Analyse: In der Sprache Luthers gesprochen *

Das Wichtigste vorweg: Die Einladung steht. Eine Einladung, das Reformationsjubiläum 2017 gemeinsam zu feiern, als Moment gemeinsamer Kirchengeschichte. Ausgesprochen hat sie der Präses der EKD, Nikolaus Schneider, in seiner Ansprache in Erfurt. Luther sei ein Scharnier zwischen beiden Konfessionen, er habe schließlich beiden angehört. So offen und vor allem offiziell haben wir das bislang noch nicht gehört. Ein gutes Zeichen für beide Seiten.
Damit ist aber nicht nur ein Einzelereignis oder eine Einzelmeldung gegeben. Das Gedächtnis Luthers stand mehr im Zentrum der Begegnung in Erfurt, als die Symbolik des Luther-Klosters Erfurt das vielleicht hat vermuten lassen. Luther war sozusagen ständig gegenwärtig.

Treffen mit Martin Luther

Der Papst hat sich auf die Ökumene-Begegnung gefreut, das hat er wiederholt gesagt. Er hat in einem öffentlich gewordenen Brief an Präses Schneider im Frühjahr betont, wie wichtig ihm persönlich dieser Teil der Reise ist. In den Ansprachen an den Papst durch den Bundespräsidenten und den Bundestagspräsidenten ist diese Erwartung noch einmal verstärkt worden. Der Satz Wulffs, dass die Trennung der Rechtfertigung bedürfe, nicht die Einheitsbemühungen, war vielen, wenn nicht allen Christen in Deutschland aus dem Herzen gesprochen. Für die Hoffnung auf baldige Schritte, die Norbert Lammert am Donnerstag im Dt. Bundestag aussprach, gilt Ähnliches.

Vor diesem Hintergrund mögen die Worte des Papstes zunächst einmal hart klingen. Keine Gastgeschenke wolle er bringen, womit schnelle Lösungen für die Trennung gemeint waren. Ein Kollege – ein evangelischer – brachte es auf den Punkt: Man sei in der Stadt Luthers, da müsse man sprechen wie Luther. Klar und deutlich, kein Blatt vor den Mund. Der Papst will Redlichkeit und Offenheit. Er wirft niemandem vor, das nicht zu sein, weit entfernt. Aber er lässt das Thema Ökumene im Raum des ernsthaften Dialoges. Die Hoffnungen, Erwartungen und Wünsche auf der einen, das in lutherischer Klarheit ausgedrückte theologische Denken auf der anderen, das ist die Weise, wie die Ökumene der „Begegnung von Erfurt" geschieht. Inhaltlich hat dieser Dialog in Martin Luther seinen – berechtigten – Fokus gefunden, und das nicht nur durch die Einladung zur gemeinsamen Feier.

„Was Christum treibet"

Luther war allgegenwärtig. Zunächst in der kräftigen Sprache, in der der Psalm zu Beginn der ökumenischen Feier verlesen wurd. Er war das Zentrum der Feier, und zwar nach Überzeugung aller nicht als Beginn der Trennung, sondern in der ihn Zeit seines Lebens drängenden Frage „Wie kriege ich einen gnädigen Gott?". Präses Schneider betont, bereits die Reformation habe sich selbst als Umkehr zu Christus verstanden. Papst Benedikt XVI. formulierte die Suche Luthers so: „Diese Frage hat ihn ins Herz getroffen und stand hinter all seinem theologischen Suchen und Ringen. Theologie war für ihn … das Ringen um sich selbst, und dies wiederum war ein Ringen um Gott und mit Gott." Dies sei für Luther „Kraft seines ganzen Weges" gewesen. Die Orientierung dieses Denkens und das hermeneutische Prinzip der Schriftauslegung sei für Luther „Was Christum treibet" gewesen, auch hier liegen der Papst und seine Gastgeber ganz auf einer Linie. Luther wird in dieser Begegnung zum Scharnier, besser noch zum Begegnungspunkt der Konfessionen.

„Wie kriege ich einen gnädigen Gott?"

Benedikt XVI. nennt in seinen Worten zu Beginn des ökumenischen Gesprächs die „Fehler des konfessionellen Zeitalters". Man habe nur das Trennende gesehen. Nun gelte es, die Gemeinsamkeiten weiter auszudeuten und zu leben. Wohin soll es gehen? Auch da sind sich alle Gesprächsteilnehmer einig, und auch die Tatsache des gemeinsamen Betens zeigt es: Jesus Christus in der Gesellschaft heute sichtbar zu machen. In der „Abwesenheit Gottes" und in der „Verdünnung des Glaubens" brauche es neu „neu gedachten, neu gelebten" Glauben. Präses Schneider formuliert die Kirche der Reformation als Kirche der Freiheit, unter der aber keinesfalls die Beliebigkeit zu verstehen sei. Im Kern der Bindung, die diese Freiheit braucht, steht Christus. Das gemeinsame Ringen und Suchen, denken und leben des Glaubens ist also die ökumenische Aufgabe der Zukunft. Ein Satz, dem auch Martin Luther mit ganzem Herzen zustimmen würde. (rv)

* von unserem Redaktionsleiter, Jesuitenpater Bernd Hagenkord, der den Papst auf seiner Deutschlandreise begleitet