Vatikan-Banker: Europa muss wettbewerbsfähiger werden

Europa muss seine Wettbewerbsfähigkeit zurückgewinnen, um gegen aufstrebende Volkswirtschaften wieder eine Chance zu haben. Das sagt der vatikanische Chefbanker Ettore Gotti Tedeschi. Er äußerte sich in diesem Sinn nach der jüngsten Herabstufung der Kreditwürdigkeit von neun europäischen Ländern durch die US-amerikanische Ratingagentur Standard & Poor's, darunter Frankreich, Italien, Spanien und Österreich.

„Meine Antwort ist einfach: Wir haben es mit einer neuen Weltordnung zu tun, in der die wirtschaftliche Macht vom Westen in den Osten gewandert ist."

Die Krise, analysiert der päpstliche Chefbanker, ist aus der Verschuldung erwachsen und kann jetzt nicht länger aufrecht erhalten werden, weil sie mit dem hier entstandenen Wirtschaftsmodell nicht vereinbar ist. Deshalb bringt Gotti Tedeschi für die Ratingagentur, die neun europäische Volkswirtschaften herabstufte, sogar Verständnis auf.

„Welche Bewertung sollen diese Agenturen, die übrigens alle amerikanisch sind, denn geben von einem wirtschaftlichen System, das in den letzten 25 Jahren die Welt zweigeteilt hat? Wir haben heute im Westen eine Welt der Konsumenten und im Osten eine Welt der Produzenten, die noch nicht Konsumenten sind. Die westliche Welt hat nicht länger die Merkmale der wirtschaftlichen Erholung und des Wachstums, das anderswohin ausgelagert wurde. Was sollen denn die Ratingagenturen in einer solchen Lage sagen? Dass wir gute Arbeit leisten, nur weil wir ein paar Manöver durchziehen, die die öffentlichen Ausgaben drosseln?"

Der weltwirtschaftliche Status Quo sehe heute so aus, dass der Westen rund zwei Drittel seiner gesamten Konsumgüter in Ländern herstellen lasse, wo die Produktion weniger kostet. Deshalb habe Europa hauptsächlich ein Wettbewerbsproblem, sagt Gotti Tedeschi, einer der anerkanntesten italienischen Volkswirte.

„Unser westliches System ist teuer. Deshalb müssen wir, wenn wir mehr Beschäftigung und mehr Produktivität auf Weltebene wollen, unsere Wettbewerbsfähigkeit zurückerobern, und zwar auf europäischer Ebene. Und mehr noch: Europa und die USA müssen dabei an einem Strang ziehen. So wie auch die Krise in unserem ganzen westlichen System entstanden ist, in Europa und Amerika, müssen wir auch den Ausweg miteinander abstimmen. Und was genau müssen wir abstimmen? Den Aufschwung unserer Wirtschaft, um wieder wettbewerbsfähig zu werden." (rv)