Amoris laetitia: Franziskus schafft zusätzliches Interpretations-Chaos

Papst Franziskus hat mit der kürzlichen Veröffentlichung seines Briefes sowie der pastoralen Antwort der Bischöfe von Buenos Aires in der Ausgabe der „Acta Apostolicae Sedis” (AAS) das Feuer um AL weiter entfacht.

Kirche + Leben Netz (Screenshot am 07. November)

Kaum publiziert, da melden sich selbsternannte Papstverteidiger auch schon zu Wort. So zum Beispiel der Münsteraner Kirchenrechtler Dr. Thomas Schüller. Dieser fordert Kritiker von Papst Franziskus zum sofortigen Gehorsam gegenüber dem Papst auf. In einem Gespräch mit dem Online-Portal „Kirche und Leben“ sagte Schüller:

„Dies hat jeder katholische Gläubige mit religiösem Verstandes- und Willensgehorsam anzunehmen«, wie es das Kirchenrecht in Canon 752 formuliere. Franziskus habe jetzt endgültig geklärt, was 99 Prozent der Katholiken ja ohnehin schon verstanden haben“.

Die Äußerung des Kirchenrechtler Dr. Schüller steht allerdings auf recht wackligen Füßen. Allein die Bemerkung „99 Prozent der Katholiken hätten es schon verstanden“ ist reine Spekulation, oder besser, Vortäuschung einer nicht nachweisbaren Mehrheit.

Das Kanonische Recht (CIC) besagt im Can. 752:

„Nicht Glaubenszustimmung, wohl aber religiöser Verstandes- und Willensgehorsam ist einer Lehre entgegenzubringen, die der Papst oder das Bischofskollegium in Glaubens- oder Sittenfragen verkündigen, wann immer sie ihr authentisches Lehramt ausüben, auch wenn sie diese Lehre nicht definitiv als verpflichtend zu verkünden beabsichtigen; die Gläubigen müssen also sorgsam meiden, was ihr nicht entspricht“.

Inhaltlich ist Can. 752 durchaus aussagekräftig, aber eben nur ein Teil der Wahrheit. Der Kirchenrechtler will die lebenden Kardinäle der Dubia, Brandmüller und Burke, zum Schweigen bringen. Er sagt:

„Korrektur-Aufrufe und Zurechtweisungen des Papstes durch einige Kardinäle, darunter der inzwischen verstorbene Kölner Kardinal Joachim Meisner und der amerikanische Kurienkardinal Raymond Leo Burke, müssten damit beendet sein. Kirchenrechtler Schüller betont, vor allem Bischöfe und Kardinäle hätten sich durch ihr Amt und ihren Amtseid zu besonderer Treue gegenüber dem Papst verpflichtet. Sollten sie dennoch anderer Meinung sein als Franziskus, hätten sie nun schlichtweg zu schweigen, dem Papst bedingungslos zu gehorchen und jedwede öffentliche Äußerung zu unterlassen, die den Eindruck erwecken könnten, dass sie eine andere Sicht der Dinge haben“.

Eigentlich ist Raymond Leo Kardinal Burke kein Kurienkardinal. Diese Bezeichnung träfe nur zu, wenn man das Amt des „Patron des Souveränen Malteserordens“ zur Kurie zählen würde. Franziskus hatte Burke im Oktober 2014 von seinem Amt als Präfekt der Apostolischen Signatur entfernt und zum Patron des Souveränen Malteserodens gemacht. Vor gut zwei Monaten berief der Papst Kardinal Burke zum Mitglied des Dikasteriums, dass er bis 2014 selbst geleitet hatte. Diese Enthebung und fast Rückberufung haben viele nicht verstanden.

Auch darf man sicherlich davon ausgehen, dass Kardinal Burke und Brandmüller nach wie vor auf eine Antwort des Papstes bezüglich ihrer Dubia hoffen. Ein aufziehendes Schisma, wie Kardinal Burke und andere Kirchenmänner es in den letzten Tagen angesprochen haben wird der Can. 752 nicht verhindern.

Die Veröffentlichung in der „Acta Apostolicae Sedis“ ändert letztlich nichts an dem Interpretations-Chaos von Amoris laetitia. Dr. Schüllers Hinweis:

„In den Acta Apostolicae Sedis wurden – bislang in der Online-Ausgabe – das Lehrschreiben Amoris Laetitia von Papst Franziskus über Ehe und Familie, eine Orientierungshilfe argentinischer Bischöfe für ihre Priester und eine diese Orientierungshilfe gutheißende Antwort von Papst Franziskus veröffentlicht. Darin heißt es, er finde in der Handreichung den Sinn eines umstrittenen Kapitels von Amoris laetitia vollauf erfasst, wo es um das Begleiten, Unterscheiden und Integrieren in schwierigen Lebenssituationen gehe. »Es gibt keine anderen Interpretationen«, schrieb Franziskus kurz und bündig“.

beweist nur eins – Franziskus entzieht sich selbst jeglicher Verantwortung seine pastorale Aufweichung des Ehesakraments zu begründen. Bestenfalls bekundet er seine Zustimmung zu Interpretationen die in seinem Sinne veröffentlicht werden. Mehr aber nicht. Die Argumentation des Kirchenrechtler Dr. Schüller ist letztlich nur eine Meinung, nicht mehr. Andere Kirchenrechtler bewerten Amoris laetitia in ihrem achten Kapitel durchaus fragwürdiger. Sie sprechen von „Desorientierung und einer großen Verwirrung unter den Gläubigen“, ganz anders als Dr. Schüller mit seiner 99 Prozent-Hypothese.

Das Nachrichtenmagazin Catholic News Agency (CNA Deutsch) lieferte gestern ganz andere Argumente als Dr. Schüllers Darstellung glaubhaft machen will. Hier beruft man sich unter anderem auf Dr. Edward Peters, Professor für Kirchenrecht am Seminar vom Heiligen Herzen in Detroit (USA). Dieser hat vor Monaten vorausgesehen, dass Franziskus die Veröffentlichungen in der „Acta Apostolicae Sedis” (AAS) vornehmen wird. Prof. Peters schrieb vor wenigen Tagen, am 04. Dezember:

„… das Dokument in Buenos Aires Behauptungen enthält, die “sich auf einer Skala bewegen von offensichtlich wahr, über wahr-aber-seltsam-oder-unvollständig abgefasst, bis hin zu einigen, die – obwohl sie in einem orthodoxen Sinn verstanden werden können – auf eine Weise formuliert sind, die sich heterodoxen Auslegungen anempfiehlt”.

Prof. Peters stellte weiter fest:

„Dass das, was die Zulassung der geschiedenen und wiederverheirateten Christen zur eucharistischen Gemeinschaft verhindert, Canon 915 des Kirchenrechts ist, sowie “die universelle, einmütige Auslegung, die dieser Gesetzestext, wie er im göttlichen Gesetz verankert ist, immer empfangen hat”.

Er schrieb weiter:

„Wenn Canon 915 nicht direkt widerrufen, entkernt oder sterilisiert wird, verpflichtet er alle Seelsorger, die dem erhabensten Sakrament dienen, dieses unter anderem von geschiedenen und wiederverheirateten Katholiken fernzuhalten, außer wenn solche Paare als Bruder und Schwester leben ohne Skandal für die Gemeinschaft“.

Zum Verständnis, CIC Canon 915 besagt:

„Zur heiligen Kommunion dürfen nicht zugelassen werden Exkommunizierte und Interdizierte nach Verhängung oder Feststellung der Strafe sowie andere, die hartnäckig in einer offenkundigen schweren Sünde verharren“.

Weder Dr. Schüllers Sichtweise noch die Argumente von Prof. Peters werden die Diskussion um Amoris laetitia beenden. Das Franziskus-Pontifikat hat viel Verwirrung gestiftet und gläubige Katholiken haben ihr Vertrauen in das Papstamt verloren. Bleibt nur zu hoffen, dass das Durcheinander um Amoris laetitia nicht doch noch in ein Schisma für die Kirche führt. (vh)