Papstpredigt: „Alle Enden der Erde sehen das Heil unseres Gottes“

Pabstbesuch Sri Lanka 2015Predigt von Papst Franziskus bei der Messfeier zur Heiligsprechung von Joseph Vaz (Colombo, Strandpromenade des „Galle Face Green“, 14. Januar 2015)

„Alle Enden der Erde sehen das Heil unseres Gottes“ (Jes 52,10)

Das ist die großartige Prophetie, die wir in der heutigen ersten Lesung gehört haben. Jesaja sagt die Verkündigung des Evangeliums Jesu Christi an alle Enden der Erde voraus. Diese Prophetie hat für uns eine besondere Bedeutung, da wir die Heiligsprechung eines großen Missionars des Evangeliums, des heiligen Joseph Vaz, feiern. Wie unzählige andere Missionare in der Geschichte der Kirche, antwortete er auf den Auftrag des auferstandenen Herrn, Menschen aller Nationen zu seinen Jüngern zu machen (vgl. Mt 28,19). Durch sein Wort, aber noch wichtiger durch das Beispiel seines Lebens führte er die Menschen dieses Landes zu dem Glauben, der uns ein „Erbe in der Gemeinschaft der Geheiligten“ verleiht (Apg 20,32).

Im heiligen Joseph sehen wir ein machtvolles Zeichen der Güte und Liebe Gottes zum Volk von Sri Lanka. Aber wir sehen in ihm auch eine Herausforderung, auf den Wegen des Evangeliums beharrlich voranzuschreiten, selber an Heiligkeit zuzunehmen und die Evangelienbotschaft von der Versöhnung, der er sein Leben gewidmet hat, zu bezeugen.

Der heilige Joseph Vaz war Priester des Oratoriums in seiner Heimat Goa und kam in dieses Land, angeregt von missionarischem Eifer und einer große Liebe zu dessen Volk. Wegen der religiösen Verfolgung verkleidete er sich als Bettler und verrichtete seine priesterlichen Pflichten in geheimen Treffen der Gläubigen, häufig des nachts. Seine Bemühungen verliehen der hart geprüften katholischen Bevölkerung spirituelle und moralische Kraft. Ein besonderes Anliegen war es ihm, den Kranken und den Leidenden zu dienen. Sein Einsatz für die Kranken während einer Pockenepidemie in Kandy fand beim König eine solche Anerkennung, dass ihm für seine missionarische Arbeit eine größere Freiheit zugestanden wurde. Von Kandy aus konnte er seine Tätigkeit auf andere Teile der Insel ausweiten. Er verausgabte sich in seiner missionarischen Arbeit und starb völlig erschöpft mit neunundfünfzig Jahren im Ruf der Heiligkeit.

Aus vielen Gründen ist der heilige Joseph Vaz immer noch ein Beispiel und ein Lehrer. Ich möchte mich nur auf drei konzentrieren. Erstens war er ein vorbildlicher Priester. Heute sind hier unter uns viele Priester sowie Ordensmänner und -frauen, die wie Joseph Vaz dem Dienst für Gott und den Nächsten geweiht sind. Ich ermutige jeden und jede von euch, auf den heiligen Joseph als einen verlässlichen Führer zu schauen. Er lehrt uns das Hinausgehen an die Peripherien, um Jesus Christus überall bekannt zu machen und die Liebe zu ihm zu entfachen. Er ist auch ein Vorbild geduldigen Leidens um des Evangeliums willen, ein Vorbild des Gehorsams gegenüber den Vorgesetzten und ein Vorbild der liebevollen Sorge für die Kirche Gottes (vgl. Apg 20,28). Wie wir lebte er in einer Zeit rascher und tiefgreifender Veränderungen: Die Katholiken waren eine Minderheit und oft untereinander gespalten, und es gab gelegentliche Feindseligkeiten, sogar Verfolgung von außen. Und doch konnte er, weil er ständig mit dem gekreuzigten Herrn im Gebet vereint war, für alle Menschen zu einer lebendigen Ikone von Gottes Barmherzigkeit und seiner versöhnenden Liebe werden.

Zweitens führt der heilige Joseph uns vor Augen, welche Bedeutung der Überwindung religiöser Spaltungen im Dienst für den Frieden zukommt. Seine ungeteilte Liebe zu Gott öffnete ihn für die Liebe zum Nächsten; er diente den Notleidenden, wo und wer immer sie waren. Sein Beispiel inspiriert auch heute noch die Kirche in Sri Lanka. Gerne und großherzig dient sie allen Gliedern der Gesellschaft. Sie macht keine Unterschiede nach Rasse, Bekenntnis, Volksstamm, Stand oder Religion in dem Dienst, den sie durch ihre Schulen, Krankenhäuser, Kliniken und viele andere gemeinnützige Werke bereitstellt. Die einzige Gegenleistung, die sie fordert, ist die Freiheit, ihre Mission zu erfüllen. Religionsfreiheit ist ein fundamentales Menschenrecht. Jeder Einzelne muss – allein oder in Gemeinschaft mit anderen – frei sein, nach der Wahrheit zu suchen und die eigenen religiösen Überzeugungen öffentlich auszudrücken, ohne Einschüchterung und äußeren Zwang. Wie uns das Leben des heiligen Joseph Vaz lehrt, bringt eine authentische Gottesverehrung Frucht nicht etwa in Diskriminierung, Hass und Gewalt, sondern in der Achtung vor der Unverletzlichkeit des Lebens, in der Achtung vor der Würde und Freiheit anderer und im liebevollen Einsatz für das Wohl aller.

Und schließlich gibt der heilige Joseph uns ein Beispiel missionarischen Eifers. Obwohl er nach Ceylon kam, um die katholische Gemeinschaft zu betreuen, brachte er seine am Evangelium orientierte Liebe allen entgegen. Indem er seine Heimat, seine Familie und die Bequemlichkeit seiner gewohnten Umgebung hinter sich ließ, folgte er dem Ruf, hinauszugehen und von Christus zu sprechen, wohin auch immer er gesandt wurde. Der heilige Joseph wusste, wie man die Wahrheit und die Schönheit des Evangeliums in einem multireligiösen Kontext darbieten muss, mit Respekt, Hingabe, Ausdauer und Demut. Das ist auch der Weg für die Anhänger Jesu von heute. Wir sind berufen, mit demselben Eifer, demselben Mut des heiligen Joseph hinauszugehen, aber auch mit seiner Sensibilität, seiner Ehrfurcht vor den anderen und mit seinem Wunsch, mit ihnen jenes Wort der Gnade (vgl. Apg 20,32) zu teilen, das die Kraft hat, sie aufzubauen. Wir sind berufen, missionarische Jünger zu sein.

Liebe Brüder und Schwestern, ich bete, dass die Christen dieses Landes, indem sie dem Beispiel des heiligen Joseph Vaz folgen, im Glauben gestärkt werden und einen immer bedeutenderen Beitrag zu Frieden, Gerechtigkeit und Versöhnung in der Gesellschaft Sri Lankas leisten mögen. Das ist es, was Christus von euch verlangt. Das ist es, was der heilige Joseph euch lehrt. Das ist es, was die Kirche von euch braucht. Ich empfehle euch alle der Fürsprache unseres neuen Heiligen, so dass ihr in Gemeinschaft mit der Kirche in aller Welt dem Herrn ein neues Lied singt und allen Enden der Erde seine Herrlichkeit verkündet. Denn groß ist der Herr und hoch zu preisen (vgl. Ps

Der Text der Papstpredigt in Assisi

B_Franziskus3.Pastoralbesuch in Assisi: Predigt von Papst Franziskus während der Eucharistiefeier auf der Piazza San Francesco

»Ich preise dich, Vater, Herr des Himmels und der Erde, weil du all das den Weisen und Klugen verborgen, den Unmündigen aber offenbart hast« (Mt 11,25).

Friede und Heil euch allen! Mit diesem franziskanischen Gruß danke ich euch, dass ihr hier auf diesen geschichtsträchtigen und vom Glauben geprägten Platz gekommen seid, um gemeinsam zu beten.

Heute bin auch ich wie viele Pilger gekommen, um den himmlischen Vater für all das zu preisen, was er einem dieser „Kleinen", von denen das Evangelium spricht, hat offenbaren wollen: Franziskus, dem Sohn eines reichen Kaufmanns aus Assisi. Die Begegnung mit Jesus brachte ihn dazu, ein gut situiertes, sorgenfreies Leben aufzugeben, um sich mit der „Herrin Armut" zu vermählen und als wahrer Sohn des Vaters im Himmel zu leben. Diese Wahl des heiligen Franziskus war eine radikale Weise, Christus nachzuahmen, sich mit dem zu „bekleiden", der reich war und arm wurde, um uns durch seine Armut reich zu machen (vgl. 2 Kor 8,9). Im ganzen Leben des Franziskus sind die Liebe zu den Armen und die Nachahmung des armen Christus zwei untrennbar miteinander verbundene Elemente, die beiden Seiten ein und derselben Medaille.

Was bezeugt uns der heilige Franziskus heute? Was sagt er uns, nicht mit Worten – das ist einfach –, sondern mit dem Leben?

Das Erste, Grundlegende, was er uns bezeugt, ist dies: Christsein ist eine lebendige Beziehung zur Person Jesu, ist ein Sich-Bekleiden mit ihm, ein Ihm-ähnlich-Werden.

Wo nimmt der Weg des heiligen Franziskus zu Christus seinen Anfang? Beim Blick des gekreuzigten Jesus. Sich von ihm anschauen lassen in dem Moment, in dem er sein Leben für uns hingibt und uns zu sich zieht. Franziskus hat diese Erfahrung in besonderer Weise in der kleinen Kirche von San Damiano gemacht, als er vor dem Kruzifix betete, das auch ich heute noch verehren werde. Auf diesem Kreuz erscheint Jesus nicht tot, sondern lebend! Das Blut fließt aus den Wunden der Hände, der Füße und der Seite herab, doch dieses Blut drückt Leben aus. Jesus hat die Augen nicht geschlossen, sondern geöffnet, weit offen: ein Blick, der zum Herzen spricht. Und der Gekreuzigte spricht uns nicht von Niederlage, von Scheitern. Paradoxerweise spricht er uns von einem Tod, der Leben ist, der Leben hervorbringt, denn er spricht uns von Liebe, weil er die Mensch gewordene Liebe Gottes ist. Und die Liebe stirbt nicht, nein, sie besiegt das Böse und den Tod. Wer sich vom gekreuzigten Jesus anschauen lässt, wird gleichsam neu erschaffen, wird eine »neue Schöpfung«. Das ist der Ausgangspunkt von allem: Es ist die Erfahrung der verwandelnden Gnade, unverdient geliebt zu sein, obwohl man Sünder ist. Darum kann Franziskus wie der heilige Paulus sagen: »Ich aber will mich allein des Kreuzes Jesu Christi, unseres Herrn, rühmen« (Gal 6,14).

Wir wenden uns an dich, heiliger Franziskus, und bitten dich: Lehre uns, vor dem Gekreuzigten zu verweilen, uns von ihm anschauen zu lassen, uns von seiner Liebe vergeben und neu erschaffen zu lassen.

Im Evangelium haben wir diese Worte gehört: »Kommt alle zu mir, die ihr euch plagt und schwere Lasten zu tragen habt. Ich werde euch Ruhe verschaffen. Nehmt mein Joch auf euch und lernt von mir; denn ich bin gütig und von Herzen demütig« (Mt 11,28-29).

Das ist das Zweite, was Franziskus uns bezeugt: Wer Christus nachfolgt, empfängt den wahren Frieden, den nur er uns geben kann und nicht die Welt. Der heilige Franziskus wird von vielen mit dem Frieden verbunden, und das ist recht so, doch wenige gehen in die Tiefe. Welches ist der Friede, den Franziskus empfangen und gelebt hat und den er an uns weitergibt? Es ist der Friede Christi, der den Weg über die größte Liebe, die des Kreuzes, genommen hat. Es ist der Friede, den der auferstandene Jesus den Jüngern schenkte, als er in ihrer Mitte erschien und zu ihnen sagte: »Friede sei mit euch!« und ihnen dabei seine verwundeten Hände und seine durchbohrte Seite zeigte (vgl. Joh 20,19.20).

Der franziskanische Friede ist keine Gefühlsduselei. Bitte, diesen heiligen Franziskus gibt es nicht! Und er ist auch nicht eine Art pantheistischer Harmonie mit den Energien des Kosmos… Auch das ist nicht franziskanisch, sondern eine Idee, die einige entwickelt haben! Der Friede des heiligen Franziskus ist der Friede Christi, und diesen Frieden findet, wer Christi „Joch auf sich nimmt", nämlich sein Gebot: Liebt einander, so wie ich euch geliebt habe (vgl. Joh 13,34; 15,12). Und dieses Joch kann man nicht mit Arroganz, mit Überheblichkeit, mit Hochmut tragen, sondern nur mit Gütigkeit und Herzensdemut.

Wir wenden uns an dich, heiliger Franziskus, und bitten dich: Lehre uns, „Werkzeuge des Friedens" zu sein, jenes Friedens, der seine Quelle in Gott hat, des Friedens, den Jesus, der Herr, uns gebracht hat.

„Höchster, allmächtiger, guter Herr … gelobt seist du … mit allen deinen Geschöpfen" (FF, 1820, in: Franziskus-Quellen, Kevelaer 2009, S. 40). So beginnt der Sonnengesang des heiligen Franziskus. Die Liebe zur gesamten Schöpfung, zu ihrer Harmonie. Der Heilige von Assisi bezeugt die Achtung gegenüber allem, was Gott erschaffen hat und was der Mensch zu bewahren und zu schützen berufen ist. vor allem aber bezeugt er die Achtung und die Liebe gegenüber jedem Menschen. Gott hat die Welt erschaffen, damit sie ein Ort des Wachsens in Harmonie und Frieden sei, nicht dem Dienst an den Götzen unterworfen.

Harmonie und Frieden! Franziskus war ein Mensch der Harmonie und des Friedens. Von dieser „Stadt des Friedens" aus wiederhole ich mit der Kraft und der Sanftheit der Liebe: Achten wir die Schöpfung, seien wir nicht Werkzeuge der Zerstörung! Achten wir jeden Menschen: Mögen die bewaffneten Konflikte, die die Erde mit Blut durchtränken, aufhören, mögen die Waffen schweigen und überall der Hass der Liebe weichen, die Beleidigung der Vergebung und die Zwietracht der Einheit! Hören wir den Schrei derer, die weinen, leiden und sterben aufgrund der Gewalt, des Terrorismus oder des Krieges – im Heiligen Land, das der heilige Franziskus so sehr liebte, in Syrien, im ganzen Nahen Osten, in der Welt.

Wir wenden uns an dich, heiliger Franziskus, und bitten dich: Erwirke uns von Gott die Gabe, dass in dieser unserer Welt Harmonie und Frieden herrsche!

Schließlich darf ich nicht vergessen, dass heute Italien den heiligen Franziskus als seinen Patron feiert. Das drückt sich auch in der traditionellen Geste der Spende des Öls für die Votivlampe aus, die gerade in diesem Jahr der Region Umbrien zufällt. Beten wir für die italienische Nation, dass jeder immer für das Gemeinwohl arbeite und dabei mehr auf das Einende als auf das Trennende schaue.

So übernehme ich das Gebet des heiligen Franziskus für Assisi, für Italien und für die Welt: »Daher bitte ich dich, Herr Jesus Christus, Vater der Erbarmungen, schau nicht auf unsere Undankbarkeit, sondern gedenke stets deiner reichlich überströmenden Güte, die du in [dieser Stadt] gezeigt hast, damit sie immer Ort und Wohnstätte jener sei, die dich wahrhaft erkennen und deinen gebenedeiten und glorreichsten Namen verherrlichen wollen von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen« (Spiegel der Vollkommenheit, 124: FF, 1824, in: Franziskus-Quellen, Kevelaer 2009, S. 1331). (rv)

GB/Dokument: Papstpredigt in Glasgow am Donnerstag

„Liebe Brüder und Schwestern in Christus! „Das Reich Gottes ist euch nahe!" (Lk 10,9). Mit diesen Worten aus dem Evangelium, das wir eben gehört haben, begrüße ich euch alle ganz herzlich im Herrn. Wahrhaftig ist das Reich des Herrn bereits in unserer Mitte! In dieser Eucharistiefeier, in der die Kirche in Schottland sich vereint mit dem Nachfolger Petri um den Altar versammelt, laßt uns erneut unseren Glauben an Christi Wort und unsere Hoffnung auf seine Verheißungen bekräftigen – eine Hoffnung, die nie enttäuscht. Ich grüße herzlich Kardinal O’Brien und die schottischen Bischöfe; ich danke besonders Erzbischof Conti für seine freundlichen Worte zur Begrüßung in eurem Namen; und ich möchte meine tiefe Dankbarkeit für die Arbeit ausdrücken, welche die britische und die schottische Regierung sowie die Glasgower Stadtväter geleistet haben, um dieses Ereignis zu ermöglichen.
Das heutige Evangelium erinnert uns daran, daß Christus fortfährt, seine Jünger in die Welt zu senden, um die Ankunft seines Reiches zu verkünden und seinen Frieden in die Welt zu bringen, indem sie Haus für Haus, Familie für Familie, Stadt für Stadt damit beginnen. Ich bin als Bote jenes Friedens zu euch, den geistlichen Kindern des heiligen Andreas, gekommen und möchte euch im Glauben des Petrus bestärken (vgl. Lk 22,32). Mit einer gewissen inneren Ergriffenheit begrüße ich euch unweit des Ortes, an dem mein lieber Vorgänger Papst Johannes Paul II. vor fast dreißig Jahren mit euch die Messe feierte und von der größten Menschenmenge willkommen geheißen wurde, die sich jemals in der schottischen Geschichte versammelt hat.
Vieles ist seit diesem historischen Besuch in Schottland und in der Kirche in diesem Land geschehen. Mit großer Zufriedenheit stelle ich fest, daß der Aufruf von Papst Johannes Paul II. an euch, Hand in Hand mit euren Mitchristen voranzugehen, zu größerem Vertrauen und zu größerer Freundschaft mit den Mitgliedern der Church of Scotland, der Scotish Episcopal Church und anderen geführt hat. Ich möchte euch ermutigen, auch weiterhin mit ihnen zu beten und zu arbeiten für den Aufbau einer helleren Zukunft für Schottland, die auf unserem gemeinsamen christlichen Erbe basiert. In der heutigen ersten Lesung haben wir den heiligen Paulus gehört, wie er die Römer ermahnt anzuerkennen, daß wir als Glieder Christi einander zugehören (vgl. Röm 12,5), und in gegenseitiger Achtung und Liebe zu leben. In diesem Geist begrüße ich die ökumenischen Vertreter, die uns mit ihrer Anwesenheit beehren. In dieses Jahr fällt der vierhundertfünfzigste Jahrestag des Reformations-Parlamentes, aber auch der hundertste Jahrestag der Weltmissions-Konferenz in Edinburgh, die weithin als die Geburtsstunde der modernen ökumenischen Bewegung angesehen wird. Laßt uns Gott danken für die in ökumenischer Verständigung und Zusammenarbeit liegende vielversprechende Hoffnung auf ein geeintes Zeugnis für Gottes rettende Wahrheit in der heutigen schnellebigen Gesellschaft.
Unter den unterschiedlichen Gaben, die der heilige Paulus für den Aufbau der Kirche aufzählt, ist die des Lehrens (vgl. Röm 12,7). Die Verkündigung des Evangeliums war immer begleitet von der Achtung für das Wort: das inspirierte Wort Gottes und die Kultur, in der dieses Wort Wurzeln schlägt und blüht. Hier in Schottland denke ich an die drei mittelalterlichen Universitäten, die in diesem Land von den Päpsten gegründet wurden, einschließlich der Saint Andrews University, die auf das sechshundertjährige Jubiläum ihrer Gründung zugeht. In den letzten dreißig Jahren haben sich die katholischen Schulen, unterstützt von den zivilen Behörden, der Herausforderung gestellt, einer größeren Anzahl von Schülern eine umfassende Ausbildung zu bieten, und das hat den jungen Menschen nicht nur auf dem Weg geistigen und menschlichen Wachstums geholfen, sondern ihnen auch den Zugang zum beruflichen und öffentlichen Leben verschafft. Das ist ein Zeichen großer Hoffnung für die Kirche, und ich ermutige die katholischen Fachkräfte, Politiker und Lehrer Schottlands, niemals ihre Berufung aus den Augen zu verlieren, ihre Begabungen und Erfahrungen in den Dienst des Glaubens zu stellen und dabei die moderne schottische Kultur auf allen Ebenen einzubeziehen.
Die Evangelisierung der Kultur ist um so wichtiger in unserer Zeit, in der eine „Diktatur des Relativismus" droht, die unveränderliche Wahrheit über das Wesen des Menschen, seine Bestimmung und sein höchstes Gut zu verdunkeln. Es gibt jetzt Bestrebungen, den religiösen Glauben aus dem öffentlichen Diskurs auszuschließen, ihn zu privatisieren oder ihn sogar als Bedrohung der Gleichheit und der Freiheit darzustellen. Tatsächlich aber ist Religion eine Garantie für echte Freiheit und Achtung, da sie uns dazu führt, jeden Menschen als Bruder oder Schwester zu betrachten. Aus diesem Grund appelliere ich besonders an euch gläubige Laien, entsprechend eurer in der Taufe begründeten Berufung und Sendung nicht nur öffentlich Vorbilder im Glauben zu sein, sondern euch auch für die Förderung der Weisheit und der Sichtweise des Glaubens in der Öffentlichkeit einzusetzen. Die Gesellschaft braucht heute klare Stimmen, die unser Recht betonen, nicht in einem Dschungel selbstzerstörerischer und willkürlicher Freiheiten zu leben, sondern in einer Gesellschaft, die für das wahre Wohl ihrer Bürger sorgt und ihnen angesichts ihrer Schwäche und Unsicherheit Wegweisung und Schutz bietet. Habt keine Angst, diesen Dienst an euren Brüdern und Schwestern wie auch für die Zukunft eurer geliebten Nation auf euch zu nehmen.
Der heilige Ninian, dessen Fest wir heute feiern, fürchtete sich nicht, eine einsame Stimme zu sein. In den Fußstapfen der Jünger, die unser Herr vor ihm aussandte, war Ninian einer der allerersten katholischen Missionare, die ihren britischen Zeitgenossen die gute Nachricht von Jesus Christus brachten. Seine Missionskirche in Galloway wurde ein Zentrum für die erste Evangelisierung dieses Landes. Dieses Werk wurde später vom heiligen Mungo, dem Patron Glasgows, und von anderen Heiligen weitergeführt, zu deren größten wohl der heilige Kolumban und die heilige Margareta gehören. Von ihnen inspiriert, haben sich über viele Jahrhunderte hin zahlreiche Männer und Frauen dafür eingesetzt, euch den Glauben zu überbringen. Bemüht euch, dieser großen Tradition würdig zu sein! Laßt euch durch den Aufruf des heiligen Paulus in der ersten Lesung immer neu anspornen: „Laßt nicht nach in eurem Eifer, laßt euch vom Geist entflammen und dient dem Herrn! Seid fröhlich in der Hoffnung, geduldig in der Bedrängnis, beharrlich im Gebet!" (Röm 12,11-12).
Nun möchte ich ein spezielles Wort an die Bischöfe von Schottland richten. Liebe Brüder, ich möchte euch in der Hirtensorge für die Katholiken Schottlands ermutigen. Wie ihr wißt, gilt eine eurer ersten pastoralen Pflichten euren Priestern (vgl. Presbyterorum Ordinis, 7) und ihrer Heiligung. Wie sie für die katholische Gemeinde ein alter Christus sind, so seid ihr es für sie. Lebt in eurem brüderlichen Dienst an euren Priestern die Liebe, die von Christus ausgeht, in Vollkommenheit, indem ihr mit ihnen allen zusammenarbeitet, besonders mit denjenigen, die wenig Kontakt zu ihren Mitbrüdern haben. Betet mit ihnen um Berufungen, daß der Herr der Ernte Arbeiter in seine Ernte sende (vgl. Lk 10,2). Genauso wie die Eucharistie die Kirche bildet, ist das Priestertum zentral für das Leben der Kirche. Setzt euch persönlich dafür ein, eure Priester zu einer Gruppe von Männern heranzubilden, die andere anspornen, sich ganz und gar dem Dienst des allmächtigen Gottes zu widmen. Tragt Sorge auch für eure Diakone, deren Dienstamt in besonderer Weise dem der Bischöfe zugeordnet ist. Seid ihnen ein Vater und ein Ratgeber in Heiligkeit, und ermuntert sie, in der Ausübung ihrer Sendung als Verkünder, zu der sie berufen wurden, an Kenntnis und Weisheit zuzunehmen.
Liebe Priester von Schottland, ihr seid zur Heiligkeit berufen und dazu, dem Volk Gottes zu dienen, indem ihr euer Leben in Einklang mit dem Geheimnis des Kreuzes des Herrn gestaltet. Verkündet das Evangelium mit lauterem Herzen und reinem Gewissen. Gebt euch Gott allein hin, und ihr werdet für junge Männer zu einem leuchtenden Vorbild eines heiligen, einfachen und frohen Lebens werden: Sicher werden dann diese ihrerseits den Wunsch hegen, sich euch in eurem zielstrebigen Dienst am Volk Gottes anzuschließen. Möge das Beispiel des heiligen John Ogilvie in seiner Hingabe, Selbstlosigkeit und Tapferkeit euch alle inspirieren. Ähnlich möchte ich euch, die Mönche, die Nonnen und alle Ordensleute Schottlands, ermuntern, ein Licht auf einem Berggipfel zu sein durch ein authentisches christliches Leben in Gebet und Tat, das auf leuchtende Weise die Kraft des Evangeliums bezeugt.
Zum Schluß möchte ich noch ein Wort an euch, liebe junge Katholiken Schottlands, richten. Ich möchte euch dringend ans Herz legen, ein Leben zu führen, das des Herrn (vgl. Eph 4,1) und euer selbst würdig ist. Viele Versuchungen stehen euch Tag um Tag vor Augen – Drogen, Geld, Sex, Pornographie, Alkohol –, von denen die Welt euch vorgaukelt, sie brächten Glück, doch diese Dinge sind zerstörerisch und zwiespältig. Nur eines ist dauerhaft: die Liebe, die Jesus Christus persönlich zu einem jeden von euch hat. Sucht ihn, lernt ihn kennen und liebt ihn, dann wird er euch befreien von der Sklaverei gegenüber der verlockenden, aber oberflächlichen Existenz, für die die heutige Gesellschaft so häufig wirbt. Legt ab, was wertlos ist, und lernt von eurer eigenen Würde als Kinder Gottes. Im heutigen Evangelium bittet Jesus uns, um Berufungen zu beten: Ich bete darum, daß viele von euch Jesus kennen und lieben lernen und durch diese Begegnung dahin gelangen, sich ganz Gott hinzugeben, besonders diejenigen unter euch, die zum Priestertum und zum Ordensleben berufen sind. Dies ist der Ruf, den Gott jetzt an euch richtet: Die Kirche heute ist eure!
Liebe Freunde, noch einmal drücke ich meine Freude darüber aus, diese Messe mit euch zu feiern. Gern versichere ich euch meines Gebetes in der alten Sprache eures Landes: Sìth agus beannachd Dhe dhuibh uile; Dia bhi timcheall oirbh; agus gum beannaicheadh Dia Alba. Gottes Frieden und Segen sei mit euch allen; Gott umgebe euch; und Gott segne das schottische Volk!" (rv)