Analyse: Was hinter dem Sex-Skandal der Kirche in Italien steckt

ROM – Das öffentliche Identifizierung offenbar aktiv homosexueller Priester durch einen männlichen Prostituierten hat die italienische Kirche schockiert und mehrere Diözesen veranlasst, sich mit dem Thema der homosexuellen Aktivität Geistlicher auseinanderzusetzen.

Francesco Mangiacapra, ein ehemaliger Rechtsanwalt, der als Prostituierter arbeitet, gab kürzlich bekannt, dass er Ende Februar dem Kirchengericht von Kampanien eine detaillierte Aufzeichnung seiner Treffen und Gespräche mit 34 Priestern und 6 Seminaristen zukommen ließ.

Der Ordner ist 1.300 Seiten lang und enthält „Whatsapp“-Gespräche, Texte und Fotografien. Die beteiligten Priester kommen aus der süditalienischen Region Kampanien und dem Großraum Neapels.

Viele im Dossier genannte Priester und Seminaristen stammen aus der Diözese Teggiano-Policastro. Übergeben wurde der Bericht der Erzdiözese Neapel.

Bischof Antonio De Luca von Teggiano-Policastro betonte, dass „der Bericht über skandalöse Verhaltensweisen einiger Mitglieder des Klerus vieler Diözesen Süditaliens unserer Diözesangemeinschaft große Schmerzen bereitet“.

Der Redemptoristen Pater und Bischof fügte hinzu, dass das Dossier von der Kurie von Neapel weitergeleitet wurde, und dies „ermöglicht es uns, die genannten Personen zu untersuchen und die geeigneten kirchenrechtlichen Schritte zu unternehmen, die in diesen Fällen vom Heiligen Stuhl festgelegt wurden.“

Kardinal Crescenzio Sepe, Erzbischof von Neapel, betonte in einer Pressemitteilung: „Es werden keine Namen von Priestern der Erzdiözese Neapel genannt.

“ Darüber hinaus fügte der Kardinal hinzu, dass die Vorwürfe „sehr ernst“ seien.

Wenn die Anschuldigungen wahr sind, so der Kardinal, „müssen diejenigen, die gescheitert sind, zahlen“ – und es müsse ihnen dabei geholfen werden, für das Verübte Buße zu leisten.

Schlagzeilen und Fernsehauftritte

Seitdem die Nachricht über das Dossier platzte und Schlagzeilen machte, ist Mangiacapra in mehreren italienischen Fernsehshows aufgetreten.

In einer Sendung sagte er, sein einziges Ziel sei es, das „schmutzige Leben“ einiger Priester in der Region aufzudecken. Es gehe darum, deren Scheinheiligkeit offenzulegen.

Mangiacapras Vorgehensweise wirft jedoch auch Licht auf sich selbst und seine Arbeit. Es ist der zweite Skandal um Priester, der sich aus Mangiacapras Vorwürfen ergeben hat.

Der Prostituierte ist auch der Hauptzeuge und Ankläger in der Untersuchung gegen Pater Luca Morini: Der Priester der italienischen Diözese Massa, wird beschuldigt, zahlreiche Personen betrogen zu haben, geliehenes Geld in Diamanten und Kokain-gefüllte Feiern gesteckt zu haben.

Der italienische Staatsanwalt wird am 8. März entscheiden, ob er gegen Pater Morini Anklage wegen Veruntreuung, Betrug und Erpressung erhebt.

Die Information über den als „Pater Euro“ bezeichneten Verdächtigen entspringen einem Buch von Mangiacapra mit dem Titel „Il Numero Uno. Confessioni di un Marchettaro“ – zu Deutsch etwa „Nummer Eins. Bekenntnisse eines Gigolos“.

Sowohl die Kirche als auch die italienische Gerichtsbarkeit sind jetzt aufgerufen, zu ermitteln und – falls sich Mangiacapras Behauptungen bewahrheiten sollten – diejenigen zu bestrafen, die schuldig sind.

Sowohl das Dossier als auch die Anschuldigungen gegen Fr. Euro scheinen Teil der Vorgehensweise von Mangiacapra zu sein, die ihn wiederum zu einem besonderen Gast bei vielen Radio- und Fernsehshows in Italien gemacht hat.

Zu Beginn des Dossiers schrieb Mangiacapra: „Ich habe diese Liste der faulen Äpfel nicht mit dem Ziel ausgegraben, um über die Kirche Unrat auszukippen, sondern mit dem Ziel, zur Beseitigung der Fäulnis beizutragen, die das, was noch an ihr gut ist, verunreinigen würde.“

Der Autor kritisiert auch die „Haltung jener Bischöfe, die bereits informiert wurden und keine Maßnahmen ergriffen haben“ und sagte, ein Bischof sollte eingreifen, wenn er Vorwürfe hört und nicht nur, wenn ein solcher Skandal an die Öffentlichkeit gerät.

In einer italienischen Radiosendung sagte er: „Ich werde niemanden verklagen, aber ich habe ein Dossier an die Kurie geschickt, da wir über Sünden sprechen, nicht über Verbrechen.“

War dieses Verhalten das richtige, um das Problem anzugehen? Und was wird passieren, wenn diese Priester, deren Namen jetzt in Zeitungen stehen, für nicht schuldig befunden werden?

Diese Fragen beschäftigen Rom nicht zum ersten Mal. Ähnliche Skandale haben früher die Gemüter bewegt und Fragen aufgeworfen, doch Ermittlungen führten nicht immer zu konkreten Beweisen.

2010 etwa ergab eine verdeckte Ermittlung einer italienischen Zeitschrift einen ähnlichen Skandal: Der Artikel thematisierte Priester, die beim homosexuellen Geschlechtsverkehr gefilmt wurden.

Das Vikariat von Rom, das zu dieser Zeit von Kardinal Agostino Vallini geleitet wurde, gab eine stark formulierte Stellungnahme ab, in der das Verhalten der beteiligten Priester verurteilt wurde – und die angekündigt wurde, dass aufgeräumt werde.

Der Kardinal merkte jedoch auch an, dass „die Absicht des Artikels offensichtlich ist: einen Skandal zu erzeugen, alle Priester auf der Grundlage von Aussagen eines der befragten Personen zu diffamieren, der behauptet, 98 Prozent der Priester, die er kennt, homosexuell seien.“

Diese Untersuchung führte zur Veröffentlichung eines Buches (englischer Titel „Sex and the Vatican„): ein Hinweis darauf, wie Skandale über die italienische Kirche weitere öffentliche Aufmerksamkeit erzeugen können.

Die Kirche hat das Problem homosexuellen Verhaltens von Priestern in den vergangenen Jahren jenseits solcher medialen Kampagnen thematisiert.

Im Jahr 2005 veröffentlichte die Kongregation für das katholische Bildungswesen, die zu dieser Zeit mit der Aufsicht der Priester-Seminare betraut war die „Instruktion über Kriterien zur Berufungsklärung von Personen mit homosexuellen Tendenzen im Hinblick auf ihre Zulassung für das Priesteramt und zu den heiligen Weihen„. Darin steht: „Die tiefsitzenden homosexuellen Tendenzen, die bei einer gewissen Anzahl von Männern und Frauen vorkommen, sind ebenfalls objektiv ungeordnet und stellen oft auch für die betroffenen Personen selbst eine Prüfung dar. Diesen Personen ist mit Achtung und Takt zu begegnen; man hüte sich, sie in irgendeiner Weise ungerecht zurückzusetzen.“ Gleichzeitig betont die Instruktion.

„Im Licht dieser Lehre hält es dieses Dikasterium im Einverständnis mit der Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung für notwendig, mit aller Klarheit festzustellen, daß die Kirche – bei aller Achtung der betroffenen Personen – jene nicht für das Priesterseminar und zu den heiligen Weihen zulassen kann, die Homosexualität praktizieren, tiefsitzende homosexuelle Tendenzen haben oder eine sogenannte homosexuelle Kultur unterstützen.“

Letztlich ist klar: Die Kirche weiß um das homosexuelle Verhalten unter Priestern, und sollte darüber auch informiert sein. Aber klar ist auch, dass andere Motive im Drama um die Veröffentlichung solcher Fälle eine Rolle spielen können. (CNA Deutsch)

Bistum Rom: Neuer Vikar tritt sein Amt an

Dass Rom Zentrum der Weltkirche ist und Ort des Papstes, ist jedem einleuchtend. Dass Rom aber auch ein normales Erzbistum ist, mit Pfarreien, Priesterseminar, Initiativen und Verwaltung, das fällt meistens unter den Tisch. Nicht so bei den über zwei Millionen Katholiken in den über 300 Pfarreien des Bistums, das kleiner ist als die Stadt Rom selber. Hier hat das normale Pfarreileben Vorrang vor dem großen Bild der Weltkirche. Bischof der Stadt ist Papst Franziskus, zuständig für diese pastoralen Belange in der Stadt ist aber sein Vikar, der de facto die Amtsgeschäfte des Ortsbischofs verwaltet.

Bischofskirche Roms ist San Giovanni in Lateran – nicht der Petersdom -, und so führt der neue Vikar offiziell auch den Titel des Erzpriesters dieser Basilika. An diesem Donnerstag, dem Hochfest der Stadtpatrone Peter und Paul, hat diesen Dienst als Vikar des Papstes für Rom nun offiziell übernommen. Ende Mai hatte der Papst den früheren Pfarrer in Rom und späteren Weihbischof in dieses Amt als Nachfolger für Kardinal Agostino Vallini berufen.

Er wolle vor allem ein Bischof sein, der immer gut zuhöre, so De Donatis in einer ersten Botschaft an „sein“ Bistum. Gebürtig stammt er zwar aus Apulien, ist aber seit 1983 Priester in Rom und kennt deswegen das Bistum, vor allem auch deswegen, weil er in der Priesterausbildung tätig war.

Herausforderungen gibt es viele im Bistum. Noch vor 50 Jahren gab es lediglich 30 Pfarreien, die Zahl hat sich seitdem verzehnfacht. Außerdem kommen viele Migranten und Flüchtlinge in die Stadt, die Armut ist in den Straßen nicht zu übersehen.

„Wir erwarten uns von ihm einen Ansprechpartner für uns Priester“, sagt Maurizio Mirilli, Pfarrer in Rom, über seinen neuen Chef. „Die Laien wünschen sich besonders, dass er ein Gelenk sei, ein Beschleuniger, für die Anstöße von Papst Franziskus für eine Kirche im Aufbruch.“ Pfarrer-Kollege Pater Lucio Zappatore weist auf das Grundproblem auch dieses Bistums hin: „Wir haben die Praxis des Sonntagsmesse verloren, wir müssen den Glauben neu entdecken. Die Sakramente sind das Fundament unseres Glaubens, die uns dann den Anstoß geben, zu den Armen zu gehen, andere willkommen zu heißen. Allen zu helfen, die Flüchtlinge aufzunehmen, alle Menschen wert zu schätzen, das alles bekommt einen neuen Geschmack, wenn es aus dem Glauben heraus kommt.“

Viel Arbeit also für den neuen Vertreter des Papstes als Bischof von Rom, Angelo De Donatis. (rv)

Papstmessen im Gästehaus mit den Pfarreien Roms

Gästehaus Santa MarthaPfarreien des Erzbistums Rom werden ab Januar bei den Morgenmessen des Papstes im Gästehaus Santa Marta mitfeiern. Das gab Vatikansprecher Pater Federico Lombardi an diesem Freitag bekannt. Der Papst als Bischof von Rom könne nicht alle seine Pfarreien besuchen, dies sei eine Möglichkeit, gemeinsam zu feiern. Für die Messen werden über den Bischofsvikar für Rom, Kardinal Agostino Vallini, die Gemeinden organisiert, die mit jeweils etwa 25 Vertretern teilnehmen können.

Papst Franziskus wird am 7. Januar die Messfeier im Gästehaus wieder aufnehmen. Das Erzbistum Rom hat 334 Pfarreien und umfasst über zwei Millionen Katholiken. (rv)