verstehen, die der Papst hier entwickeln wird. Und sie sollen verstehen, dass die Kirche hier auf einem Weg der Hoffnung ist. Afrika hat alles, was es braucht: Es hat Brot, es hat Wasser. Aber es kann sie nicht nutzen, weil es Konflikte und Ungleichheiten gibt. Von Versöhnung sprechen und von Gerechtigkeit sprechen, das ist, worauf Afrika setzen muss, damit der Frieden Wirklichkeit wird. Die Kirche kommt nicht, um hier Lektionen zu erteilen, sondern sie stellt sich in den Dienst dieser Sache."

Was drinsteht in der Botschaft des Papstes an den afrikanischen Kontinent, ist naturgemäß noch nicht bekannt. Doch die Neugier ist groß. Entsprechend panafrikanisch sind die Anfragen, die auf einer ganz handgreiflichen logistischen Ebene die Vorbereiter der Papstreise erreichen. Das Stadion in Cotonou hat eine begrenzte Kapazität, 55.000 Menschen finden dort Platz – viel weniger, als kommen wollen. André Quenum sagt:

„Für die drei Tage des Papstbesuchs versuchen wir ein System zu finden, das der Mehrheit der Pilger das Gefühl gibt, dabei zu sein. Nicht alle werden direkt an den Orten sein können, wo der Papst ist: aus Sicherheitsgründen und auch, weil die Orte so klein sind."

Hintergrund
Der Papst unternimmt vom 18. bis 20. November seine Pastoralreise in den westafrikanischen Staat Benin. Bei seinem zweiten Afrikabesuch wird er das Schlussdokument der Afrikasynode vom Oktober 2009 veröffentlichen. Zudem feiert er mit den Gläubigen den Beginn der katholischen Mission in dem westafrikanischen Land vor 150 Jahren. Benedikt XVI. folgt mit der Reise einer Einladung von Staatspräsident Yayi Boni und seiner Regierung sowie der Bischofskonferenz von Benin. Die Afrikasynode hatte vom 4. bis 25. Oktober 2009 im Vatikan unter dem Motto „Die Kirche in Afrika im Dienst für Versöhnung, Gerechtigkeit und Frieden" getagt. Das Schlussdokument soll Grundlage für die Pastoral der Kirche in den kommenden Jahren sein. (rv)

„Bevölkerungswachstum ist nicht gleich Unterentwicklung“

Sieben Milliarden Menschen leben jetzt auf unserem Planeten – wenn die UNO richtig gezählt hat. Was sagt eigentlich der Papst zum Thema Bevölkerungswachstum? Hier ist die Antwort – drei Auszüge aus seiner letzten Enzyklika „Caritas in Veritate".
„In der Bevölkerungszunahme die Hauptursache der Unterentwicklung zu sehen, ist – auch in wirtschaftlicher Hinsicht – unkorrekt. Man braucht nur einerseits an den bedeutenden Rückgang der Kindersterblichkeit und die Verlängerung des durchschnittlichen Lebensalters in neuen wirtschaftlich entwickelten Ländern zu denken und andererseits an die deutlichen Zeichen einer Krise in solchen Gesellschaften, die einen beunruhigenden Geburtenrückgang verzeichnen…
Die moralisch verantwortungsvolle Offenheit für das Leben ist ein sozialer und wirtschaftlicher Reichtum. Große Nationen haben auch dank der großen Zahl und der Fähigkeiten ihrer Einwohner aus dem Elend herausfinden können. Umgekehrt erleben einst blühende Nationen jetzt wegen des Geburtenrückgangs eine Phase der Unsicherheit und in manchen Fällen sogar ihres Niedergangs – ein entscheidendes Problem gerade für die Wohlstandsgesellschaften. Der Geburtenrückgang, der die Bevölkerungszahl manchmal unter den kritischen demographischen Wert sinken läßt, stürzt auch die Sozialhilfesysteme in die Krise, führt zur Erhöhung der Kosten, schränkt die Rückstellung von Ersparnissen und in der Folge die für die Investitionen nötigen finanziellen Ressourcen ein, reduziert die Verfügbarkeit qualifizierter Arbeitskräfte und verringert das Reservoir der »Köpfe«, aus dem man für die Bedürfnisse der Nation schöpfen muss. Die Offenheit für das Leben steht im Zentrum der wahren Entwicklung." (rv)