Vatikan/D: „In fünf, sechs Jahren auf der Weißen Liste“

Der Moneyval-Expertenbericht stellt dem Vatikan in Sachen Finanzgebaren ein grundsätzlich gutes Zeugnis aus. Das sehen auch unabhängige Beobachter so. Der in Aachen lehrende Politologe und Volkswirt Ralph Rotte, der sich auf wissenschaftlicher Ebene mit den Geldgeschäften im Papststaat beschäftigte, sagte im Gespräch mit Gudrun Sailer, Vatikanstaat und Heiliger Stuhl bräuchten auch den internationalen Vergleich nicht zu scheuen.

„Für den Rahmen, in dem sich das befindet, ist das eine ganz gute Bewertung. Das sagen auch die Experten von Moneyval selbst: Dafür, dass nur zwei, drei Jahre Zeit war für Reformmaßnahmen, ist man relativ weit fortgeschritten. Da ist der Vatikan bzw. Heilige Stuhl auf einem guten Weg, wenn er so weitermacht."

Es gibt aber noch allerlei Nachholbedarf. Was muss der Vatikan noch machen, um in Geldgeschäften wirklich transparent zu sein?

„Ich glaube es sind drei Hauptpunkte: unklare Kompetenzen, mangelnde technische Ausrüstung und mangelnde Schulung des Personals. Zu den unklaren Kompetenzen: Die vatikanische Finanzaufsichtsbehörde AIF sollte ja mehr oder weniger alle Institutionen des Heiligen Stuhles und des Vatikanstaates untersuchen und die Möglichkeit haben, Informationen über deren Finanzgebaren und Praktiken zu gewinnen. Und da sehen die Experten Nachholbedarf, weil es ihnen etwas unbestimmt vorkommt, wie das Ganze geregelt ist. Es gibt auf der einen Seite keine völlig klare Abgrenzung der AIF Kompetenzen, was darf sie überhaupt, und welche Möglichkeiten gibt es, Informationen in den verschiedenen Institutionen zu sammeln. Dann gibt es das Problem des revidierten Geldwäschegesetzes, das 2010 erschienen ist, und in dem diese unabhängige Behörde geschaffen wurde. Dieses Gesetz wurde Anfang dieses Jahres durch ein Dekret ersetzt, und darin – da sind die Experten offensichtlich etwas kritisch – ist festgehalten, dass jetzt dem Staatssekretariat die Oberaufsicht zukomme, mit der Begründung, dass es hier darum geht, bestimmte internationale Verpflichtungen umzusetzen. Deshalb kann man skeptisch sein, inwieweit diese Aufsichtsbehörde wirklich durchgreifen kann."

Der zweite große Punkt wäre dann, sagen Sie, die technisch-organisatorische Basis.

„Ja, etwa beim vatikanischen Geldinstitut IOR. Da haben die Experten festgestellt, dass die Computerausstattung, die IT, ausbaufähig ist, dass es Lücken im Risikomanagement gibt, weil es – wie bei anderen Banken üblich – keine automatischen Warnungen gibt, wenn Transaktionen in geographisch zweifelhafte Gegenden getätigt werden. Wenn es etwa um Geldwäsche geht, dann klingelt normalerweise bei jeder Bank bei jeder größeren Transaktion auf die Cayman-Inseln die Alarmglocken – da müsste man also genauer hinsehen. Oder bei der Terrorismusfinanzierung, wenn ein Transfer nach Pakistan geht, sehen die da genauer hin. Das kann das IOR offensichtlich noch nicht. Und der dritte Hauptpunkt ist die mangelnde Erfahrung, die mangelnde Ausbildung in der Bekämpfung der Geldwäsche, gerade was das Personal der AIF betrifft und was auch den Gendarmeriekorps angeht, das ja Geldwäschedelikte verfolgen soll."

Der Moneyval-Bericht veröffentlicht zahlreiche Vatikan-Interna über Finanz-und Bankgeschäfte, über bereits getroffene Vorkehrungen, über Zusammenhänge, die teils noch nie an die Öffentlichkeit gedrungen sind. Kann man aus der Tatsache, dass der Vatikan das in diesem Klima zulässt, schon ablesen, dass es ihm ernst ist mit mehr Transparenz?

„Ich glaube schon. Auf der einen Seite gibt es den unmittelbaren Druck der Weltöffentlichkeit, dass man sich fragt, ob eine Institution mit so hohem moralischen Anspruch es sich wirklich leisten kann, intransparent zu sein, und vielleicht wirklich Geldwäsche – zumindest in der Vergangenheit – Vorschub geleistet zu haben. Der Papst selbst betont stark moralisch-ethische Fragen und religiöse Einschränkungen von Wirtschafts- und Finanzwesen und Markt; er betont die religiös-moralische Verantwortung, die damit verbunden wird. Auch das ist ein wichtiger Faktor, sich auf mehr Transparenz hin auszurichten. Das wird sich früher oder später, wenn der Papst dahinter steht, gegen Widerstände in der Bürokratie durchsetzen können."

Wie steht der Vatikan denn nun da im Vergleich zu anderen Ländern?

„Die Experten betonen in ihrem Bericht, dass es normalerweise zehn bis 15 Jahre dauert, bis ein Transparenz- und Kontrollsystem für das Finanzwesen etabliert ist. Der Vatikan hat dafür, dass nur zwei, drei Jahre Zeit für Reformmaßnahmen war, gute Fortschritte gemacht, das kann man vorzeigen. Ich habe mir jetzt Berichte der dritten, teils vierten Evaluation, also nach Jahren, teils Jahrzehnten, von anderen kleinen Staaten angesehen, San Marino oder Monaco, und auch die haben teilweise noch erhebliche Mängel. Da braucht sich der Vatikan international nicht zu verstecken."

In welchen Punkten wurde der Vatikan besonders gelobt?

„Konkret wird gelobt etwa die strafrechtliche Seite durch die verschiedenen Gesetze, die detailliert aufführen, nicht nur welche Straftatbestände es gibt, sondern auch wer unter diese Straftatbestände fällt. Außerdem die Übernahme internationaler Vereinbarungen, etwa verschiedener UN-Konventionen oder Sicherheitsratsbeschlüsse. Bei allem, was den formal-rechtlichen Rahmen angeht, ist man sehr zufrieden mit dem Heiligen Stuhl. Wo es krankt, ist immer die organisatorische Umsetzung und abgeleitet daraus die technische Umsetzung. Aber das sind möglicherweise Fragen, die teils relativ schnell gelöst werden können, wenn der Wille da ist."

Der Vatikan / Heilige Stuhl möchte erklärtermaßen auf die Weiße Liste der OECD für Länder mit transparenten und vertrauenswürdigen Finanz- und Bankregeln. Ist der Moneyval-Bericht da jetzt hilfreich oder nicht? An sich haben ja Moneyval und OECD-Weiße-Liste nichts miteinander zu tun?

„Rein formal nicht. Moneyval ist ein Expertengremium des Europarates. Die wenden aber Kriterien der so genannten Financial Action Taskforce an, das ist eine internationale Organisation, die von der G7 ins Leben gerufen worden ist. Das ist das Zentrum, um das sich alles dreht. Die berühmte Weiße Liste der OECD ist gewissermaßen der "Heilige Gral", hinter dem alle Staaten herlaufen, das ist eine traditionelle Liste, auf der steht, welche Staaten transparent sind, vor allem in Hinblick auf Steuerhinterziehung und Vermeidung, Steueroasen zu werden. Das ist also nur ein Teilbereich, Geldwäsche, Terrorfinanzierung und organisierte Kriminalität müsste man da noch dazu nehmen. Die Liste ist eine Auszeichnung für jeden Staat, wenn er dort aufgenommen wird. Diese Liste orientiert sich sehr stark an der Erfüllung von Vorgaben der FATF oder eben von Moneyval. Wenn Moneyval innerhalb überschaubarer Zeit zufrieden gestellt wird, ist der Weg auf die Weiße Liste der OECD geebnet, und es ist ein formaler Akt, den der OECD-Rat irgendwann treffen muss."

Wann ist die nächste Evaluierungsrunde von Moneyval?

„Die ist üblicherweise zwei, drei Jahre später. Das geht letztlich so lange wie der Akteur einverstanden ist, bzw. bis Moneyval irgendwann zufriedengestellt wird. Gegenwärtig gibt es bei den Gründungsmitgliedern die vierte Runde, das Ganze läuft auch 15 oder 20 Jahre lang. Die nächste Evaluation wird sehen, ob [der Vatikan] die technischen und organisatorischen Aspekte behoben hat. Wenn der Vatikan so weitermacht, ist er auf einem guten Weg, dass er beim nächsten oder übernächsten Bericht mehr oder weniger mit weißer Weste dasteht." (rv)