Vatikanbibliothek digitalisiert islamische Manuskripte

Erzbischof BruguèsDie 2010 begonnene Digitalisierung der rund 80.000 Manuskripte der Vatikan-Bibliothek soll künftig auch die hauseigenen Manuskripte aus der Golfregion und anderen islamischen Ländern einschließen. Das geht aus einem neuen Abkommen, dem sogenannten „Memorandum of Understanding“ hervor, das am Samstag von der Präsidentin der Qatar Foundation for Education, Science and Community Development, Sheikha Moza bint Nasser, und dem Präfekten der Apostolischen Bibliothek unterzeichnet wurde. Darin wird auch die Pflege, Restauration, und Zugänglichkeit der Dokumente der Geschichte und Kultur der Golfregion festgeschrieben. Man sei sich einig, dass es im Interesse beider Institutionen sei, die Manuskripte auch digital für die Forschung zugänglich zu machen.

Im Vorfeld wurde Moza bint Nasser, zweite Ehefrau des Emirs von Katar, von Papst Franziskus in Audienz empfangen. Wie Vatikan-Sprecher Federico Lombardi in einer Note mitteilte, sprach Musa bint Nasser mit Franziskus über ihr Engagement im Bereich der sozialen Entwicklung und die Situation der Schulen in Konfliktgebieten. Das Treffen dauerte eine halbe Stunde. Als Geschenk erhielt Franziskus ein 123-seitiges Manuskript der Evangelien in aufwändiger arabischer Kalligraphie, das aus der Türkei des 18. Jahrhunderts stammt. Der Papst wiederum übergab ihr eine Medaille mit dem Olivenbaum des Friedens und die arabische Ausgabe seiner Umwelt-Enzyklika Laudato si‘. (rv)

Der vatikanische Handschriftenretter: Kardinal Franz Ehrle

Kardinal Franz EhrleDem deutschen Vatikan-Kardinal Franz Ehrle widmet sich dieser Tage ein Kongress in Rom. Ehrle wirkte an der Wende zum 20. Jahrhundert als Präfekt der Vatikan-Bibliothek und von 1929 bis zu seinem Tod 1934 als Kardinal-Bibliothekar, womit ihm auch das vatikanische Geheimarchiv unterstand. Er war der „bedeutendste Präfekt dieser Bibliothek des 20., und ich würde sagen, auch des 19. Jahrhunderts", so charakterisiert ihn Paolo Vian, Leiter der Handschriftensammlung an der „Vaticana".

1880/81 hatte Papst Leo XIII. das Geheimarchiv für die historische Forschung geöffnet, in der Folge kam der Jesuit Franz Ehrle – wie viele andere Gelehrte – in den Vatikan und stieg 1896 zum Bibliothekspräfekten auf. „Ehrle war im Rat der Bibliothek der Geeignetste, um die Wünsche von Papst Leo umzusetzen", erklärte bei der Tagung die an der Vatikan-Bibliothek beschäftigte österreichische Historikerin Christine Grafinger. „Die Benutzer brauchten nach der Öffnung von Leo zwei Lesesäle. Ehrle musste die Bücher in die neuen Lesesäle bringen und hat das in kürzester Zeit umgesetzt." Zum anderen habe der Präfekt alles getan, um die reichen Bestände der Bibliothek erstmals benutzerfreundlich zu machen. Dabei setzte er neue Standards, von denen selbst die heutigen Nutzer noch profitieren. Grafinger:

„Er hat die Abteilung Kataloge ganz groß ausgebaut; Leute, die bei uns hier an den Handschriften arbeiten, möchten wissen, wo ihr Text vielleicht in einer anderen Bibliothek ist, und durch diese Abteilung Kataloge haben sie die Möglichkeit, das zu prüfen. Der Handschriftensaal ist zu seiner Zeit ausgebaut worden und auch das damalige Handschriftenmagazin."

Sogar die ersten Vorläufer der Fotokopie gehen in der „Vaticana" auf den deutschen Jesuiten zurück. Ehrle erkannte das Potential der Fotografie als Medium der Vervielfältigung.

„Er hat die technische Reproduktion von Handschriften eingeführt, das Lichtdruckverfahren ist Ende des 19. Jahrhunderts entwickelt worden, und er sagte, zum Schutz gefährdeter Handschriften sollten die erst fotografiert werden und dann im Lichtdruckverfahren, ein Vorfahre von heutigen Faksimile, gedruckt werden, damit die Nutzer, wenn sie kommen, nicht sofort das fragile Papier oder Pergament in die Hand bekommen, sondern erst zum Studium das gedruckte in die Hand bekommen und damit arbeiten können."

Und noch eine Premiere, die weit in die Zukunft weist, bereitete Bibliothekspräfekt Ehrle im Vatikan: Er gründete die weltweit erste Restaurierungswerkstatt für Bücher. 1898 berief der Jesuit einen Fachkongress im schweizerischen Sankt Gallen ein und lud die Verantwortlichen der größten Bibliotheken Europas dazu ein.

„Er konnte sogar vatikanische Handschriften mitnehmen, um dort den anwesenden Teilnehmern zu dokumentieren, welche Schäden es gibt, und zu diskutieren, wie man die Handschriften am besten konserviert und erhält. In Folge dieser Tagung ist dann an die Regierungen herangegangen worden, damit sie Fördermittel zur Verfügung stellen, um die Handschriften zu schützen. In der Vaticana ist die erste Buchrestaurierungswerkstatt der Welt eingerichtet worden, die eigentlich beispielgebend war für alle anderen Bibliotheken. Das war 1900."

Franz Ehrle wurde 1845 in Isny im Allgäu geboren. Er war nicht nur als Bibliothekar, sondern auch als Gelehrter hervorragend. So gab er zusammen mit einem weiteren Historiker, dem österreichischen Dominikaner Heinrich Denifle, ein siebenbändiges Nachschlagewerk heraus, das „Archiv für Literatur- und Kirchengeschichte des Mittelalters". Paolo Vian arbeitete in seinem Vortrag bei der Ehrle-Tagung am Camposanto im Vatikan auch die charakterlichen Qualitäten des Bibliothekars heraus, etwa im Vergleich mit seinem Mitarbeiter und späteren Nachfolger Giovanni Mercati.

„Ehrle war ein ausgleichender und auf Stabilität setzender Mann, Mercati hingegen nervös und etwas hochfahrend. 1912 entfernte ein junger deutscher Gelehrter aus der Bibliothek einen handschriftlichen Katalog über Manuskripte aus Grottaferrata. Vielleicht irrtümlich, vielleicht auch um den Heiligen Stuhl herauszufordern. Und da sieht man den Unterschied: Mercati ist für die extreme Lösung. Er würde den jungen Gelehrten sofort und unwiderruflich aus der Bibliothek verbannen. Ehrle hingegen entscheidet, wir lassen den Mann nach einer Pause wieder zu, aber wir schreiben einen Brief an den Forscher, der ihn uns an die Bibliothek empfohlen hat. Das ist bezeichnend. Ehrle war ein Mann mit hohen Führungsqualitäten. Und das ist schön, denn ein großer Gelehrter und gleichzeitig ein guter Menschenführer zu sein, das sind Tugenden, die nicht immer gleichzeitig anzutreffen sind."

Die internationale Tagung „Franz Kardinal Ehrle: Jesuit, Historiker und Präfekt der Vatikanischen Bibliothek" wurde vom Römischen Institut der Görres-Gesellschaft mitveranstaltet und fand zum Teil im Camposanto Teutonico statt. (rv)

Vatikan-Bibliothek: Avantgardistische Digitalisierung

Digitale Handschriften-Archivierung mit Mitteln der internationalen Raumfahrt: das ist Realität an der Apostolischen Vatikanischen Bibliothek, der Büchersammlung der Päpste. Papyri und uralte Evangelientexte treffen da mit einer Technologie aufeinander, die von der US-Raumfahrtbehörde NASA zur Archivierung ihrer Bilder aus dem Weltall entwickelt wurde. Die Vatikan-Bibliothek ist in dieser Hinsicht ein echter Vorreiter: Bisher nutzt keine andere Bibliothek der Welt diese Archivierungstechnik, obwohl Vieles für sie spricht. Luciano Ammenti, Chef-Informatiker der Vatikan-Bibliothek:

„Das Format mit dem Namen Fits ist das einzige, das seit gut 45 Jahren in der Welt der Informatik benutzt wird, und es ist das einzige, das wirkliche Langlebigkeit garantiert. Zudem ist es open source, das heißt, es ist frei zugänglich, gratis und offen für Innovation. Und nicht zuletzt bietet es ein Format von 64 bit, das heißt, die Dateien, die man mit diesem Format gewinnt, können unbegrenzt groß sein."

Das ist deshalb vorteilhaft, weil die Vatikan-Bibliothek ihre kostbaren Handschriften möglichst präzise digitalisieren will, um die gesamte Arbeit nicht irgendwann noch einmal machen zu müssen. 80.000 Handschriften hat die Vaticana, mehr als jede andere Bibliothek auf der Welt. Diese Manuskripte werden jetzt nach und nach gescannt und mit der Fits-Technologie digital abgespeichert. Das von der NASA entwickelte Format findet seit einigen Jahren auch Anwendung in der Medizintechnik, so werden heutzutage etwa Computertomografien mit Fits archiviert. Kulturinstitutionen hingegen sind bisher – eben mit Ausnahme der Vatikan-Bibliothek – noch nicht auf die Idee verfallen, ihre Daten mit Fits zu archivieren. Um ihr Interesse zu wecken und mehr Zusammenarbeit zu ermöglichen, hat die Vaticana nun an der päpstlichen Lateran-Universität ein Symposion abgehalten. Ammenti:

„Unser Ziel war es, quasi ein Steinchen in diesen Teich zu werfen, in die Welt der Konservierung von Kulturgütern. Das ist gerade in Italien mit seinen Kunstschätzen so wichtig, aber auch im Rest Europas. Klarerweise gibt es Vorbehalte gegen diese Technologie, weil das Format aus der Raumfahrt kommt. Dass die Vatikan-Bibliothek sich auf die Seite dieser Technologie gestellt hat, rief Staunen und Interesse hervor. Genau das wollten wir: eine konstruktive Kritik von außerhalb unserer „Insel", um zu verstehen, ob der Weg, den wir eingeschlagen haben, der richtige ist."

Die Vatikan-Bibliothek unter ihrem Präfekten Cesare Pasini hatte den Einsatz von Fits in einer langen Studie getestet. In zehn Jahren sollen die gesamten digitalisierten Handschriften-Bestände der päpstlichen Büchersammlung online zugänglich sein. Und bis dahin, so wünscht man sich an der Vatikan-Bibliothek, möge Fits der Standard für die Konservierung digitaler Daten sein, egal ob es sich um Bilder aus dem Weltall oder aus den Tiefenspeichern einer Bibliothek handelt. (rv)