Vatikanischer Außenminister in London: Verschiedenheiten achten

Erzbischof Paul Richard GallagherFür ihn ist es eine Heimkehr: Der vatikanische Außenminister führt in Großbritannien drei Tage lang politische Gespräche. Erzbischof Paul Gallagher ist selbst Brite, er stammt aus Liverpool; in London hat er unter anderem Termine im Außen- und im Entwicklungsministerium. Er trifft sich aber auch mit dem anglikanischen Primas Justin Welby, den er schon lange kennt, mit Abgeordneten und der neuen Generalsekretärin des Commonwealth.

Bei den Gesprächen wird es unter anderem um das Thema Syrien gehen, das sagte uns Gallagher vor seiner Abreise aus Rom. „Ich habe den Eindruck, dass die britische Regierung einiges tut, um den Islamischen Staat zu bekämpfen und für Irak, Syrien und andere Teile des Nahen Ostens Frieden herzustellen; ob das Engagement ausreicht, habe nicht ich zu beurteilen, das ist eine interne Debatte. Ich möchte nur sagen – und das ist nicht speziell an die Briten gerichtet, sondern an uns alle: In diesem Moment vieler Konflikte und enormer Probleme und Herausforderungen muss jeder von uns seinen Beitrag leisten! Die Botschaft der Kirche besteht nie darin, mit dem Finger auf ein bestimmtes Land zu zeigen und zu sagen: ‚Du tust nicht genug’ oder ‚Du tust nicht das Richtige’; vielmehr geht es um ein Ermutigen guter Initiativen und des Guten, das geleistet wird. Natürlich kann man immer noch mehr tun!“

Der Erzbischof, der seit November 2014 Verantwortlicher für Außenpolitik im Staatssekretariat ist, betont, dass der Vatikan große Hoffnungen an die neue Runde von Friedensgesprächen knüpft. UNO-Sondergesandter Staffan de Mistura will sie am 9. März zusammenbringen. „Wir sind in Kontakt mit den Vertretern des UNO-Generalsekretärs, die am Syrien-Dossier arbeiten und die Friedensgespräche zu organisieren versuchen. Wir ermutigen sie, und der Heilige Vater beobachtet diese Dinge ebenfalls ganz aus der Nähe.“

Aber bei seinen Gesprächen in Großbritannien wird Gallagher sicher auch auf das Thema Brexit angesprochen werden, also auf die Abstimmung, ob Großbritannien die EU verlassen soll oder bleiben will. In einem Fernsehinterview hat er Ende Januar nämlich wörtlich gesagt: „Lieber drinnen als draußen“, er habe die Befürchtung, dass ein Ausscheiden Großbritanniens aus der EU Europa schwächen würde. Mittlerweile redet der Erzbischof weniger deutlich.

„Ich habe mich ja schon dazu geäußert; seitdem haben sich Dinge verändert, das Referendum ist angesetzt worden, viele führende Personen haben Stellung bezogen. Darum glaube ich nicht, dass ich jetzt eine spezielle Meinung äußern sollte… Alles, was ich sagen würde, ist: Der Heilige Stuhl arbeitet immer für das Gemeinwohl aller; er ist an starken Institutionen und starken Ländern interessiert. Wir hoffen also, dass, welche Entscheidung auch immer getroffen wird, sie dazu beiträgt, das Leben für die Europäer besser zu machen und Europa zu helfen, die Art von ‚leadership’ zu zeigen, welche die Welt und die internationale Gemeinschaft erwartet.“

Erzbischof Gallagher lobt, in welchem Ausmaß in der britischen Gesellschaft das Vertrauen in die (jahrzehntelang misstrauisch beäugte) katholische Kirche gewachsen sei. Gleichzeitig aber ist er alarmiert darüber, dass bei vielen Briten die Intoleranz gegenüber religiösen Zeichen in der Öffentlichkeit zuzunehmen scheint. „Ich finde, wir sollten wirklich große Toleranz und Respekt für Verschiedenheit zeigen! Wir müssen religiöse, kulturelle und sprachliche Unterschiede zwischen den Menschen als Bereicherung ansehen und nicht immer versuchen, Unterschiede einzuebnen. Das sind Dinge, die zu unserer Gesellschaft beitragen, und im Lauf der ganzen britischen Geschichte hat es eine ständige Ankunft von Menschen aus allen Teilen der Welt und des britischen Empire gegeben, vor allem wegen Konflikten und wegen der Weltkriege. Sie brachten ihre Traditionen mit. Wir sollten die Religion anderer Menschen viel stärker respektieren und höchstens darauf achten, dass es nicht zu fundamentalen Widersprüchen zu Gesetz, Traditionen und öffentlicher Ordnung in unseren Ländern kommt.“ (rv)

Der neue vatikanische Außenminister im Gespräch mit uns

Radio VatikanErzbischof Paul Gallagher wird der erste vatikanische „Außenminister“ englischer Muttersprache. Franziskus hatte den aus Liverpool stammenden Geistlichen jüngst zum neuen Sekretär für die Beziehungen mit den Staaten am päpstlichen Staatssekretariat ernannt; Gallagher folgt in diesem Amt auf Erzbischof Dominique Mamberti, der wie die meisten seiner Vorgänger aus Frankreich stammte. Erzbischof Gallagher ist 60 Jahre alt und ein erfahrener Diplomat, der zuletzt die Nuntiatur in Sydney leitete. Im Gespräch mit Radio Vatikan sagte Gallagher, er trete seine neue Aufgabe in Rom mit großem Respekt an.

„Doch alles, was wir in der Kirche tun, tun wir in einem Geist des Vertrauens. Meine Aufgabe ist es im Wesentlichen, eng mit dem Kardinalstaatssekretär zusammenzuarbeiten, um die Arbeit der diplomatischen Vertretungen des Heiligen Stuhles auf der ganzen Welt zu koordinieren, die sich mit den jeweiligen Regierungen austauschen. Das ist ja, wozu der Heilige Stuhl diplomatische Beziehungen unterhält. Da geht es darum, die Lage der Ortskirchen und die jeweiligen Gesellschaften zu verstehen, auch die großen Zusammenhänge des Weltgeschehens, sodass wir den Heiligen Vater unterstützen können in seinen Entscheidungen. Auch, um die Arbeit der Weltkirche weiterzuführen, die Evangelisierung ist, daneben auch (mit Blick auf die, Anm.) Menschenrechte und Entwicklung der Völker.“

Wie wichtig ist es, diese Beziehungen zwischen dem Heiligen Stuhl und den Regierungen aufrechtzuerhalten? Der Heilige Stuhl vertritt schließlich eine Religion, wozu braucht es da Kontakte zur Politik?

„Das ist eine geschichtliche Frage. Der Heilige Stuhl hatte im Laufe der Geschichte immer eine Anerkennung von Seiten von Nationen und Kaiserreichen. Die Päpste haben gewissermaßen darauf gebaut. Das 19. Jahrhundert brachte das Ende des Kirchenstaates, aber obwohl die Päpste kein Territorium mehr hatten, war ihr Einfluss weiterhin erwünscht. So hat die Kirche vor allem im 20. Jahrhundert einen positiven Einfluss auf den Lauf der Geschichte ausgeübt. Wenn man heute als päpstlicher Diplomat in der Welt herumkommt, so treten – das ist meine Erfahrung – wenig Feindseligkeiten gegen den Heiligen Stuhl auf. Eher wird der Wert darin gesehen. Wir arbeiten so, dass wir einen Beitrag bringen wollen, der in unserem Glauben verwurzelt ist, aber auch in der Erfahrung und Geschichte der Kirche.“

Sie haben in allen fünf Kontinenten gearbeitet. Welche Erfahrungen bringen Sie nach Rom mit, was hat Sie am meisten inspiriert?

„Ich war immer inspiriert von vielen Nuntien, denn viele erbringen wirklich große Opfer. Viele meiner Vorgänger in Australien brachten dort Jahre und Jahre zu, ohne jemals die Gelegenheit zur Rückkehr nach Europa zu haben. Ich war aber auch ermutigt von vielen Kollegen im Staatssekretariat. Sicher, dort gibt es auch Karrieristen, aber die Mehrheit der Kollegen, mit denen ich arbeitete, war hoch motiviert. Als ich 2004 nach Burundi kam, folgte ich auf Erzbischof Michael Courtney, der ermordet worden war. Michael war ein besonderer Mensch, jemand, der sich wirklich selbst hingab und dort tatsächlich sein Leben verlor. Ihm nachzufolgen, war besonders. Ich war immer überzeugt, dass der diplomatische Dienst der Päpste ein wichtiger Dienst ist. Ich glaube gar nicht, dass es eine Berufung ist, päpstlicher Diplomat zu sein – ich denke eher, man muss vor allem seine priesterliche Berufung in diesem Dienst bewahren, um etwas wirklich Gutes zu leisten, und zwar auf beiden Seiten: Die Ortskirche in Rom zu erklären und Rom in der Ortskirche zu erklären.“ (rv)

Vatikan plant Mission in elf Städten Europas

Die Leiter wichtiger Bistümer aus Europa waren am Montag zu Beratungen hinter verschlossener Tür im Vatikan. Eingeladen hatte sie der neue Päpstliche Rat für die Förderung der Neuevangelisierung, geleitet von dem italienischen Erzbischof Rino Fisichella. Und es kam auch gleich etwas Konkretes dabei heraus: „Missione metropoli", eine Großstadt-Mission. Fisichella:

„Das ist eine der Initiativen, die sich der Päpstliche Rat für die Neuevangelisierung für die nächsten Monate vorgenommen hat. Wir haben sie Großstadt-Mission genannt. Sie soll eine Antwort sein auf die Herausforderung der Neuevangelisierung in einem Augenblick, in dem Europa sich in der Krise befindet."

Mit Europa will der neue Vatikan-Rat zunächst einmal anfangen, schließlich geht es beim Projekt der Neuevangelisierung vor allem um den alten Kontinent:

„Es hat schon zwei Bischofssynoden zum Thema Europa gegeben: die eine 1991 und die zweite 1999. Vergessen wir auch nicht, dass der selige Johannes Paul II. 2003 seinen grundlegenden Text „Ecclesia in Europa" geschrieben hat: Unsere Initiative liegt auf der gleichen Linie."

Die Großstadt-Mission ist sozusagen zweigleisig geplant: Auf der einen Seite sollen die Bistümer ihr Engagement in Schulen und in der Ausbildung verstärken.

„Außerdem soll es dann in der Fastenzeit 2012 in diesen elf großen europäischen Städten gleichzeitig untereinander abgestimmte Initiativen geben."

Die elf großen Städte sind die, deren Erzbischöfe am Montag im Vatikan waren oder zumindest einen Vertreter dorthin geschickt hatten: Köln, Wien, Paris, Budapest, Dublin, Lissabon, Brüssel, Liverpool, Warschau, Turin, Barcelona. In einigen von ihnen, etwa in Wien, gab`s schon vor ein paar Jahren eine große Stadtmission. Doch Fisichella sagt:

„Ich finde, das hier ist etwas Neues: ein gleichzeitiges, gemeinsames Zeichen. Kurz gesagt – das ist eine erste Antwort auf das, worum der Papst auf unserer ersten Vollversammlung gebeten hat: die Fragmentierung überwinden und Zeichen der Einheit geben."

Der Erzbischof von Liverpool, Patrick Kelly, war von dem Projekt Stadtmission überrascht. Er hatte mit nichts Besonderem gerechnet, als er am Montag im Vatikan eintraf:

„Man muss ja sehen, dass das überhaupt die ersten Tage dieses Päpstlichen Rates sind: Er hat zwar schon ein Statut, aber das war`s dann auch. Als ich die Teilnehmerliste des Treffens vom Montag sah, habe ich mich gefragt: Warum stehe ich denn auch auf dieser Liste?"

Aber im Vatikan begriff Erzbischof Kelly dann: Es geht ja gar nicht nur um diese Mission in den Großstädten.

„Offenbar sollen diese Erzbistümer auch eine Art Pilotgruppe bei der Evangelisierung bilden und sich untereinander eng vernetzen, weil sie ja vor ähnlichen Herausforderungen stehen."

Allerdings findet der Erzbischof, dass seine Stadt Liverpool eine Art Betlehem unter diesen elf Großstädten ist:

„Liverpool ist bei weitem die kleinste dieser Städte, wenn es um die Zahl der Katholiken dort geht. Wir halten in dieser Hinsicht kaum den Vergleich mit Barcelona, Paris oder Dublin aus. Außerdem sind wir – anders als die anderen – eine demographisch stark schrumpfende Stadt. Allenfalls passen wir doch auf die Liste dieser Großstädte, weil die Wirtschaftskrise, die ja zu unserem heutigen Kontext gehört, Liverpool äußerst hart trifft."

Die Großstadt-Mission, die sich der Vatikan da ausgedacht hat (und für die es offenbar noch kein gemeinsames Leitwort gibt), schweißt also sehr unterschiedliche Metropolen aneinander. Aber das könnte auch zu einer Stärke werden, glaubt Kelly:

„Es kann etwas sehr Starkes entstehen, wenn diese unterschiedlichen Erfahrungen auf eine einheitliche Vision hinweisen. Das erinnert mich an die Schilderung der Kirche als Leib Christi, die der heilige Paulus gibt. Er geht so weit zu sagen: Da sind die schwächsten Glieder die unentbehrlichsten!"

Und so könnte die Stadtmission nicht nur zu einer Parade der Glaubensstarken werden, sondern auch die ermutigen, deren Glaube ziemlich schwach ist. „Das gehört", so Erzbischof Kelly, „zum Zeichen, das wir geben wollen."

„Mir ist aufgefallen, wie der Papst beim Angelus gesagt hat: Gott zwingt uns nicht, zu lieben. Er lädt uns dazu ein… Das ist es."

Natürlich ist die 11-Städte-Mission auch eine Vorlage für die Bischofssynode zum Thema Neuevangelisierung, die im Herbst 2012 im Vatikan stattfinden soll. Erzbischof Fisichella vom Päpstlichen Rat für die Neuevangelisierung:

„Die „Großstadt-Mission" will ein konkretes Zeichen sein, das große Städte und Bistümer Europas gemeinsam der Bischofssynode vorstellen, als ein gemeinsames Projekt, an dem sich auch andere dann inspirieren können." (rv)