D/Syrien: Jesuiten unterrichten Flüchtlingskinder in einer Moschee

Jesuiten„Materiell“ werden die Flüchtlinge aus Syrien in der Regel „mit dem Notwendigsten versorgt“. Mit diesem Eindruck ist der Geschäftsführer des deutschen kirchlichen Hilfswerks Misereor, Martin Bröckelmann-Simon, von einer Reise durch die Nachbarländer Syriens zurückgekommen. Doch die „aussichtslose Perspektive“ bedeute für die Flüchtlinge eine „unglaubliche Belastung“ und lasse „den Eindruck von großer Hoffnungslosigkeit“ entstehen – vor allem, weil sie kaum mit einer baldigen Rückkehr in ihre Heimat rechnen könnten.

„Für manche sind ja jetzt fast drei Jahre ins Land gegangen; viele von ihnen sind zuerst innerhalb Syriens geflüchtet und dann über die Grenze. Man merkt eben vielen Menschen, vor allem den Kindern, an, welche Stress-Situationen sie hinter sich haben und welche Lasten auf ihren Seelen ruhen.“

Etwa 3.000 Flüchtlinge aus Syrien strömen täglich über die Grenze in den Libanon hinein; auf vier Millionen Libanesen kommen mittlerweile 1,3 Millionen Syrien-Flüchtlinge im kleinen Zedernland. Immer wieder ist davon die Rede, dass das die Stabilität bedrohe und dass der Krieg bei den Nachbarn auch auf den Libanon übergreifen könnte. Aber Bröckelmann-Simon hat nicht beobachtet, dass die Flüchtlinge im Libanon auf Ablehnung stoßen.

„Wir haben sehr beeindruckende Beispiele für gastfreundliche Aufnahmen, auch über die Grenzen von Religionen hinweg, erlebt. Die Dörfer bzw. Gemeinden, in denen sich die Flüchtlinge befinden, sind zu 87 Prozent die Armutsregion im Libanon, und trotzdem passiert dort viel Unterstützung, im Rahmen der Möglichkeiten. Aber natürlich ist die Nation insgesamt doch sehr – ja, eigentlich schon überlastet. Wenn man sich vorstellt, dass es eben einen Bevölkerungszuwachs um 33 Prozent in den letzten zwei, drei Jahren durch die Flüchtlingszahlen gegeben hat, dann muss man das mal auf Deutschland umgerechnet denken: Das wären 25 Millionen Zuwanderer, Flüchtlinge, in Deutschland innerhalb dieses Zeitraums!“

„Könnt ihr uns nicht mitnehmen?“

Man könne sich leicht vorstellen, was das für ein Land bedeute. „Noch dazu, wo der Libanon ja selber wirtschaftlich – und politisch sowieso – angeschlagen ist, ein sehr fragiles Gebilde. Und diese ganze Unsicherheit überträgt sich natürlich auch auf die Flüchtlinge. Sie wissen, dass sie in diesem Land dauerhaft keine Perspektive haben.“ Und eine Rückkehr nach Syrien ist auch nicht drin – darum schweift der Blick der Flüchtlinge gerne mal in Richtung Europa. „Die Frage, die uns ganz oft begegnet, ist: Könnt ihr uns nicht mitnehmen?“

In Gegenden, wo sich nicht nur der libanesische Staat und das UNO-Flüchtlingswerk, sondern auch NGOs um die Flüchtlinge kümmerten, sei schon mehr als das bloße Verteilen von Nahrungsmittelhilfe oder Medikamenten sichergestellt, so Bröckelmann-Simon. „Da geht es insbesondere um die schulische Versorgung der Kinder und um psychische Aufarbeitung der traumatisierenden Erlebnisse.“ Ein guter Teil der Syrien-Flüchtlinge habe anfänglich vom eigenen, mitgebrachten Geld gelebt, „weil sie sich nicht abhängig machen wollten“; mittlerweile seien sie „rapide verarmt“, denn das Unterkommen in oft vollgestopften „Armutsbehausungen“ sei teuer. „Das zehrt an den Ersparnissen, und man kann davon ausgehen, dass sich die Not in der Flüchtlingsbevölkerung in den nächsten Monaten weiter verschärft, unabhängig von den klimatischen Einflüssen. Der Winter scheint ja nun weniger streng gewesen zu sein, wenn er nicht noch mal wiederkommt, als befürchtet.“ Darum sei es Gott sei Dank auch nicht zu „gravierenden Zahlen“ von Todesfällen gekommen. „Aber es ist schon sehr erbärmlich, wenn man sieht, wie die Menschen in den Zelten hausen müssen – bei Temperaturen von nachts um oder unter null Grad!“

„Düstere, schwarze Bilder“

Besser als im Libanon gehe es Syrien-Flüchtlingen eindeutig im Nordirak, also im irakischen Kurdengebiet. Zum einen sind sie zahlenmäßig nicht „eine solche Last“ für ihre Gastgeber, denn gemessen an der einheimischen Bevölkerung bedeuten sie nur einen Zuwachs von fünf Prozent. „Sie sind natürlich auch ethnisch-sprachlich Brüder und Schwestern der in Kurdistan lebenden Menschen und werden als Gäste empfangen. Sie können sich frei bewegen und jede Art von Arbeit aufnehmen.“ Außerdem sind die Vielen, die immer noch in Lagern leben, leichter zu versorgen, so der Misereor-Experte. „Im Libanon sind die Menschen über das ganze Land verteilt, es gibt ja keine zentralen Flüchtlingslager dort, und man findet sie eben in Massen-Wohnquartieren in den Armenvierteln von Beirut oder versprengt über die Dörfer der Bekaa-Ebene in Zeltsiedlungen, bei denen dann immer so zwanzig Familien zusammenleben, und die nächste Gruppe lebt dann einen Kilometer weiter. Das macht die Dinge logistisch schwieriger.“

Die Flüchtlinge erzählten „schreckliche Dinge“, berichtet Bröckelmann-Simon: „Ereignisse, die sich ihnen in die Seele eingebrannt haben, von Bombardements, Erschießungen und Foltererlebnissen. Menschen, die entführt worden sind und das Trauma mit sich herumtragen.“ Oft sehe man es den Augen der Flüchtlinge an, was sie erlebt hätten. „Und die Kinder, denen wir begegnet sind – viele drücken das in Bildern aus, die düster und schwarz sind und in denen sie versuchen, das zu verarbeiten, was sie gesehen haben.“ Misereor und seine Partner achten darauf, nicht nur den Flüchtlingen zu helfen, sondern auch den Dorfgemeinschaften, die sie aufnehmen und die oft ja selbst bitterarm sind. „Und dann sitzen eben maronitisch-christliche Kinder neben sunnitischen syrischen Flüchtlingskindern auf der gleichen Schulbank und löffeln zusammen die Suppe aus der Schulspeisung.“

Es gebe viele Beispiele für Kooperation und Hilfe über alle Grenzen hinweg. In Byblos (Jbeil) bei Beirut zum Beispiel habe der sunnitische Imam Räumlichkeiten in seiner Moschee zur Verfügung gestellt. Dort unterrichte jetzt der Jesuiten-Flüchtlingsdienst syrische Kinder, damit sie Anschluss ans libanesische Schulsystem finden. „So dass jetzt Klassen morgens und nachmittags voll sind mit syrischen Flüchtlingskindern unterschiedlicher Konfession, die dort in der Moschee von Jesuiten und katholischen Flüchtlingslehrern aus Aleppo unterrichtet werden.“ (rv)

Jesuitenorden in Europa will sich neu ordnen

JesuitenDer Jesuitenorden in Europa hat im neuen Jahr vor allem eine große Herausforderung vor sich: seine Restrukturierung. Das sagt im Gespräch mit Radio Vatikan der Präsident der Konferenz europäischer Jesuiten, P. John Dardis. Er nennt auch konkrete Beispiele:

„Wenn ich beispielsweise an das große Land Frankreich denke, so gibt es dort eine Jesuitenprovinz für Frankreich, aber es gibt dann europäische Provinzen, die mehrere Länder einschließen. Es bestehen also bisher große Unterschiede in der Aufteilung der Provinzen in Europa. Meiner Meinung nach muss unser Orden in diesem Kontinent seine Arbeit in dieser Hinsicht verbessern, also sich besser organisieren und weniger bürokratisch sein. Auf der anderen Seite ist mir bewusst, dass Europa ein Kontinent vieler Kulturen und Sprachen ist, und auch dies muss mitberücksichtigt werden.“

P. Dardis wolle aber nicht, dass sich der Jesuitenorden zu einem Großkonzern umgewandelt wird.

„In Spanien gibt es bisher fünf Jesuitenprovinzen mit ungefähr 1.200 Jesuiten. Sie werden sich Ende Juni vereinen und das wird sicherlich ihre künftige Arbeit verbessern. Wenn man nämlich die großen Perspektiven außer Acht lässt, dann verliert man sehr viel und bleibt in der eigenen Kultur hängen. Das ist jedoch nicht der Sinn unseres Ordens und auch nicht der Kirche.“

Es sei nicht einfach, „alte Strukturen“ neu umzugestalten, so P. Dardis. Provinzen wie jene der Slowakei oder den Niederlanden müssen beispielsweise neu überdacht werden.

„Was wir immer vor Augen haben müssen ist, wie wir die Frohe Botschaft in der heutigen säkularisierten Gesellschaft in Europa verbreiten können. Die Schwierigkeit besteht darin, kreative Möglichkeiten zu finden. Aber das ist andererseits auch sehr spannend und bereichernd. Auch muss man beachten, dass die Säkularisation in Frankreich beispielsweise anders ist als in den Niederlanden. Deshalb wird es sicherlich nicht eine einzige Lösung geben, um unseren Orden in Europa neu zu gestalten.“ (rv)

Vatikan: Macher der Jesuitenzeitschrift „Civiltà Cattolica“ beim Papst

Civilta CattolicaPapst Franziskus hat an diesem Freitag die Macher der einflussreichen Jesuitenzeitschrift „Civiltà Cattolica" empfangen. Er ermunterte sie, „hart gegen Heuchelei" anzuschreiben. Allerdings sei es ihre Hauptaufgabe, „Brücken und nicht Mauern zu bauen": Es gehe um einen „Dialog unter allen Menschen, auch mit denen, die keine Christen sind" und auch „mit denen, die sich der Kirche widersetzen und sie auf verschiedene Weise verfolgen". Papst Franziskus ist selbst Jesuit. Die Leitartikel der „Civiltà Cattolica" werden von jeher im päpstlichen Staatssekretariat gegengelesen. (rv)

Jesuitenorden: Neuer Präsident des internationalen Verbandes der Generaloberen

JesuitenDer Generalobere des Jesuitenordens, Adolfo Nicolas, ist neuer Präsident des internationalen Verbands von Generaloberen. Der Spanier tritt damit an die Stelle seines Landsmanns José Rodriguez Carballo. Dieser ist Franziskaner und war bis vor kurzem Generalminister der Franziskaner. Aus diesem Amt scheidet er jedoch aus, weil ihn Papst Franziskus zum zweiten Verantwortlichen der Ordenskongregation berufen hat. An diesem Samstag erhält Rodriguez Carballo im spanischen Wallfahrtsort Santiago de Compostela die Bischofsweihe. Adolfo Nicolas steht seit 2008 an der Spitze des Jesuitenordens. Er ist der 29. Nachfolger des heiligen Ignatius von Loyola. (rv)

Taiwan: Kardinal Shan Kuo-hsi J.S. verstorben

Paul Kardinal Shan Kuo-hsi ist heute im Alter von 88 Jahren in Neu-Taipeh verstorben. Bis Januar 2006 leitete er das Bistum Kaohsiung. Shan Kuo-hsi wurde am 21.02.1998 durch Papst Johannes Paul II. in den Kardinalsstand erhoben und hatte die Titelkirche S. Crisogono. Mit seinem Tod umfasst das Kardinalskollegium 207 Purpurträger. Ein aktives Wahlrecht bei einem künftigen Konklave haben derzeit 119 Kardinäle. (vh)

OR: „Missbrauch entschlossen aufklären“

L ´Osservatore Romano berichtet über Missbrauchsfälle (Originaltext):

Der Vatikan hat zu einer durchgreifenden Aufklärung der Missbrauchsfälle im Bistum Regensburg und anderen Diözesen aufgerufen. Der Heilige Stuhl unterstütze die Bereitschaft des Regensburger Bistums, „die schmerzliche Angelegenheit mit Entschlossenheit und in offener Weise zu untersuchen“. Das steht in einer Erklärung in der Vatikanzeitung Osservatore Romano von diesem Sonntag. Vorrangiges Ziel der Kirche sei es, „möglichen Opfern Gerechtigkeit widerfahren zu lassen“. Der Vatikan sei „dankbar für dieses Bemühen um Klarheit innerhalb der Kirche“, so die Stellungnahme. Zugleich wünsche man, „dass ebensolche Klarheit auch in anderen öffentlichen und privaten Einrichtungen geschaffen wird, wenn das Wohl der Kinder wirklich allen am Herzen liegt“.
In der gleichen Ausgabe legt der Regensburger Bischof Gerhard Ludwig Müller die Missbrauchsfälle im Umfeld der Regensburger Domspatzen dar. Müller verweist dabei auf einen bereits bekannten Vorgang aus dem Jahr 1958, bei dem der stellvertretende Institutsleiter wegen sexuellen Missbrauchs aus dem Dienst entfernt wurde. Ferner bezieht er sich auf einen Priester, der ebenfalls 1958 für sieben Monate in dem Knabenchor arbeitete und zwölf Jahre später wegen Missbrauchs verurteilt wurde. Es werde noch untersucht, ob das betreffende Vergehen auch die Zeit der Tätigkeit bei den Domspatzen betreffe. Bischof Müller wörtlich: „Beide Fälle waren seinerzeit schon öffentlich bekannt und sind juristisch als abgeschlossen zu betrachten. Sie fallen nicht mit der Amtszeit von Kapellmeister Professor Georg Ratzinger zusammen“. Der Bruder des Papstes hatte die Domspatzen von 1964 bis 1994 geleitet.
Georg Ratzinger sieht hinter den Missbrauchsvorwürfen auch „eine gewisse Feindseligkeit gegen die Kirche“. Hinter bestimmten Behauptungen scheine die „bewusste Absicht“ zu stehen, sich gegen die Kirche zu äussern, sagte Ratzinger in einem Interview mit der italienischen Tageszeitung La Repubblica. Der Bruder von Papst Benedikt befürwortete zugleich die von Bischof Gerhard Ludwig Müller angekündigte vorbehaltlose Aufklärung von Missbrauchsfällen bei den Regensburger Domspatzen. „Ich hoffe, dass mein Chor durch diese Situation nicht beschädigt wird, aber es ist mein Interesse, dass Licht geschaffen wird“, sagte der 86-jährige Ratzinger. Er selbst sei „nicht imstande, Informationen über irgendeine strafbare Handlung zu geben“, sagte der frühere Domkapellmeister. „Ich habe nie etwas davon gewusst.“ Die bereits bekannten Vorgänge aus den 50er Jahren beträfen eine „ganz andere Generation“ als die Zeit, in der er den Chor geleitet habe.

Unterdessen berichteten mehrere Medien über weitere Missbrauchsfälle aus den vergangenen Jahrzehnten, darunter erstmals auch aus einer nichtkirchlichen Einrichtung. Laut „Frankfurter Rundschau“ soll es in der Odenwaldschule in Heppenheim zu zahlreichen schweren Missbrauchsfällen gekommen sein. Betroffene Altschüler gingen von bis zu 100 Missbrauchsopfern aus. Der Vorstand habe nach Angaben der Zeitung den jahrelangen Missbrauch von Schutzbefohlenen durch Pädagogen eingeräumt.

Das Wochenmagazin „Der Spiegel“ geht weiterhin auf den Missbrauch von Minderjährigen bei den Regensburger Domspatzen in den 50-ern und zu Beginn der 60-er Jahre ein. Demnach behandelten mehrere Therapeuten im Münchner Raum ehemalige Chormitglieder, die durch sexuellen Missbrauch oder körperliche Misshandlungen traumatisiert wurden. Ein Betroffener aus dem Allgäu berichtete dem Magazin von grausamen Ritualen im Internat Etterzhausen, einer Vorschule, aus der sich die Domspatzen in Regensburg rekrutierten. Der Regisseur und Komponist Franz Wittenbrink, der bis 1967 im Regensburger Internat der Domspatzen lebte, sprach gegenüber dem „Spiegel“ von einem „ausgeklügelten System sadistischer Strafen verbunden mit sexueller Lust“, das dort bestanden habe.
Nach Angaben der „Kölnischen Rundschau“ haben sich bislang 30 ehemalige und ein derzeitiger Schüler im Zusammenhang mit Missbrauchsfällen am Bad Godesberger Jesuiten-Gymnasium Aloisiuskolleg gemeldet. Gegen sechs Patres würden Vorwürfe erhoben, von denen fünf inzwischen verstorben seien.
Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Präses Nikolaus Schneider, würdigt die Anstrengungen der katholischen Kirche um Aufarbeitung der Missbrauchskandale aus den vergangenen Jahrzehnten. Es handele sich „um ein allgemeines gesellschaftliches Problem“, und er sehe das Bemühen der katholischen Kirche „in großer geschwisterlicher Verbundenheit“. Das sagte Schneider der Tageszeitung „Die Welt“. SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles begrüßte in einem Zeitschrifteninterview den von Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) vorgeschlagenen Runden Tisch. Das Problem sei verbreiteter in der Gesellschaft als bisher bekannt. Die SPD-Politikerin forderte eine offene Debatte über geeignete Maßnahmen und Initiativen – „auch um zu verhindern, dass nach Abebben des aktuellen Skandals das Thema wieder in der Versenkung verschwindet.
Das Bistum Hildesheim hat einen Pfarrer aus Wolfsburg mit sofortiger Wirkung von seinem Dienst suspendiert. Er hatte gestanden, vor mehr als dreißig Jahren einen damals minderjährigen Jugendlichen sexuell missbraucht zu haben. Das Opfer hatte aus Scham bisher geschwiegen. Erst jetzt – nach dem Aufruf des Bischofs an die Gemeinden, auch zurückliegende Fälle zu melden – hatte es den Mut, sich an den Bischöflichen Beauftragten für sexuellen Missbrauch zu wenden und die Vorfälle anzuzeigen. „Die Diözese Hildesheim ist entsetzt und tief betroffen über den sexuellen Missbrauch und bringt ihr Mitgefühl mit dem Opfer zum Ausdruck“, sagt der zuständige Domkapitular Heinz-Günter Bongartz. Dem Opfer wurden therapeutische Hilfe und beratende Unterstützung zugesagt. Pfarrer E., der einer Ordensgemeinschaft angehört, hat die gegen ihn erhobenen Vorwürfe eingestanden und bereut seine Tat. Der Pfarrer wurde gemäß den Leitlinien der ischofskonferenz mit sofortiger Wirkung von seinen Ämtern suspendiert. Bischof Norbert Trelle und der Obere des Ordens, dem Pfarrer E. angehört, werden nach der kirchenrechtlichen Untersuchung entscheiden, welche kirchlichen Strafen das Vergehen des Pfarrers nach sich zieht.  (or 07.03.2010)

Ergebnis des 7. Votings: Missbrauchsfälle im Jesuitenorden

Abstimmung: Sehen Sie bei den Missbrauchsfällen im Jesuitenorden einen Zusammenhang zwischen pädophilen Ordensmännern und dem Zölibat?

Umfragedauer: 11.02.-06.03.2010
Gesamtstimmen bisher: 64

Neues 8. Voting:

Nun auch Missbrauchsfälle bei den Regensburger Domspatzen. Das Bistum Regensburg bemüht sich um Aufklärung dieser Fälle, die 50 Jahre zurückliegen und beide Täter 1984 verstorben sind. Wie bewerten Sie das Vorgehen des Bistum Regensburg?

Zum Voting  >>>Abstimmen

D: Aufklärungswillen spürbar

 

Im Jesuitenorden ist ernsthaftes Interesse spürbar, die Missbrauchsfälle aufzuklären. Das sagte die zuständige Missbrauchsbeauftragte Ursula Raue am Donnerstagabend in einer Sendung des Fernsehsenders Phoenix. Raue hatte zuvor öffentlich einen Zwischenbericht zum Missbrauchsskandal vorgelegt. Demnach haben sich bei ihr bislang 115 zumeist männliche Opfer gemeldet. Der Provinzial der deutschen Jesuiten, Stefan Dartmann, kündigte an, Raue zusätzliche Kräfte für die Aufklärung der Fälle zur Seite zu stellen. Zudem sollen Arbeitsstäbe in den drei Jesuiten-Gymnasien in Berlin, Bonn und Sankt Blasien zur Aufarbeitung der Vorwürfe eingerichtet werden.
Das Thema „Missbrauch" wird am Montag auch auf der Tagesordnung der Deutschen Bischofskonferenz stehen. Am Montag treffen sich die Bischöfe zur Frühjahrsvollversammlung. Von den deutschen Oberhirten wünscht sich deshalb der Vorsitzende des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Alois Glück…
„…dass sie die Richtlinien, die sich die Bischofskonferenz schon gegeben hat, nochmals dokumentieren. Sie sollen in allen Diözesen gleichermaßen angewandt werden. Es steht außer Zweifel, dass die erste Priorität den Opfern gilt und der Verpflichtung zur Wirklichkeit und Wahrheit. Das wird sicherlich zum Ausdruck kommen."
Der ZdK-Chef kritisiert, dass man nur über die Missbrauchsfälle spreche, die im kirchlichen Bereich geschehen sind.
„Der Öffentlichkeit und Gesellschaft ist nämlich zu sagen, dass es nicht ein speziell kirchliches Problem ist, sondern es ist ein gesamtgesellschaftliches Problem. Ich wünsche mir deshalb, dass auch an alle anderen gesellschaftlichen Gruppen und Einrichtungen, die davon betroffen sind, ebenfalls derselbe Anspruch der Transparenz und konsequenten Aufklärung gestellt wird. Es gibt in Deutschland doch noch viel Verdrängung und Vertuschung."
Glück glaubt aber nicht, dass derzeit weitere Fälle bewusst vertuscht werden.
„Diesem Eindruck muss man sich allerdings stellen. Das kann man nur mit entsprechender Offenheit mit der Zeit aufarbeiten. Da gilt es sicherlich auch, einige Vorurteile zu überwinden. Manche Praxis der Vergangenheit, die für die Leute nicht vertrauensbildend war, muss überwunden werden. Ich habe aber großes Vertrauen gegenüber den Verantwortlichen. Auch weil Papst Benedikt XVI. sehr konsequent Position bezogen hat, dass nämlich die erste Priorität die Opfer haben." (rv)

D: „Ungeahnte Dimension“

 Missbrauch, ein Zwischenbericht. An diesem Donnerstagmittag legte die Rechtsanwältin Ursula Raue, die vom Jesuitenorden als unabhängige Sachbearbeiterin mit Aufklärung der Fälle betraut worden war, erste Ergebnisse vor.
„Was jetzt hier über uns hereingebrochen ist, das hat eine Dimension angenommen, die bisher nicht zu erahnen war."
So kommentierte Ursula Raue das vorläufige Ergebnis ihrer Untersuchungen zu den Missbrauchsfällen an Jesuitenschulen in Deutschland. 115 Missbrauchsopfer hätten sich inzwischen bundesweit bei ihr gemeldet, so Raue. Zwölf Jesuitenpatres seien namentlich beschuldigt worden. Auch zwei Frauen sowie andere Lehrer und Bedienstete des Kollegs würden des Missbrauchs beschuldigt. Der größte Teil der Opfer habe das Canisius-Kolleg in Berlin besucht. Unter den Opfern seien auch frühere Schülerinnen, so Raue. Zudem hätten sich ehemalige Schüler gemeldet, die nicht an Jesuiten-Schulen waren. „Es gibt Verfehlungen und Wunden, die heilen offenbar nicht. Und diese Wunden gehören dazu". Die Rechtsanwältin:
„Wir reden nicht von brutaler Vergewaltigung, sondern von Anfassen, von Selbstbefriedigung, von Streicheln, von zu großer körperlicher Nähe."
Ihr lägen Informationen über Opfer vor, die sich das Leben genommen hätten, fuhr Raue fort. Erstaunlich sei, dass es in den Personalakten des Jesuitenordens, die sie ausgewertet hat, an keiner Stelle um das Seelenleben der Kinder gehe, so die Rechtsanwältin weiter. In den nächsten Tagen werde ein Arbeitsstab gegründet, um alle Fälle aufzuarbeiten. Dem Großteil der Opfer gehe es nicht um eine finanzielle Entschädigung. Viele seien erleichtert darüber, dass sie ihre Geschichte endlich, das heißt gut 20 Jahre nach den Vorfällen selbst, erzählen können. Sie gehe davon aus, dass alle Taten verjährt seien, so Raue. Unterdessen hat das Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz angekündigt, dass sich ihr Vorsitzender, Erzbischof Robert Zollitsch, am Montag zum Auftakt der Frühjahrsvollversammlung der Bischöfe in Freiburg öffentlich zu den Missbrauchsfällen äußern wird. (rv)