„Wer glaubt, ist nie allein“: Zum 89. Geburtstag von Papst em. Benedikt

Papst (Emer.) Benedikt XVI.VATIKAN – „Wer glaubt, ist nie allein“: Dies waren die unvergessenen Worte von Papst Benedikt XVI., gesprochen am 24. April 2005, in der Predigt der Messe zu seiner Einführung als Papst. In seinem langen und intensiven Leben hat Joseph Ratzinger stets daran festgehalten, in Wort und Tat den Glauben zu leben. So ist er niemals allein gewesen – und wird es auch weiterhin nicht sein.

Heute feiert Papst emeritus Benedikt XVI. seinen 89. Geburtstag. Und mit dem Heiligen Paul kann Benedikt sagen, dass er bis heute den guten Kampf gekämpft hat, und den Glauben gehalten (vgl. 2 Tim 4) – doch sein Lauf ist noch nicht vollendet, sondern in seiner vielleicht wichtigsten Phase angekommen.

Gesegnet sind die, die beten: So sagte es Papst Benedikt wenige Tage vor seinem monumentalen Rücktritt selber. Seit diesem 28. Februar lebt er den Brüdern und Schwestern im Glauben vor, was dies bedeutet.

Seinen Glauben, den er mit dem gesamten Volk Gottes geteilt hat, besonders als Papst, teilt er nun vor allem im Gebet und der Stille, seit er vor nunmehr drei Jahren sich ins Kloster Mater Ecclesiae zurückgezogen hat.

„Wer glaubt, ist nie allein“. Und wer glaubt, drückt seinen Glauben im Gebet aus, in der Einheit mit den Geschwistern im Glauben. Wie sagte er doch selber: „Das wahre Gebet ist der Motor, die Triebkraft der Welt, denn es hält sie für Gott offen“.

Die geistige Nähe, welche so viele Gläubige mit ihm verspüren, und die Dankbarkeit, die noch viel mehr Menschen für ihn hegen, drückt sich auf vielfache Weise aus. Wer ihn persönlich kennengelernt hat, weiß, dass seine Persönlichkeit in einer tiefen, echten Bescheidenheit ausdrückt, welche die Spiritualität und brilliante Intelligenz dieses „weisen Großvaters“, wie ihn Papst Franziskus liebevoll nennt, komplimentiert.

Herzlichen Glückwunsch, Papst Benedikt. Ad multos annos! (CNA Deutsch)

Die „doppelte tiefgreifende Krise“ der Kirche: Der volle Wortlaut von Benedikt XVI.

Benedikt XVI.VATIKANSTADT – Nur selten wendet sich Benedikt XVI. an die Öffentlichkeit. Wenn der emeritierte Papst einmal kommuniziert, und dabei auch noch über Franziskus und die Barmherzigkeit, horcht nicht nur die katholische Welt auf. Wenn im gleichen Interview dieser führende Theologe zudem über eine „doppelte tiefgreifende Krise“ und den Zusammenbruch der missionarischen Dynamik der Kirche mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil spricht, über eine „Evolution des Dogmas“, und die Frage des Christseins in der Moderne, dann haben diese Aussagen historische Relevanz – und sind gleichzeitig dem Risiko ausgesetzt, von Journalisten wie Klerikern selektiv zitiert zu werden.

CNA Deutsch dokumentiert im folgenden ungekürzt die Worte von Papst emeritus Benedikt XVI. im deutschen Original, wie sie Joseph Ratzinger formuliert hat. Die ursprünglichen Fragen von Pater Jacques Servais SJ, die auf französisch im Kontext eines Kolloquiums im Oktober 2015 gestellt worden waren, sind behutsam gekürzt und redigiert wiedergegeben, ohne deren Sinn zu entstellen. Die Antworten von Papst Benedikt waren bei der Konferenz durch den Präfekten des Päpstlichen Hauses, Kurienerzbischof Georg Gänswein, vorgelesen worden, und sind mittlerweile auch in anderen Sprachen in mehreren Medien übersetzt erschienen.

Eure Heiligkeit, die Frage, die diesem Jahr beschäftigt sich die Konferenz mit der Rechtfertigungslehre. Sie haben betont, dass der christliche Glaube nicht eine Idee ist, sondern ein Leben. Und mit Blick auf die Aussagen des heiligen Apostels Paulus in Römer 3:28, erwähnten Sie, in dieser Hinsicht, eine zweifache Transzendenz: „“Glaube ist Gabe durch die Gemeinschaft; die sich selbst gegeben wird,” gs iv, 512). Könnten Sie erklären, was Sie damit meinen?

BENEDIKT XVI.: Es geht um die Frage, was Glaube ist und wie man zum Glauben kommt. Glaube ist einerseits eine höchst persönliche Berührung mit Gott, die mich ins Innerste hinein trifft und mich ganz unmittelbar dem lebendigen Gott gegenüberstellt, so dass ich ihn anreden, ihn lieben, mit ihm in Gemeinschaft treten kann. Aber dieses höchst Persönliche hat doch zugleich untrennbar mit Gemeinschaft zu tun: Zum Wesen des Glaubens gehört es, dass er mich in das Wir der Kinder Gottes, in die Weggemeinschaft mit den Brüdern und Schwestern hineinnimmt. Die Begegnung mit Gott bedeutet immer zugleich, dass ich selbst geöffnet, aus meiner Verschließung herausgerissen und in die lebendige Gemeinschaft der Kirche hineingenommen werde. Sie vermittelt mir auch die Begegnung mit Gott, der mich dann freilich ganz persönlich ins Herz trifft.

Der Glaube kommt vom Hören, sagt uns der heilige Paulus. Das Hören schließt also immer schon ein Gegenüber ein. Glaube ist nicht Produkt eines Nachdenkens und auch nicht einer Versenkung in die Tiefen meines Seins, obwohl beides hinzugehören kann. Aber beides bleibt unzulänglich ohne das Hören, durch das Gott von außen her, von einer durch ihn geschaffenen Geschichte her auf mich zutritt. Damit ich glauben kann, bedarf ich zuerst der Zeugen, die Gott begegnet sind und mich für ihn öffnen.

Wenn ich in meinem Artikel über die Taufe über die doppelte Transzendenz der Gemeinschaft gesprochen habe, so kommt darin nochmals ein wichtiges Element zum Vorschein: Die Gemeinschaft des Glaubens schafft sich nicht selbst. Sie ist nicht eine Vereinigung von Menschen, die eine gemeinsame Idee haben und sich entscheiden, zusammen für diese Idee zu wirken. Dann könnten sie nur persönliche Meinungen vertreten und gemeinsam nach Wegen suchen, um diese Ideen zu verwirklichen. Alles würde dann auf einen eigenen Entschluss und letztlich auf dem Mehrheitsprinzip basieren, letztlich also nur doch menschliche Meinung sein. Eine solche Kirche kann mir nicht Garant des ewigen Lebens sein und nicht Entscheidungen von mir fordern, die mich schmerzen und die gegen meine Wünsche stehen. Nein, die Kirche hat sich nicht selbst gemacht, sondern sie ist vom Herrn geschaffen und wird immer wieder von ihm gebildet. Dies drückt sich in den Sakramenten, zuallererst im Sakrament der Taufe aus: In die Kirche trete ich nicht mit einem bürokratischen Akt ein, sondern durch das Sakrament. Das bedeutet, ich werde in eine Gemeinschaft aufgenommen, die nicht von sich selbst kommt und die über sich selbst hinausreicht.

Die Pastoral, die die geistliche Erfahrung der Gläubigen formen will, muss von diesen Grundgegebenheiten ausgehen. Sie muss die Vorstellung einer sich selbst machenden Kirche überwinden und mir zeigen, dass Kirche Gemeinschaft am und im Leib Christi ist. Sie muss in die Begegnung mit Jesus Christus und in seine Anwesenheit im Sakrament hineinführen.

Als Sie Präfekt der Glaubenskongregation waren, kommentierten sie die Gemeinsame Erklärung der katholischen Kirche und des Lutherischen Weltbundes über die Rechtfertigungslehrer vom 31. Oktober 1999. Dabei wiesen Sie auf den Mentalitäts-Unterschied hin mit Blick auf Luther und die Frage der Erlösung. Das religiöse Erleben Luthers war dominiert von der Angst vor dem Zorn Gottes. Ein Gefühl, das dem modernen Menschen sehr fremd ist, der eher die Abwesenheit Gottes spürt (wie Sie in Communio, 2000, 430 geschrieben haben). Für den modernen Menschen ist die Frage nicht so sehr, wie er das ewige Leben erlangt, sondern eher, wie er in der prekären Situation unserer Welt eine gewisse Balance eines Lebens in Fülle.

BENEDIKT XVI.: Zunächst möchte ich noch einmal unterstreichen, was ich in „Communio“ im Jahr 2000 zur Rechtfertigungsproblematik gesagt hatte: Für den Menschen von heute haben sich die Dinge gegenüber der Zeit Luthers und gegenüber der klassischen Perspektive des christlichen Glaubens in gewisser Hinsicht umgekehrt: Nicht mehr der Mensch glaubt der Rechtfertigung vor Gott zu bedürfen. Er ist der Meinung, dass Gott sich rechtfertigen müsse angesichts alles Schrecklichen in der Welt und angesichts aller Mühsal des Menschseins, das letztlich doch alles auf sein Konto geht. Ich finde es in dieser Hinsicht bezeichnend, daß ein katholischer Theologe diese Umkehr auch förmlich behauptet: Christus habe nicht für die Sünden der Menschen gelitten, sondern gleichsam die Schuld Gottes abgetragen. Auch wenn eine so drastische Umkehrung unseres Glaubens den meisten Christen doch wohl noch fernliegt, so kommt darin doch eine Grundtendenz unseres Zeitalters zum Vorschein. Wenn Johann Baptist Metz davon spricht, dass die Theologie heute „theodizee-empfindlich“ sein müsse, so wird auf eine positive Art dasselbe Problem angesprochen. Abgesehen von dieser radikalen Infragestellung der kirchlichen Sicht des Verhaltens von Gott und Mensch, hat der Mensch von heute ganz generell das Bewusstsein, dass Gott nicht den größeren Teil der Menschheit in die Verdammung abgleiten lassen kann. Insofern ist die Heilssorge im alten Sinn weitgehend verschwunden.

Dennoch existiert meiner Überzeugung nach auf andere Weise das Wissen weiter, dass wir der Gnade und der Vergebung bedürfen. Es ist für mich ein „Zeichen der Zeit“, dass die Idee der Barmherzigkeit Gottes immer beherrschender in den Mittelpunkt rückt – angefangen von Schwester Faustina, deren Visionen irgendwie doch ganz grundlegend das Gottesbild des Menschen von heute und sein Verlangen nach Gottes Güte darstellen. Papst Johannes Paul II. war von diesem Impuls zutiefst erfüllt, auch wenn er nicht immer ganz offen zutage liegt. Aber es ist doch wohl kein Zufall, dass sein letztes Buch, das unmittelbar vor seinem Sterben erschien, von der Barmherzigkeit Gottes handelt. Aus seiner Lebenserfahrung heraus, die ihn in früher Stunde mit aller Grausamkeit des Menschen konfrontiert hatte, sagt er, dass die Barmherzigkeit die einzig wirkliche und letzte Gegenkraft gegen die Macht des Bösen sei. Erst da, wo Barmherzigkeit ist, endet die Grausamkeit, endet das Böse, endet die Gewalt. Papst Franziskus steht ganz in dieser Linie. Seine pastorale Erfahrung drückt sich gerade darin aus, dass er uns immerfort von Gottes Barmherzigkeit spricht. Es ist die Barmherzigkeit, die uns zu Gott hinzieht, während die Gerechtigkeit uns vor ihm erschrecken lässt. Dies zeigt nach meinem Dafürhalten, dass unter der Oberfläche der Selbstsicherheit und der Selbstgerechtigkeit des heutigen Menschen sich doch ein tiefes Wissen um seine Verwundung, um seine Unwürdigkeit Gott gegenüber verbirgt. Er wartet auf Barmherzigkeit. Es ist gewiss kein Zufall, dass das Gleichnis vom barmherzigen Samariter die Menschen von heute besonders anspricht – nicht nur weil dort die soziale Seite des Christseins stark betont ist und nicht nur weil dort der Samariter, der nicht religiöse Mensch, gegenüber den Religionsdienern sozusagen als der wirklich gottgemäß handelnde Mensch erscheint, während die amtlichen Diener der Religion sich gleichsam gegen Gott immunisiert haben. Beides ist natürlich dem modernen Menschen sympathisch. Aber ebenso wichtig scheint mir, dass im stillen doch die Menschen für sich selbst den Samariter erwarten, der sich zu ihnen niederbeugt, Öl in die Wunden gießt, sie umsorgt und in die Herberge bringt. Sie wissen im letzten doch, dass sie der Barmherzigkeit Gottes, seiner Zärtlichkeit bedürfen. In der Härte der technischen Welt, in der die Gefühle nicht mehr zählen, wächst dann doch die Erwartung nach einer heilenden Liebe, die umsonst geschenkt wird. Mir scheint, dass so im Thema der Barmherzigkeit Gottes auf eine neue Weise ausgedrückt ist, was Rechtfertigung durch Glauben heißt. Von der Barmherzigkeit Gottes her, nach der alle Ausschau halten, lässt sich der wesentliche Kern der Rechtfertigungslehre auch heute neu verstehen und erscheint wieder in seiner ganzen Wichtigkeit.

Der heilige Anselm verwendet eine Sprache, die für einen modernen Menschen nur schwer akzeptabel ist, wenn er darüber spricht, dass Gott am Kreuz sterben musste, um die zerstörte Ordnung wieder herzustellen (vgl. Gs 215. Ss iv)

BENEDIKT XVI.: Die Begrifflichkeit des heiligen Anselm ist uns heute sicher unverständlich geworden. Was dahinter als Wahrheit steht, müssen wir auf neue Weise zu verstehen suchen. Ich möchte drei Anmerkungen zu diesem Punkt vorlegen:

a) Die Gegenüberstellung des Vaters, der unerbittlich auf der Gerechtigkeit besteht, mit dem Sohn, der dem Vater gehorcht und im Gehorsam die grausame Forderung der Gerechtigkeit aufnimmt, ist nicht nur für heute unverständlich, sondern in sich, von der Trinitätstheologie her völlig verfehlt. Vater und Sohn sind eins, und ihr Wille ist daher von innen her eins. Wenn der Sohn am Ölberg mit dem Willen Gottes ringt, so geht es nicht darum, dass er eine grausame Verfügung Gottes über sich annehmen muss, sondern darum, dass er das Menschsein in den Willen Gottes hinaufzieht. Auf das Verhältnis der beiden Willen von Vater und Sohn werden wir nachher noch einmal zurückkehren müssen.

b) Aber warum denn überhaupt das Kreuz, die Sühne? Nun, irgendwie ist in den Umkehrungen des modernen Denkens, von denen ich vorhin gesprochen hatte, dieses Warum auf eine neue Weise sichtbar. Stellen wir uns die ungeheure schmutzige Masse des Bösen, der Gewalt, der Lüge, des Hasses, der Grausamkeit, des Hochmuts vor, die die ganze Welt verschmutzt und entstellt. Diese Masse des Bösen kann nicht einfach als inexistent erklärt werden, auch nicht von Gott. Sie muss aufgearbeitet, überwunden werden. Israel war davon überzeugt, dass das tägliche Sündopfer und besonders die große Liturgie des Versöhnungstages als Gegengewicht gegen die Masse des Bösen in der Welt notwendig waren und dass nur durch diesen Ausgleich die Welt gleichsam erträglich bleiben konnte. Als die Opferfeiern im Tempel erloschen, müsste es sich fragen, was denn nun den Übermächten des Bösen entgegengestellt werden könne, wie einigermaßen ein Gegengewicht gefunden werden könne. Die Christen wussten, dass der abgebrochene Tempel durch den auferstandenen Leib des gekreuzigten Herrn ersetzt war und dass in seiner radikalen, unermesslichen Liebe ein Gegengewicht gegen die unermessliche Masse des Bösen geschaffen war. Ja, sie wüssten, dass das bisherige Opfer nur Ausgriff nach einem wirklichen Gegengewicht sein konnte. Und sie wüssten, dass bei der Übermacht des Bösen nur eine unendliche Liebe, nur eine unendliche Sühne ausreichen konnte. Sie wussten, dass der gekreuzigte und auferstandene Christus die Gegenmacht zur Macht des Bösen ist und die Welt rettet. Von da aus konnten sie dann auch den Sinn ihrer eigenen Leiden verstehen als Hineingenommen sein in Christi leidvolle Liebe und Teil der rettenden Macht dieser Liebe. Wenn ich vorhin einen Theologen zitiert hatte, der meint, Gott habe für seine Schuld an der Welt leiden müssen, so kommt in dieser Verkehrung der Perspektiven doch Wahrheit zum Vorschein: Gott kann die Masse des Bösen einfach nicht stehen lassen, die durch die Freiheit entstanden ist, die er selbst gegeben hat. Nur er selbst kann, ins Leiden der Welt eintretend, die Welt erlösen.

c) Von da aus wird nun noch einmal das Verhältnis zwischen Vater und Sohn deutlicher. Ich zitiere dazu einen Passus aus dem Buch von De Lubac über Origenes, der mir sehr klärend erscheint: „Der Erlöser ist zur Erde abgestiegen aus Mitleid für das Menschengeschlecht. Er hat unsere Erleidungen (passiones) auf sich genommen, ehe er das Kreuz erlitt, ja ehe er sogar unser Fleisch anzunehmen geruhte: hätte er sie nicht zuerst gespürt, so wäre er nicht gekommen, um an unserem Menschenleben teilzunehmen.

Welches war diese Erleidung, die er zuerst für uns litt? Es war die Leidenschaft der Liebe.

Aber der Vater selbst, der Gott des Alls, er, der voll ist von Langmut, Erbarmen und Mitleid, leidet nicht auch er in gewisser Weise? Oder weißt Du nicht, dass er, wenn er sich mit den menschlichen Dingen abgibt, ein menschliches Erleiden kennt? ‚Denn der Herr, Dein Gott, hat deine Sitten auf sich genommen, wie der, der sein Kind auf sich nimmt (Dt 1,31)’. Gott nimmt also unsere Sitten auf sich, wie der Sohn Gottes unsere Erleidungen auf sich nimmt. Der Vater selbst ist nicht leidenschaftslos! Wenn man zu ihm fleht, dann kennt er Erbarmen und Mitleiden. Er erleidet ein Leiden der Liebe (Ez. h 6, 6)“ [aus: Henri de Lubac, Geist aus der Geschichte. Das Schriftverständnis des Origenes. Übertragen und eingeleitet von Hans Urs von Balthasar. Johannes Verlag, Einsiedeln 1968, 284f.]

Es gab in Teilen Deutschlands eine sehr bewegende Frömmigkeit, die „die Not Gottes“ betrachtete. Mir ist da ein erschütterndes Bild vor der Seele, das den leidenden Vater darstellt, der das Leiden des Sohnes inwendig als Vater mit erleidet. Und auch der „Gnadenstuhl“ gehört hierher: Der Vater hält das Kreuz und den Gekreuzigten, beugt sich liebevoll zu ihm herunter und ist gleichsam auf der anderen Seite mit am Kreuz. Was Barmherzigkeit Gottes ist, Mitleiden Gottes mit dem Menschen, ist da groß und rein empfunden worden. Es geht nicht um eine grausame Gerechtigkeit, nicht um den Fanatismus des Vaters, sondern um die Wahrheit und die Wirklichkeit der Schöpfung: um die wirklich innere Überwindung des Bösen, die nur im Leiden der Liebe letztlich geschehen kann.

In seinen Geistlichen Übungen verwendet der heilige Ignatius von Loyola nicht die alttestamentarischen Bilder von Rache, im Gegensatz zu Paulus (vgl. 2.Thessalonicher 1,5-9); dennoch schrieb und handelte er aus der Überzeugung, so viele „Ungläubige“ wie möglich vor dem schrecklichen Schicksal ewiger Verdammnis retten zu müssen. Diese Lehre, formalisiert im Konzil von Trient, wurde in stark gemäßigter Form in den Katechismus der Katholischen Kirche (vgl. Abschnitte 633, 1037) übernommen. Ist es richtig zu sagen, dass es in den vergangenen Jahrzehnten zu diesem Punkt eine „Entwicklung des Dogmas“ gegeben hat, welcher der Katechismus unbedingt Rechnung tragen sollte?

BENEDIKT XVI.: Zweifellos ist in diesem Punkt eine tiefgreifende Entwicklung des Dogmas in Gang. Während die Väter und die Theologen des Mittelalters noch der Meinung sein konnten, dass im wesentlichen die ganze Menschheit christlich geworden sei und nur noch am Rande Heidentum bestehe, hat die Entdeckung der neuen Welt zu Beginn der Neuzeit die Perspektiven radikal geändert. Das Bewußtsein, dass Gott nicht alle Ungetauften der Verdammnis verfallen lassen kann und auch eine bloß natürliche Seligkeit für sie keine wirkliche Antwort auf die Frage des Menschseins darstellt, hat sich im letzten halben Jahrhundert vollends durchgesetzt. Wenn die großen Missionare des 16. Jahrhunderts noch überzeugt waren, dass ungetaufte Menschen für immer verloren seien und von da aus sich die Dynamik ihres missionarischen Einsatzes erklärt, so ist dieses Bewusstsein in der katholischen Kirche mit dem II. Vaticanum endgültig zusammengebrochen. Daraus ergab sich eine doppelte tiefgreifenden Krise: Zum einen scheint es keinen Grund mehr für die Mission zu geben. Warum sollte man noch Menschen zum christlichen Glauben führen wollen, wenn sie auch ohne ihn gerettet werden können? Aber auch für die Christen selbst ergab sich eine Folge daraus: Die Verbindlichkeit des Glaubens und seiner Lebensform wurde fragwürdig. Wenn andere auf andere Weise gerettet werden können, ist am Ende auch nicht mehr einsichtig, warum der Christ selbst an die Forderungen des christlichen Glaubens und seiner Moral gebunden ist. Wenn aber Heil und Glaube nicht mehr zusammenhängen, wird der Glaube selbst grundlos.

Inzwischen haben sich verschiedene Versuche gebildet, um den universellen Anspruch des christlichen Glaubens mit der Möglichkeit des Heils ohne ihn in Einklang zu bringen. Ich erwähne zwei davon: Da ist zunächst die bekannte These von Karl Rahner von den anonymen Christen. Sie besagt, dass der wesentliche Grundakt der christlichen Existenz, der für das Heil entscheidend ist, in der transzendentalen Struktur unseres Bewusstseins als Ausgriff nach dem ganz anderen, nach dem Einssein mit Gott bestehe. Der christliche Glaube habe ins Bewusstsein gehoben, was strukturell im Menschen an sich da ist. Wenn also der Mensch sich in seinem wesentlichen Sein annimmt, vollzieht er das Wesentliche des Christseins, ohne es begrifflich zu kennen. Das Christliche fällt so mit dem Menschlichen zusammen, und in diesem Sinn ist jeder Mensch ein Christ, der sich selbst annimmt, auch wenn er es nicht weiß. Diese Theorie ist zwar beeindruckend, macht aber das Christentum selbst nur zu einer bewussten Darstellung dessen, was Menschsein an sich ist und lässt so das Drama der Verwandlung und der Erneuerung aus dem Spiel, um das es im Christsein wesentlich geht.

Noch weniger akzeptabel ist die Lösung der pluralistischen Religionstheorien, die uns sagen, dass alle Religionen je auf ihre Weise Heilswege seien und in diesem Sinn in ihrer Wirkung als gleichbedeutend angesehen werden müssen. Die Religionskritik, wie sie das Alte Testament, das Neue Testament und die frühe Kirche geübt haben, ist da wesentlich konkreter in ihrer Erkenntnis der verschiedenen Religionen. Eine so einfache Rezeptur ist der großen Frage nicht angemessen.

Schließlich haben vor allem Henri De Lubac und nach ihm manche andere den Gedanken der Stellvertretung betont. Die Proexistenz Christi sei Ausdruck für die Grundfigur christlicher Existenz und für die Kirche als solche. Damit ist zwar das Problem nicht völlig gelöst, aber ich denke, dass dies doch die wesentliche Einsicht ist, die dann auch die Existenz eines jeden Christen betrifft. Christus als der Eine war und ist für alle und die Christen, die mit ihm nach dem großen Bild des heiligen Paulus seinen Leib in dieser Welt bilden, nehmen an diesem Für-Sein teil. Christ ist man sozusagen nicht für sich selber, sondern mit Christus für die anderen. Es bedeutet nicht eine Art Sonderbillett zum Eintritt in die ewige Seligkeit, sondern die Sendung zum Mittragen des Ganzen. Was der Mensch zum Heil braucht, ist die innere Offenheit für Gott, das innere Warten und Zugehen auf ihn, und das bedeutet umgekehrt, dass wir mit dem Herrn, der uns begegnet ist, auf die anderen zugehen und ihnen das Zugehen Gottes in Christus sichtbar zu machen versuchen.

Man kann dieses Für-Sein auch etwas abstrakter verständlich machen. Es ist wichtig für die Menschheit, dass Wahrheit in ihr da ist, dass sie geglaubt und gelebt wird. Dass für sie gelitten wird. Dass geliebt wird. Diese Realitäten leuchten in die Welt als ganze hinein und tragen sie mit. Ich denke, dass in der gegenwärtigen Situation uns auch immer mehr das Wort des Herrn an Abraham verständlich wird, dass zehn Gerechte ausreichen würden, damit eine Stadt überleben kann, aber dass sie sich selbst zerstört, wenn diese kleine Zahl unterschritten wird. Es ist klar, dass an der Frage weiter gearbeitet werden muss.

In den Augen vieler säkularer Humanisten, geprägt vom Atheismus des 19. und 20. Jahrhunderts, wie Sie angemerkt haben, sollte Gott – wenn er denn existiert –verantwortlich gemacht werden, statt des Menschen, für die Ungerechtigkeit, das Leiden der Unschuldigen, den Zynismus der Macht derer wir Zeuge sind, machtlos, in der Welt und der Weltgeschichte (vgl. Spe Salvi Nr. 42). In Ihrem Buch „Jesus von Nazareth“ weisen Sie darauf hin, was für diese Menschen – und für uns – ein Skandal ist: Die Realität der Ungerechtigkeit, des Bösen, die nicht ignoriert werden kann, sondern überwunden und besiegt werden muss, damit es Barmherzigkeit gibt. Ist das Sakrament der Beichte einer der Ort, an denen das Böse „repariert“ werden kann? Wenn ja, wie?

BENEDIKT XVI.: Das Wesentliche zur Frage im ganzen habe ich bereits in der Antwort auf Frage 3 darzustellen versucht. Das Gegengewicht gegen die Übermacht des Bösen kann zunächst nur in der gottmenschlichen Liebe Jesu Christi bestehen, die immer größer ist als jede mögliche Macht des Bösen. Aber unser Eintreten in diese Antwort Gottes durch Jesus Christus ist notwendig. Auch wenn jeder einzelne selber einen Teil des Bösen zu verantworten hat und so an dessen Macht mitschuldig ist, kann er doch zugleich mit Christus zusammen „ergänzen, was an seinen Leiden noch fehlt“ (vgl. Kol 1, 24).

Das Bußsakrament spielt hier sicher eine wichtige Rolle. Es bedeutet, dass wir uns selber immer wieder neu von Christus umarbeiten, umwandeln lassen und immer wieder neu von der Seite der Zerstörer auf die rettende Seite treten. (CNA Deutsch)

Lombardi: Papst Franziskus reist im Juni nach Armenien

Pater Lombardi PressekonferenzPapst Franziskus möchte in der zweiten Junihälfte nach Armenien reisen. Das bestätigte Vatikansprecher Federico Lombardi an diesem Freitag auf Anfrage von Journalisten. Ein genaues Reisedatum stehe aber noch nicht fest. Die Reisevorbereitungen seien im Anfangsstadium, die Vatikanverantwortlichen hätten noch keine Ortsbegehung vorgenommen, präzisierte Lombardi mit Blick auf vorweg genannte mögliche Reisedaten, die aber nicht korrekt seien. Es wird sich um die dreizehnte Auslandsvisite des Papstes handeln. Vorbereiten wird sie erstmals der neue päpstliche Reisemarschall Mauricio Rueda Beltz, ein aus Kolumbien stammender Kurienpriester, der im Staatssekretariat tätig ist. Die letzte Papstreise nach Armenien war jene von Johannes Paul II. im Jahr 2001. (rv)

Barmherzigkeit, Sühne, Glauben: Interview mit Benedikt XVI.

Papst Benedikt XVI.Ein Interview des emeritierten Papstes Benedikt XVI. hat aufhorchen lassen. In einem Zitat, das am Mittwoch daraus bekannt wurde, würdigt Benedikt seinen Nachfolger Franziskus dafür, dass er die göttliche Barmherzigkeit zu einem Leitthema seines Pontifikats gemacht hat. Es ist die erste „öffentliche“ Äußerung des emeritierten über den amtierenden Papst.

An diesem Donnerstag hat die Vatikanzeitung „L’Osservatore Romano“ auf einer Doppelseite den gesamten Text des Interviews auf Italienisch veröffentlicht. Daraus wird deutlich, dass der Akzent des vom Jesuiten Jacques Servais geführten Interviews vor allem auf dem Thema der Rechtfertigung des Menschen vor Gott liegt – einem Thema, das vor fünfhundert Jahren zum Anstoß der Reformation durch Martin Luther wurde.

Papst Benedikt äußert sich zunächst zum kirchlichen Charakter des Glaubens. „Einerseits ist der Glaube ein zutiefst persönlicher Kontakt zu Gott, der mich im Innersten anrührt und mich in völliger Unmittelbarkeit vor den lebendigen Gott stellt“, so Benedikt. Doch gleichzeitig habe „diese zutiefst persönliche Realität untrennbar mit Gemeinschaft zu tun“. „Es gehört zur Essenz des Glaubens, mich einzuschreiben ins Wir der Kinder Gottes, in die pilgernde Gemeinschaft der Brüder und Schwestern.“ Glauben löse aus der Isolation und füge den Glaubenden in die Gemeinschaft der Kirche ein.

Die Kirche wiederum habe sich „nicht selbst geschaffen“, sondern werde „fortwährend von Gott gebildet“; sie produziere nicht sich selbst, sondern solle zur Begegnung mit Christus führen; man trete in sie „nicht durch einen bürokratischen Akt“ ein, sondern durch das Taufsakrament. „Eine Seelsorge, die die geistliche Erfahrung der Gläubigen anleiten will, muss von diesen Grundgegebenheiten ausgehen“, so Benedikt XVI.

„Als ob Gott sich rechtfertigen müsse, nicht der Mensch“

An diesem Punkt bringt der Interviewer die Rechtfertigungslehre ins Spiel. Luthers Erfahrung sei von der „Angst vor dem Zorn Gottes“ geprägt gewesen; dieses Gefühl sei „dem modernen Menschen eher fremd“. Wie könne die Rechtfertigungslehre des Paulus denn den Menschen von heute überhaupt noch erreichen? Das greift der emeritierte Papst auf: „Für den Menschen von heute haben sich die Dinge im Vergleich zur Zeit Luthers und zur klassischen Perspektive des christlichen Glaubens gewissermaßen umgekehrt. Es ist gar nicht mehr der Mensch, der glaubt, die Rechtfertigung vor dem Angesicht Gottes nötig zu haben; vielmehr ist er der Ansicht, es sei Gott, der sich für alle furchtbaren Dinge, die es auf der Welt gibt, und angesichts des Elends des Menschen rechtfertigen müsste – alles Dinge, die letztlich ja von ihm (Gott) abhängen.“

Benedikt XVI. weist darauf hin, dass ein (ungenannter) katholischer Theologe den Kreuzestod Jesu so deute, als sei Christus „nicht für die Sünden der Menschen gestorben, sondern um sozusagen die Schuld Gottes zu sühnen“. Das sei zwar „eine drastische Umkehrung unseres Glaubens“, die sicher von den meisten Christen nicht geteilt werde, doch lasse sie „eine Grundtendenz unserer Zeit hervorscheinen“. Johann Baptist Metz habe mit seiner Forderung, die heutige Theologie solle „theodizeeempfindlich“ sein, „dasselbe Problem auf positive Weise unterstrichen“. „Der Mensch von heute hat ganz allgemein das Gefühl, dass Gott doch den größten Teil der Menschheit nicht verlorengehen lassen kann. In diesem Sinn ist die Sorge um das Heil, die für eine Zeit typisch war, größtenteils verlorengegangen“, äußerte Papst Benedikt.

Der Begriff der Barmherzigkeit als „Zeichen der Zeit“

Dennoch, so fährt der emeritierte Papst fort, spürten viele Christen auch weiterhin, „dass wir Gnade und Erlösung brauchen“. „Für mich ist die Tatsache, dass der Begriff von der Barmherzigkeit Gottes immer zentraler und dominanter wird, ein Zeichen der Zeit.“ Die Tendenz sei von der heiligen Faustina Kowalska ausgegangen und habe Papst Johannes Paul II. „zutiefst geprägt“. „Papst Franziskus liegt gänzlich auf dieser Linie. Seine pastorale Praxis drückt sich genau durch die Tatsache aus, dass er zu uns kontinuierlich über die Barmherzigkeit Gottes spricht. Es ist die Barmherzigkeit, die uns zu Gott hinbewegt, während seine Gerechtigkeit uns erschreckt. Meiner Meinung nach zeigt das, dass der Mensch von heute unter der Patina der Selbstsicherheit und Selbstgerechtigkeit doch im Tiefsten um seine Wunden und seine Unwürdigkeit im Angesicht Gottes weiß.“

Er halte es daher für „keinen Zufall“, dass das Gleichnis vom Barmherzigen Samariter „besonders anziehend für die Zeitgenossen“ sei, so der bald 89-jährige Papst Benedikt: Die Menschen von heute hofften offenbar im Innersten, „dass der Samariter ihnen zu Hilfe kommt, sich über sie beugt, Öl auf ihre Wunden gießt, sich um sie kümmert und in Sicherheit bringt“.

„Letztlich wissen sie, dass sie die Barmherzigkeit Gottes und sein Feingefühl brauchen. In der Härte der technisierten Welt, in der die Gefühle nichts mehr gelten, wächst doch die Erwartung einer rettenden Liebe, die vorbehaltlos gegeben wird. Mir scheint, dass sich im Thema der göttlichen Barmherzigkeit das, was die Rechtfertigung durch den Glauben bedeutet, auf neue Weise ausdrückt. Von der Barmherzigkeit Gottes ausgehend, die alle suchen, kann man auch heute den Kern der Rechtfertigungslehre neu interpretieren und ihn in seiner ganzen Relevanz darstellen.“

„Nur unbegrenzte Liebe kommt gegen das Böse an“

Im weiteren Fortgang des Gesprächs wird dann die Frage vertieft, in welcher Hinsicht der Tod Jesu am Kreuz eine Sühne für die Sünden der Menschen war. Es gelte, „auf neue Weise die Wahrheit hinter einer solchen Ausdrucksweise zu verstehen zu versuchen“, so der emeritierte Papst. „Von der Trinitätstheologie ausgehend“ sei es „vollkommen falsch“, einem vermeintlich „auf Gerechtigkeit bestehenden Vater“ einen „gehorsamen Sohn“ gegenüberzustellen, „der die grausame Forderung der Gerechtigkeit akzeptiert“. „Vater und Sohn sind eins, und darum ist auch ihr Wille intrinsisch ein einziger. Wenn der Sohn am Ölberg mit dem Willen des Vaters ringt, dann nicht, weil er eine grausame Verfügung Gottes akzeptieren müsste, sondern weil er die Menschheit ins Innere des Willens Gottes hineinziehen will.“

Die Antwort auf die Frage „Warum das Kreuz und die Sühne“ könne man, so fährt Benedikt XVI. fort, „heute auf neue Weise formulieren“. Das „unglaublich schmutzige Ausmaß des Bösen“ in der Welt lasse sich „nicht einmal durch Gott“ einfach für „nichtexistent erklären“, sondern müsse „gereinigt“ und „überwunden“ werden. Die frühen Christen hätten „gewusst, dass angesichts der Übermacht des Bösen nur eine unbegrenzte Liebe, eine unendliche Sühne Genüge tun kann“. „Sie wussten, dass der gekreuzigte und auferstandene Christus eine Macht ist, die sich der des Bösen entgegenstellen und die Welt retten kann. Und auf dieser Basis konnten sie auch den Sinn des eigenen Leidens als in die leidende Liebe Christi hineingenommen verstehen, als Teil der erlösenden Kraft dieser Liebe.“

Zum Verhältnis von Vater und Sohn in Gott zitiert Benedikt den Theologen Henri de Lubac: Der Vater selbst sei „nicht leidenschaftslos“. „In einigen Teilen Deutschlands gab es eine sehr bewegende Verehrung, die die Not Gottes betrachtete. Mir führt das ein beeindruckendes Bild vor Augen, das den leidenden Vater zeigt, wie er als Vater innerlich die Leiden des Sohnes teilt. Und auch das Bild des „Gnadenstuhls“ gehört zu dieser Verehrung: Der Vater hält das Kreuz und den Gekreuzigten, beugt sich liebevoll über ihn und ist, gewissermaßen, mit ihm am Kreuz.“ Das lasse erkennen, das man nicht von einer „grausamen Gerechtigkeit“ oder gar einem „Fanatismus des Vaters“ sprechen könne.

Theorie vom „anonymen Christen“ greift zu kurz

Benedikt XVI. äußert sich in dem Gespräch auch zur Heilsnotwendigkeit Christi und der Kirche. Hier habe es „eine tiefe Entwicklung des Dogmas“ gegeben: Hätten noch „die großen Missionare des 16. Jahrhunderts“ geglaubt, Nichtgetaufte seien für immer verloren, so sei diese Überzeugung „nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil definitiv aufgegeben worden“. Daraus ergebe sich allerdings „eine tiefe, doppelte Krise“: „Zum einen scheint das jede Motivation für einen künftigen missionarischen Einsatz wegfallen zu lassen.“ Zum anderen sei „der obligatorische Charakter des Glaubens“ und der christlichen „Lebensform“ fraglich geworden.

Darauf habe zum Beispiel „die wohlbekannte These Karl Rahners von den anonymen Christen“ zu antworten versucht; in ihr „fällt das Christliche mit dem Menschlichen zusammen, und in diesem Sinn ist jeder Mensch, der sich selbst akzeptiert, Christ, auch wenn ihm das nicht bewusst ist“. Diese Theorie sei zwar „faszinierend“, aber sie vernachlässige „das Drama des Umkehrens und der Erneuerung, die im Christentum zentral ist“. Für „noch weniger akzeptabel“ erklärt der emeritierte Papst die Vorstellung, alle Religionen seien „jede auf ihre Weise“ Heilswege und könnten deswegen gewissermaßen für „gleichwertig“ gehalten werden. Diese Vorstellung werde „der Größe der Frage“ in keiner Weise gerecht.

Benedikt selbst hält sich in dieser Hinsicht eher an die Theologie de Lubacs, so wie er sie schon in seiner Zeit als Theologieprofessor etwa in seiner „Einführung in das Christentum“ ausgeführt hat. „Christus war und ist für alle, und die Christen, die in dem außerordentlichen Bild des Paulus in dieser Welt seinen Leib bilden, haben Anteil an diesem Sein-für. Man ist also Christ sozusagen nicht für sich selbst, sondern mit Christus für die anderen.“ Das löse zwar das angesprochene Problem nicht zur Gänze, „aber mir scheint das die wirklich wesentliche Intuition zu sein, dass dadurch die Existenz des einzelnen Christen berührt wird“. Es sei „für die Menschheit wichtig“, dass das „Sein-für“ geglaubt und praktiziert, dass dafür auch gelitten werde. „Diese Wirklichkeiten dringen mit ihrem Licht ins Innere der Welt als solcher und erhalten sie. Ich glaube, dass es für uns in der gegenwärtigen Lage immer deutlicher und verständlicher wird, was der Herr zu Abraham sagt – dass nämlich schon zehn Gerechte genügt hätten, um eine Stadt überleben zu lassen… Es ist aber klar, dass wir über die ganze Frage noch weiter nachdenken müssen.“

Stefan von Kempis übersetzte die wörtliche Rede in diesem Text aus dem Italienischen in eigener Übersetzung. (rv)

Kongress zum Lehrschreiben von Papst Benedikt über die Liebe

Benedikt XVI.Der Vatikan begeht den zehnten Jahrestag des Erscheinens von „Deus Caritas Est” mit einem hochrangig besetzten Kongress. Am 25. und 26. Februar lädt der päpstliche Caritas-Rat „Cor Unum” in die Neue Synodenaula. Die erste Enzyklika von Papst Benedikt XVI. erschien 2006 und gilt als Notenschlüssel seines Pontifikats. Der Kongress beabsichtigt, die theologischen und pastoralen Perspektiven des Lehrschreibens in der Welt von heute zu vertiefen. Teilnehmen werden unter anderem Repräsentanten diverser Bischofskonferenzen, der Präfekt der Glaubenskongregation Kardinal Gerhard Ludwig Müller, der Erzbischof von Manila und Präsident von Caritas Internationalis, Kardinal Luis Antonio G. Tagle, und der Philosoph Fabrice Hadjadj, der das Institut Philanthropos in Freiburg in der Schweiz leitet. Papst Franziskus empfängt die Teilnehmer des Kongresses am 26. Februar in Audienz.

(rv)

Eichstätter Weihnachtskonzert für Benedikt XVI.

Papst (Emeritus) Benedikt XVI.Es war ein ganz besonderes Konzert für die Jugendkantorei am Eichstätter Dom. Der Chor ist in diesen Tagen zum internationalen Treffen der kirchlichen Jugendchöre Pueri Cantores in Rom, am Mittwoch Abend war er im Studio von Radio Vatikan in den vatikanischen Gärten zu Gast, um Weihnachtslieder für Papst emeritus Benedikt XVI. zu singen. Knapp vierzig Jugendliche unter der Leitung von Kapellmeister Christian Heiß sangen Lieder von Mendelssohn Bartholdy, Johannes Brahms, Benjamin Britten und ein „O du fröhliche“ nach einem Satz von Georg Ratzinger, der ebenfalls beim Konzert dabei war. Für die Sängerinnen und Sänger war es eine Überraschung, sie hatten erst am Vorabend überhaupt von diesem Konzert erfahren. Die Freude stand ihnen ins Gesicht geschrieben, und man konnte sie auch hören.

Zum Abschluss bedankte sich der emeritierte Papst für dieses Geschenk und wünschte den Gästen noch einen schönen Aufenthalt in Rom und „buon anno“, ein gutes neues Jahr. (rv)

Bayerische Pilgergruppe bei Benedikt XVI.

Benedikt XVI.Die bayerische Delegation, die den diesjährigen Weihnachtsbaum auf dem römischen Petersplatz spendiert und organisiert hat, traf am Donnerstagnachmittag den emeritierten Papst und Landsmann Benedikt XVI. im Vatikan. Hier die Beschreibung des Treffens:

„Vielen Dank, vor allem dass Sie da sind und für alles, was Sie mitgenommen haben. Ganz herzlichen Dank“, so der emeritierte Papst. „Ich freue mich auch sehr und danke Ihnen“, sagt die bayerische Europaministerin Beate Merk. „Ich bringe Ihnen noch zusätzlich selbstgebackene Plätzchen“, fügt sie an. Mit einem lächeln erwidert Benedikt: „Mmh!“. „Ich selber habe kontrolliert, dass sie besonders gut sind und alle Spezialitäten stammen aus der Oberpfalz, aus Schwaben und weitere Bereiche sind vertreten“, so Merk. „Ach ja, das sind die bayerischen Stämme. Das ist besonders schön, dass man auch Bayern schmecken kann. Vergelt´s Gott!“, so Benedikt XVI. Der Privatsekretär Erzbischof Georg Gänswein nimmt die Geschenke entgegen. Die bayerischen Pilger klatschen…

„Heiliger Vater, möchten Sie ein paar Worte sagen?“, fragt Erzbischof Gänswein. Dann folgten Benedikts Worte:

„Ja, liebe Frau Ministerin, liebe Herren Landräte, liebe Bürgermeister: ganz herzlichen Dank für diese Begegnung und für alles, was Sie in diesem Augenblick für uns tun. Ich finde es so schön, dass Sie aus dem Glauben und Freundschaft heraus, den Christbaum nach Rom bringen. Ich glaube, es ist das dritte Mal, dass ein Baum aus der Diözese Regensburg stammt. Ich wusste nicht, dass es da heilige Berge gibt. 700 Meter ist immerhin eine Höhe. Wir sind ja hier auch auf einem Hügel, aber das hat knapp hundert Meter oder vielleicht nicht einmal, aber immerhin!“

Eine kurze Pause und Benedikt setzte fort:

„Ich freue mich, dass Sie auf diese Weise der Spur der Freundschaft vom Norden nach Süden bringen und eine Spur der Freundschaft über die Welt hin bringen. Denn dieser Baum leuchtet ja nicht nur auf dem Petersplatz in Rom, er leuchtet in die weite Welt hinaus, wird von allen Menschen gesehen und zwar als Zeichen des Lichtes, der Freundschaft, der Versöhnung und der Güte. Der Baum sagt uns, dass Gott Freund ist von uns und dass wir deswegen miteinander Freunde und Geschwister sind. So ist dies eine Botschaft, der wir gerade in dieser Zeit bedürfen, in der so viel Gefahr zur Feinseligkeit und zum Terror besteht. Umso mehr stehen wir in der Freundschaft, die Licht ist, in die Welt hinein zu bringen. Ich danke Ihnen, dass Sie dieses Zeugnis ablegen und Bayern als einen Ort der Güte, der Herzlichkeit und der Menschlichkeit aus dem Glauben heraus darstellen. Ich freue mich, dass dieser Glaube so lebendig und gegenwärtig ist. (…)

Ich wünsche euch eine gesegnete Zeit hier in Rom. Viel Freude an Weihnachten und Neujahr. Ich wünsche Ihnen Gesundheit! Und ganz herzlich danke ich für die reichen Gaben, die uns so richtig Bayern schmecken lassen. Grüßen Sie den Ministerpräsidenten und ganz Bayern! Vergelt´s Gott!“

Dann sprach der Bürgermeister von Hirschau, Hermann Falck: „Heiliger Vater Benedikt, ich möchte Sie Bayern schmecken lassen. Es gibt Pralinen, Wurstpralinen.“ „Das ist ja was ganz Neues“, antwortete Benedikt. „Das kann man alles miteinander essen. Das ist ganz Wurst“, fügte der Bürgermeister an. „Ich möchte ihnen auch von unserem Heimatdichter ein in Oberpfälzer Sprache in Original geschriebenes Buch überreichen“, sagte Falck. Er überreichte ein Buch über den Kreuzweg sowie ein Bildband mit der Oberpfalz „von oben“. „Das Land und die Berge kannte ich noch nicht“, so der emeritierte Papst. „Amberg kannte ich schon, aber bis Sulzbach-Rosenberg bin ich noch nicht vorgedrungen“, fügte er an. „Auf diese Weise kann ich jetzt alles erkunden. Sie sind noch bis morgen in Rom und mit dem Flugzeug gekommen?“, wollte er wissen.

„Wir fahren am Samstagmorgen wieder zurück“, erläuterte der Bürger. „Ist es in Bayern auch noch warm?“, wollte Benedikt wissen. „Ja, aber es regnet“, erläuterte Ministerin Merk. „Klimaerwärmung um zwei, drei oder vier Grad… da müssen wir noch froh sein und schauen, wie es weitergeht. Ich wohl nicht mehr, aber Sie, deshalb alles Gute!“, sagte Benedikt XVI. abschließend.

Dann überreichte noch eine Bayerin ein Geschenk aus der Bäckerei, in der Josef Ratzingers Mutter noch gearbeitet hatte. „Ach, na so was!“, antwortete Benedikt XVI. Dann wurde ihm noch erklärt, dass der Weihnachtsbaum extra zwei Spitzen hat, damit eine Spitze dem amtierenden Papst Franziskus und die zweite dem emeritierten Papst Benedikt gewidmet sei. Auch der „Baumbesitzer“ stellte sich kurz vor und erläuterte, woher der Baum stammt und wie der Baum nach Rom transportiert wurde. (rv)

Benedikt XVI. kommt zum Start des Hl. Jahrs

Papst (Emeritus) Benedikt XVI.Der emeritierte Papst Benedikt XVI. wird bei der Öffnung der Heiligen Pforte am Dienstag auf dem Petersplatz anwesend sein. Im Vatikan wurde am Samstag bekannt, dass Benedikt die Einladung seines Nachfolgers Franziskus angenommen hat. Der emeritierte Papst wird in der Vorhalle des Petersdoms dabei sein, wenn Franziskus offiziell das Heilige Jahr der Barmherzigkeit startet.

In den letzten Wochen hat Franziskus seinen unmittelbaren Vorgänger mehrfach zitiert, wenn es um den Zusammenhang von Barmherzigkeit und Wahrheit ging. Benedikt lebt zurückgezogen in den Vatikanischen Gärten; auf die Einladung seines Nachfolgers hin hat er aber schon mehrfach an Feiern auf dem Petersplatz teilgenommen, etwa an der Heiligsprechung der Päpste Johannes XXIII. und Johannes Paul II. im letzten Jahr. (rv)

Nachgefragt: Wie geht es Benedikt XVI.?

Papst (Emeritus) Benedikt XVI.Es ist tatsächlich still geworden um Benedikt XVI. – so wie er das vor seinem Rückzug Anfang 2013 ja angekündigt hatte. Wie geht es dem emeritierten Papst? Das fragte Stefan Kempis bei einer Begegnung zwischen Tür und Angel Benedikts Sekretär, Kurienerzbischof Georg Gänswein.

„Papst Benedikt ist ein alter, wacher Herr, dessen Gehwerkzeuge ein bisschen schwach geworden sind, darum benutzt er auch einen Rollator. Aber es geht ihm geistig sehr gut, er ist hellwach! Und mit seiner Wachsamkeit verfolgt er sowohl vatikanisches Terrain als auch deutsche Politik.“

Deutsche Politik?

„Ja natürlich! Er ist in seinem Herzen ein Bayer, er ist ein Bayer geblieben, und es ist ganz klar, dass auch mit bayerischem Herzen das Heimatland wach verfolgt wird in Bezug auf politische Entwicklungen.“

Schreibt Benedikt auch noch?

„Er hat eine große, persönliche Korrespondenz, aber wissenschaftlich will er nichts mehr schreiben.“ (rv)

Ratzinger-Schülerkreise: Künftig enger zusammenarbeiten

Papst (Emeritus) Benedikt XVI.Neue Perspektive für den Ratzinger-Schülerkreis: Die ehemaligen Promovenden bei Professor Joseph Ratzinger werden in Zukunft enger mit dem „Neuen Ratzinger-Schülerkreis“ zusammenarbeiten. Das kündigte der Sprecher des Schülerkreises, Pater Stephan Horn SDS, im Gespräch mit Radio Vatikan an. Am vergangenen Wochenende trafen sich die Ratzinger-Theologen und –Theologinnen in Castel Gandolfo und feierten am Sonntag einen Gottesdienst mit dem emeritierten Papst im Vatikan. Über die Zukunft der beiden Schülerkreise sagt Pater Horn:

„Es gibt noch keine konkreten Pläne, aber ich habe darüber mit dem emeritierten Papst Benedikt XVI. gesprochen. Er ist sehr dafür, dass die Schülerkreise noch enger zusammenwachsen. Bisher hatten wir beispielsweise die Themen und Referenten im eigentlichen Schülerkreis festgelegt. Der neue Schülerkreis wurde dann darüber informiert bzw. angefragt, ob sie evtl. mögliche Referenten vorschlagen. Da war Benedikt XVI. jetzt der Meinung, dass wir dies künftig gemeinsam machen sollen. Vielleicht sollten wir künftig alles gemeinsam organisieren.“

Die Schülerkreise und die Joseph-Ratzinger-Stiftung haben in den vergangenen Monaten allerlei unternommen. Größere Projekte stünden bevor: So werde die Ratzinger-Stiftung vom 25. bis 26. November in Berlin ein großes Symposium veranstalten. Daran wird der langjährige Sekretär von Papst Benedikt XVI., Kurienerzbischof Georg Gänswein, teilnehmen, kündigte Pater Horn an. Die Tagung beschäftige sich mit den „großen politischen Reden von Papst Benedikt“.

„Das bereiten wir schon seit langem vor und wird sicherlich ein großes Ereignis sein. Der neue Schülerkreis bereitet derweil hier in Rom eine Konferenz vor, die ebenfalls im November stattfinden wird. Da wird es um die Enzyklika Deus caritas est gehen. Papst Benedikt ist sehr hoffnungsvoll für die Zukunft der Schülerkreise.“

Wie bereits in den Jahren seit seinem Amtsverzicht 2013 nahm Papst Benedikt nicht mehr an dem Treffen seiner Schüler statt, feierte aber eine Messe mit ihnen im Vatikan. Abgesehen von Schwierigkeiten mit dem Laufen wirkte der Papst auf Pater Horn „sehr frisch“, verriet der Ordensmann Radio Vatikan. Auch die Angehörigen des Schülerkreises selbst kämen nun in die Jahre, und so könnten nicht mehr alle zu den jährlichen Treffen kommen.

„Der neue Schülerkreis hingegen wächst immer mehr. Und so ist es auch, dass der neue Schülerkreis vollständig an den Diskussionen teilnimmt. In diesem Jahr hatten wir Professor Tomas Halik eingeladen. Er ging von der Frage aus: Wie kann in der heutigen Zeit von Gott reden? Er stellte fest, dass sich das heutige Europa in einer Art Mittagsschlaf befindet. Er hat aber auch betont, dass dies ein Augenblick der Wende sein könne. In Europa stünden nicht mehr nur Gläubige und Ungläubige gegenüber, sondern es gibt immer mehr Menschen, die einfach nicht mehr glauben, die aber weiter auf der Suche nach der Wahrheit seien. Da sieht Professor Halik eine große Chance für die Kirche, diesen Menschen nahe zu kommen.“

Das große Anliegen des ursprünglichen Schülerkreises sei es schon immer gewesen, ein familiäres Treffen durchzuführen, so der Sprecher des Schülerkreises.

„Das hat sich schlagartig geändert, als Kardinal Ratzinger zum Papst gewählt wurde. Da war das Interesse an einer Veröffentlichung unserer Tagungen sehr groß geworden.“ (rv)