Vermeidet nicht die Wunden der Kirche, sagt Papst Franziskus in Sizilien

PALERMO – Bei seinem Sizilienbesuch am heutigen Samstag hat Papst Franziskus gesagt, dass die „Wunden der Kirche und der Welt“ die Wunden Christi seien, und dass diese „berührt und gesehen“ werden müssen.

Der Pontifex ist zu einer pastoralen Tagesvisite auf Italiens größte Insel gereist.

„Die Wunden der Gesellschaft und der Kirche zu betrachten, ist keine diffamierende und pessimistische Handlung“, so der Papst am 15. September. „Wenn wir unserem Glauben Substanz verleihen wollen, müssen wir lernen, in diesen menschlichen Leiden die gleichen Wunden des Herrn zu erkennen.“

Man müsse diese Wunden betrachten und berühren, sagte Franziskus im Städtchen Piazza Armerina vor mehreren tausend Menschen.

„Die Wunden des Herrn in unseren Wunden zu berühren, in den Wunden unserer Gesellschaft, unserer Familien, unseres Volkes, unserer Freunde. Berührt die Wunden des Herrn dort“, sagte der Pontifex.

In seiner Rede vor den Katholiken der Region stellte er die vielen „Wunden“ fest, die sie betreffen, wie soziale und kulturelle Unterentwicklung, Ausbeutung von Arbeitern, Mangel an Jugendarbeit, Alkoholismus, Sucht und den Verlust von Familienbindungen.

„Angesichts so viel Leid kann die Kirchengemeinschaft manchmal desorientiert und müde erscheinen“, sagte er. Manchmal jedoch, „dank Gott, ist sie lebendig und prophetisch, während sie nach neuen Wegen sucht, um vor allem den Brüdern, die in Desinteresse, Misstrauen, in die Krise des Glaubens gefallen sind, Barmherzigkeit zu verkünden und anzubieten“.

Franziskus ermutigte die Jugendlichen, sich an ihre Priester und Bischöfe zu wenden und ihnen zu sagen, ob sie Schwierigkeiten haben, der Kirche zu vertrauen.

„So oft habe ich einige junge Leute sagen hören: „Ja, ich vertraue Gott, aber nicht der Kirche“, sagte der Papst. „Aber warum? – ‚Weil ich gegen Priester bin. Ah, ihr seid gegen Priester, dann wendet euch an den Priester und sagt: ‚Ich vertraue euch nicht dafür, dafür und dafür.“

Priester sollten mit Geduld den jungen Menschen zuhören, so Franziskus.

Er sagte, dass das Amtspriestertum und die Eucharistie untrennbar miteinander verbunden sind, denn „der Priester ist der Mann der Eucharistie“ und rief die Priester dazu auf, „sich um den Bischof und untereinander zu versammeln, um den Herrn zu Allen zu bringen“.

„Liebe Priester, wie notwendig ist es, geduldig die Freude der Familie aufzubauen, einander zu lieben und zu unterstützen“, sagte er.

Die Priester, so fuhr er fort, seien berufen, die ersten zu sein, die Vorurteile überwinden, und „die ersten, die in bescheidener Kontemplation vor der schwierigen Geschichte dieser Erde innehalten, mit der weisen pastoralen Liebe, die ein Geschenk des Geistes ist“.

„Von Gott getröstet, könnt ihr Tröster sein, Tränen abwischen, Wunden heilen, Leben wieder aufbauen, gebrochene Leben, die sich vertrauensvoll eurem Dienst anvertrauen“, sagte er.

Am Ende der Begegnung bereitete sich der Papst darauf vor, seinen apostolischen Segen zu geben, bat aber vorher alle, ihr Herz darauf vorzubereiten, ihn zu empfangen.

Nach dem Besuch reiste Papst Franziskus mit dem Hubschrauber nach Palermo, wo er in einem Park in der Nähe des Strandes der Stadt die Messe feierte, im Gedenken an 25 Jahre seit dem Tod von Don Giuseppe „Pino“ Puglisi, der am 15. September 1993 von Mafiakillern ermordet wurde.

In seiner Predigt verurteilte der Papst die Mafia und sagte, wer Mitglied der Mafia ist, „lebt nicht als Christ“, weil sein Leben Gott lästert.

Don Pino habe immer gesagt: „Wenn jeder etwas tut, kann man viel tun“, wiederholte Franziskus und fragte: „Wie viele von uns setzen diese Worte in die Tat um?“

Wenn du heute vor Gott stehst, stelle dir diese Fragen: „Was kann ich tun? Was kann ich für andere, für die Kirche tun?“

„Herr, gib uns den Wunsch, Gutes zu tun; die Wahrheit zu suchen, die die Lüge verabscheut; Opfer zu wählen, nicht Faulheit; Liebe, nicht Hass; Vergebung, nicht Rache“, betete er. (CNA Deutsch)

Vatikan/Italien: Die Mafia im Vorhof der Völker

Papst Benedikt, der Denker, hat ihn angeregt. Kardinal Ravasi, der „Macher", hat ihn umgesetzt: den „Vorhof der Völker", jene wandernde Begegnungsstätte zwischen Glaubenden und Nichtglaubenden, die der päpstliche Kulturrat seit genau einem Jahr in verschiedenen Metropolen Europas und außerhalb veranstaltet. Es sind große Debattenforen über verschiedene Themen, die das Zusammenleben zwischen weltanschaulich heterogenen Gruppen betreffen, Foren für Intellektuelle, gewiss, die sich punktuell aber auch Jugendlichen und allen anderen Interessierten öffnen. Der nächste „Vorhof der Völker" findet Ende März in Palermo statt, und er wird im Zeichen der Mafia stehen. Kardinal Gianfranco Ravasi erklärt im Gespräch mit uns:

„Palermo ist bedeutsam und auch originell wegen der beiden Stränge, die sich im Titel unserer Begegnung verflechten: Kultur der Legalität und multireligiöse Gesellschaft. Einerseits also das soziale Profil, die Legalität, die ununterbrochen von der Welt der Laien, Zivil, Politik, dekliniert wird. Die Legalität geht aber auch die spirituelle und religiöse Welt etwas an. Denken wir an die Märtyrer der Mafia, für die Palermo geradezu ein Sinnbild ist. Andererseits war Sizilien, wie seine Baudenkmäler zeigen, immer ein Kreuzungspunkt der Kulturen. Es ist in sich ein Zeugnis der Multireligiosität, des interreligiösen Dialogs."

Die Wahl des Ortes Palermo für den nächsten Vorhof der Völker zeigt den Willen der Kirche, ihren Einsatz gegen illegales Verhalten und „jede Degeneration des Rechts" wieder zu beleben, erklärte Ravasi. Er erinnerte daran, dass die Mafia längst eine sehr vielgestaltige Realität ist.

„Wenn man von der Mafia spricht, weiß man doch, dass das heute eine Definition von Phänomenen der Kriminalität, der Verletzung von Legalität und Recht ist, die Dimensionen weit jenseits der sizilianischen Mafia hat. Denken wir an die japanische Mafia. Wir müssen aber auch sagen, dass in der Stadt Palermo eine bestimmte Betriebsamkeit, ein Ferment da ist, da können wir von Institutionen wie der Antimafia reden, aber auch von pastoralen Zeugnissen. Viele solcher Einrichtungen werden übrigens am letzten Abend, der den Jugendlichen offen steht, anwesend sein. Sie zeigen, wie grundlegend die kirchliche moralische religiöse Dimension für den Schutz des Rechtes ist. Besonders weil der Schutz des Rechtes über das Gewissen des Einzelnen läuft. Und so lang man nicht ein neues Volk gebiert, besonders über den Weg der Bildung und der Jugendarbeit, kann man nicht wirklich sagen, dass sich eine neues Zeitalter einer besseren Zivilisation als die heutige auftut."

Der Vorhof der Völker startete im März 2011 in Paris und gastierte seither unter anderem in Bukarest, Tirana und Rom. (rv)