Pater Zollner: Aufklärungswille steht „überhaupt nicht in Frage“

Mit dem vorläufigen Scheitern des Forschungsprojektes zu Kindesmissbrauch in der katholischen Kirche in Deutschland ist „schwerer Schaden“ entstanden. Das in den letzten zweieinhalb Jahren mühsam wieder aufgebaute Vertrauen in die Kirche ist erschüttert worden. So beurteilt Pater Hans Zollner SJ, Leiter des Institutes für Psychologie und akademische Vizerektor der päpstlichen Universität Gregoriana, im Gespräch mit Radio Vatikan die Situation.

„Es muss festgestellt werden, dass leider jetzt all die guten Dinge, die in den letzten zwei Jahren im Bereich der Aufarbeitung und im Bereich der Prävention geschehen sind, mit einem Fragezeichen versehen werden. Und deshalb kann ich Opfer, die zutiefst enttäuscht sind, die wütend sind, auch vollkommen verstehen. Ich kann auch die verstehen, die jetzt wieder fragen: Ja, was ist denn innerhalb der Kirche los? Wie gehen sie denn um mit Missbrauch und mit all den Fragen, die damit zusammenhängen?“

Dennoch stand für den Jesuiten der Aufklärungswille der Kirche zu keinem Zeitpunkt in Frage. Der ernsthafte Wille der Bischofskonferenz zur wissenschaftlichen Aufarbeitung werde auch durch eine im Auftrag der Konferenz durchgeführte Untersuchung gezeigt, deren Ergebnisse Ende vergangenen Jahres vorgestellt wurden, so Zollner. Bei der Untersuchung von Professor Norbert Leygraf war ein kausaler Zusammenhang zwischen Missbrauchswahrscheinlichkeit und Zölibat ausgeschlossen worden.

„Was Bischof Ackermann, die Bischöfe insgesamt und auch die Leute betrifft, mit denen wir direkt zu tun haben – da ist der Aufklärungswille überhaupt nicht in Frage gestellt.“

Sorgfaltspflicht und Fürsorgepflicht

Die Deutsche Bischofskonferenz hatte dem Kriminologen Christian Pfeiffer vom Kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsen (KFN) den Forschungsauftrag entzogen. Ein Grund waren laut Bischofskonferenz „offene datenschutzrelevante Fragen“. Beim Einsehen und Veröffentlichen von Personenakten müssen Personenrechte geschützt werden, vor allem in Zusammenhang mit dem Thema Missbrauch, erinnert P. Zollner. Das sei ein Schwachpunkt in Pfeiffers Konzept gewesen:

„Der Herr Pfeiffer hätte sich, wenn er ein den Gesetzen konformes Konzept vorgelegt hätte, natürlich an Vieles halten müssen, was jetzt so dargestellt wird, als ob die Kirche da ausgesprochene Sonderwünsche hätte. Das ist überhaupt nicht der Fall! Es ging um die normale arbeitsrechtliche, dienstrechtliche Vorschrift. Und jeder, der solche Akten von sich angelegt weiß, wird sich hüten zu wollen, dass die in aller Öffentlichkeit vorgestellt werden. Also hier ist die Frage tatsächlich die der Sorgfaltspflicht und der Fürsorgepflicht, die er offensichtlich in seinem Konzept nicht genügend gut klären konnte. Deshalb gab es von vielen Seiten dazu Anregungen, Kommentare und Vorschläge, wie man das besser hätte regeln können. Er hat diese Vorschläge dann letztlich nicht angenommen.“

Pfeiffer hatte der katholischen Kirche vorgeworfen, die Ergebnisse der Untersuchung nachträglich steuern zu wollen. Er bezog sich dabei auf den Wunsch des Verbandes der Diözesen Deutschlands (VDD) vom Mai 2012, die im Rahmen des Forschungsprojektes entstehenden Texte vor der Veröffentlichung genehmigen zu können. Nach Ablehnung der Forderung durch das KFN hatte der VDD einen neuen Vertragsentwurf vorgelegt, in dem die Forderung abgeschwächt wurde. Mit „Zensurwünschen der Kirche“, wie es Pfeiffer nennt, hat dies nichts zu tun, so Zollner – es sei „absolut normal“, dass im Forschungsbereich entsprechende Absprachen getroffen würden:

„Das kommt in jedem Bereich vor, in der Medizinforschung, in der Psychologieforschung… Das ist vollkommen normal, dass der Arbeitgeber oder der Auftraggeber – in diesem Fall – sich die Sachen vorlegen lassen will. Dass er aber dabei nicht eingreift und keine Zensur ausübt, ist auch normal. Es muss eben nur klar sein, was und wann veröffentlicht wird und vor allem, wie persönliche Daten gehändelt werden. Und hier konnte der Herr Pfeiffer nichts Schlüssiges vorlegen.“

Ein fatales Signal

Dass das Scheitern des Projektes – unabhängig von den Gründen – dennoch ein fatales Signal in der öffentlichen Wahrnehmung der Kirche setzt, weiß Zollner freilich auch. Umso dringlicher ist nun die Fortsetzung der Forschung zum Thema:

„Also ich hoffe, dass es im Bereich der Bischofskonferenz gelingt, und zwar schnell gelingt, klar sichtbar zu machen und es auch in die Tat umzusetzen, dass die Untersuchung – die ja geplant war und die von allen Bischöfen auch abgesegnet war – durchgeführt werden kann. Mit klaren Datenschutzbedingungen, mit klaren Verträgen, auch was die Veröffentlichung von Daten angeht, die Persönlichkeitsrechte betreffen. Und dass damit das Vertrauen, dass jetzt wieder fragwürdig geworden ist, wieder gefestigt werden kann.“

Und das will die Bischofskonferenz tun: So bekräftigte der Missbrauchsbeauftragte der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Stephan Ackermann, am Samstag in einem Interview, dass es eine neue wissenschaftliche Studie zur Erforschung der Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche geben soll. Die Suche nach in Frage kommenden Forschungseinrichtungen und Wissenschaftlern läuft. (rv)