Irak: Bischof fordert Befreiung der Niniveebene

IrakDie Ninive-Ebene muss schleunigst befreit werden, sonst ist der Exodus der Christen aus dem Irak nicht mehr aufzuhalten. Das fordert Shlemon Warduni, Weihbischof von Bagdad, im Gespräch mit Radio Vatikan. In der Ninive-Ebene hatten sich zuletzt viele Christen angesiedelt, manche forderten in der Vergangenheit sogar eine Art „Christen-Enkave“. Mittlerweile ist das Gebiet vom Islamischen Staat überrannt worden. Warduni bestätigte auch, dass Hab und Gut von Christen in Mossul zu Gunsten des Islamischen Staats verkauft worden ist. Dies war Thema eines Treffens aller irakischen Bischöfe, das in den vergangenen Tagen in Erbil im kurdischen Teil Iraks stattfand:

„Das Treffen fand vor allem statt, um die Lage der Christen zu untersuchen und zu klären, wie wir ihnen helfen können. Wir haben vor allem darauf gedrängt, dass die Ninive-Ebene befreit wird. Denn wenn das nicht geschieht, werden die Menschen weiterhin auswandern.“

Die Lage sei schwierig, so der auch für die Caritas in dem Land zuständig chaldäische Weihbischof.

„Es gibt über 120.000 christliche Flüchtlinge, vor allem mit Kindern und Jugendlichen, die noch nicht zur Schule gehen können; deswegen ist ihre Situation katastrophal. Und wir leiden mit ihnen, denn wir schauen zu und können nichts tun. Deswegen haben wir unseren Leuten versprochen, alles zu tun, um etwas an ihrer prekären Lage zu ändern. Die Kirche hat nie aufgehört, sich für die Menschen einzusetzen, und die Leute erwarten das von uns, aber wir fühlen uns machtlos.“

Warduni mahnt an, dass die Ankündigungen zur Zusammenarbeit zwischen Zentralregierung und der kurdischen Autonomiegebiete folgenlos geblieben seien.

„Wir haben nicht nur ein Eingreifen der Zentralregierung in Bagdad gefordert und der Kurden, sondern auch der internationalen Gemeinschaft, und wir haben den Papst um Hilfe gebeten, er möge uns moralisch helfen, denn seine Autorität ist wirklich groß. Wir danken Gott für den Beistand der Hilfswerke: Wir haben sie gebeten, Druck auf die internationale Gemeinschaft auszuüben, damit etwas geschieht.“

Angeblich sollen in Mossul Hab und Gut von Christen verscherbelt und der Erlös an den Islamischen Staat abgeführt worden sein

„Ja es gibt dieses Problem: Es muss etwas getan werden. Viele Menschen nutzen die Abwesenheit der Flüchtlinge aus und begehen Ungerechtigkeiten: Sie verkaufen Häuser ohne Erlaubnis des Besitzers. Das ist bereits geschehen und ist eine furchtbar bösartige Weise, die Menschen aus ihrer Heimat zu vertreiben. Es sind die Nachbarn: Mit was für einem schwarzen Gewissen leben diese Personen eigentlich? Es muss gehandelt werden.“ (rv)

Proteste im Irak: „Nordafrikas Umbruch hat Auswirkungen auf den ganzen Nahen Osten“

 Auch im Irak wurde in diesen Tagen protestiert. Der Weihbischof von Bagdad sagte uns, hier mache sich die Enttäuschung der Menschen Luft, die seit acht Jahren in immer dramatischeren Bedingungen lebten. In der Hauptstadt, aber auch an anderen Orten nahmen die Kundgebungen gewalttätige Formen an. Nach Angaben der Nachrichtenagentur AFP starben landesweit insgesamt sieben Menschen. Der chaldäische Patriachalvikar von Bagdad, Shlemon Warduni, erklärt im Gespräch mit Radio Vatikan, was aus Sicht der Kirche der Hintergrund der Proteste im Irak ist:
„Die Menschen protestieren wegen fehlender Arbeitsplätze, des Mangels an Elektrizität und Wasser. Und dann ist auch noch das Programm 'Oil for Food’, das uns wenigstens ein wenig Essen im Tausch für Erdöl garantierte, nun beendet worden. Seit acht Jahren machen sie uns nun Versprechungen, aber bis heute ist nicht viel getan worden, im Gegenteil: Die Situation verschlechtert sich. In diesem Moment fehlt uns am meisten Frieden. Wenn es keinen Frieden gibt, wird das Leben immer schwerer. Die Leute tun recht, zu protestieren und den Respekt vor eigenen Rechten einzufordern."
Stehen die Proteste im Irak in Zusammenhang mit denen in Libyen? Die Proteste in Nordafrika hätten jedenfalls im gesamten Nahen Osten Spuren hinterlassen, meint Warduni. Sie zeigten eine grundsätzliche Krise in arabischen Diktaturen auf.
„Die Situation ist in allen arabischen Nationen ähnlich: das, was derzeit passiert, wirft ja auf viele Diktatoren in der Welt ein Schlaglicht. Wir hoffen jetzt, dass sie aus dieser Situation etwas lernen und sich entscheiden, dem eigenen Volk Freiheit zu gewähren!"
Und was rät Warduni vom krisengeschüttelten Irak aus den umbrechenden Ländern Nordafrikas?
„Vor allem muss man das Gemeinwohl aller Bürger verteidigen, man muss eine Wirtschaft fördern, die die Rechte aller garantiert und nicht durch persönliche Interessen oder politische Interessen gekennzeichnet ist. Man kann doch nicht annehmen, dass Bürger Sklaven sind! Man muss alles für den Frieden tun und die Sicherheit aller garantieren." (rv)