Kardinal Ravasi zu Genetik: Wird der Mensch Mensch bleiben?

Wie wandelt sich das Menschenbild in der heutigen Zeit? Wie verändern Wissenschaft und Technik grundlegende anthropologische Konzepte? Welche Antworten kann man angesichts der neuen Herausforderungen geben? Das sind einige der Fragen, mit denen sich der Päpstliche Kulturrat in seiner Vollversammlung beschäftigen wird. Von Mittwoch bis Samstag tauschen sich die 27 Mitglieder und ebenso viele Konsultoren gemeinsam mit weiteren geladenen Gästen über das Thema „Die Zukunft der Menschheit, neue Herausforderungen für die Anthropologie“ aus.

„Die Wahl des Themas ist der Tatsache geschuldet, dass die Anthropologie mittlerweile vor allem von einem wissenschaftlichen Blickpunkt aus einer der brennendsten Horizonte ist, in denen wir uns bewegen“: Das erklärte der Präsident des Päpstlichen Rates, Kardinal Gianfranco Ravasi, im Interview mit Radio Vatikan. Es gebe drei große Themenbereiche, die bei dem Treffen beleuchtet werden sollten, sagte er im Vorfeld der Vollversammlung:

„Der erste Bereich betrifft die Genetik, beispielsweise die Entscheidungen über Eingriffe in unser Erbgut, also in unsere tiefste Identität. Im zweiten Bereich geht es um die neurokognitiven Wissenschaften, die so genannten Neurowissenschaften, die eindeutige Auswirkungen auf die persönliche Ethik, die menschliche Natur als solche, die Freiheit, den Willen, die moralische Qualität der Handlungen, die Seele und den Geist haben. Und zuletzt, die beeindruckenden Aussichten, die sich durch die künstliche Intelligenz ergeben. Es handelt sich hier um drei besonders heikle Bereiche.“

Heikle Bereiche, die schnell in bisher nur aus Science-Fiction-Filmen bekannte Welten führen: die menschliche Natur, die im Labor bis zur Unkenntlichkeit „verbessert“ wird. Maschinen, die Menschen nicht nur im Ausführen, sondern auch im Denken ersetzen. Das ist – wenn auch mit einem Blick auf eine ferne Zukunft – eine der Sorgen, die die Mitglieder der Versammlung bei ihren Beratungen umtreiben, erklärt Ravasi. Zwar seien Eingriffe „an der Wurzel“ auch hilfreich, wenn es beispielsweise um den Kampf gegen genetische Krankheiten gehe:

„Doch wir wissen: wenn der Gebrauch der Biotechnologie sich ausweitet, dann kann diese nicht nur verbessern, sondern auch den menschlichen Genotypus radikal verändern, also das Modell des Menschen. Das heißt, mit diesen Eingriffen in die tiefsten menschlichen Wurzeln, werden wir dann noch Lebewesen haben – hier spreche ich natürlich von einem langen Zeitraum – die dem Homo Sapiens , also dem heutigen Menschen, entsprechen? Und in der Zukunft, wenn wir dieses Modell tiefgreifend ändern, würde sich dann eine Ungleichheit zwischen den durch Gentechnologie verbesserten Individuen und dem normalen Menschen entwickeln?“ (rv)

Das Synodentelegramm: Soziallehre und Volksfrömmigkeit

Die Sitzung der Synode am Freitagnachmittag war wegen des festlichen Mittagessens aller Synodalen mit dem Papst und den noch lebenden Teilnehmern am Zweiten Vatikanischen Konzil recht kurz, es kam nur Werner Arber, Nobelpreisträger, Protestant und Präsident der päpstlichen Akademie der Wissenschaften zu Wort. In seinem längeren Vortrag sprach er über die Vereinbarkeit von Glauben und Wissenschaft und ging in diesem Zusammenhang auch auf die Evolutionstheorie nach Darwin ein. Mehr dazu können Sie in einem Interview mit Prof. Arber in unserer Sonntagssendung hören.

Am Freitag wurden ebenfalls noch die von den Synodenteilnehmern gewählten Mitglieder der Kommission bekanntgegeben, die sich mit der Abfassung der Schlussbotschaft befassen wird. Darunter sind neben dem Wiener Kardinal Christoph Schönborn der Generalobere des Jesuitenordens, Adolfo Nicolás und Kardinal Gianfranco Ravasi, Leiter des Päpstlichen Kulturrats. Insgesamt hat diese Kommission zwölf Mitglieder.

Am Samstagmorgen bezogen sich eine Mehrzahl der insgesamt 24 Beiträge entweder auf die Frage der Volksfrömmigkeit oder der katholischen Soziallehre. Bischof Filippo Santoro sprach von seinem süditalienischen Bistum, in dem metallverarbeitende Industrie den Alltag der Menschen durch die Gefahr des Verlustes des Arbeitsplatzes, aber immer auch durch Skandale um überhöhte Dioxinwerte präge. Die Kirche müsse ihre Botschaft „wie die Wunder der Apostel" verkünden, indem sie in der Nähe zu den Gefährdeten lebe.
Ähnlich äußerte sich der Präsident des Rates für Gerechtigkeit und Frieden, Kardinal Peter Kodwo Appiah Turkson, der nicht nur die Verkündung der Soziallehre, sondern auch die Evangelisierung des Sozialen anmahnte.

Des Themas Volksfrömmigkeit nahm sich unter anderen der mexikanische Bischof José Martín Rábago an; Diese Traditionen hätten ihren eigenen missionarischen Impetus, müssten aber häufig von Folklore gereinigt werden.

Weitere Themen bei der Generalkongregation am Samstag waren die Familie als Ort und Subjekt der Evangelisierung und die Frage von Katechese und Glaubenswissen. (rv)