Kardinalskongregationen: Offen, frei und in großer Wahrhaftigkeit

Kardinal SchönbornWer das Konklave in seinem tieferen Sinn verstehen will, muss sich den religiösen Charakter vor Augen halten, es geht um den Willen Gottes und nicht um die Besetzung einer Managerstelle. Das sagte Kardinal Christopf Schönborn am Sonntag Abend vor Journalisten, nachdem er in seiner Titelkirche Gesù Divino Lavoratore die Abendmesse gefeiert hatte. Darüber hinaus sei aber das anstehende Konklave etwas ganz Besonderes, sei es doch geprägt vom „unvergleichlichen und auch neuen Akt“ des Rücktritts Benedikts XVI.

„Ich möchte versuchen, diesen Akt vor allem als ein sehr starkes Zeichen der Freiheit zu sehen. Dieser Verzicht macht deutlich, dass die höchste und verbindlichste Norm für den Menschen und sein Verhalten immer die persönliche und freie Gewissensentscheidung ist. Diese innere Freiheit hat Papst Benedikt durch diesen Akt gezeigt, aber neben dieser inneren Freiheit wurde auch gleichzeitig deutlich, dass der Papst nach außen hin in Freiheit handeln darf.

Das setzt aber auch voraus – und das haben wir in diesen Kardinalsversammlungen während der vergangenen Woche sehr deutlich erlebt – dass wir das Wort Jesu ernstnehmen ‚Die Wahrheit wird euch frei machen’. Es ist in beeindruckender Weise in dieser Woche – ich sage das, ohne die gebotene Diskretion zu verletzen – offen, frei und in großer Wahrhaftigkeit miteinander gesprochen worden über die Licht-, aber auch die Schattenseiten der gegenwärtigen kirchlichen Situation. Und das ist nur möglich, wo Freiheit ist, innere und äußere Freiheit.“

Ehrlich und im gegenseitigen Wohlwollen habe man unter den Kardinälen geredet, so Schönborn. Themen seien die Herausforderungen und Verfolgungen gewesen, die Frage nach der Zerstörung der Schöpfung, aber auch die religiöse Sprachlosigkeit und Ratlosigkeit, wie mit den Herausforderungen der Zeit umzugehen ist und das Evangelium neu verkündet werden könne. Der neue Papst müsse, um mit all dem umgehen zu können, ein Mann des Glaubens und glaubwürdig sein, so Schönborn.

„Es wird bei den Wahlvorgängen nicht diskutiert. Es wird gebetet. Das mag etwas seltsam erscheinen, aber man geht ja auch bewusst in eine Kapelle. Denn es geht ja bei dieser Wahl darum, herauszufinden, wie der Eid lautet, den jeder Einzelne dann unter dem Jüngsten Gericht des Michelangelo ausspricht: Wer ist der von Gott Erwählte? Natürlich müssen wir da mitarbeiten und mitwirken, aber es geht zuerst einmal nicht um irgendwelche Parteien und Gruppierungen, sondern darum, wer das geistliche Oberhaupt der Kirche sein soll.“

Das wirke sich auch direkt aus auf die Eigenschaften, die ein neuer Papst mitbringen müsse, es gehe hier vor allem um seine religiösen Eigenschaften.

„Ich glaube, dass man das nicht genug betonen kann. Es gibt hervorragende Manager, und auch eine große Gemeinschaft wie die katholische Kirche braucht Managerqualitäten, aber das ist nicht das Erste, was man vom Papst erwartet. Er soll gute Mitarbeiter haben. Natürlich schaut man unter den Kardinälen auch auf Qualitäten, wie jemand eine Diözese leitet, wenn er Bischof einer Diözese war, was ja bei den meisten Kardinälen der Fall ist. Man wird sicherlich nicht jemanden zum Papst wählen, der in seiner Diözese ein Desaster hinterlassen hat. Da gibt es auch ganz einfache Klugheitsregeln. Man schaut natürlich auf menschliche Qualitäten, ob er mit seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern umgehen kann. Aber die entscheidende Voraussetzung ist sicherlich die, ob er ein Mann des Evangeliums ist. Das ist glaube ich die entscheidende Frage.“
(rv)

Schönborn: „Ganz außergewöhnlicher Schritt“

Kardinal SchönbornDer Wiener Erzbischof, Kardinal Christoph Schönborn, reagiert „mit ganz großem Respekt“ auf die Verzichtserklärung von Papst Benedikt. Das sagte er an diesem Montag in Wien.

„Ich habe diese Mitteilung mit großer Bewegtheit erfahren und kann nur mit ganz großer Hochachtung die Begründung wahrnehmen, die Papst Benedikt selber für diesen ganz außergewöhnlichen Schritt gegeben hat. Ich denke, seine Begründung ist jedem, der ihm näher begegnen konnte in den letzten Wochen und Monaten, einsichtig: Die Bürde dieses Amtes ist enorm! Ich war letzte Woche in Rom und habe einfach mit Staunen gesehen, was er für ein Programm hat. Nur allein das, was an öffentlichen Terminen wahrzunehmen war – ganz zu schweigen von dem, was auf seinem Schreibtisch landet, was er zu bearbeiten, zu entscheiden, zu beraten hat. Dass jemand, der fast 86 Jahre alt ist, zwar geistig völlig auf der Höhe seines Amtes ist und mit einer bewundernswerten und beeindruckenden geistigen und geistlichen Klarheit und Tiefe seine Aufgaben wahrnimmt, das weiß jeder, der seine Predigten hört bzw. seine Ansprachen erlebt. Aber dass einfach die körperliche Kraft dazu nicht mehr in dem Maß gegeben ist, das ist verständlich.“

Der angekündigte Rücktritt des Papstes sei „ein sehr ungewöhnlicher und seltener Schritt“, der „auch schmerzlich berührt“, so der Ratzinger-Schüler Schönborn. Dass jetzt ein neues Konklave in Rom anstehe, sei gar nicht „das Entscheidende“, sondern vielmehr, dass der Herr selbst weiter an der Spitze seiner Kirche stehe.

„Er hat sie durch 2.000 Jahre geführt – er wird sie auch weiter führen!“ (rv)

Das Synodentelegramm: Soziallehre und Volksfrömmigkeit

Die Sitzung der Synode am Freitagnachmittag war wegen des festlichen Mittagessens aller Synodalen mit dem Papst und den noch lebenden Teilnehmern am Zweiten Vatikanischen Konzil recht kurz, es kam nur Werner Arber, Nobelpreisträger, Protestant und Präsident der päpstlichen Akademie der Wissenschaften zu Wort. In seinem längeren Vortrag sprach er über die Vereinbarkeit von Glauben und Wissenschaft und ging in diesem Zusammenhang auch auf die Evolutionstheorie nach Darwin ein. Mehr dazu können Sie in einem Interview mit Prof. Arber in unserer Sonntagssendung hören.

Am Freitag wurden ebenfalls noch die von den Synodenteilnehmern gewählten Mitglieder der Kommission bekanntgegeben, die sich mit der Abfassung der Schlussbotschaft befassen wird. Darunter sind neben dem Wiener Kardinal Christoph Schönborn der Generalobere des Jesuitenordens, Adolfo Nicolás und Kardinal Gianfranco Ravasi, Leiter des Päpstlichen Kulturrats. Insgesamt hat diese Kommission zwölf Mitglieder.

Am Samstagmorgen bezogen sich eine Mehrzahl der insgesamt 24 Beiträge entweder auf die Frage der Volksfrömmigkeit oder der katholischen Soziallehre. Bischof Filippo Santoro sprach von seinem süditalienischen Bistum, in dem metallverarbeitende Industrie den Alltag der Menschen durch die Gefahr des Verlustes des Arbeitsplatzes, aber immer auch durch Skandale um überhöhte Dioxinwerte präge. Die Kirche müsse ihre Botschaft „wie die Wunder der Apostel" verkünden, indem sie in der Nähe zu den Gefährdeten lebe.
Ähnlich äußerte sich der Präsident des Rates für Gerechtigkeit und Frieden, Kardinal Peter Kodwo Appiah Turkson, der nicht nur die Verkündung der Soziallehre, sondern auch die Evangelisierung des Sozialen anmahnte.

Des Themas Volksfrömmigkeit nahm sich unter anderen der mexikanische Bischof José Martín Rábago an; Diese Traditionen hätten ihren eigenen missionarischen Impetus, müssten aber häufig von Folklore gereinigt werden.

Weitere Themen bei der Generalkongregation am Samstag waren die Familie als Ort und Subjekt der Evangelisierung und die Frage von Katechese und Glaubenswissen. (rv)

Tschechien: Kardinal Schönborn bei Jubiläumsfeier des Erzbistums Prag

Der Wiener Kardinal Christoph Schönborn vertritt den Papst bei der Jubiläumsfeier des Erzbistums Prag. Das teilte der vatikanische Pressesaal an diesem Samstag mit. Die Diözese Prag feiert am 12. Mai 2012 den 450. Jahrestag der formellen Wiedereinsetzung eines Erzbischofs. Dieses Amt des Prager Erzbischofs war in Folge der Hussitenaufstände ab 1434 knapp 130 Jahre lang unbesetzt gewesen. Während der Sedisvakanz amtierten nur vom Papst eingesetzte Diözesanadministratoren. Erster Prager Erzbischof nach dieser Zeit war der damalige Bischof von Wien, Anton Brus von Müglitz (1518-1580). (rv)

Das Papstbuch: Ein Blick hinter die Zeilen

„Dass der Papst über Jesus spricht, ist nicht verwunderlich, (..) es ist der Kern seiner Aufgabe. Überraschend ist vielmehr, wie er es tut." Mit diesen Worten begann Kardinal Christoph Schönborn die Vorstellung des ersten Bandes des Jesusbuches 2007 und traf damit die Spannung, die dieses Werk von Anfang an begleitet hat.
Es ist natürlich ein Jesus-Buch des Papstes, aber es ist kein dogmatisches Werk, sein Gravitationspunkt, wie es Kardinal Schönborn nannte, ist die Freundschaft mit Jesus. Das macht aus dem Werk aber noch kein selbstdarstellerisches Buch, Josef Ratzinger geht es nicht um seinen persönlichen Glauben, sondern um das Sprechen von dem, an den wir glauben und der das Zentrum der Kirche ist. Hier liegt eine zweite Spannung: natürlich ist es ein Theologieprofessor, der hier spricht, aber es ist kein Buch nur für die theologische Debatte. Man kann es nicht lesen, um sich zu informieren, man kann es nur lesen, um selber seinen Bezug zu diesem Jesus von Nazareth, dem Christus, zu formen. Der Glaube spielt in diesem Buch die tragende Rolle. Es gibt keinen rein menschlichen noch-nicht-Christus Jesus, der sanft und moralisch und damit brav und gegenwartsverträglich bleibe, entgegen einem göttlichen und eine kirchliche Gemeinschaft bildenden Christus. Dieser Jesus, von dem der Papst erzählt, ist ohne den Bezug zum Vater, ohne Glauben, nicht verstehbar.
Und das ist vielleicht die größte Spannung, die dieses Buch hat: es will Theologie und Glauben zusammen lesen. Was im ersten Band schon an Kritik an einigen theologischen Disziplinen deutlich wurde, wird in beiden Bänden positiv im Zusammengehen von Glaube und Studium formuliert. Der Papst spricht aus der Perspektive des Glaubenden, der das Leben seines Herrn und Erlösers erzählt. Er erzählt auf hohem Niveau und mit Anspruch, trotzdem bleibt er immer der Glaubende, er bleibt bei aller wissenschaftlicher Diskussion, die in das Buch einfließt, immer der Beter und Sucher.
Sein Ausgangspunkt im ersten Band war es, den Evangelien vertrauend zu diesem Leben des Jesus von Nazareth vorzustoßen. Nicht naiv, nicht buchstabengläubig, aber verstehend und hinterfragend. Theologie hilft dem Glauben, so die Botschaft des Buches. Und Anstrengung hilft auch: der Papst entlässt den Leser nicht mit aufbauenden, frommen Gedanken, er fordert das Denken und auch das Nachschlagen heraus, er zitiert wissenschaftliche Debatten, und das macht aus dem Buch kein Lese-Buch wie andere.
Das Projekt des Papstes berührt Kernfragen des Glaubens, damit ist das, was der Papst mit seinem Werk tut, hoch modern. Es geht um den Kern von Glauben und Christentum, und das muss immer wieder die Frage nach diesem Jesus stellen. Eine diffuse Spiritualität trägt nicht und verfehlt den Glauben, dessen ist sich der Papst sicher. Mit diesem Jesus hat Gott und hat der Heilige Geist einen Anker in der menschlichen Geschichte mit all ihren Wirrungen und Irrungen, und das Sprechen über Gott hat zu tun mit den Schwierigkeiten der Überlieferung.
Das Bekenntnis zu diesem Christus ist das Zentrum des Glaubens, und von dort aus stellt sich automatisch die Frage, wer das denn war, dieser Jesus von Nazareth, der Christus. Und davon erzählt die Heilige Schrift, und das betrachtet das Buch des Papstes.
Benedikt XVI. geht von dieser Schrift aus auf die Suche nach dem historischen Jesus, der der Christus des Glaubens ist. Hier zeigt sich ein Grundgedanke des Theologie Ratzingers: spätestens seit seiner Mitarbeit am Konzilsdokument „Verbum Dei" ist diese Heilige Schrift der Bezugspunkt der Schriften Josef Ratzingers.
Dieses Werk ist eine Einladung zum Selberdenken – und es ist Einladung zum Selberbeten. (rv)

Österreich: Irakische Flüchtlinge im Erzbischöflichen Palais

 „Herzlich willkommen in diesem Haus, herzlich willkommen in unserem Land Österreich." Mit diesen Worten hat Kardinal Christoph Schönborn an diesem Freitagvormittag eine irakische Flüchtlingsfamilie im Wiener Erzbischöflichen Palais aufgenommen. Der Wiener Erzbischof setzt damit ein Zeichen tätiger und konkreter Solidarität; Österreich war in den letzten Monaten dafür kritisiert worden, im Vergleich zu anderen europäischen Ländern wenige Flüchtlinge aus dem Irak aufgenommen zu haben. Gegenüber der Agentur Kathpress erklärte Kardinal Schönborn:
„Die Familie, die wir aufgenommen haben, gehört zu den Familien, die akut bedroht waren. Unsere Regierung hat nach dem schrecklichen Attentat auf eine Kirche in Bagdad während eines Gottesdienstes – wir erinnern uns, es gab da über 50 Tote – beschlossen, besonders akut gefährdete Familien in Österreich aufzunehmen. Es sind jetzt 31 Personen nach Österreich gekommen, die jetzt auch den Flüchtlingsstatus bekommen haben. Und eine dieser Familien haben wir hier im Bischofshaus aufgenommen, bis sie dann ein eigenes Zuhause in Österreich aufbauen kann."
Die übrigen irakischen Flüchtlinge befänden sich derzeit in Bundesbetreuung, hieß es. Man werde den chaldäisch-katholischen Familien auch bei der Integration helfen, so Schönborn, und dabei ein besonderes Augenmerk auf die Kinder haben:
„Wir werden natürlich aktiv mithelfen, dass die Kinder hier in den Kindergarten gehen können, dass sie zusammen mit den Eltern Deutsch lernen und sich möglichst bald auch ganz integrieren können, was sie sicher sehr gut und bald machen werden."
Dass die Familien in Österreich aufgenommen werden, geht auf den konkreten Einsatz der Wiener Erzdiözese bzw. auf den Erzbischof zurück:
„Seit drei Jahren habe ich die Bundesregierung immer wieder dazu gedrängt, zu schauen auf die religiösen Minderheiten im Irak und vor allem auf die meistverfolgte Minderheit der Christen. Bisher bin ich immer auf taube Ohren gestoßen. Jetzt hat sich endlich etwas bewegt und dafür bin ich sehr dankbar!" (rv)

Vatikan: Wiener Kardinal Schönborn beim Papst

Der Wiener Kardinal Christoph Schönborn ist am Montag zu einem Gespräch mit Papst Benedikt XVI. zusammengetroffen. Schönborn habe mit dem Papst über seine jüngsten Äußerungen in den Medien sowie über den Fall Groer gesprochen. Das gab das vatikanische Presseamt an diesem Montag bekannt. In einem zweiten Teil des Treffens waren auch der Dekan des Kardinalskollegiums Angelo Sodano sowie Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone anwesend. Schönborn habe sein Bedauern gegenüber den beiden Kardinälen und den Papst bekundet. In den Medien waren Äußerungen Schönborns als Angriff besonders auf Sonado gewertet worden.
Weiter betont der Pressesaal, dass das Wort „Geschwätz" falsch interpretiert wurde. Kardinal Angelo Sodano habe dieses Wort an Ostern nicht aus Mangel an Respekt Missbrauchsopfern gegenüber verwendet, er habe damit eine Predigt des Papstes vom Palmsonntag zitiert. (rv)

Vatikan: Aufregung um Schönborn-Zitat

Der portugiesische Kurienkardinal Jose Saraiva Martins findet die Kritik des Wiener Kardinals Christoph Schönborn an der früheren Vatikanlinie zum Umgang mit Missbrauchsfällen „nicht opportun“. Mit diesen Worten zitiert ihn an diesem Wochenende eine Internetseite. Schönborns Anliegen – das in italienischen Medien großes Echo ausgelöst hat – sei ehrenhaft, erweise in der geäußerten Form der Kirche aber keinen guten Dienst, sagte der frühere Präfekt der Heiligsprechungskongregation. Schönborn hatte Teilen des Vatikan Versäumnisse im so genannten Fall Groer vorgehalten. Der heutige Papst sei 1995 für eine genaue Untersuchung der Missbrauchsvorwürfe gegen den damaligen Wiener Kardinal Hans Herrmann Groer gewesen; das sei aber u.a. vom heutigen Kardinaldekan Angelo Sodano verhindert worden, so Schönborn vor Journalisten. Der Wiener Kardinal äußerte auch die Sorge, dass Sodano am Ostersonntag mit seiner Kritik am „Geschwätz des Augenblicks“ die Gefühle von Missbrauchsopfern verletzt habe. Mit seiner Äußerung habe Schönborn „über die Medien“ den Eindruck einer „von Polemik zerrissenen Kirche erweckt“, so Saraiva. Der Kardinal hätte doch andere Mittel wählen können, etwa das einer „brüderlichen Zurechtweisung“. Jetzt drohe die Gefahr, „dass sich der Brand noch weiter ausbreitet“. Eine öffentliche Desavouierung des Kardinaldekans sei „nicht opportun“, so der portugiesische Kurienkardinal. (rv)

Österreich:„Ein runder Tisch ist nur ein Startschuss“

In Österreich tagt der runde Tisch zum Thema Missbrauch seit Mitte April, der Wiener Erzbischof Kardinal Schönborn sprach damals von einer ‚Allianz gegen Missbrauch’. Die Vizepräsidentin des Hauptverbandes katholischer Elternverbände Österreichs, Cornelia Frankenstein, zieht aus den Erfahrungen erste Schlüsse und warnt vor überzogenen Erwartungen an diese Form der Auseinandersetzung:
„Man muss dabei sofort klarstellen, dass ein runder Tisch nur ein Startschuss sein kann. Ein runder Tisch hat den großen Vorteil, dass man hier Experten zusammenrufen kann, die durch ihre tägliche Arbeit mit dem Problem befasst sind und hier auch sachlich Lösungsvorschläge bringen können.“
Sehr deutlich sei bei diesem runden Tisch aber auch geworden, dass die Gesellschaft insgesamt auf wackligem Boden stehe, wenn es um Missbrauch geht. Hier habe die durch die Kirche begonnene Aufarbeitung einen guten Einfluss auf die Diskussionen gehabt:
„Die katholische Kirche in Österreich hat hier der Politik die Tür geöffnet, angstfrei mit der Thematik umzugehen. Ein runder Tisch kann eine Versachlichung der Debatte leisten, denn das ist ein gesamtgesellschaftliches Problem, dem man sich immer stellen muss. Jeder, der Verantwortung trägt für Schutzbefohlene, muss sich bewußt sein, dass es eine Gefahr gibt und dass es wichtig ist, damit richtig umzugehen. Und diese Verantwortung hat auch die Politik.“
Mit Bick auf die Österreichische Geschichte zu den Missbrauchsfällen, beginnend mit dem Wiener Erzbischof Kardinal Groer vor zehn Jahren, ordnet Cornelia Frankenstein die Bedeutung eines runden Tisches in der augenblicklichen Debatte ein:
„Als man aus Deutschland die Welle anrollen sah, dass dieses Thema jetzt wieder akut wird, war es so dass ich am Anfang nur in sehr angstvolle Gesichter geschaut habe. Es gab ein großes Gefühl der Ohnmacht, dass das jetzt wieder losgeht und dass man das eigentlich gar nicht mehr wissen möchte. Es kamen viele Aussagen von Eltern, dass sie das gar nicht wissen wollen. Es wurde mir direkt gesagt, dass wenn wir uns mit dem Thema befassen, sie sofort austreten würden aus der Kirche, weil sie kein Vertrauen mehr haben durch die Vorfälle um die Causa Groer. Denn das wurde ja damals nicht aufgearbeitet, sondern es wurde eigentlich nur langsam verdrängt, und das hat eine sehr schwere Wunde erzeugt. Der runde Tisch ist aber nur eine Begleitmaßnahme zur Aufarbeitung, die wirkliche Aufarbeitung ist das Bewußtsein in der Gesellschaft, die Entstigmatisierung der Opfer. Das kann ein runder Tisch begleiten, aber er kann es nicht bewerkstelligen.“ (rv)

Österreich: Schönborn fordert „Prozess der Läuterung“

Nach den in Österreich bekannt gewordenen Missbrauchsfällen hat Kardinal Christoph Schönborn „echte Umkehr“ von der Kirche gefordert. Neue Glaubwürdigkeit werde die Glaubensgemeinschaft erst erlangen, wenn sie durch einen „Prozess der Läuterung“ gehe, sagte der Kardinal am Donnerstagnachmittag anlässlich der Zweiten Wiener Diözesanversammlung im Stephansdom. Hörbar betroffen erinnerte er dabei vor rund 1.500 Delegierten an die Missbrauchsopfer:
„Was ist mit euch getan worden? Was ist euch angetan worden? Diese Trauer muss uns bewegen, nicht die Frage: Wie geht es schon wieder uns, der Kirche? – Der geht es schlecht. Nein, das schmerzliche Gedenken an das Leiden der Opfer, diese echte Trauer wird allein die Kirche läutern und reinigen.“
In Österreich waren nach Missbrauchsvorwürfen zuletzt drei Patres des Stiftes Kremsmünster ihrer Ämter enthoben worden. Ein 75 Jahre alter Mönch habe mittlerweile gestanden, erklärte Abt Ambros Ebhart in einer eilig einberufenen Pressekonferenz. Auch in anderen Teilen Österreichs haben sich inzwischen mutmaßliche Opfer von Gewalt und sexuellen Übergriffen aus den 60er und 80er Jahren gemeldet, unter anderem auch zwei Ex-Mitglieder der „Wiener Sängerknaben“. In persönlichem Ton rief Kardinal Schönborn in seiner Impulsrede zu Aufklärung der Missbrauchsfälle auf. Dabei berief er sich auf das Wort Jesu „Die Wahrheit wird euch freimachen“.
„Fürchtet euch nicht vor der Wahrheit, denn sie sieht vor allem das Leiden der Opfer. Die Kirche wird an Glaubwürdigkeit gewinnen, wenn sie durch diesen Prozess der Läuterung geht. Und sie wird deutlicher sichtbar machen, wo von Jesus her ihr Platz ist: Dort, wo vom Menschen das Ebenbild Gottes verletzt, geschändet, missbraucht wird.“
Mit Blick auf die beginnende Diözesanversammlung wies Schönborn auf rasante Veränderungen in Gesellschaft und Kirche hin. Es gelte, diesen Übergang nicht nur einfach zu erleiden, sondern ihn mit zu gestalten. Dabei rief der Wiener Erzbischof zu einer Kirchenöffnung auf – über die Grenzen der eigenen Gemeinden hinweg.
„Eines ist sicher: Wir müssen von manchem Abschied nehmen. Es verändert sich rasant unsere Gesellschaft und mit ihr auch unsere Kirche. Werden wir uns öffnen? Über die Grenzen unserer Gemeinden heraus? Manche orten einen Reformstau. Ich orte mit Sorgen, dass wir uns zu sehr mit uns selber beschäftigen, dass wir unsere Energien zu sehr an die binnenkirchlichen Themen binden. Wie wird eine Kirche aussehen, die wohl deutlich kleiner und deutliche multikultureller geworden ist? Werden wir diesen Übergang nur erleiden, oder ihn auch mit gestalten? Das ist die Herausforderung.“ (rv)