Wie Papst Franziskus die Heiligsprechungsverfahren ändert

PetersplatzVATIKAN – Die Finanzierung von Heiligsprechungsprozessen soll transparenter werden: Papst Franziskus hat dies mit einem rescriptu ex audientia an Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin in Kraft gesetzt.

Wie gewöhnlich werden die Normen für drei Jahre ad experimentum genehmigt, bevor sie endgültig übernommen werden. Generell sind sie darauf ausgerichtet, die finanzielle Verwaltung der Selig- und Heiligsprechungsprozesse transparenter zu gestalten, den Diözesanbischöfen und den Generaloberen mehr Verantwortung zukommen zu lassen, die aufgerufen sind, die Kosten der Prozesse abzusegnen; es wird die Figur eines Verwalters des Prozesses eingeführt, eine Rolle, die früher der Postulator einnahm.

Übersicht: Neue Normen

Die neuen Normen wurden entwickelt um „auf die aktuellen Bedürfnisse nach einer finanziellen und administrativen Leitung der Selig- und Heiligsprechungsprozesse zu haben, die den Vorschriften des Kirchenrechts entspricht, zu antworten; mit jährlichen Bilanzen und einer zuständigen örtlichen Autorität, die die Aufgabe hat, über diese Bilanzen zu wachen“ erklärt gegenüber CNA Dr. Waldery Hilgeman, Postulator verschiedener Heiligsprechungsprozesse, darunter jener des Dieners Gottes Kardinal Van Thuan, und Vizepostulator des Prozesses von Chiara Lubich, der Gründerin der Fokolarbewegung.
Hilgeman fügt hinzu: „Die Anerkennung einer neuen Vorschrift bedeutet nicht, dass es vorher keine Regelung gab. Aber die bisherigen Normen gehen auf 1983 zurück. Man sah die Notwendigkeit, sie den Zeiten anzupassen, die Verwaltung der Selig- und Heiligsprechungsprozesse immer transparenter zu machen.“
Der Text der neuen Normen besteht aus 23 Artikeln, die in sechs Kapitel unterteilt und mit einem Vorwort versehen sind. Er enthält verschiedene Neuheiten.

Erstens werden die Promotoren (Protagonisten der Prozesse) und die zuständigen Diözesanbischöfe mehr in die Prozesse eingebunden. Man liest in der Regelung (Art. 9), dass die Überwachung der Verwaltung zuallererst Kompetenz „des Diözesanbischofs, des Eparchen oder desjenigen, der ihnen vom Recht her in ihrem Zuständigkeitsbereich gleichgestellt ist“ sei, oder „des Generalobere im Fall der Institute geweihten Lebens und der Gesellschaften apostolischen Lebens, in seinem rechtlichen Zuständigkeitsbereich.“

An sie muss sich der Promotor, d.h. derjenige, der an die Kirche die Bitte richtet, einen Prozess zu beginnen und dies durch den Postulator tut, wenden, um die Bilanzen des Prozesses anerkannt zu sehen. Die Kongregation für die Selig- und Heiligsprechungsprozesse nimmt Einsicht in die Bilanzen und hat überwachende Aufgabe.

Wenn der Promotor des Prozesses auch nur einen Teil der Güter für andere Zwecke als den des Prozesses verwenden will, muss er die Autorisierung der Kongregation für die Selig- und Heiligsprechungsprozesse einholen.

Der Promotor sendet eine Kopie der Bilanzen, nachdem er sie erhalten und fristgemäß anerkannt hat, an die zuständige überwachende Autorität. Im Fall von Nichterfüllung oder Missbrauch administrativer oder finanzieller Natur von Seiten jener, die an der Durchführung des Prozesses teilnehmen, schreitet das Dikasterium mit disziplinären Maßnahmen ein.

Verantwortung vor Ort

Die Verantwortung wird vor allem der örtlichen Autorität übertragen, die die Situation besser kennt und den Umfang der Ausgaben besser im Blick hat. Vorher hingegen genehmigte der Promotor selbst die Bilanzen, die ihm vom Postulator vorgelegt wurden, und der Postulator präsentierte sie der Kongregation.

Zu Beginn des Prozesses wird dieser mit eigenen Mitteln des Promotors vorangebracht, die durch Spenden der Gläubigen unterstützt werden können. Ein Experte, der an vielen Heiligsprechungsprozessen beteiligt ist, erläuterte gegenüber CNA, dass „die Kosten für einen Prozess nicht öffentlich sind, aber sicher sind es nicht die Kosten, von denen in der Presse gefabelt wird.“

Bis heute war der Postulator immer auch der Verwalter der Güter im Prozess. Jetzt kann das nicht mehr so sein. Die Figur des Verwalters der Güter, die von der des Postulators verschieden ist, wird eingeführt. Man liest in Artikel 3, dass der „Promotor, mit Einverständnis des Bischofs oder Eparchen, einen Verwalter der Güter ernennt.“ Das kann der Postulator, aber auch eine andere Person sein. Wenn man sich in der römischen Phase befindet (also wenn der Prozess in die Leitung der Kongregation für die Selig- und Heiligsprechungsprozesse übergegangen ist), teilt der Postulator der Kongregation für die Selig- und Heiligsprechungsprozesse die Ernennung des Verwalters mit.

Rechenschaft über die Ausgaben

Die Figur des Verwalters setzt ein Zeichen der Transparenz. Früher verwaltete der Postulator ein Konto, von dem er auch Geld für sich abheben konnte. Jetzt muss über jede Ausgabe Rechenschaft abgelegt werden. Wenn man in die römische Phase gelangt, kann für die Arbeiten am Prozess ein Konto beim Institut für die religiösen Werke (IOR) geführt werden; das ist jedoch keine Notwendigkeit: es gibt viele Prozesse, die kein Konto beim IOR haben. Wenn der Prozess abgeschlossen ist, muss das Konto gelöscht werden.

Eine weiter große Neuerung betrifft den Beitrag des Promotors an den Heiligen Stuhl. Dieser Beitrag ist in verschiedene Tranchen aufgeteilt.

Ein Beitrag wird zu Beginn der römischen Phase geleistet, im Hinblick auf die Anerkennung des Martyriums oder der Heldenhaftigkeit der Tugenden und der Lehrtätigkeit werden vier Beiträge geleistet (bei Übergabe der Akten; bei der Bitte um Ernennung des Relators, bei Übergabe der Positio und vor der besonderen Sitzung der Theologen); danach sind im Hinblick auf die Anerkennung des angeblichen Wunders weitere drei Beiträge vorgesehen (bei Übergabe der Akten der diözesanen oder eparchialen Befragung; vor der medizinischen Beratung; vor der besonderen Sitzung der Theologen).

Die Tranchen müssen mittels Überweisung auf das Konto der Kongregation eingehen. Die Kosten wurden noch nicht definiert, denn – nach dem Reskript – bedarf es eines Dekrets zur Durchführung und die Kongregation für die Selig- und Heiligsprechungsprozesse wird aufgefordert werden, die Summen zu bestimmen. Die Bestimmung dieser Beiträge wird sicher viele Dinge ändern.

Zuvor gab es bei der Kongregation eine Liste mit den Rechten des Heiligen Stuhles. Das waren im wesentlichen Kosten, zu denen die Postulatoren beitragen sollten. Es handelte sich um die Zahlungen von Vergütungen, beispielsweise für die Ärzte, die als Berater hinzugezogen wurden, um das eventuelle Vorhandensein eines Wunders festzustellen oder für die Theologen, die berufen waren, das Leben und die Tugenden zu bewerten.

Nun ist der Postulator nicht mehr aufgerufen, für jede eigene Tätigkeit zu zahlen. Man zahlt bestimmte Tranchen, mit festgelegten Summen, man vermeidet Ausgaben mit Bargeld und gestaltet so den Prozess transparenter und schneller.

Weiterhin ein Solidaritätsfond für „arme Prozesse“

Es kann geschehen, dass die Gelder für einen Prozess nicht ausreichend sind. Er wurde daher ein „Solidaritätsfond“ eingerichtet (Artikel 21 und 22), der „von freiwilligen Spenden der Promotoren und jedweder anderen Quelle gespeist wird“, liest man im Reskript. Das ist keine Neuigkeit: der Fonds existierte bereits, er nannte sich „Fonds der armen Prozesse“.

Nun hat er seinen Namen geändert, bleibt aber im Wesentlichen gleich.
In der römischen Phase kann der Promotor auch einen Zuschuss von der Kongregation der Selig- und Heiligsprechungsprozesse erbitten, stets durch den zuständigen Ordinarius. Auch ist es der Ordinarius, der aufgerufen ist, vor Übergabe der Bitte „die wirtschaftliche Situation der Mittel und die Unmöglichkeit, sie durch Beschaffung anderweitiger Beihilfen zu unterstützen, zu überprüfen.“

Auch in diesem Fall ist es der Bischof, der berufen ist, die Verantwortung für die Verwaltung der Mittel und Bilanzen zu übernehmen.

Eine langwierige Arbeit der Aktualisierung der Normen kommt nun zum Ende. Einer Quelle aus der Kongregation für die Selig- und Heiligsprechungsprozesse zufolge wurde bereits im März 2015 begonnen, zu überlegen, wie man die neuen Normen aktualisieren könne.

Die Quelle hebt hervor, dass „eine Kommission eingerichtet wurde“ um das Problem zu studieren. Sie besteht aus Mitgliedern der Kongregation für die Selig- und Heiligsprechungsprozesse, sowie aus Postulatoren, sowohl Laien als auch Ordensleuten.“ (CNA Deutsch)

Papst Johannes Paul II. und Johannes XXIII.: Zwei Wege zur Heiligsprechung

Slawomir OderAls Präzedenzfall wertet Monsignor Slawomir Oder, Postulator des Heiligsprechungsprozesses von Johannes Paul II., Papst Franziskus‘ Entscheidung, das Konsistorium für eine mögliche Heiligsprechung des Konzilspapstes Johannes XXIII. einzuberufen.

„Was die Figur des Papstes betrifft, ist diese Entscheidung in unser Zeit beispiellos", sagte Oder jetzt im Gespräch mit Radio Vatikan. Franziskus hatte die Causa Anfang Juli zusammen mit dem Dekret für eine mögliche Heiligsprechung von Johannes Paul II. unterschrieben. Der Schritt kam überraschend, denn ein für die Heiligsprechung notwendiges Wunder wurde bei Johannes XXIII. bislang nicht bestätigt. Für Monsignor Oder fällt die päpstliche Entscheidung dennoch nicht völlig aus dem Rahmen:

„Jeder Papst ist höchster Richter und Gesetzgeber in der Kirche, indem er der Stellvertreter Christi ist. Eine solche Entscheidung gehört also zu seinen Befugnissen. Sicher ist es keine leichtfertige Entscheidung gewesen. Es ist ja eine Entscheidung, die eine Heiligsprechung betrifft, die Proklamation einer heiligen Person, eines Papstes, der durch Ansehen und Unfehlbarkeit überzeugt. Uns mag der Schritt vielleicht überraschen, doch hinter ihm stehen die Reflektion und das Gebet des Papstes, die ihn zu dieser Entscheidung führten. Und diese Art von Entscheidung kann spirituellen Früchte tragen und zum Wohl der Seelen beitragen."

Ein Datum für das Konsistorium gab der Vatikan bislang nicht bekannt. Pater Federico Lombardi hatte betont, Franziskus‘ Entscheidung sei eine „Absichtserklärung" – ob der Papst also für die Heiligsprechung des Konzilspapstes von der Anerkennung eines Wunder absieht oder ob ein solches noch bestätigt wird, steht also offen. Der Papst würdigte Johannes XXIII. zuletzt anlässlich dessen Todestages am 3. Juni. Im „evangeliengemäßen Gehorsam" liege der „Schlüssel zur Güte und zum Frieden von Papst Johannes" und „die Wurzel seiner Heiligkeit", sagte Franziskus bei einer Gedenkmesse für den Konzilspapst im Petersdom. Das von Johannes einberufene Zweite Vatikanische Konzil sei „Markstein der Kirche des 20. Jahrhunderts" und ein „Leuchtturm" für die Zukunft der Kirche, so der Papst weiter. Dazu Slawomir Oder:

„Eine eventuelle, zeitgleiche Heiligsprechung von Johannes Paul II. und Johannes XXIII. ist klar im Lichte des Zweiten Vatikanischen Konzils zu lesen. Es ist offensichtlich: Johannes XXIII. ist der Papst, der den Mut hatte, die Kirche dem Ereignis des Konzils gegenüber zu öffnen, der Papst, der mit seinem ganzen Pontifikat die Wegweisungen und den Geist des Konzils empfangen und diese durch sein Amt realisiert hat."

Im Fall von Johannes Paul II. hatte der Papst am vergangenen 5. Juli ein Wunder per Dekret anerkannt, das sich in Lateinamerika ereignet hatte. Monsignor Oder verrät im Gespräch mit Radio Vatikan Details der Begebenheit:

„Der Fall trug sich am Tag der Seligsprechung von Johannes Paul II. in Costa Rica zu. Eine junge Frau, die unter einem Hirnaneurysma litt, bat um die Fürsprache Johannes Paul II. und schloss sich über Fernsehen dem Gebet der ganzen Kirche für ihn an. Am Ende der Seligsprechung ist sie eingeschlafen und dann, als sie am Morgen aufwachte, hat sie gespürt, dass die Symptome der Krankheit verschwunden waren. Und eine innere Stimme sagte ihr: ,Steh auf, hab keine Angst, nimm dein Leben wieder auf.‘"

Papst Johannes Paul war am 1. Mai 2011 selig gesprochen worden. Beobachter halten eine Heiligsprechung des polnischen Papstes im Kontext des Hochfestes für den Seligen am kommenden 22. Oktober für möglich, wenn auch ein offizielles Datum bislang nicht bekannt wurde. Slawomir Oder zeigt sich im Gespräch mit Radio Vatikan überzeugt davon, dass auf die Heiligsprechung von Johannes Paul II. nicht mehr lang gewartet werden muss. (rv)