Pater von Gemmingen wird 75

 Der wahrscheinlich berühmteste Jesuitenpater Deutschlands wird an diesem Montag 75 Jahre alt: Pater Eberhard von Gemmingen. 1982 nach Rom gekommen, leitete er 27 Jahre lang den deutschsprachigen Dienst von Radio Vatikan. Heute lebt und wirkt er in München für seinen Orden und ist nach wie vor ein gefragter Gesprächspartner, wenn es darum geht, „den Vatikan zu erklären". Antje Dechert sprach mit Pater Gemmingen und fragte ihn zunächst nach seiner prägendsten Erinnerung an seine Zeit im Vatikan.
Das wichtigste war die lange Zeit des Sterbens von Johannes Paul II. und die Wahl von Papst Benedikt. Da war für Radio Vatikan viel zu tun, daneben aber auch die vielen Fernsehauftritte, die Flüge von Rom nach Deutschland und zurück, um bei allen möglichen Sendungen dabeizusein. Einmal bin ich mit einem italienischen Politiker im Privatflugzeug von Berlin nach Rom geflogen, wir wurden dann auch abgeholt mit Blaulicht, und er sagt mir: Vor uns im Auto, das ist Tony Blair. So kamen wir in die Stadt, um am nächsten Tag war die Beerdigung von Johannes Paul."
Ist der Vatikan weltfremd? Sehen Sie diesen Vorwurf an den Vatikan heute mit neuen Augen?
„Die Gefahr der Weltfremdheit besteht schon wirklich. Aber der entscheidende Hintergrund ist, dass die Mentalitäten der Populationen außerordentlich verschieden sind. So, wie wir Deutsche beispielsweise in Sachen Kernkraft denken, denkt fast niemand auf dieser Erde. Und so wie wir Deutsche mit dem Vatikan kritisch sind, so ist fast niemand sonst kritisch, mit Ausnahme vielleicht von einigen Missionaren rund um den Globus, die haben auch gute Gründe. Aber wenn wir hier sagen, der Vatikan ist eine Katastrophe, würden wahrscheinlich viele Katholiken auf der Welt entgegnen, der Vatikan ist eine große Hilfe, denn er tritt für uns ein, für Menschenrechte und so weiter. Der Papst ist ein armer Uhrensteller, der die verschieden gehenden Uhren gleichrichten soll, und das ist furchtbar schwierig. Ich sehe den Vatikan durchaus auch kritisch, sehe aber, dass vieles, was uns ärgert, nicht Schuld des Vatikans ist, sondern weil halt bei uns die Uhren sehr anders gehen. Die Weihe von verheirateten Männern wird vielleicht auch ein wenig anderswo gefordert, aber im deutschen Sprachraum ganz kräftig. Wir sollten nicht vergessen, dass man anderswo ganz andere Fragestellungen hat."
Die Priesterweihe für „Viri probati" ist eine der Forderungen des Theologenmemorandums: Haben Sie Verständnis für diese Forderungen?
„Ich würde sagen, man müsste offen und christlich darüber reden. Man kann nicht sagen, es kommt nicht in Frage, ich wünsche mir, das solche Bitten auch im Vatikan offen vorgetragen werden, aber eben nicht als Forderungen im Stil von „es muss jetzt…", sondern „müssten wir nicht Viri probati weihen aus diesem und jenem Grund", sodass man Argumente in Frieden und Ruhe und christlich austauscht."
Sie haben Ihren Dienst in München – Fundraising für den Jesuitenorden – genau zu dem Zeitpunkt begonnen, als der Skandal in Sachen Kindesmissbrauch ausgerechnet durch Fälle im Jesuitenorden losgetreten wurde. War das für Sie sozusagen ein besonders gründlicher Abschied von Rom?
„Ja, das war natürlich schon besonders schwer für unseren Orden, aber Gottseidank am Ende des Jahres 2010 waren die spenden nicht zurückgegangen, sondern sogar gestiegen. Ich interpretiere das so, dass die Leute, die uns wohlgesonnen sind, wissen, dass es zwar ganz böse Sachen bei uns gegeben hat, aber dass die allermeisten Jesuiten und überhaupt Priester anständig arbeiten und das, was in der Zeitung steht, nicht überinterpretiert werden darf." (rv)

Ukraine: Neues Oberhaupt der griechisch-kath. Kirche (Ukraine)- noch geheim

Kardinal Lubomyr Husar hatte aus Gesundheitsgründen Anfang Februar den Kirchenvorsitz als Großerzbischof der griechisch-kath. Kirche niedergelegt. Zu der Wahl seines Nachfolgers berichtete Radio Vatikan (kap) folgendes:

"Die ukrainische griechisch-katholische Kirche hat ein neues Oberhaupt. Es wurde an diesem Donnerstag in einer geheimen Stichwahl in Kiew gewählt. Das bestätigte ein Sprecher der mit Rom unierten Kirche gegenüber Kathpress. Das Wahlergebnis ist vorläufig unter Verschluss. Es wird der vatikanischen Ostkirchen-Kongregation übermittelt und muss vom Papst bestätigt werden. Die Amtseinführung des neuen Großerzbischofs von Kiew ist bereits für kommenden Sonntag vorgesehen. Der eigentlich auf Lebenszeit gewählte Kiewer Großerzbischof, Kardinal Lubomyr Husar, hatte Anfang Februar aus Gesundheitsgründen sowohl den Kirchenvorsitz als auch die Leitung der Großerzdiözese mit Zustimmung des Papstes niedergelegt".

Paris: Vorhof will Herz der Kultur erreichen

In der „Unesco" in Paris wird an diesem Donnerstag Nachmittag die Vatikan-Stiftung „Vorhof der Völker" feierlich eröffnet. Der Päpstliche Kulturrat erweckt mit dieser Initiative zum Dialog mit Atheisten in gewisser Weise das frühere Vatikan-Sekretariat für die Nichtglaubenden zum Leben, das in den neunziger Jahren im Kulturrat „aufgegangen" war. Stefan Kempis berichtet aus Paris.
Dass das Gespräch mit den Nichtglaubenden in der Pariser Unesco begonnen wird, macht klar: Der Vatikan zielt von Anfang an hoch. Er will das Herz der zeitgenössischen Kultur erreichen, für das die Kultur- und Wissenschaftsorganisation der Vereinten Nationen steht. Auch die weiteren Stationen des Gesprächs am Freitag, nämlich Sorbonne-Universität und „Académie francaise", zeigen, dass der Heilige Stuhl sich mit der Gottesfrage direkt an die intellektuelle Szene von Paris wendet, die noch von altem Ruhm aus den Zeiten Sartres zehrt. Innerkirchlich wirkt es schlau, dass das „Centre des Bernardins", an dem auch schon der Papst zu Besuch war, von Anfang an mit eingebunden ist: Diese Einrichtung versucht nämlich im Herzen von Paris täglich den Brückenschlag des Katholischen hinüber in die akademische und intellektuelle Stadt, sie könnte das Anliegen des „Vorhofs der Völker" hier verstetigen.
Aufhorchen lässt, dass die Planer noch nicht einmal ein Grußwort des Ortsbischofs, also Kardinal André Vingt-Trois, vorgesehen haben – kein Affront, denn das „Institut Catholique de Paris" macht ja mit in diesen Tagen, aber doch ein kleines Signal. Den Vorwurf, der Vatikan rede mit Atheisten und Agnostikern, ohne in ausreichender Weise die Ortskirche zu beteiligen, gab es schon in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts: Damals führte Kardinal Franz König das Päpstliche Sekretariat für den Dialog mit den Nichtglaubenden und suchte das Gespräch mit marxistischen Herrschern und Denkern hinter dem Eisernen Vorhang. Auch die islamischen und jüdischen Institutionen oder die Kirchen der Reformation sind beim Start des „Vorhofs der Völker" nur Zuschauer. (rv)

Das Theologen-Memorandum: Wie beginnt man einen Dialog?

Eine unendliche Geschichte – das Memorandum der deutschsprachigen Theologen zur Reform der Kirche. Mittlerweile gehört es für jeden Theologen und Bischof zum Prozedere, in Interviews auf das Memorandum angesprochen zu werden, so gibt es immer wieder kleine Meldungen über persönliche Einschätzungen und das Thema verlängert sich in den Medien. Dabei müssten wir auch einmal über die Form der Debatte, wie sie im Augenblick geführt wird, nachdenken. Das jedenfalls ist die Ansicht von Manfred Lütz, Psychiater und katholischer Theologe. Als Mitglied der Päpstlichen Akademie für das Leben war er kürzlich in Rom und hat sich mit Radio Vatikan auch über die Polemik dieser Debatte unterhalten. Lütz ist in den Medien vorgeworfen worden, er hätte die Autoren des Reformpapiers aufgefordert, die Kirche zu wechseln und evangelisch zu werden.
„Das stimmt überhaupt nicht. Was ich – auch psychologisch – sehr interessant fand: Ich habe in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung Anfang Februar einen absichtlich unpolemischen Beitrag in eine zugegebenermaßen polemische Debatte hinein geschrieben und habe anschließend die Feststellung gemacht, dass das gar nicht geht. Die Leute verstehen auch einen unpolemischen Beitrag in einer polemischen Debatte polemisch."
Das ist aber nicht das einzige, was Lütz an der Debatte schwierig findet. Er hatte den Vergleich der Reformpositionen mit den Reformationspositionen gemacht, was die Autoren des Papiers aber als absurd empfinden würden. Und das habe einen Grund:
„Weil – wie ich glaube – es um Macht geht und um Machtlosigkeit. Ich glaube, dass Theologieprofessoren in Deutschland sehr viel Macht haben – wenn sie einmal Professor sind, können sie eigentlich machen, was sie wollen, und lehren, was sie wollen. Ihnen kann keiner mehr was. Andererseits ist es das Problem dieser Professoren, dass Theologieprofessoren gar nicht mehr wahrgenommen werden. Sie sind völlig irrelevant. Die großen intellektuellen Debatten in Deutschland finden ohne katholische Theologieprofessoren statt. Sie finden sie nicht in den großen Zeitungen und in Talkshows sowieso nicht, die Talkshows wollen katholische Positionen und laden dann Bischöfe ein.
Ich mache mich darüber nicht lustig. Ich finde, dass das eine wirkliche Tragödie ist. Das sind intelligente Leute, die forschen und ein Engagement für die Kirche haben."

Kirchenthemen kommen vor allem bei jungen Leuten nicht vor, so Lütz, eine bestimmte Generation bringe immer wieder dieselben Anliegen vor. Lütz hat dafür einen Begriff entwickelt:
„Ich nenne das die Konservativität der Progressiven in der katholischen Kirche." Nach Lütz gibt es zwei konservative Milieus in der Kirche: die einen konservierten das, was sie das Katholische nennen. „Und das andere ist immer dagegen, aber hat immer Forderungen, von denen die Leute genau wissen, dass sie nicht durchschlagen werden. Dann kann man konservativ im Klageritus verharren, dann ändert sich nichts."
Das habe Folgen für die Art der Debatte. Man könne die Dialogbereitschaft immer wieder fordern, aber bewegen könne sich nichts, schon allein der Form der Debatte wegen.
„Alle, die unterschrieben haben, wissen doch, dass der Zölibat nicht wegen der Debatte aufgehoben wird. Und dadurch, dass wir uns jetzt dauernd darüber ärgern, dass er nicht aufgehoben wird, wird es ja auch nicht besser. Das wissen die alle.
Man kann kaum mehr Argumente austauschen in der Hoffnung, dass die andere Seite das als Argument wahrnimmt und nicht als Attacke. Wenn Sie das Memorandum einmal psychologisch durchschauen: Da wird mit einer Sprache gearbeitet und auf die Kirche eingeprügelt, das macht nicht viel Spaß, dann mit einer solchen Aggressivität zu reden."
So komme nicht das zustande, was die Theologen mit ihrem Papier und viele Befürworter danach einfordern: der Dialog.
„Ein Dialog beginnt nie, wenn beide Seiten dialogbereit sind, das geht psychologisch gar nicht. Ein Dialog beginnt immer einseitig. Immer beginnt einer, mit einem anderen Menschen zu sprechen, und je wertschätzender er das tut, je respektvoller er das tut, desto eher wird der andere Lust haben, zu antworten. So beginnt Dialog." (rv)

Ausstellungseröffnung zum Radiogeburtstag

„Hört her, alle Völker und alle Kreatur": Mit diesem Weckruf begann an diesem 12. Februar vor genau 80 Jahren das Abenteuer Radio Vatikan. Pius XI. weihte den Pioniersender in seinen Vatikanischen Gärten ein, der über die Jahrzehnte zu einem Riesenapparat mit mehr als vierzig Sprachen herangewachsen ist. „Die Stimme des Papstes und der Weltkirche", aber eben nicht das offizielle Organ des Vatikans – so sieht sich Radio Vatikan heute selbst. Dabei untersteht unser Sender, der damals wie heute von Jesuiten geleitet wird, direkt dem vatikanischen Staatssekretariat – und dort dem „Monsignor Assessore", Peter Bryan Wells.
„Das große Publikum geht oft davon aus, dass die Inhalte von Radio Vatikan offizielle Vatikanmeinung wären; darum fordert das Statut von Radio Vatikan eine völlige Übereinstimmung mit dem Lehramt und mit der Arbeit des Heiligen Stuhls. Mir ist auf diesem Hintergrund klar, wie anspruchsvoll und schwierig die Aufgabe ist, die der Sender bis heute geleistet hat."
Das sagte der Mitarbeiter des Staatssekretariats am Donnerstag Abend – bei einer Feierstunde für RV in den Vatikanischen Museen. Wells erinnerte auch an die wachsende Bedeutung der neuen Medien: Man habe etwa bei der Jasmin-Revolution in Tunesien deutlich gesehen, wie Internet, Facebook, Twitter heute Menschen mobilisieren können.
„Die neuen Medien sollten als Gesprächspartner gesehen werden, nicht als Konkurrenten. Für das Radio sollten sie eine Chance sein, keine Drohung. Auch der Papst ruft ja zu einem Geist der „Konvergenz" unter den Medien auf. Für Radio Vatikan wird diese Konvergenz bald eine erste heilsame Wirkung haben: in wirtschaftlicher Hinsicht nämlich. Der Einsatz der neuen Technologien erlaubt es nämlich, die Rendite zu maximieren."
Das war ein delikater Hinweis auf die Millionenkosten, mit denen Radio Vatikan jedes Jahr den Haushalt des Heiligen Stuhls belastet. Klassische Medien und neue Medien, vor allem Radio und Internet, sollten „zusammenfließen" – das sei eine „unvermeidliche Veränderung", die dem Radio mit der Zeit eine „neue spezifische Rolle" geben wird, so Monsignore Wells prophetisch. Als flexibles und „nicht invasives", nicht oberflächliches Medium jedenfalls müsse das Radio nicht um seine Zukunft bangen. „Die Konvergenz zwischen Radio und neuen Medien wird das Wesen des Radios nicht verbiegen, sondern vielmehr potenzieren."
„Radio Vatikan hat die Rolle eines Beispiels, eines Leuchtturms, eines Anführers für alle anderen katholischen Radiosender. Seine spezifische Rolle ist die Mitarbeit an der Evangelisierung. Weil die Kirche von ihrer Natur her universal ist, hat auch Radio Vatikan eine weltweite Mission. Mit seinen über vierzig Sprachen ist es ein hervorragendes Werkzeug für den Dialog der Kulturen und Religionen. Aber Evangelisieren bedeutet auch, die Schwierigkeiten zu sehen, die die Kirche heute hat. Radio Vatikan muss die Stimme der Kirche sein, um denen widersprechen zu können, die behaupten, dass die Kirche nicht zu einer inneren Reform imstande wäre…"
Nicht immer hören die Mitarbeiter von Radio Vatikan soviel Lob auf einmal aus dem Staatssekretariat.
Generaldirektor von Radio Vatikan ist der Jesuitenpater Federico Lombardi, der auch den Vatikanischen Pressesaal leitet. Er erzählte von seinen Anfängen beim Papst-Radio:
„Ich kam am 15.1.1990 zum Radio – das war der Tag, an dem im ersten Golfkrieg die ersten Bomben auf Bagdad fielen. Damals fragte ich mich: Was soll ich sagen? Wie mache ich das jetzt? Dann habe ich verstanden, dass der erste und fundamentale Kommentator der Geschichte unserer Tage für Radio Vatikan gar nicht ich war, sondern der Papst!"
Wie der Mann aus dem Staatssekretariat kam auch Lombardi auf die Herausforderungen durch neue Medien zu sprechen:
„Sind wir überhaupt noch ein Radio? Oder sind wir nicht vielmehr eine große Gemeinschaft von Kommunikatoren und Technikern, die auf alle möglichen Arten in unserer digitalen Ära kommunizieren, um dem Papst zu dienen? Das trifft`s wohl eher. Wir sind eine leidenschaftlich internationale, multikulturelle Arbeitsgemeinschaft: Mehr als dreihundert Menschen aus sechzig verschiedenen Ländern. Vielleicht sind wir heute der internationale Sender mit den meisten Sprachprogrammen – darauf sind wir stolz! Wir sehen in dieser Sprachenvielfalt einen Reichtum für den Heiligen Stuhl."
Pater Lombardi verriet noch, dass Radio Vatikan derzeit über die Einrichtung einer Homepage in koreanischer Sprache nachdenkt. Und er rief aus: „Die Verteidigung der Vielfalt von Sprachen und Kulturen gehört zu unserer DNA!" Das war wohl auch diversen Sparkommissaren ins Stammbuch geschrieben, die immer wieder mal ums Radio-Hauptgebäude gegenüber der Engelsburg streichen. Für die „Stimme des Papstes" stellen sie womöglich eine größere Bedrohung dar als die Vorwürfe, dass die Sendeanlagen außerhalb von Rom für zuviel Elektrosmog sorgen. Beruhigend in diesem Zusammenhang, dass der Gouverneur der Vatikanstadt, Kardinal Giovanni Lajolo, dem Papst-Radio bescheinigte, es sei gewissermaßen zusammen mit dem Vatikan selbst geboren worden.
„Radio Vatikan ist zusammen mit dem neuen Staat Vatikan geboren worden, ja als eine der Strukturen, die ihn in seiner Souveränität und internationaler Handlungsfreiheit ausmachen. Schon vier Tage nach Unterzeichnung der Lateranverträge, durch die der Vatikanstaat 1929 entstand, war Guglielmo Marconi in den Vatikanischen Gärten, um zu überlegen, wo er dort auf Bitte von Pius XI. hin eine Radiostation einrichten könnte…"
Wir sind Papst? Nicht nur – wir sind der Vatikan!
Hintergrund
Via Kurzwelle, Satellit und Internet verbreitet Radio Vatikan regelmäßige Sendungen in 45 Sprachen. Zu jährlich knapp 150 Live-Übertragungen von Papstzeremonien kommen ein nachrichtlich-kulturelles Programm sowie Liturgiesendungen und Musik. Die Betriebskosten für das weitgehend werbe- und vollkommen gebührenfreie Radio mit seinen 355 Angestellten belaufen sich auf rund 25 Millionen Euro im Jahr. Das ist einer der größten Einzelposten im Vatikan-Haushalt. (rv)

Sire, geben Sie Religionsfreiheit!

„Die Christen sind derzeit weltweit die religiöse Gruppe, die am häufigsten Verfolgung um des Glaubens willen erleidet": Daran erinnert Papstsprecher Federico Lombardi. In einem Editorial für Radio Vatikan, dessen Generaldirektor er ist, geht der Jesuit von der großen Friedensbotschaft von Papst Benedikt aus, die am Freitag im Vatikan veröffentlicht wurde:
 „Viele Menschen haben die irrige Vorstellung, als ob die Christen allgemein in Machtpositionen säßen und als ob die, die diskriminiert werden, in der Regel Angehörige anderer Religionen wären – ja als wären auch noch die Christen daran schuld. Aber die wachsende Dokumentation aus verläßlichen Quellen zwingt allmählich doch dazu, diese Perspektive zu korrigieren. Und das sollte man unterstreichen!"
Allerdings gehe es dem Papst mit seiner Friedensbotschaft gar nicht nur um die Christen – er wende sich an alle Menschen guten Willens und fordere Religionsfreiheit für alle ein.
„Das ist keine Botschaft nur für die Christen. Das ist eine Botschaft für alle. Aus der direkten, schwierigen Erfahrung von Christen heraus wird da nach dem Recht gerufen, Gott zu suchen, zu finden, zu verehren. Ohne den Respekt vor diesem Recht für alle läßt sich keine friedliche Gesellschaft aufbauen. Fanatismen, Fundamentalismen, auch aggressiver Säkularismus sind Feinde des wahren Friedens!" (rv)

ÖRK-Chef: „Wir leben im ökumenischen Winter“

Der Papst ist ein enger Verbündeter der Ökumene-Bewegung. Das betont der neue Generalsekretär des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK), Olav Fykse Tveit, im Exklusiv-Interview mit Radio Vatikan. Olav Fykse Tveit ist am Wochenende erstmals seit seinem Amtsantritt vor knapp einem Jahr mit Papst Benedikt XVI. im Vatikan zusammengetroffen. Der norwegische Lutheraner sprach nach der Privataudienz von einem „offenen und freundlichen Gespräch" mit dem Papst. Beide Seiten hätten dabei die Notwendigkeit betont, sich gemeinsam für „die sichtbare Einheit" der Kirche einzusetzen. Nach dem Treffen im Apostolischen Palast hat ihn Mario Galgano in unserem Radio-Studio empfangen.Der Papst ist ein enger Verbündeter der Ökumene-Bewegung. Das betont der neue Generalsekretär des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK), Olav Fykse Tveit, im Exklusiv-Interview mit Radio Vatikan. Olav Fykse Tveit ist am Wochenende erstmals seit seinem Amtsantritt vor knapp einem Jahr mit Papst Benedikt XVI. im Vatikan zusammengetroffen. Der norwegische Lutheraner sprach nach der Privataudienz von einem „offenen und freundlichen Gespräch" mit dem Papst. Beide Seiten hätten dabei die Notwendigkeit betont, sich gemeinsam für „die sichtbare Einheit" der Kirche einzusetzen. Nach dem Treffen im Apostolischen Palast hat ihn Mario Galgano in unserem Radio-Studio empfangen.
 Sie waren an diesem Samstag beim Papst im Vatikan. Darf ich zuerst einmal fragen, wer alles dabei war. Waren Sie alleine dort?
„Im Gespräch war ich alleine, ja."
Und was haben Sie dem Papst gesagt, wenn wir fragen dürfen?
„Ja, wir haben über unsere gemeinsame Aufgabe gesprochen. Wir haben ganz viel darüber geredet, wie wichtig die ökumenische Aufgabe ist, auch wenn gemeinsame Herausforderungen hier sehen und auch, wenn wir Tendenzen sehen, dass das ökumenische Bewusstsein vielleicht nicht so stark ist wie es war. Ich habe als Vertreter des ökumenischen Rates ganz stark unterstrichen, dass wir nicht eine westliche protestantische Organisation sind, sondern eine weltweite ökumenische Gemeinschaft der Kirchen. Und deshalb haben wir auch des Privileg, die Vielfalt dieser Kirchen zusammen zu bringen und, dass wir in dieser Kommission sowohl theologisch als auch in der Mission sehr eng mit der katholischen Kirche zusammenarbeiten. Aber auch, dass wir in vielen Ländern in sehr lokalen Kontexten überall eine große und wichtige Zusammenarbeit zwischen unseren Kirchen und der römisch-katholischen Kirche erleben."
Eine große Herausforderung für die Christen weltweit ist die Situation zum Beispiel im Nahen Osten, im Heiligen Land, wo Jesus ja auf die Welt kam und auch gestorben ist. War das auch ein Thema – die Lage der Christen im Nahen Osten?
„Ja, das haben wir auch ganz stark unterstrichen, wie wichtig diese Situation im Nahen Osten als eine gemeinsame Verpflichtung und Aufgabe für uns ist. Wie können wir die Kirchen dort stärken, wie können wir auch zum Dialog ermutigen, wie können wir auch gemeinsam interreligiös arbeiten, sodass wir ein höheres Niveau von Zuversicht und einen neuen Willen, Lösungen zu finden, stärken können.
Und was hat der Papst Ihnen vorgeschlagen oder vielleicht mitgegeben?
„Wir haben darüber gesprochen, dass seine Reise in das Heilige Land im Jahr 2008 und die Synode in diesem Jahr auch sehr wichtig waren und dass die Botschaft von dieser Synode sehr wichtig war: es muss einen neuen Weg geben, bei dem die Rechte und die Friedensbewegung, die von beiden Seiten gebraucht werden, ernst genommen werden. Man muss einen neuen Willen zeigen, um Lösungen zu finden.
Zurück zum Stichwort Ökumene. Wo steht die Ökumene heute?
„Ich möchte ein Bild benutzen: man sagt, dass wir jetzt vielleicht einen ökumenischen Winter haben. Und als Norweger frage ich dann zurück: was ist denn so schrecklich am Winter? Wir wissen, dass Winter auch schön sein können, aber auch, dass Winter nur eine vier verschiedenen Jahreszeiten ist. Im Winter haben wir eine Zeit zum Überlegen, zum Nachdenken über das, was wir schon erlebt haben und was wir auch von der Zukunft erwarten und vorbereiten können. Deshalb denke ich, dass man sich nicht so stark auf das konzentrieren muss, was nicht so gut ist wie es war, sondern welche neuen Möglichkeiten, welche neuen Türen wir öffnen können. Wir sehen zum Beispiel das bei den Pfingstkirchen und den evangelikalen Kirchen jetzt eine neue Offenheit für ökumenische Arbeit wächst. Wir sehen auch, dass die jüngere Generation einen natürlicheren Zugang zum ökumenischen Prozess hat. Sie verstehen gar nicht, warum wir nicht mehr eins sein können, warum wir nicht mehr zusammenarbeiten können. Daher habe ich auch die Hoffnung. Das gehört auch zum Winter. Man schaut in Richtung Frühling und Sommer und weiß, dass sie kommen."
Wie ist denn der Beitrag der katholischen Kirche, wie ist die Zusammenarbeit des ÖRK mit der katholischen Kirche?
„Ich finde sie gut, ganz offen, ehrlich und konstruktiv. Wir haben zum Beispiel in unserem ökumenischen Seminar in Bossey (Schweiz) einen katholischen Professor, in unserer Missionsabteilung haben wir einen katholischen Professor. Wir haben auch zwischen diesen Sekretariaten ganz gute Beziehungen und das wollen wir stärken. Ich denke, dass die katholische Kirche eine Institution ist, in der auch eine Bewegung ist. Und wir sind mehr eine Bewegung als eine Institution. Aber ich denke, wir haben gemeinsam die Aufgabe, wirklich etwas Neues zu bringen und auch die Tradition mitzunehmen. Wir brauchen die Stabilität der römisch-katholischen Kirche, aber wir brauchen auch diesen starken theologischen und auch starken institutionellen Beitrag zum Ökumenismus."
Ihr Besuch hier in Rom beim Papst war der Antrittsbesuch. Können Sie sich vorstellen, dass Papst Benedikt XVI. auch einmal in Genf vorbeikommt bzw. haben Sie den Papst auch eingeladen?
Es gibt eine ständige Einladung, die auch schon meine Vorgänger ausgesprochen haben. Ich habe mit Kardinal Koch besprochen, dass wir weiter prüfen sollen, ob ein Besuch möglich ist. Es wäre sehr schön, wenn es möglich würde.
Was hätte das für eine Bedeutung, was wäre es für ein Zeichen, wenn der Papst bei Ihnen in Genf vorbeischaut?
„Wenn der Papst als Besucher zum Ökumenischen Rat käme, dann wäre das ein sehr starkes Zeichen für das Beurteilung der Wichtigkeit unserer Arbeit – auch unserer gemeinsamen Arbeit. Seine Anwesenheit in Genf wäre auch sehr wichtig, weil er damit auch die Bedeutung dieser UN-Organisation bestätigen würde und diese natürlich auch besuchen würde, um zu zeigen, dass diese multilaterale Arbeit für Frieden und Gerechtigkeit in der Welt, für Menschenrechte eine wichtige Sache für den Papst und die römisch-katholische Kirche ist.
Sie haben eingangs gesagt, dass der ÖRK nicht nur die westliche Kirche bzw. das westliche Christentum vertritt. Es gibt auch die Ostkirchen. Wie ist bei Ihnen intern zurzeit das Verhältnis zwischen den Kirchen des Westens und des Ostens?
„Es ist eine große Gabe und eine große Aufgabe des Ökumenischen Rates. Wir haben eine sehr wichtige Kommission gehabt, die diesen Beitrag und die Beteiligung von der orthodoxen Kirche im Ökumenischen Kirchenrat untersucht und diskutiert. Wir haben zwei wichtige Schlussfolgerungen daraus gezogen: Die eine ist, dass wir auf einen Konsens einigen, wenn wir Entscheidungen treffen, d.h. die Orthodoxen wie auch die anderen müssen gehört und ernst genommen werden. Das bedeutet auch, dass wir wichtige Fragen nicht nur bei irgendwelchen Abstimmungen lösen. Zweitens: wir brauchen eine Klärung, wie wir gemeinsam beten können. Es war schwierig, diese Frage zu bearbeiten, denn einige sagten, dass die Orthodoxen das anders gestalten wollen als wir es in der ökumenischen Bewegung gemacht haben. Wir haben jetzt – denke ich – eine größere Klarheit darüber, wie wir gemeinsam beten können und wir haben auch die Ermutigung: wir sollen gemeinsam beten.
Herzlichen Dank für das Gespräch. (rv)