Neuer Kardinal: „Papst will Armutsbekämpfer fördern“

Erzbischof MenichelliWenige hatten damit gerechnet, dass der Papst ihn die Kardinalswürde verleihen wird: Edoardo Menichelli ist Erzbischof der kleinen italienischen Diözese Ancona. Im Gespräch mit Radio Vatikan sagt er, dass der Papst mit der Auflistung der 20 neuen Kardinälen ein Zeichen setzen wollte. „Wir haben ja alle mittlerweile von Franziskus gelernt, was es heißt, an die Peripherie gehen und sie auch zu lieben. Es geht ihm darum, dass das Zugehen auf jene, die dort leben, auch das Hauptaugenmerk der Kirche und ihrer Tätigkeiten wird.“ Deshalb fördere der Papst vor allem jene in der Kirche, die sich dem „Kampf gegen die Armut“ verschrieben haben. „Ich bin davon überzeugt, dass sich die Kirche diesbezüglich noch weiter bewegen muss. Niemand soll sich von der Kirche ausgeschlossen fühlen. Die Kirche muss sich aber vor allem den Familien hinwenden. Es bedarf diesbezüglich einer neuen Allianz zwischen Kirche und den Familien. Selbst der Sohn Gottes hat ja eine Familie ausgewählt, um auf Erden zu wirken. Das sind meiner Meinung nach, die Pfeiler für die Zukunft der Kirche: Armutsbekämpfung und Förderung der Familie.“ (rv)

Migranten-Bischof wird Kardinal: „Ich bleibe so, wie ich bin“

Erzbischof MontenegroEr war der erste Gastgeber einer Papstvisite nun wird er bald Kardinal: Erzbischof Francesco Montenegro leitet nicht nur das sizilianische Bistum Agrigent sondern ist auch Präsident der katholischen Vereinigung Migrantes, die sich um Flüchtlinge in Italien kümmert. „Ich bleibe so, wie ich bin. Seit vielen Jahren versuche ich meinen Dienst in und für die Kirche im Dienste der Nächstenliebe zu gestalten. Die Kardinalswürde ist nur ein Ansporn noch mehr diesbezüglich zu tun“, so Montenegro im Gespräch mit Radio Vatikan. Bei der Familiensynode 2014 war er als Flüchtlingsexperte dabei, nun wird er bei der nächsten Versammlung der Synode zum selben Thema im Oktober 2015 als Kardinal mitwirken. „Das klingt jetzt schrecklich, aber ich muss da doch noch einiges neu lernen“, sagt der Erzbischof von Agrigent, der als „einfacher und bescheidener Kirchenmann“ gilt. „Das ist doch selbstverständlich. Auch die Kardinalswürde ist doch kein Karrieresprungbrett sondern eine wichtige Aufgaben, die mit Pflichten verbunden ist.“ (rv)

Die Reform des Kardinalsamtes: Ein Kommentar von Pater Bernd Hagenkord

Bernd HagenkordZwanzig neue Kardinäle:

Die Internationalisierung des Kardinalskollegiums schreitet voran. Ein Kommentar von Pater Bernd Hagenkord SJ.

Überraschung allüberall. Dass Papst Franziskus an diesem Sonntag seine Kardinalserhebungen öffentlich machen würde, war vermutet worden. Und getreu der journalistischen und innerkirchlichen Debatte waren Namen genannt worden, gehofft, befürchtet, erwartet. Und dann las Papst Franziskus nach dem Angelusgebet seine Liste vor, Applaus auf dem Petersplatz und Überraschung allüberall. Kein Vatikankenner hätte diese Liste auch nur annähernd so aufstellen können.

Drei Lehren kann man aus diesen Kardinalserhebungen ziehen. Zum einen ist Papst Franziskus sein eigener Papst. Das überrascht nicht, zeigt sich aber sehr deutlich. Er ernennt offenbar Menschen, denen er vertraut, die er kennt oder denen er zutraut, ein gutes Urteil zu haben, wenn es darum geht, den Papst zu beraten oder irgendwann in der Zukunft einen neuen Papst zu wählen. Und: er legt großen Wert auf die Internationalisierung des Kardinalskollegs. Er will mehr Einbeziehung der Weltkirche, das zeigt sich in Zukunft auch bei den Papstwahlen.

Zweitens gibt es kein Recht auf einen Kardinalshut. Viel war im Vorfeld darüber spekuliert worden, welcher der vielen Anwärter aus den USA denn ernannt werden wird: Es ist kein Einziger. Auch Venedig und Turin, die bereits beim letzten Konsistorium nicht bedacht waren obwohl traditionell immer mit Kardinalshut versehen, sind auch dieses Mal nicht auf der Liste. Die alten Regeln, Traditionen, es-war-schon-immer so, das gilt nicht mehr.

Drittens wirft das ein interessantes Licht auf das Spiel der Vaticanisti und Journalisten hier in Rom und überall, die spekuliert hatten, Namen genannt, abgewogen, befürchtet und gehofft hatten. Ich habe nicht alles gelesen, aber genug um sagen zu können, dass sie alle daneben lagen. Auch das Spiel von Spekulation, gefüttert von Insiderwissen und besonderen Kontakten, funktioniert nicht mehr.

Man hätte das schon beim Konsistorium im vergangenen Jahr sagen können, auch da waren die Anzeichen schon klar. Aber spätestens jetzt kann man sie nicht mehr übersehen.

Was sagt das über den Papst? Dass er seine Linie der Reform und Erneuerung auch personell weiter fortführt. Einige werden enttäuscht sein, vor allem diejenigen, die mit diesem oder jenem Namen eine kirchenpolitische Position verbinden. Man wird Kaffeesatzleserei betreiben, was das denn nun bedeute. Aber letztlich wird das schlicht auf die Einsicht hinaus laufen, dass sich auch das Amt der Kardinals erneuert. Nicht eine Beförderung vom Erzbischof eins hinauf, nicht etwas, was irgendwie mit der Bedeutung eines Bistums oder der Tradition mitgeliefert wird. Sondern ein Amt, das einer Person zukommt und im Dienst der Weltkirche steht. Spätestens heute ist offensichtlich, dass sich die Reform Franziskus’ auch auf das Kardinalsamt ausgedehnt hat. (rv)

Zwanzig neue Kardinäle: Weitere Internationalisierung des Papstwahlkollegiums

KardinalserhebungDrei Asiaten, drei Lateinamerikaner, zwei Afrikaner, zwei aus Ozeanien und fünf Europäer: Papst Franziskus hat an diesem Sonntag nach dem Angelusgebet die Namen der Bischöfe bekannt gegeben, die er Mitte Februar zu Kardinälen erheben wird. Außerdem ernennt er fünf Kardinäle, die bereits über achtzig sind und deswegen nicht mehr wählen dürfen, unter ihnen auch einen Deutschen: den ehemaligen Vatikandiplomaten Erzbischof Karl-Joseph Rauber.

Die neuen Kardinäle stammen aus vierzehn Ländern, von denen sechs bisher nicht im Kardinalskollegium vertreten waren: Besonders Tonga, die Kapverdischen Inseln oder Myanmar fallen auf, weil die Katholiken dort in der Minderheit sind oder nur eine kleine Gemeinschaft bilden. Die vatikanische Kurie ist mit einer Ernennung vertreten: Erzbischof Mamberti, der von Papst Franziskus aus dem Diplomatischen Dienst zum Leiter eines der Vatikangerichte befördert wurde, wird Kardinal.

Erzbischof Karl-Joseph Rauber, der einzige Deutschsprachige der Ernannten, gehörte ursprünglich zum Klerus des Bistums Mainz. Während seines Studiums in Rom absolvierte er gleichzeitig die Diplomatenakademie des Vatikan. Während seiner Laufbahn als Diplomat war Erzbischof Rauber unter anderem Nuntius in Uganda, in der Schweiz, in Liechtenstein, in Ungarn und Moldawien und zuletzt in Belgien und Luxemburg. Anfang der 90er Jahre war er der Leiter der Diplomatenakademie in Rom.

Das Konsistorium zur Erhebung der Kardinäle findet am 14. Februar statt, davor werden die Kardinäle gemeinsam über die Reform der Kurie sprechen. Es ist das zweite Mal, dass Papst Franziskus Kardinäle ernennt.

Die Namen der neuen Kardinäle:

Dominique Mamberti, Präfekt der Apostolischen Signatur (Vatikan, geboren in Marokko, Franzose)

Manuel José Macario do Nascimento Clemente, Patriarch von Lissabon (Portugal)

Berhaneyesus Demerew Souraphiel C.M., Erzbischof von Addis Abeba (Äthiopisch-Katholische Kirche, Mitglied des Ordens der Lazaristen)

John Atcherley Dew, Erzbischof von Wellington, Neuseeland

Edoardo Menichelli, Ancona-Osimo (Italien)

Pierre Nguyên Văn Nhon, Erzbischof von Hà Nôi (Vietnam)

Alberto Suàrez Inda, Erzbischof von Morelia (Mexiko)

Charles Maung Bo S.D.B., Erzbischof von Yangon, (Myanmar, Salesianer Don Boscos)

Francis Xavier Kriengsak Kovthavanij, Erzbischof von Bangkok (Thailand)

Francesco Montenegro, Erzbischof von Agrigent (Italien)

Daniel Fernando Sturla Berhouet S.D.B., Erzbischof von Montevideo (Uruguay, Salesianer Don Boscos)

Ricardo Blázquez Pérez, Erzbischof von Valladolid (Spanien)

José Luis Lacunza Maestrojuán O.A.R., Bischof von David (Panamá, Mitglied der Gemeinschaft der Augustiner-Rekollekten)

Arlindo Gomes Furtado, Erzbischof von Santiago (Kapverdische Inseln)

Soane Patita Paini Mafi, Bischof von Tonga (Königreich Tonga, Inselstaat im Südpazifik, gleichzeitig Vorsitzender der Konferenz der Bischöfe der Pazifikstaaten, er ist mit seiner Erhebung in den Kardinalsstand das jüngste Mitglied des Kollegiums)

Die Kardinäle, die bereits die Altersgrenze von achtzig Jahren überschritten haben:

José de Jesús Pimiento Rodriguez, Erzbischof emeritus von Manizales (Kolumbienm der Älteste der Gruppe, 1919 geboren)

Luigi De Magistris, Titularerzbischof von Nova, emeritierter Pro-Großpönitentiar (Italien)

Karl-Joseph Rauber, Titularerzbischof von Gubalziana, emeritierter Vatikandiplomat (Deutschland)

Luis Héctor Villalba, Erzbischof emeritus von Tucumán (Argentinien)

Júlio Duarte Langa, Erzbischof emeritus von Xai-Xai (Mosambik)

(rv)

Hinweis von VH: Leider stimmen nicht alle Angaben zu den neuen Kardinälen in diesem Artikel von Radio Vatikan. Die korrekten Angaben finden sie hier: >>> Übersicht der designierten Kardinäle

„Franziskus-Effekt kann viel für den Frieden tun“

Bischof Mario TosoDer Päpstliche Rat für Gerechtigkeit und Frieden rechnet damit, dass 2015 Konflikte mit der Mithilfe des Heiligen Stuhls angegangen werden können. Das sagt im Gespräch mit Radio Vatikan der Sekretär des „Friedensrates“, Bischof Mario Toso. Der Franziskus-Effekt könne wie im jüngsten Falle beim Friedensdialog zwischen den USA und Kuba auch weitere ähnliche Resultate hervorrufen. Toso denke vor allem an Friedensgespräche im Nahen Osten. Doch der Franziskus-Effekt – also das Eingehen auf die Worte des Papstes – könne auch in anderen Bereichen Früchte tragen.

„Die neue Enzyklika, die demnächst erscheinen wird, wird ja vor allem auf die Umwelt-Frage eingehen. Damit verbunden sind alle sozialen Fragen. Um Frieden und Versöhnung zu schaffen, müssen wir also zuerst die ethischen und anthropologischen Grundlagen kennen und deshalb wird der Papst mit seiner Schrift viel für den Dialog beitragen“, ist Toso überzeugt.

„Um Frieden oder auch den Respekt der Schöpfung zu schaffen, ist es notwendig, dass wir eine Gesellschaft haben, die eine transzendente Beziehung pflegt. Nur eine Kultur, die Gott gegenüber offen ist, kann dies schaffen.“ Der Umweltschutz und der Frieden unter den Völkern seien eng verbunden mit dem Lebensschutz, so Toso weiter. „Das ist ein wichtiger Aspekt, denn die Achtung des menschlichen Lebens geht uns alle an. Man kann nicht den Planeten retten wollen und gleichzeitig sich nicht um den Respekt des menschlichen Lebens und der Menschwürde kümmern. Ich denke zum Beispiel an das Recht auf Abtreibung, dass jetzt in Frankreich sogar als Grundrecht anerkannt wurde.“ (rv)

Italien: Giovanni Kardinal Lajolo feiert 80. Geburtstag

Kardinal LajoloDer italienische Kardinal Lajolo begeht heute seinen 80. Geburtstag. Lajolo war von 1995 bis 2003 Nuntius in der Bundesrepublik Deutschland und anschließend Sekretär im Staatssekretariat des Vatikans. Papst Benedikt XVI. übertrug ihm 2006 die Leitung des Governatorato und erhob ihn 2007 in den Kardinalsstand. Das Amt des Präfekten des Governatorato bekleidete er bis zum Jahr 2011. Er war zudem Mitglied in mehreren Dikasterien der römischen Kurie in Rom. Mit seinem heutigen Geburtstag verliert er sein aktives Wahlrecht für eine Papstwahl. Somit sind momentan nur noch 110 Kardinäle wahlberechtigt in einem künftigen Konklave. Das gesamte Kardinalskollegium umfasst derzeit 208 Purpurträger. (vh)

Sri Lanka vor dem Papstbesuch: Die Gefahr der politischen Spaltung

PB_Sri_Lanka_2015ASri Lanka ist die erste Auslandsstation Papst Franziskus in diesem Jahr, am 12. Januar bricht er zu seiner ersten internationalen Reise 2015 auf. Es wird eine der Reisen in Konfliktgebiete, wie etwa auch die nach Palästina, Jordanien und Israel im vergangenen Jahr. Es gebe immer noch viel Hass und Misstrauen zwischen den Menschen, vor allem zwischen zwei verschiedenen Kulturen, die auf der Insel leben, den überwiegend buddhistischen Singhalesen im Zentrum und Süden der Insel und den mehrheitlich hinduistischen Tamil im Norden und Osten, berichtet gegenüber Radio Vatikan der Bischof von Batticuloa, Joseph Ponniah. Die Minderheit der Christen gehöre mehrheitlich den Tamil an.

„Eigentlich leben vor allem die christlichen Gemeinden in Frieden, auch untereinander. Aber wenn Wahlen und politische Kampagnen stattfinden, dann geht es darum, Menschen voneinander zu trennen. Und genau das ist jetzt die Gefahr.“ Bischof Ponniah drückt die Sorge der Kirche aus, denn Sri Lanka steht vor Wahlen. Staatspräsident Percy Mahinda Rajapaksa hat zu Neuwahlen aufgerufen, genau fünf Tage vor der Ankunft des Papstes und zwei Jahre, bevor sein Mandat eigentlich ausläuft. Gleich zu Beginn seiner Regierungszeit hatte Rajapaksa die Gespräche mit den Rebellen der Tamil ausgesetzt. Als Folge der vorgezogenen Wahlen war dann das Regierungsbündnis vor einer Woche zerbrochen, die gemäßigten Parteien der Koalitionsregierung kritisieren die Nähe des Präsidenten zu buddhistischen Nationalisten. Alles Grund dafür, wachsende politische Spannungen und Populismus zu fürchten, so Bischof Ponniah, er erwarte deswegen einen wichtigen Impuls vom Papstbesuch.

„Wir alle warten darauf, dass der Papst uns eine gute Botschaft bringt, die Botschaft der Versöhnung, nach der Sri Lanka sich seit dreißig Jahren sehnt. In dreißig Jahren Krieg hat es viel Leid gegeben, die Menschen wollen Versöhnung. Wir können nicht so weiter machen wie bisher, mit dem Hass, der Gewalt und so weiter.“

Und die Anzeichen für eine solche Botschaft des Papstes stehen gut, so Bischof Ponniah: „Sein Besuch in Madhu, einem Marienheiligtum in einem Gebiet, in dem der Krieg stattgefunden hat, ist sehr wichtig. Er wollte dieses Heiligtum besuchen. Das wird eine Friedensbotschaft für ganz Sri Lanka sein.“

Der Besuch in Madhu ganz im Norden der Insel wird am 14. Januar stattfinden, es ist der erste Papstbesuch in einem mehrheitlich tamilischen Gebiet der Insel. Papst Franziskus wird insgesamt drei Tage auf der Insel im Indischen Ozean bleiben, zuletzt war Papst Johannes Paul II. 1995 dort zu Gast gewesen. (rv)

Predigt zum Jahresschluss: Freiheit oder Sklaverei?

Papst FranziskusPredigt von Papst Franziskus bei der ersten Vesper zum Fest der Gottesmutter Maria, am 31. Dezember im Petersdom.

Liebe Schwestern und Brüder,

das Wort Gottes führt uns heute in ganz besonderer Weise in die Bedeutung von ‚Zeit’ ein, in das Verstehen dessen, dass Zeit nichts von Gott verschiedenes ist, ganz einfach deswegen, weil er sich in der Geschichte hat offenbarenwollen und uns gerettet hat. Die Bedeutung von Zeit, von Zeitlichkeit, ist die Stimmung der Erscheinung des Herrn, also der Offenbarung Gottes, des Mysteriums Gottes, in ganz konkreter Liebe. Die Zeit ist der Bote Gottes, wie es der heilige Pierre Favre ausgedrückt hat.

Die heutige Liturgie erinnert uns an den Satz des Apostels Johannes: „Meine Kinder, es ist die letzte Stunde“ (1 Joh 2:18), es ist dasselbe, was der heilige Paulus in dem Ausdruck „Fülle der Zeit“ (Gal 4:4) ausdrückt. Der Tag heute zeigt uns, wie die Zeit sozusagen von Christus, dem Sohn Gottes und Mariens, berührt wurde und durch ihn neue und überraschende Bedeutung gewann: Sie wurde zur „Zeit des Heils“, zur Zeit der Erlösung und der Gnade.

All das führt uns, über das Ende des Lebensweges, unseres Weges, nachzudenken. Es gab für uns einen Beginn und es wird auch ein Ende geben, „eine Zeit zum Gebären und eine Zeit zum Sterben“ (Koh 3:2). Mit dieser Wahrheit, einfach und fundamental und doch auch verdeckt und vergessen, lehrt uns Mutter Kirche, das Jahr und auch jeden unserer Tage mit einer Gewissenserforschung zu beenden, durch die wir entdecken können, was wirklich geschehen ist; wir danken dem Herrn für all das empfangene Gute und das, was uns gelungen ist, und gleichzeitig bedenken wir unsere Sünden und Fehler. Danken und um Vergebung bitten!

Und genau das machen wir auch heute zum Ende dieses Jahres. Wir loben den Herrn mit dem Hymnus des Te Deum und gleichzeitig bitten wir um Vergebung. Die Haltung des Dankens führt uns in die Demut, zum Erkennen und Annehmen der Gaben des Herrn.

Der Apostel Paulus fasst in seinem Brief, aus dem die Lesung dieser ersten Vesper genommen ist, das grundlegende Motiv unseres Dankes an Gott zusammen: Er hat uns zu seinen Kindern gemacht, er hat uns als Kinder angenommen. Dieses unverdiente Geschenk füllt uns mit Dankbarkeit und Staunen! Man könnte sagen: „Aber sind nicht schon alle Gottes Kinder, dadurch dass wir Menschen sind?“ Sicherlich, Gott ist Vater aller Menschen auf Erden. Aber wir dürfen nicht vergessen, dass unsere kindliche Beziehung zutiefst verwundet ist; wir sind durch die Erbsünde von ihm entfernt, die uns von unserem Vater getrennt hat. Deswegen hat Gott seinen Sohn gesandt, uns freizukaufen um den Preis seines Blutes. Und es ist ein Freikaufen, denn es ist eine Sklaverei. Wir waren Kinder, aber wir wurden zu Sklaven, auf die Stimme des Bösen hörend. Niemand sonst kauft uns aus dieser Sklaverei frei außer Jesus, der unser Fleisch annahm in der Jungfrau Marie und am Kreuz starb, uns aus der Sklaverei der Sünde zu befreien und die verlorene Kindschaft wiederherzustellen.

Die heutige Liturgie erinnert auch daran, dass am Anfang, vor aller Zeit, das Wort war, und dass das Wort Mensch geworden ist. Deswegen sagt der heilige Ireneus: „Das ist der Grund, weswegen das Wort Mensch wurde und der Sohn Gottes Menschensohn wurde: Weil der Mensch, in die Gemeinschaft mit dem Wort eintretend und so göttliche Kindschaft erlangend, Kind Gottes werde“ (Adversus haereses 3.19.1).

Gleichzeitig ist das Geschenk, für das wir danken, uns Grund zur Gewissenserforschung, einer Revision des eigenen und des gemeinschaftlichen Lebens, Grund uns zu fragen, wie wir eigentlich leben. Leben wir als Kinder oder als Sklaven? Leben wir als in Christus getaufter Mensch, gesalbt durch den Heiligen Geist, losgekauft, frei? Oder leben wir nach einer weltlichen Logik, korrupt, das tuend was der Teufel uns glauben macht dass es nach unserem Interesse sei? Auf unserem Lebensweg gibt es immer die Tendenz, der Befreiung widerstehen zu wollen. Wir haben Angst vor der Freiheit und paradoxerweise ziehen wir unbewusst, mehr oder weniger, die Sklaverei vor. Die Freiheit erschreckt uns, denn sie erwartet von unserer Zeit und unserer Verantwortlichkeit, dass wir sie gut nutzen. Die Sklaverei dagegen reduziert die Zeit auf den Moment und so fühlen wir uns sicher, sie lässt uns auf diese Weise eine Abfolge von Augeblicken leben, unverbunden mit ihrer Vergangenheit und unserer Zukunft. In anderen Worten verhindert die Sklaverei, dass wir voll und ganz die Gegenwart leben, denn sie nimmt ihr die Vergangenheit und schließt von der Zukunft ab, von der Ewigkeit. Die Sklaverei lässt uns glauben, dass wir nicht träumen können, nicht fliegen, nicht hoffen.

Ein großer italienischer Künstler hat vor einigen Tagen gesagt, dass es für den Herrn einfacher gewesen ist, Israel aus Ägypten herauszunehmen, als Ägypten aus den Herzen der Israeliten. Sie waren materiell aus der Sklaverei befreit, aber während ihres Durchzuges durch die Wüste mit den Schwierigkeiten und dem Hunger begannen sie, sich nach Ägypten zurück zu sehnen, als sie„Zwiebeln und Knoblauch“ aßen (Num 11:5). Sie vergaßen aber, dass sie am Tisch der Sklaverei gegessen hatten. In unseren Herzen verbirgt sich die Sehnsucht nach der Sklaverei, denn sie ist offensichtlich beruhigender, hat mehr Freiheiten und ist weniger riskant. Uns gefällt es, von so vielen Feuerwerken gefangen zu sein, die schön aussehen, aber in Wirklichkeit nur wenige Augenblicke dauern! Das ist die Herrschaft des Moments!

Von dieser Gewissenserforschung hängt für uns Christen die Qualität unseres Handelns, unseres Lebens, unserer Präsenz in der Gesellschaft, unseres Dienstes für das Gemeinwohl und unsere Mitarbeit an öffentlichen und auch kirchlichen Institutionen ab.

Deswegen und auch weil ich Bischof von Rom bin, möchte ich den Blick auf unser Leben hier in Rom lenken, das ein großes Geschenk ist, denn es bedeutet ja, in der ewigen Stadt zu leben. Für einen Christen bedeutet es auch, Teil der Kirche zu sein, die auf dem Zeugnis des Martyriums der heiligen Apostel Petrus und Paulus gegründet ist. Und auch dafür danken wir dem Herrn. Gleichzeitig ist das aber auch eine große Verantwortung. Jesus hat gesagt, dass von jedem dem viel gegeben ist, viel erwartet wird (Lk 12:48). Fragen wir uns also: Sind wir in dieser Stadt, in dieser kirchlichen Gemeinschaft, frei oder sind wir Sklaven? Sind wir Licht und Salz? Sind wir Sauerteig? Oder sind wir erloschen, fade, übel gesinnt, misstrauisch, unbedeutend und müde?

Unbestreitbar verlangen die schlimmen Korruptionsfälle, die in der jüngsten Vergangenheit ans Tageslicht kamen, eine Bekehrung des Herzens für eine geistliche und moralische Wiedergeburt, wie auch für einen erneuerten Einsatz, um eine gerechtere und solidarischere Stadt zu errichten, wo die Armen, die Schwachen und die an den Rand gedrängten das Zentrum unserer Sorge und unseres täglichen Handelns sind. Es braucht eine große und tägliche Anstrengung christlicher Freiheit, den Mut zu haben, in unserer Stadt zu verkünden, dass wir die Armen schützen und nicht uns vor den Armen schützen müssen und dass wir den Schwachen dienen und uns nicht von den Schwachen bedienen lassen müssen!

Die Lehre eines einfachen römischen Diakons kann uns hierbei helfen. Als man den heiligen Lorenzo bat, die Schätze der Kirche zu zeigen, brachte er einfach einige Arme. Wenn man sich in einer Stadt die Armen und Schwachen sorgt, wenn ihnen geholfen wird, dann werden sie zum Schatz der Kirche und zum Schatz in der Gesellschaft. Wenn aber eine Gesellschaft die Armen ignoriert, die verfolgt, kriminalisiert, sie in eine „Mafia“ hinein drängt, dann verarmt sie bis ins Elend hinein, verliert die Freiheit und bevorzugt die „Zwiebeln und den Knoblauch“ der Sklaverei, der Sklaverei des eigenen Egoismus, der Sklaverei der eigenen Kleinmütigkeit. Diese Gesellschaft hört auf, christlich zu sein.

Liebe Brüder und Schwestern, beenden wir das Jahr und bekennen wir, dass es eine „letzte Stunde“ gibt, eine „Fülle der Zeit“. Zum Abschluss dieses Jahres, im Dank und in der Vergebungsbitte, tut es gut, um die Gnade zu bitten, seinen Weg in Freiheit gehen zu gehen, um so die vielen Schäden reparieren zu können und uns vor der Sehnsucht nach der Sklaverei zu hüten, uns nicht nach der Sklaverei zu sehnen.

Die heilige Jungfrau, die heilge Mutter Jesu, stand wirklich im Herzen der Zeit Gottes, als das Wort, das von Anfang an war, einer von uns wurde, in der Zeit. Sie die der Welt den Erlöser geschenkt hat helfe uns, ihn mit offenem Herzen aufzunehmen, um wirklich als freie Kinder Gottes leben zu können. (rv)