Warum die Entstehung von Humanae Vitae wichtig ist – 50 Jahre nach dessen Erscheinung

Papst Paul VI.VATIKANSTADT – Das 50-jährige Jubiläum von Humanae Vitae rückt näher, und damit ist auch die Diskussion darüber entbrannt, wie der selige Papst Paul VI. dessen endgültige Fassung beschloss.

Paul VI. veröffentlichte seine Enzyklika im Jahr 1968, nachdem eine Kommission von Theologen und anderer Fachleute vier Jahre lang sich mit der Frage beschäftigt hatte, ob die Kirche die Anti-Babypille und andere Formen künstlicher Verhütung zulassen sollte.

In seiner Enzyklika bestätigte Papst Paul VI., dass die Sexualität nicht von der Fruchtbarkeit künstlich zu trennen ist. Die Konsequenzen dieser Bestätigung sind bis heute spürbar. Auch und gerade im deutschsprachigen Raum leisteten einflussreiche Personen erbittert Widerstand gegen die Enzyklika.

Eine Studiengruppe des römischen Instituts für Ehe und Familie Johannes Paul II. beabsichtigt nun, die Entstehungsgeschichte von Humanae Vitae in einem Forschungspapier darzustellen.

Der Priester und Professor für Kulturanthropologie, Monsignore Gilfredo Marengo, leitet die Gruppe.

Er sagte gegenüber Radio Vatikan, dass der selige Papst damals von der Kommission nicht bekam, was er brauchte, um die Enzyklika aufzusetzen. Paul VI. habe „beinahe von vorne anfangen“ müssen.

Erschwerend sei hinzugekommen, dass damals die „öffentliche Meinung in der Kirche sehr stark polarisiert war, nicht nur zwischen Pro und Kontra Pille, sondern auch unter Theologen“, die sich genauso polarisiert gegenüber gestanden hätten.

Während diese Diskussion tobte, veröffentlichten im April 1967 zeitgleich drei Medien ein Dokument, dass sich für die Zulassung der Pille aussprach die französische Zeitung „Le Monde“, das englische Magazin „The Tablet“ und die US-amerikanische Zeitung „National Catholic Reporter“ [nicht zu verwechseln mit dem „National Catholic Register“, Anm.d.R.]

In diesem Dokument wurde dargelegt, dass 70 Mitglieder der Päpstlichen Kommission für die Zulassung der Pille gewesen seien; doch dieser Bericht sei „nur einer von 12 Dokumenten“ gewesen, die dem Papst vorgelegt worden: Das betonte Professor Bernardo Colombo, Demographie-Experte und selber Kommissionsmitglied, in einem Artikel von „Teologia“, dem Journal der theologischen Fakultäten von Mailand und Norditalien, der im März 2003 erschien.

Als Paul VI. dann Humanae Vitae veröffentlichte, war aus diesem Grund die öffentliche Meinung gegen die Prinzipien der Kirche gerichtet, welche der selige Papst bestätigte, und die Glaubenslehre der Kirche geriet – wieder einmal – unter starken Beschuss.

Wie Professor Marengo gegenüber Radio Vatikan sagte, verdiene Humanae Vitae eine tiefgreifende Untersuchung.

Der erste Eindruck des Professors: Wenn die Studiengruppe einmal ihre Forschungsarbeit abgeschlossen hat, „wird es möglich sein, viele einseitige Interpretationen des Textes beiseite zu legen“. Zudem werde es einfacher sein, „die Absichten und Sorgen zu verstehen, die Paul VI. dazu bewegten, das Thema so zu lösen wie er es tat“.

Die Geschichte der Enzyklika geht zurück auf das Jahr 1963, als der heilige Papst Johannes XXIII. die Kommission zur Untersuchung der Themen Ehe, Familie und Fortpflanzung zu errichten.

Papst Paul VI. erweiterte später die Kommission von sechs auf zwölf Personen. Dann erweiterte er sie auf 75 Personen, und stattete sie mit einem Vorsitzenden aus, Kardinal Alfredo Ottaviani, Leiter der Glaubenskongregation; seine beiden Stellvertreter waren Kardinal Julius Döpfner und Kardinal John Heenan.

Nachdem diese Kommission ihre Arbeit beendet hatte, bat Paul VI. eine kleine Gruppe Theologen, das Thema weiter zu untersuchen.

Papst Franziskus hat mehrfach seine Wertschätzung des seligen Papstes Paul VI. und der Enzyklika Humanae Vitae ausgedrückt, so auch vor den beiden Familiensynoden, etwa am 5. März 2014 in einem Interview mit dem „Corrierde della Sera“.

Auf die Frage, ob die Kirche sich unter seinem Pontifikat erneut mit dem Thema der Schwangerschaftsverhütung befassen werde, sagte der Papst, dass „all das hängt davon ab, wie Humanae Vitae interpretiert wird. Paul VI. empfahl, an seinem Lebensende, den Beichtvätern viel Barmherzigkeit und Aufmerksamkeit auf konkrete Situationen“.

Franziskus sagte weiter, dass das „Genie“ des seligen Pauls VI. ein „propehtisches“ gewesen sei, denn der Papst „hatte den Mut, sich gegen die Mehrheit zu stellen, die moralische Disziplin zu verteidigen, ein Kulturbruch auszuüben, der sich gegen derzeitige wie zukünftigen Neo-Malthusianismus stellt“.

„Die Frage“, so Papst Franziskus abschließend, „ist nicht eine der Veränderung der Doktrin, sondern tiefer zu gehen und pastorale Seelsorge dazu zu bewegen, die Situationen in Betracht zu ziehen, und das, was Menschen da tun können. Darüber werden wir auch auf dem Weg der Synode reden“.

Professor Marengo sagte gegenüber Radio Vatikan, dass es „sehr nützlich“ wäre, „den Weg des Entwurfs der Enzyklika nachzugehen, wie sich dieser in verschiedenen Phasen von Juni 1966 bis zur Veröffentlichung am 15. Juli 1968 entwickelte“.

Der Anthropologie-Professor weiter: Die Enzyklika müsse in den Kontext „aller wichtigen und fruchtbaren Aussagen der Kirche über Ehe und Familie in den letzten 50 Jahren“ gestellt werden.

Zur Studiengruppe unter Professor Marengo gehören der Präsident des Instituts Johannes Paul II., Professor Pierpaolo Sequeri; Professor Philippe Chenaux von der Lateran-Universität, der eine Autorität zu Fragen über das Zweite Vatikanische Konzil sowie die Geschichte der zeitgenössischen Kirche ist; und Professor Angelo Maffeis, Präsident des Institutes Paul VI. in Brescia.

Im Vorfeld der Arbeit der Studiengruppe gab es irreführende Berichterstattung in den Medien über deren Rolle und Auftrag.

So wurde die Gruppe als „Päpstliche Kommission“ beschrieben, mit der Aufgabe, die in Humanae Vitae erklärte Glaubenslehre zu verändern.

Professor Marengo sagte gegenüber CNA, dass solche Berichte frei erfunden seien. Erzbischof Vicenzo Paglia, Kanzler des Institutes Johannes Paul II., bestätigte, dass keine Päpstliche Kommission errichtet worden sei und sagte: „wir sollten alle diese Initiativen als positiv bewerten, wie die von Professor Marengo vom Institut Johannes Paul II., die angesichts des 50-jährigen Jubiläums beabsichtigen, dieses Dokument zu studieren und besser zu verstehen“. (CNA Deutsch)

Papst betet zu Allerseelen an den Gräbern seiner Vorgänger

Grabstätte Papst Pius XII.Wiedersehen im Gebet: Papst Franziskus hat an diesem Sonntagabend in den Grotten des Petersdoms an den Gräbern der verstorbenen Päpste gebetet. Jedes Jahr gedenkt der Papst dort in stillem Gebet seiner Vorgänger und betet für sie und alle Verstorbenen der Welt .

Die Grotten des Petersdomes liegen zwischen dem heutigen Fußboden der päpstlichen Basilika und der noch tiefer gelegenen Nekropole. In den vatikanischen Grotten sind knapp zwei Dutzend Päpste beigesetzt, unter anderen Pius XII. (1939-1958), Paul VI. (1963-1978) und Johannes Paul I. (1978).
(rv)

Historiker: „Papst Pauls Heiliglandreise nicht an heutigen Maßstäben messbar“

Gudrun SailerIn einem Monat reist Papst Franziskus ins Heilige Land. So wie vor 50 Jahren Papst Paul VI. wird er drei Tage lang – von 24. bis 26. Mai – die Stätten Jesu aufsuchen. Das Programm, das Franziskus absolvieren wird, fällt aber anders aus als das seines Vorgängers anno 1964. Denn in diesen 50 Jahren kam es zu erheblichen Akzentverschiebungen gerade bei Heiliglandreisen der Päpste. Aus heutiger Sicht mutet die Visite Paul VI. in ihren einzelnen Schritten, Bildern und Programmpunkten revolutionär und zugleich seltsam veraltet an. Der in Potsdam lehrende Historiker Thomas Brechenmacher warnt davor, die Maßstäbe von 2014 an Papst Pauls Heiliglandreise vor 50 Jahren anzulegen. Gudrun Sailer sprach mit ihm.

„Wir sehen das heute im Jahr 2014 vor dem Hintergrund schon etablierter Papstreisen. Papstreisen sind etwas Normales heutzutage, es ist von einem Papst verlangt, dass er reist. Das war 1964 anders. Es ist die erste Papstreise modernen Typus. Seit 150 Jahren hatte kein Papst Italien verlassen. Das zweite Überraschende war das Ziel: eine Reise ins Heilige Land – zu den Ursprüngen des Christentums, in diese politisch extrem zerklüftete und auch gefährliche Gegend. Drittes Staunen: das theologische oder kirchengeschichtliche Hauptereignis der Reise, die Begegnung mit dem Ökumenischen Patriarchen Athenagoras, die dazu geführt hat, dass ein Jahrhunderte langes Schweigen zwischen den Kirchen des Westens und den Orthodoxen Kirchen des Ostens beendet wurde.“

Sie sagen, von der heutigen Warte aus würde man dazu neigen, diese Reise auch in einer Optik der Defizite zu sehen. Was fehlt denn aus unserer Sicht heute an dieser Papstvisite vor 50 Jahren?

„Wenn man auf die Reise Johannes Paul II. blickt oder auch auf jene von Benedikts ins Heilige Land, fallen sofort die Bilder ins Auge das Bild: der Papst an der Klagemauer, der Papst in Yad Vashem. Die Auseinandersetzung mit Schuld, historischer Verantwortung, der Dialog, das Zugehen, die offene Seite gegenüber den anderen monotheistischen Religionen, speziell dem Judentum. Das war alles 1964 zwar auch vorhanden, aber nicht in einer Art, wie wir es heute erwarten würden. Es gab keinen Papst an der Klagemauer und keinen Papst in Yad Vashem. Zur Holocaust-Gedenkstätte ging ein Vertreter des Papstes. Wenn wir das von heute her sehen, denken wir, das kann doch nicht sein.“

Eine Frage der Anerkennung

Alle Päpste, die bisher ins Heilige Land gereist sind, bis hin zu Franziskus, dessen Reise bevorsteht, haben ihre Besuche dort als Pilgerreisen deklariert. Das kann aber natürlich nur die halbe Wahrheit sein: Wenn Päpste reisen, ist das niemals bloß Privatsache. Welchen politischen Rahmen hatte die Visite Paul VI. mit Blick auf Israel?

„Nahost, zerklüftet, politisch gespalten. In Palästina die Zweistaatlichkeit; Jordanien im Besitz der Altstadt von Jerusalem, auf der anderen Seite Israel, zwei verfeindete Staaten. Beide Staaten verfügten nicht über diplomatische Beziehungen zum Heiligen Stuhl. Aber auf beiden Seiten waren die Erwartungen sehr hoch bezüglich der politischen Ergebnisse der Reise, und zwar in Bezug auf die Frage: werden wir jetzt vom Heiligen Stuhl, vom Papst anerkannt. Das war für Israel noch wichtiger als für Jordanien. Bedeutet die Anwesenheit des Papstes in unserem Land, dass nun der Heilige Stuhl Israel als legitimen Staat auf dem Boden des Heiligen Landes anerkennt?“

Und wie wurde das gelesen?

„Die führenden israelischen Politiker haben das tatsächlich so interpretiert, allein die Anwesenheit des Papstes in unserem Land bedeutet, dass er es de facto anerkennt, auch wenn noch keine de jure Anerkennung vorlag. Das war eine gewagte Interpretation, denn auf der anderen Seite entstanden ja gerade Frustrationen über diese Reise dadurch, dass Papst Paul VI. kein einziges Mal den Namen des Staates Israel in den Mund genommen hat und dass er kein einziges Mal den Präsidenten des Staates angesprochen hat mit „Herr Präsident“, sondern immer mit der neutralen Formulierung „Exzellenz“; dass er also nie direkt Bezug genommen hat auf diesen Staat. Trotzdem die Interpretation: Nein, das ist alles zweitrangig. Erstrangig ist, der Papst ist hier, und das bedeutet, wir werden de facto anerkannt.“

Keine interreligiösen Gespräche

Gespräche mit Vertretern des Islam und Judentums fanden vor 50 Jahren nicht statt. Stieß das nirgendwo auf Unverständnis?

„Es gab Kritik von unterschiedlichen Gruppen. Es gab diverse Rabbiner, die argumentiert haben, der Papst spricht gar nicht zu uns, obwohl er auch eine historische Schuld abzuarbeiten hätte. Auf der anderen Seite gab es gerade auf der Orthodoxie Strömungen, die ganz anders herum argumentiert haben: Wozu sollen wir denn mit dem Papst sprechen? Dazu besteht doch gar keine Veranlassung, wir lehnen das ab. Ein orthodoxer Rabbiner hat einen Eklat damit provoziert indem er erklärte, ich werde daran nicht teilnehmen. Die Sache ist in unterschiedlichen Gruppen unterschiedlich gelagert, aber es gab Kritik an dem ausbleibenden Gespräch. Doch auch hier muss man sagen, man darf nicht von unserer Situation heute ausgehen. Wir haben einen längst etablierten christlich-jüdischen Dialog, den es zu jener Zeit noch gar nicht gab, es fehlten die Formen, es fehlten die Routinen. So gesehen war dieser Besuch bei allen Defiziten natürlich ein Anfang, ein erstes Zeichen.“

Die Reise fand eineinhalb Jahre vor der Veröffentlichung der Konzilserklärung „Nostra Aetate“ statt, das die Beziehungen zu den Religionen, gerade auch zum Judentum, auf eine neue Basis stellte. Hatte die Reise ins Heilige Land Auswirkungen darauf, oder war sie als Vorab-Signal für eine größere religiöse Toleranz der Katholischen Kirche überhaupt zu verstehen?

„Die Konzilserklärung war in Bearbeitung. Wir befinden uns im Winter 1963/1964, die zweite Sitzungsperiode des Konzils war abgeschlossen. Der Papstwechsel hatte einige Monate vorher stattgefunden. Durch Johannes XXIII. war diese Aufgabe angegangen worden, das Sekretariat von Kardinal Augustin Bea, das damit beauftrag war, Entwürfe auszuarbeiten, hatte die Arbeit begonnen. Aber auf dem Konzil selbst ist die Frage der Konzilserklärung über das Judentum noch nicht intensiv diskutiert worden. Das hing so in der Schwebe in der zweiten Sitzungsperiode und wurde in der dritten wieder aufgenommen. Von Seiten des neuen Papstes war das ein klares Bekenntnis, indem er sagt, eine meiner ersten Aktionen ist, ich fahre ins Heilige Land. Damit war klar, er ist ebenfalls dafür, dass eine Konzilserklärung über das Judentum ausgearbeitet werden soll. Das hatte eine katalysatorische Wirkung, und wenn man auf die Geschichte der Konzilsdeklaration sieht, sieht man, im Konzil gab es heftige Gegenströmungen, und es ist unter anderem Paul VI. gewesen, der am Schluss ausschlaggebend war, dass die Konzilserklärung verabschiedet wurde.“

Das Holocaust-Gedenken: 1964 nur ein Randelement

Zum Religionspolitischen: 1964 bei der Papstreise lagen die Gräuel der Shoah erst 20 Jahre zurück. Erst auf Anregung Israels wurde zu diesem heiklen Thema ein kurzer symbolischer Akt des Holocaustgedenkens ins Programm genommen, wenn auch nicht ins Programm des Papstes. Wie lief das?

„Wir kennen die israelischen Dokumente zu diesem Thema, nicht aber die vatikanischen. Wir haben also nur die halbe Seite der Geschichte. Ausgehend von den israelischen Dokumenten sieht es so aus, dass diese Idee von den israelischen Politikern über einen jüdischen Generalkonsul in Mailand in Richtung Vatikan gespielt wurde. Die argumentierten, der Papst ist nun in Israel, es wäre die Krönung, wenn er eine Holocaust-Gedenkstätte besichtigen würde. Diese Idee wurde lanciert, das können wir nachvollziehen. Die Idee war, der Papst selber soll das machen. Am Ende ist aber nicht der Papst gegangen, sondern er hat den Stellvertreter Kardinal Tisserant geschickt, die Idee wurde also im Planungsstab aufgenommen, aber sie wurde verändert. Grundsätzlich hatten aber alle einen großen Respekt vor dem gedrängten Programm. Elf Stunden auf israelischem Boden. Und man sagte, man respektiert das, der Papst will eine Pilgerreise machen, es ist ein geistliches Programm, und jedes Zeichen, das er setzt, ist willkommen. Die Lösung war dieses Zeichen: Kardinal Tisserant geht in die Gedenkstätte, nicht Yad Vashem, das war der sogenannte Trauerkeller in der Nähe des Zionsberges, das lag auf der Veranstaltungsroute des Papstes.“

Noch ein Element dieser Reise, das aus heutiger Sicht erstaunt: Paul VI. hat in Israel seinen Vorgänger Pius XII. ausdrücklich für sein Vorgehen im Holocaust verteidigte. Rolfs Hochhuths „Stellvertreter“ war 1963 erschienen, ein Theaterstück, das höchst öffentlichkeitswirksam Pius für sein Schweigen zur Judenverfolgung geißelte. Paul VI. Montini war zur Zeit des Kriegs ein wichtiger Mitarbeiter von Pius im Staatssekretariat gewesen, und er fühlte die Notwendigkeit, Pius zu verteidigen. Wie haben die israelischen Stellen darauf reagiert?

„Das war schon ein eigenartiges Ereignis: Kurz vor dem Verlassen des Staates Israel am Abend dieses 5. Januar bei der Abschiedsrede kommt Paul VI. auf Pius zu sprechen und verteidigt ihn gegen Hochhuth. Das ist unterschiedlich interpretiert worden und auch noch heute rückblickend ein großer Streitpunkt bei dieser Reise. Manche haben gesagt, das hätte er sich nicht erlauben dürfen, das sei eine Apologie gewesen, und damit hätte er die Leiden des jüdischen Volkes relativiert. Das sind aber die Stimmen einzelner gewesen. Im Großen und Ganzen kann man nachvollziehen aus den israelischen Dokumenten, vor allem auch bei den Regierungspolitikern, hat man etwas gestutzt darüber, bei genauerem Nachdenken sagte man aber auch, nun, das ist ja der Vorwurf eines deutschen Autors gewesen, von jüdischer Seite ist diese Kritik ja so gar nicht geäußert worden, und wenn der Papst es für so wichtig hält, dass er es hier in Jerusalem an diesem zentralen Ort darüber spricht, dann bedeutet das doch eigentlich, er erkennt uns an. Es ist wieder in diesem Koordinatensystem abgebucht worden, man hat gesagt, wenn der so was Wichtiges für hier sagt, dann bedeutet das, er nimmt uns ernst. Das bedeutet wiederum, er erkennt Israel an, und noch mehr, den israelischen Führungsanspruch für alle Juden der Welt. Israelische Politiker haben deutlich gesagt, einen besseren Beweis dafür konnte der Papst gar nicht liefern, dass er eben das jüdische Volk im Staat Israel anerkennt in seiner Führungsposition für alle Juden in aller Welt. Das kommt uns heute merkwürdig vor, weil wir dieses Denken nicht mehr so nachvollziehen können, aber dafür gibt es klare Belege.“

„Ein unvollkommener Anfang, aber ein Anfang“

Welche Bilanz lässt sich aus heutiger Sicht auf die Reise Pauls VI. ins Heilige Land vor 50 Jahren ziehen?

„Hauptertrag natürlich theologisch der Dialog mit der Orthodoxie. Das ist der wichtigste Punkt. Wir neigen dazu, Israel in den Mittelpunkt zu stellen. Für den Dialog mit den Ostkirchen ist das zentral gewesen und übrigens dann auch für die Fortsetzung des Konzils. Zweiter Punkt: Es formiert sich ein neues Bild des Papsttums. Ein reisender Papst. Das macht Paul VI. dann auch weiter, er spricht vor der UNO, reist nach Indien. Für die Beziehungen zum Judentum ist es denke ich auch ein wichtiger Meilenstein. Einer der israelischen Politiker hat einmal gesagt, hier hat zum ersten Mal das Oberhaupt der katholischen Kirche auf gleicher Augenhöhe gesprochen mit Vertretern des Judentums. Eine Verständigung auf gleicher Augenhöhe findet hier zum ersten Mal statt. Das was wir heute christlich-jüdischen Dialog nennen, war noch vielen Rückschlägen und Verzögerungen ausgesetzt, bis es dann zu den großen Schuldbitten Johanns Pauls II. im Jahr 2000 kam. Da sind noch einige Jahrzehnte vergangen. Dennoch war es ein Anfang. So unvollkommen dieser Anfang war, er war ein Anfang, der alles weitere nach sich gezogen hat, das was Johanns Paul für den Ausbau des Dialogs geleistet hat, was auch Benedikt XVI. geleistet hat, lebt auch und bezieht sich auch immer zurück auf diesen Anfang des Jahres 1964.“ (rv)

Paul VI. im Heiligen Land: Der Beginn eines langen Weges

Papst Paul VI.50 Jahre genau ist es her, als die Ära der reisenden Päpste begann, 50 Jahre genau ist es her, dass katholische und orthodoxe Kirchen sich auf den Weg der Annäherung machten, 50 Jahre genau ist es her, dass die Gedanken zu Dialog und Ökumene des gerade tagenden Zweiten Vatikanischen Konzils konkret wurden: Vor 50 Jahren, am 4. Januar 1964, brach Papst Paul VI. zu seiner ersten Reise ins Heilige Land auf.

„Es ist unsere Absicht, im kommenden Monat Januar mit der Hilfe Gottes nach Palästina zu reisen, wo Christus geboren wurde, lebte, starb und von den Toten auferstand und auffuhr in den Himmel (..). Wir werden das verehrte Land sehen, von wo aus der heilige Petrus aufbrach und wohin noch nie einer seiner Nachfolger zurück kehrte.“ Die Worte Papst Pauls VI., gesprochen am 4. Dezember 1963, in der Ansprache zum Abschluss der zweiten Session des Zweiten Vatikanischen Konzils. Mit dieser Ankündigung überraschte der Papst die Welt.

Es war die erste Papstreise außerhalb Italiens seit Jahrhunderten, noch nie hatte ein Papst ein Flugzeug benutzt und die Massenmedien waren auch noch nicht an einen reisenden Papst gewöhnt – und der Papst nicht an sie. Dementsprechend hab es Verwirrung, der Reisemarschall ging während eines Besuchs in der Altstadt Jerusalems verloren und bei weitem nicht alles verlief glatt. Die Vorbereitungen waren mit aller gebotenen Diskretion durchgeführt worden: Die politische und religiöse Situation in den frühen 60er Jahren war mehr als kompliziert.

Bereits diese erste der folgenden vielen Reisen Pauls und seiner Nachfolger zeigte aber auch den hohen symbolischen Wert, den diese haben würden. So wurde aus den drei Tagen vom 4. bis zum 6. Januar 1964 ein Prototyp dessen, was folgen würde.

Diese Pilgerreise war ein persönlicher Glaubensakt des Papstes, richtete sich aber gleichzeitig auch an die gesamte Kirche und auch an das Konzil, nicht von ungefähr hatte der Papst eine Konzilsansprache zur Ankündigung der Reise gewählt. Auch seine weiteren Reisen, etwa die nach Indien oder zu den Vereinten Nationen in New York, können unter anderem als Botschaften an das Konzil verstanden werden, genauso aber auch als Ausdruck dessen, was das Konzil mit der Kirche wollte: Eine Öffnung.

William Shomali, heute Weihbischof von Jerusalem, war damals ein junger Seminarist und steckte im Gedränge um den Papst: „Ich erinnere mich gut, es war ein sehr kalter Morgen, als Paul VI. nach Bethlehem kam um die Messe in der Geburtsgrotte zu feiern. Für uns war das ein außerordentlicher Augenblick. Ich habe ihn kurz sehen können, aber ich konnte ihn selber nicht grüßen, alles wollten das, aber es war unmöglich.“

Shomali hat später immer wieder die Ansprachen des Papstes gelesen und empfindet sie bis heute als „Klassiker“, als geistlich tiefe Texte. „Die Absicht des Papstes war es ja, als Pilger ins Heilige Land zu reisen, aber es war für alle ja ein Anfang: Er hat die Tür für alle zukünftigen Besuche geöffnet.“

Auch schon damals wurde die Begegnung mit dem orthodoxen Patriarchen Athenagoras als der bedeutendste Moment der Reise gesehen. „Das ist wahr! In seiner Pilgerreise hat der Papst dem eine große Bedeutung zugemessen und natürlich dem gemeinsamen Beten des Vater Unser auf dem Ölberg. Es war damals Athenagoras Initiative, den Papst zu treffen. Aber dann war er selber sehr bewegt … . Ich denke, dass gerade das, von einem ökumenischen Punkt aus gesehen, den Besuch zu etwas ganz Besonderem gemacht hat.”

Rückkehr zu Jesus Christus, dem Zentrum der Kirche – so könnte man das Thema der Reise kurz umschreiben. Und das war dann auch der Grund, auf dem sich Paul mit dem orthodoxen Patriarchen von Konstantinopel, Athenagoras, auf dem Ölberg treffen konnte, das erste Mal seit dem großen Schisma fast 1.000 Jahre zuvor. Kurze Zeit darauf, im Dezember 1965, erfolgte dann die Aufhebung der gegenseitigen Exkommunikation, diese Reise war also ein Meilenstein und eine eminent ökumenische Reise, eine Reise des Dialoges mit den übrigen christlichen Kirchen.

„Die Wege, die zur Einheit führen, von hier und von dort aus, werden freilich lang sein und zahlreiche Schwierigkeiten werden das noch behindern können,“ sah der Papst in seiner Ansprache an Athenagoras am 5. Januar voraus. Aber er wolle sich dem ökumenischen Weg verschreiben: „Das Zeichen dieser Liebe soll der Friedenskuss sein, welchen uns wechselseitig zu spenden uns erlaubt ist aus Gottes Güte heraus in diesem heiligsten Land.“

Und diese Reise der Ökumene ist noch nicht zu Ende. (rv)

Paul VI. – der erste „moderne“ Papst

„Der große Paul VI. sagte, dass man das Evangelium nicht mit traurigen, entmutigten Christen weitertragen kann. Manchmal machen die Christen ein Gesicht, das mehr zu einem Friedhof passt als zum Gotteslob, stimmt`s?" So Papst Franziskus am vergangenen 1. Juni bei der Frühmesse in der Casa Santa Marta im Vatikan. Sein Vorgänger Paul VI. gilt als der „moderne" Papst, er war der erste, der auf Weltreise ging. Er war der erste, der durch das Fernsehen und Radio in mehreren Sprachen an die Gläubigen der Weltkirche sprach.

Paul VI. starb vor genau 35 Jahren, am 6. August 1978. Geboren wurde er als Giovanni Battista Enrico Antonio Maria Montini am 26. September 1897 in dem kleinen Ort Concesio, nahe der norditalienischen Bischofsstadt Brescia, als Sohn des Journalisten, Verlegers und späteren Abgeordneten Giorgio Montini (1861 – 1943) und Giuditta Alghisi (1874 – 1949). Seine Beziehung zu den Medien war zwar nicht immer positiv während seines Pontifikates, bei einem Besuch bei Radio Vatikan betonte er jedoch, wie wichtig die Medien für die Verkündung der Frohen Botschaft seien. Es gibt auch Ansprachen auf Deutsch des Papstes, der das Zweite Vatikanische Konzil abschloss. So sagte er 19. Oktober 1963 an die nach Afrika abreisenden Missionare:

„Bei allen Ihren Mühen, Leiden und Enttäuschungen sollen Sie stets wissen, dass der Statthalter Christi an Sie denkt und für Sie betet. Wir versichern Sie Unserer väterlichen Liebe und Unser besonderes Wohlwollen begleitet all jene, die alles verlassen und dem Herrn folgen. Wir flehen zu ihm, Ihre Kräfte zu verdoppeln, Ihnen heilige Beredsamkeit zu schenken, großen Seeleneifer und wahre Heiligkeit, auf dass jeder ein anderer Christus sei, der viele Seelen zu Gott führt durch sein Beispiel."

Paul VI. veröffentlichte sieben Enzykliken. Seine Schreiben sorgten damals für Diskussionen auch innerhalb der katholischen Kirche. Man denke an die Debatte rund um „Humanae vitae" und die Frage nach dem Verbot von Verhütungsmittel. Dass es Paul VI. vor allem um das Gesamtbild christlicher Liebe und Ehe ging, nicht nur um „repressive Sexualmoral", das hatten Johannes Paul II. und auch Benedikt XVI. mit „Deus caritas est" weiter fortgeführt.

Paul VI. führte auch die großen Gesten seines Vorgängers Johannes XXIII. weiter: Während des Konzils reiste er ins Heilige Land und nach New York an den Sitz der Vereinten Nationen sowie nach Bombay in Indien, um die Absichten der Bischofsversammlung durch päpstliche Gesten zu unterstreichen. Die wohl wichtigste Auslandsreise des Konzilspapstes war wohl die erste. In Jerusalem traf er sich mit Athenagoras, dem Ökumenischen Patriarchen von Konstantinopel. In einer historischen Geste hoben die Oberhäupter der katholischen und der orthodoxen Christen das gegenseitige Anathema des Jahres 1054 auf und begannen so erste Schritte des ökumenischen Dialogs, der beim Papstbesuch 1967 fortgesetzt wurde.

Im Blick auf den 30. Todestag des Vorgängers formulierte Papst Benedikt XVI. beim Angelus in Brixen am 3. August 2008 auf Italienisch einen Dank, dass die göttliche Vorsehung Paul VI. berufen und befähigt habe, zu der fast übermenschlichen Leistung, die das Pontifikat auszeichne.

„Liebe Freunde, ich lade euch nun ein, zusammen mit mir in kindlicher Ehrerbietung des Dieners Gottes Papst Paul VI. zu gedenken, dessen 30. Todestag wir in wenigen Tagen begehen werden. Es war am Abend des 6. August 1978, als sein Geist zu Gott heimkehrte; am Abend des Festes der Verklärung des Herrn, Geheimnis des göttlichen Lichtes, das von je her eine einzigartige Faszination auf seine Seele ausgeübt hatte. Als oberster Hirte der Kirche führte Paul VI. das Volk Gottes hin zur Betrachtung des Antlitzes Christi, des Erlösers des Menschen und Herrn der Geschichte. Und gerade die liebevolle Hinführung des Geistes und des Herzens zu Christus war einer der Angelpunkte des Zweiten Vatikanischen Konzils, eine grundlegende Haltung, die mein verehrter Vorgänger Johannes Paul II. übernommen und im Jubeljahr 2000 mit neuem Leben erfüllt hat. Im Mittelpunkt von allem steht immer Christus allein: im Mittelpunkt der Heiligen Schrift und der Tradition, im Herzen der Kirche, der Welt und des ganzen Universums."

Papst Benedikt XVI. erkannte Paul VI. am 20. Dezember 2012 den heroischen Tugendgrad zu. Damit ist der Weg für eine Seligsprechung des Konzilpapstes frei. (rv)

Franziskus würdigt Paul VI.

Papst Paul VI.„Glauben an Jesus Christus, Liebe zur Kirche, Liebe zum Menschen": Diese drei Punkte haben Papst Paul VI. ausgezeichnet, und jeder Katholik sollte sie sich auch heute zu eigen machen. Das sagte Papst Franziskus an diesem Samstag Mittag im Petersdom. Franziskus erinnerte an die Wahl seines Vorgängers Paul zum Papst, am 21. Juni vor genau fünfzig Jahren. Etwa 5.000 Pilger aus dem norditalienischen Bistum Brescia, aus dem Giovanni Battista Montini (später Paul VI.) stammte, hatten zuvor im Petersdom eine Heilige Messe gefeiert.

„Paul VI. hat in schwierigen Jahren den Glauben an Jesus Christus bezeugt… Er liebte Christus zutiefst: nicht um ihn für sich zu behalten, sondern um ihn zu verkündigen. Auch seine Liebe zur Kirche war leidenschaftlich, die Liebe eines ganzen Lebens, wovon seine erste Enyziklika Ecclesiam suam zeugt. „Ich möchte sie umarmen", schreibt er einmal, „sie lieben in jedem Wesen, das sie bildet, in jedem Bischof und Priester, der sie unterstützt und leitet, in jeder Seele, die sie lebt." Das ist das Herz eines echten Hirten und eines authentischen Christen, eines zur Liebe fähigen Mannes! Wir sollten uns auch heute fragen: Sind wir wirklich eine mit Christus vereinte Kirche? Gehen wir wirklich hinaus, um ihn zu verkündigen, vor allem an den existenziellen Peripherien? Oder sind wir in uns selbst, in unseren Gruppen eingeschlossen, in unseren Kirchlein? Lieben wir die große Kirche, die Mutter Kirche, die uns missioniert und uns aus uns selbst herausgehen lässt?"

Liebe zu Christus habe direkt mit Liebe zum Menschen zu tun, so der Papst weiter. Es handle sich „um dieselbe Leidenschaft Gottes, die uns dazu antreibt, dem Menschen zu begegnen, ihn zu respektieren, ihm zu dienen". Paul VI. habe in der letzten Sitzung des Konzils formuliert, die „Religion Gottes, der Mensch wird", werde heute „herausgefordert von der Religion des Menschen, der sich zu einem Gott aufschwingt". Doch fühle die Kirche „eine immense Sympathie zum Menschen". Franziskus zitierte seinen Vorgänger:

„Die modernen Humanisten, die auf die Transzendenz verzichten, mögen bitte auch unseren neuen Humanismus anerkennen. Auch wir sind, mehr noch als alle, Hüter und Pfleger des Menschseins… Der ganze Reichtum der kirchlichen Lehre dient nur einem Ziel: dem Dienst am Menschen. Die Kirche hat sich sozusagen zur Dienerin der Menschheit erklärt!"

Paul VI. führte das Zweite Vatikanische Konzil zu Ende und unternahm als erster Papst des 20. Jahrhunderts Pastoralreisen ins Ausland. Er wurde für mutige ökumenische und interreligiöse Öffnungen sowie eine Reform der Kurie bekannt und starb im August 1978. Sein Apostolisches Schreiben Evangelii Nuntiandi von 1975 nannte Papst Franziskus an diesem Samstag das aus seiner Sicht wichtigste Pastoralschreiben, das es gebe. (rv)

Paul VI. auf dem Weg zur Seligsprechung

 Papst Paul VI.Papst Paul VI., geboren als Giovanni Battista Montini, ist einen Schritt weiter auf dem Weg zu seiner Seligsprechung. Papst Benedikt XVI. unterschrieb an diesem Donnerstag ein Dekret, mit dem er den so genannten „heroischen Tugendgrad“ seines Vorgängers anerkannte. Die Kirche drückt damit aus, dass der Betreffende die christlichen Tugenden in vorbildlicher Weise gelebt habe. Damit ist das Verfahren zur Seligsprechung zunächst abgeschlossen, es fehlt nur noch die Anerkennung eines Wunders, das auf die Fürsprache Pauls VI. hin erfolgt ist.

Montini wurde am 26. September 1897 in Brescia in Norditalien geboren. Nach Jahrzehnten des Dienstes in der vatikanischen Kurie, zuletzt als Substitut für Papst Pius XII., wurde er Erzbischof von Mailand. Als Nachfolger von Johannes XXIII. wurde er 1963 zum Papst gewählt, ihm oblag die Durchführung und Umsetzung des Zweiten Vatikanischen Konzils, vielen Theologen gilt er deswegen als der eigentliche Konzilspapst. Er begann 1964 die Ära der reisenden Päpste und verantwortete mit der Erarbeitung des neuen Kodex des Kirchenrechtes, des Messbuches und der Vatikanverwaltung viele konkrete Umsetzungen des Konzils. Paul VI. starb am 6. August 1978 in Castelgandolfo. Josef Ratzinger – damals Erzbischof von München und Freising – war unter den letzten, die Paul VI. vor seinem Tod noch zu Kardinälen erhob.

Insgesamt unterschrieb Benedikt XVI. bei einer Audienz für den Leiter der Seligsprechungskongregation, Kardinal Angelo Amato, 24 Dekrete. Dreizehn davon betreffen Wunder, weitere zehn stellen den so genannten heroischen Tugendgrad fest und eines bestätigt ein Martyrium. (rv)

Vatikan: 100 Jahre Antimodernismus-Eid

Vor genau 100 Jahren, am 1. September 1910, veröffentlichte Papst Pius X. den so genannten Antimodernisten-Eid. Alle angehenden Priester mussten von da an in einem feierlichen Akt vor ihrer Weihe die geltende kirchliche Lehre bejahen und moderne Formen der Theologie ablehnen. Der deutsche Kirchenhistoriker Johannes Grohe von der Päpstlichen Universität Santa Croce erklärt, was „Modernismus" eigentlich bedeutet:
 „Es hat viel zu tun mit dem Eindringen der historisch-kritischen Methoden in die Bibelwissenschaft. Hier spielt eine Vorreiterrolle der liberale Protestantismus. Das wird dann auch in der Katholischen Kirche rezipiert. Man spielt Offenbarung gegen geschichtliche Wirklichkeit aus, das gilt auch für die Kirche nur als Glaubensinstitution, nicht aber als historisch wirklich von Christus gegründete Gemeinschaft. Im Großen und Ganzen dreht es sich immer um diese Frage: Wie ist eigentlich unser Glaube grundgelegt."
Der Antimodernisten-Eid wurde von einigen geschätzt, von anderen als notwendiges Übel anerkannt. Viele aber, zumal im deutschen Sprachraum, sahen darin die Wissenschaftlichkeit theologischer Forschung grundsätzlich in Frage gestellt. So wurde für Deutschland ein Kompromiss ausgehandelt: Professoren mussten den Eid nicht ablegen, es sei denn, sie waren gleichzeitig Seelsorger.
Heute ist die historisch-kritische Bibelexegese längst an allen katholischen Fakultäten unverzichtbar. Der Antimodernisten-Eid hielt sich bis 1967, als Papst Paul VI. ihn nach den Entscheidungen des II. Vatikanischen Konzils abschuf. Knapp 30 Jahre später, im Jahr 1989, führte Papst Johannes Paul II. einen neuen Treueid für alle jene ein, die in der Kirche leiten oder lehren. Dem Entstehen von Irrlehren kann man zwar damit nicht vorbeugen, so der Kirchenhistoriker Grohe, man kann aber gleichsam die „Geschäftsbedingungen" klar machen.
„Natürlich wird es nie ein menschliches Mittel geben, mit dem man Häresien einfach vermeiden kann. Es gehört zum Weg der Kirche durch die Zeit, dass sie den Glauben, den sie von Jesus Christus empfangen und durch die Apostel vermittelt bekommen hat, immer wird verteidigen müssen. Wir werden nie eine Zeit erleben, in der der glaube der Kirche unangefochten ist. Maßnahmen greifen dann immer bis zu einem bestimmten Punkt, können aber nie die Heiligkeit und Festigkeit der Lehre garantieren. Sie allein garantieren nicht, dass Kopf und Herz der einzelnen immer bei Gott und der Lehre der Kirche sind. Aber sie können gewissermaßen das Vorfeld klären." (rv)