Ungarn: „Kein attraktives Land für Massen-Einwanderung“

Ungarns Umgang mit Flüchtlingen stand in den vergangenen Monaten immer wieder in der Kritik. Bilder von Stacheldrahtzäunen an der Grenze zu Serbien gingen um die Welt, auch die scharfen Töne des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban gegen die Aufnahme von Migranten stießen vielerorts in Europa auf Unverständnis.

Über den tatsächlichen Umgang Ungarns mit Menschen, die auf der Flucht sind, konnten die Bischöfe des Landes am Montag mit Papst Franziskus sprechen. Die 19 Mitglieder der Bischofskonferenz absolvieren diese Woche ihren Ad-limina-Besuch in Rom. Nach der Audienz beim Papst besuchte der Erzbischof von Esztergom-Budapest, Kardinal Peter Erdö, Radio Vatikan und sagte im Gespräch mit unseren ungarischen Kollegen:

„Ungarn ist kein attraktives Land für die Massenmigration. Alle wollen nach Westen, vor allem nach Deutschland. Heute ist es so, dass wir den verfolgten Christen und allen Flüchtlingen, die vor Terrorismus und Krieg fliehen, helfen wollen. Wir als katholische Kirche haben große Spendensammelaktionen durchgeführt und konnten so im Nordirak eine Schule bauen. Im Augenblick finanzieren wir den Wiederaufbau eines Dorfes, das der Islamische Staat zuvor eingenommen hatte. Mit dem Rückzug der Terroristen können die Christen dort wieder ihre Heimat aufbauen.“

Immer noch starkes Ost-West-Gefälle im Lebensstandard

Allgemein sei im Westen vielen nicht bewusst, wie die Ungarn heute lebten. Die Unterschiede zu anderen EU-Ländern seien immer noch gut erkennbar, so Kardinal Erdö.

„Das ist eine große Herausforderung, was den Lebensstandard bei uns betrifft. Das Durchschnittsgehalt in Ungarn beträgt nur 25 Prozent des gesamten deutschen Durchschnittsgehaltes. Das war vor 25 Jahren genauso. Das bedeutet: Auch die junge Generation von Gebildeten, Intellektuellen und Facharbeitern geht in den Westen. Das führt zu einem Fachkräftemangel in Ungarn. Das ist auch ein Problem im pastoralen Leben der Kirche.“

Doch es gebe aus kirchlicher Sicht auch erfreuliche Entwicklungen, fügt Kardinal Erdö an.

„Es ist vorgesehen, dass in den öffentlichen Schulen die Kinder bzw. deren Eltern entscheiden sollen, ob sie an einem Ethikunterricht oder am Religionsunterricht teilnehmen sollen. Über die Hälfte der Schüler hat den katholischen Religionsunterricht gewählt. Das bedeutet aber, dass wir sehr viele katholische Katecheten und Religionslehrer brauchen.“

Ein weiteres positives Arbeitsfeld für die Kirche in Ungarn betrifft die Romapastoral, da ist die ungarische Bischofskonferenz derzeit dabei, eine Bibelübersetzung und liturgische Texte in Lovari-Romanes auszuarbeiten, deren Approbierung nun aufgrund der neuen Regelungen des Motu propio „Magnum principium“ einfacher werde, so Erdö.

Und aller guten Dinge sind bekanntlich drei: Der dritte positive Punkt betrifft aus der Sicht des Kardinals den Seligsprechungsprozess des Zisterziensers Janos Brenner (1931-1947). Bis 1989 durfte Brenners Tod nicht öffentlich erwähnt werden, doch am vergangenen 8. November 2017 hatte Papst Franziskus das Martyrium János Brenners als Voraussetzung für dessen Seligsprechung bestätigt. (rv)

Ungarn: Kardinal Parolin weiht künftigen Nuntius zum Bischof

Kardinal ParolinIn Ungarn hat der vatikanische Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin eine Bischofsweihe vorgenommen. Er spendete das Sakrament am Freitag in der Kathedrale von Vac dem 52jährigen ungarischen Priester Gabor Pinter, den der Papst zum Nuntius in Weißrussland berufen hat. Als Repräsentant des Heiligen Stuhles in einem Land mit lebendiger Kirche werde der neue Erzbischof Vermittler von Frieden und Gerechtigkeit sein und Abkommen im Bewusstsein verhandeln, dass wechselseitiger Verzicht auf einen Teil der eigenen Anliegen „kein Zeichen von Schwäche ist, sondern von Weisheit und Stärke“, sagte der Chefdiplomat des Heiligen Stuhles. Bei der Bischofsweihe waren unter anderem die Kardinäle Peter Erdő von Budapest und Christoph Schönborn von Wien anwesend. (rv)

Ungarn: Kardinal Paskai verstorben

Kardinal PaskaiLászló Kardinal Paskai, der ehemalige Primas von Ungarn ist am Montag im Alter von 88 Jahren verstorben. Er war Angehöriger des Franziskanerordens (O.F.M.) und zuletzt von 1987 bis 2002 Erzbischof von Esztergom-Budapest in Ungarn. Papst Johannes Paul II. (1978-2005) hatte Paskai 1988 in den Kardinalsstand erhoben und ihm die Titelkirche “S. Teresa al Corso d’Ialia” zugeteilt. Mit seinem Ableben gibt es derzeit nur noch einen aus Ungarn stammenden Kardinal im Kardinalskollegium. Das Kollegium hat somit noch 219 Kardinäle und von diesen sind 120 wahlberechtigt bei einer künftigen Papstwahl. (vh)

Glaubenskonferenz in Ungarn

Kardinal MüllerUm die Zusammenarbeit zwischen Glaubenskongregation und Bischofskonferenzen zu verbessern, findet vom 13. bis zum 15. Januar eine Konferenz in Esztergom in Ungarn statt. Teilnehmen werden die Leitung der Kongregation der Glaubenslehre unter Kardinal Gerhard Ludwig Müller und die Verantwortlichen der Bischofskonferenzen Europas für Fragen des Glaubens. Die Themen des Kongresses wurden noch nicht bekannt gegeben.

1967 hatte die Glaubenskongregation den Bischofskonferenzen beauftragt, sich selber jeweils eine Kommission für Glaubensfragen zu geben. Seit 1982 treffen sich Vertreter der Kongregation mit den Vertretern der Konferenzen eines Kontinentes. Bisherige Treffen fanden in Bogotá (1984), Kinshasa (1987), Wien (1989), Hong-Kong (1993), Guadalajara (1996), San Francisco (1999) und Dar es Salaam (2009) statt.

Papst Franziskus hatte in seinem Schreiben Evangelii Gaudium (nr. 32) von einer „gewissen Lehrautorität“ der Bischofskonferenzen gesprochen und damit einen Gedanken Papst Johannes Paul II. aufgegriffen. Eine übertriebene Zentralisierung kompliziere das Leben der Kirche, so Papst Franziskus im Herbst 2013. (rv)

Kardinal Mindszenty voll rehabilitiert – Verfahren zur Seligsprechung

Er war eine der großen und tragischen Gestalten der Kirche in der Zeit des Kommunismus: Der frühere Primas von Ungarn, Kardinal József Mindszenty (1892-1975), ist mittlerweile juristisch umfassend rehabilitiert. Die Oberste Staatsanwaltschaft in Budapest hat das Volksgerichtsurteil aus dem Jahr 1949 aufgehoben, bei dem Mindszenty zu einer lebenslänglichen Freiheitsstrafe verurteilt worden war. Jetzt ist der Vatikan am Zug: Die Nachrichten aus Budapest könnten dem Seligsprechungsprozess des Märtyrer-Kardinals Flügel verleihen.

„Mit Sicherheit war er eine große Persönlichkeit nicht nur Ungarns, sondern der Kirche überhaupt." Das sagte der frühere Präfekt der vatikanischen Kongregation für Seligsprechungen, Kardinal José Saraiva Martins, am Montagabend im Interview mit Radio Vatikan. „Mindszenty war ein Modell-Hirte von außerordentlichem Mut und mit tiefen Überzeugungen. Eine große Persönlichkeit der Geschichte, ein Vorbild für uns Kirchenleute."

Mit Sicherheit sei die Rehabilitierung Mindszentys durch die heutigen ungarischen Behörden „nicht nur etwas Verdientes, sondern auch ein Schlusspunkt hinter eine sehr traurige und leiderfüllte Geschichte", so Kardinal Saraiva Martins. Mindszenty hat nicht nur bis 1956 im Gefängnis gesessen; nach dem kurzen Budapester Frühling, der von sowjetischen Truppen niedergeschlagen wurde, musste er in Ungarns US-Botschaft ausharren. Nach einem Deal des Vatikans mit Ungarns Regime reiste er dann 1971 nach Österreich aus – sozusagen ein Bauernopfer der damaligen vatikanischen „Ostpolitik". 1975 starb der eiserne Kardinal in Österreich, erst 1991, nach der Wende, konnte sein Leichnam nach Esztergom an den Sitz des ungarischen Primas überführt werden.

„Seine Rehabilitierung in juristischer, moralischer und auch politischer Hinsicht ist ein großes Ereignis. Was den Seligsprechungsprozess betrifft, da studiert die Kirche von Rom, die Seligsprechungskongregation, den Kandidaten für eine Seligsprechung sehr detailliert. Dabei interessiert sie sich vor allem für die historische Wirklichkeit der Fakten, und die ergibt sich natürlich aus der Dokumentation über diese Geschehnisse. Per se hat die Rehabilitierung durch die Behörden zwar keinen Einfluss auf das Seligsprechungsverfahren – aber sie ist doch eine sehr positive Tatsache und bestätigt natürlich die Linie, das Denken der Kirche über Kardinal Mindszenty."

„Eine dramatische Seite der Geschichte, die von der gemeinsamen europäischen Erinnerung ignoriert oder missverstanden wird": Unter dieser Überschrift würdigte die Vatikanzeitung „Osservatore Romano" vor wenigen Tagen die „christlichen Märtyrer des Kommunismus" und unter ihnen Mindszenty. Es sei geradezu ein „Schulbeispiel", wie dieser „Zeuge des Evangeliums" nach seiner Haft unter den Kommunisten auch in der öffentlichen Meinung des Westens sozusagen inhaftiert worden sei: nämlich „verdrängt und als Mann der Vergangenheit abgeschrieben". Dabei hatte Wiens Kardinal Franz König 1975 nach Mindszentys Tod erklärt, dieser spreche „auch noch als Toter". Nicht zuletzt war der Primas ein Menetekel für die vatikanische „Ostpolitik" bis zur Wahl des polnischen Papstes Johannes Paul II.. Schließlich hatte Paul VI. Mindszenty gegen dessen Willen zum Gang ins Exil bewegt – eine äußerst schmerzhafte Entscheidung für den ungarischen Kirchenmann. Aber Kardinal Saraiva Martins betont, es stehe heute außer Zweifel, dass Mindszenty dem Papst immer gehorcht habe:

„Ja, das ist eines der Charakteristika von Kardinal Mindszenty. Mit Sicherheit wird dieser Gehorsam der Kirche gegenüber beim Studium des Dossiers für seine künftige Heiligsprechung besonders hervorgehoben werden. Denn für ihn war die Kirche nicht nur irgendein Verband, sondern Christus selbst: Fleisch geworden in einer Gemeinschaft des Glaubens, das Heilswerk Christi auf Erden fortsetzend. Er gehorchte der Kirche, um Christus zu gehorchen."

Mindszenty war schon 1990, also gleich nach der Wende, in Ungarn von den Behörden praktisch rehabilitiert worden, als das Urteil gegen ihn für nichtig erklärt wurde. Der jetzt ergangene Bescheid der Obersten Staatsanwaltschaft schloss hingegen ein Verfahren zur Wiederaufnahme des Prozesses von 1949 formell ab, das noch 1989 – einige Monate vor den ersten freien Wahlen – eingeleitet worden war. Was jetzt noch aussteht, ist Mindszentys Rehabilitierung durch den Vatikan: seine Seligsprechung.

Am Freitag feiert Kardinal Saraiva Martins für Mindszenty eine Messe, und zwar in der römischen Kirche Santo Stefano Rotondo auf dem Celio-Hügel. Anlass ist der 37. Todestag des Bekenner-Kardinals. Im Januar hatte Ungarns Kirche bereits den 120. Geburtstag Mindszentys begangen. In einer Erklärung betonten die Bischöfe dazu, er sei „nicht nur ein politisches Symbol"; seine politische Haltung sei vielmehr seinem Glauben entsprungen: „Als er etwa gegen den Rassismus und die Judenverfolgung seine Stimme erhob, als er – nach Meinung von einigen naiv, aber prophetisch – die Nazis zum Niederlegen der Waffen und zum Ablassen von der Zerstörung aufrief, da folgte er keiner Strategie, sondern stellte sich ungeachtet des gerade herrschenden politischen Systems auf die Seite der Wahrheit." Mindszenty habe „den Menschen verteidigt, das Abbild Gottes, das menschliche Leben, die ewige Wahrheit des Gebotes: Du sollst nicht töten". (rv)

Ungarn: Kardinal Erdö im Gespräch

Bevor Griechenland und Italien ins Visier der Märkte gerieten, spielte Ungarn gewissermaßen die Rolle des Sündenbocks in der EU: Ministerpräsident Viktor Orban, der bis vor kurzem auch noch die EU-Ratspräsidentschaft innehatte, bringt regelmäßig die Beobachter in anderen Ländern der Union gegen sich auf. Nicht nur mit einem heftig umstrittenen Mediengesetz, sondern auch mit seiner neuen Verfassung, in deren Präambel ein nationales Credo aufgenommen wurde, und mit der Ausstellung der Stephanskrone im Budapester Parlament. Einige warnen, die mit Zweidrittelmehrheit ausgestattete neue Regierung nutze kirchliche Requisiten, um ein rückwärtsgewandtes Regime zu installieren. Anne Preckel traf in diesen Tagen in Esztergom den Budapester Kardinal Peter Erdö. Sie fragte ihn, ob die Kirche etwas mit dem neuen Mediengesetz zu tun hat. (rv)