Ausstellungseröffnung zum Radiogeburtstag

„Hört her, alle Völker und alle Kreatur": Mit diesem Weckruf begann an diesem 12. Februar vor genau 80 Jahren das Abenteuer Radio Vatikan. Pius XI. weihte den Pioniersender in seinen Vatikanischen Gärten ein, der über die Jahrzehnte zu einem Riesenapparat mit mehr als vierzig Sprachen herangewachsen ist. „Die Stimme des Papstes und der Weltkirche", aber eben nicht das offizielle Organ des Vatikans – so sieht sich Radio Vatikan heute selbst. Dabei untersteht unser Sender, der damals wie heute von Jesuiten geleitet wird, direkt dem vatikanischen Staatssekretariat – und dort dem „Monsignor Assessore", Peter Bryan Wells.
„Das große Publikum geht oft davon aus, dass die Inhalte von Radio Vatikan offizielle Vatikanmeinung wären; darum fordert das Statut von Radio Vatikan eine völlige Übereinstimmung mit dem Lehramt und mit der Arbeit des Heiligen Stuhls. Mir ist auf diesem Hintergrund klar, wie anspruchsvoll und schwierig die Aufgabe ist, die der Sender bis heute geleistet hat."
Das sagte der Mitarbeiter des Staatssekretariats am Donnerstag Abend – bei einer Feierstunde für RV in den Vatikanischen Museen. Wells erinnerte auch an die wachsende Bedeutung der neuen Medien: Man habe etwa bei der Jasmin-Revolution in Tunesien deutlich gesehen, wie Internet, Facebook, Twitter heute Menschen mobilisieren können.
„Die neuen Medien sollten als Gesprächspartner gesehen werden, nicht als Konkurrenten. Für das Radio sollten sie eine Chance sein, keine Drohung. Auch der Papst ruft ja zu einem Geist der „Konvergenz" unter den Medien auf. Für Radio Vatikan wird diese Konvergenz bald eine erste heilsame Wirkung haben: in wirtschaftlicher Hinsicht nämlich. Der Einsatz der neuen Technologien erlaubt es nämlich, die Rendite zu maximieren."
Das war ein delikater Hinweis auf die Millionenkosten, mit denen Radio Vatikan jedes Jahr den Haushalt des Heiligen Stuhls belastet. Klassische Medien und neue Medien, vor allem Radio und Internet, sollten „zusammenfließen" – das sei eine „unvermeidliche Veränderung", die dem Radio mit der Zeit eine „neue spezifische Rolle" geben wird, so Monsignore Wells prophetisch. Als flexibles und „nicht invasives", nicht oberflächliches Medium jedenfalls müsse das Radio nicht um seine Zukunft bangen. „Die Konvergenz zwischen Radio und neuen Medien wird das Wesen des Radios nicht verbiegen, sondern vielmehr potenzieren."
„Radio Vatikan hat die Rolle eines Beispiels, eines Leuchtturms, eines Anführers für alle anderen katholischen Radiosender. Seine spezifische Rolle ist die Mitarbeit an der Evangelisierung. Weil die Kirche von ihrer Natur her universal ist, hat auch Radio Vatikan eine weltweite Mission. Mit seinen über vierzig Sprachen ist es ein hervorragendes Werkzeug für den Dialog der Kulturen und Religionen. Aber Evangelisieren bedeutet auch, die Schwierigkeiten zu sehen, die die Kirche heute hat. Radio Vatikan muss die Stimme der Kirche sein, um denen widersprechen zu können, die behaupten, dass die Kirche nicht zu einer inneren Reform imstande wäre…"
Nicht immer hören die Mitarbeiter von Radio Vatikan soviel Lob auf einmal aus dem Staatssekretariat.
Generaldirektor von Radio Vatikan ist der Jesuitenpater Federico Lombardi, der auch den Vatikanischen Pressesaal leitet. Er erzählte von seinen Anfängen beim Papst-Radio:
„Ich kam am 15.1.1990 zum Radio – das war der Tag, an dem im ersten Golfkrieg die ersten Bomben auf Bagdad fielen. Damals fragte ich mich: Was soll ich sagen? Wie mache ich das jetzt? Dann habe ich verstanden, dass der erste und fundamentale Kommentator der Geschichte unserer Tage für Radio Vatikan gar nicht ich war, sondern der Papst!"
Wie der Mann aus dem Staatssekretariat kam auch Lombardi auf die Herausforderungen durch neue Medien zu sprechen:
„Sind wir überhaupt noch ein Radio? Oder sind wir nicht vielmehr eine große Gemeinschaft von Kommunikatoren und Technikern, die auf alle möglichen Arten in unserer digitalen Ära kommunizieren, um dem Papst zu dienen? Das trifft`s wohl eher. Wir sind eine leidenschaftlich internationale, multikulturelle Arbeitsgemeinschaft: Mehr als dreihundert Menschen aus sechzig verschiedenen Ländern. Vielleicht sind wir heute der internationale Sender mit den meisten Sprachprogrammen – darauf sind wir stolz! Wir sehen in dieser Sprachenvielfalt einen Reichtum für den Heiligen Stuhl."
Pater Lombardi verriet noch, dass Radio Vatikan derzeit über die Einrichtung einer Homepage in koreanischer Sprache nachdenkt. Und er rief aus: „Die Verteidigung der Vielfalt von Sprachen und Kulturen gehört zu unserer DNA!" Das war wohl auch diversen Sparkommissaren ins Stammbuch geschrieben, die immer wieder mal ums Radio-Hauptgebäude gegenüber der Engelsburg streichen. Für die „Stimme des Papstes" stellen sie womöglich eine größere Bedrohung dar als die Vorwürfe, dass die Sendeanlagen außerhalb von Rom für zuviel Elektrosmog sorgen. Beruhigend in diesem Zusammenhang, dass der Gouverneur der Vatikanstadt, Kardinal Giovanni Lajolo, dem Papst-Radio bescheinigte, es sei gewissermaßen zusammen mit dem Vatikan selbst geboren worden.
„Radio Vatikan ist zusammen mit dem neuen Staat Vatikan geboren worden, ja als eine der Strukturen, die ihn in seiner Souveränität und internationaler Handlungsfreiheit ausmachen. Schon vier Tage nach Unterzeichnung der Lateranverträge, durch die der Vatikanstaat 1929 entstand, war Guglielmo Marconi in den Vatikanischen Gärten, um zu überlegen, wo er dort auf Bitte von Pius XI. hin eine Radiostation einrichten könnte…"
Wir sind Papst? Nicht nur – wir sind der Vatikan!
Hintergrund
Via Kurzwelle, Satellit und Internet verbreitet Radio Vatikan regelmäßige Sendungen in 45 Sprachen. Zu jährlich knapp 150 Live-Übertragungen von Papstzeremonien kommen ein nachrichtlich-kulturelles Programm sowie Liturgiesendungen und Musik. Die Betriebskosten für das weitgehend werbe- und vollkommen gebührenfreie Radio mit seinen 355 Angestellten belaufen sich auf rund 25 Millionen Euro im Jahr. Das ist einer der größten Einzelposten im Vatikan-Haushalt. (rv)