Kardinal Parolin: Es braucht Umkehr im Vatikan

Kardinal Pietro ParolinDie jüngsten Enthüllungen über Misswirtschaft im Vatikan sind ein Angriff auf die Kirche, aber sie können positive Folgen haben. Das sagte Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin im Gespräch mit Radio Vatikan. Er ortet eine „drückende Atmosphäre“ und eine gewisse Hysterie in der Berichterstattung über die vatikanischen Vorkommnisse. „Es sind Attacken auf die Kirche. Sie können sich aber zum Guten wenden, wenn wir sie mit jenem Geist der Umkehr und der Rückkehr zum Evangelium aufnehmen, die der Herr uns abverlangt.“ Umkehr bräuchten „wir alle und immer.“

Papst Franziskus hatte beim Angelusgebet öffentlich vor Tausenden Besuchern ausgesprochen, er werde an seinen Reformen festhalten. Auf die Frage, ob es dagegen im Vatikan Widerstände gebe, sagte Parolin, Änderungen seien immer schwierig, weil es eine gewisse Trägheit im Alltag zu überwinden gelte. Solche Widerstände als normal zu definieren, sei zu wenig, sie krankhaft zu nennen, sei zu viel: sie seien einfach präsent. Der Kardinalstaatssekretär sprach sich dafür aus, Widerstände dieser Art „konstruktiv anzugehen, sodass sie sich verändern können“. Im Grund hätten alle im Vatikan den Wunsch einer Änderung zum Besseren: „jene Besserung, um die der Papst selbst die Kurie gebeten hat“.

Kardinalstaatssekretär Parolin ist der „zweite Mann“ im Vatikan nach dem Papst. Franziskus hatte den erfahrenen Vatikan-Diplomaten im Oktober 2013 in dieses Amt berufen. Er löste Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone ab, der nach seiner Emeritierung unter anderem wegen der Größe seiner Privatwohnung im Vatikan in die Kritik geriet.

Vergangene Woche waren zwei Skandalbücher erschienen, die auf gestohlenen Dokumenten aus dem Vatikan basierten und Intransparenz und Misswirtschaft im Papststaat aufzeigten. Sie enthielten teils auch Abschriften vertraulicher Gespräche zwischen dem Papst und seinen engsten Mitarbeitern, die geheim mitgeschnitten und dem betreffenden Journalisten zugespielt wurden. Die aufgedeckten Missstände beziehen sich allerdings auf die Jahre vor 2014. Indirekt geht aus den beiden Büchern hervor, dass Papst Franziskus an der Kurienreform mit großer Entschlossenheit arbeitet.

Wer die Dokumente aus den Archiven gestohlen hatte, ist vorerst offen. Im Vatikan laufen dazu Ermittlungen. Zwei Mitarbeiter wurden nach Vatikan-Angaben festgenommen und verhört: der spanische Priester Lucio Angel Vallejo Balda und die italienische PR-Fachfrau Francesca Chaouqui. Vallejo Balda, der Sekretär der Präfektur für die wirtschaftlichen Angelegenheiten des Heiligen Stuhles, ist nach wie vor in Haft. (rv)