Kardinal Tauran: Es gibt nur zwei Wege, Dialog oder Krieg

Kardinal TauranDer Vatikan-Verantwortliche für den Dialog mit den Muslimen empfindet „tiefe Abscheu“ angesichts der mörderischen Terror-Attacken in Frankreich. Kardinal Jean-Louis Tauran, selbst Franzose, leitet den Päpstlichen Rat für den Interreligiösen Dialog. Die Täter seien „offensichtlich komplett fehlgeleitete junge Männer“. Diese Form von Terrorismus bedrohe „alle Freiheiten“, so der Kardinal im Gespräch mit Radio Vatikan. Dieser Ansicht seien auch die vier französischen Imame, die sich just am Tag des ersten Attentats zu interreligiösen Gesprächen im Vatikan aufhielten und auch von Papst Franziskus in der Generalaudienz empfangen wurden.

„Sie waren tief schockiert, so wie wir alle, über das, was in Paris vorfiel. In diesem Zusammenhang haben sie daran erinnert, dass die Welt in Gefahr ist, wenn die Meinungsfreiheit nicht gewährleistet ist. Gemeinsam haben wir [in einer am Donnerstag vom Vatikan veröffentlichten Erklärungen, Anm.] festgehalten, dass die Religionsführer dazu aufgerufen sind, eine Kultur des Friedens und der Hoffnung zu fördern. Und wir haben nochmals unterstrichen, dass der Dialog zwischen den Religionen der einzige gangbare Weg ist, um Vorurteile auszuräumen. Es gibt nur zwei Wege: Dialog oder Krieg. Wir sind zum Dialog gewissermaßen verurteilt.“

Auf die Frage, wie man in einer Situation wie dieser Verwirrung und Falschinterpretationen vermeiden könne, sagte Tauran: „Sicherlich nur über die Kenntnis der Tatsachen und indem man innerhalb der Gemeinschaft darüber spricht. Es ist sehr wichtig sich Zeit zu nehmen, die anderen zu beobachten, ihnen zuzuhören, ihre –Sprache zu verstehen, eine gesunde Neugier zu entwickeln.“

Im Sommer vergangenen Jahres hatte der „Islamische Staat“ im Irak eine neue Etappe mörderischer Verfolgung von Christen, Jesiden und gemäßigten Muslimen gestartet. Der Päpstliche Dialograt unter Kardinal Tauran denunzierte diese Verbrechen im August in einer scharf formulierten Anklageschrift und rief auch Muslimführer dazu auf, die barbarischen Akte deutlich zu verurteilen.

„Seit diesem Appell im August gibt es Fortschritte“, sagte Tauran.

„Die muslimischen Religionsführer haben sich seither eher energisch zu Wort gemeldet, und es ist gut, sie zu unterstützen. Man muss aber auch verstehen, dass es für sie als echte Muslime eine große Demütigung ist, ihre Religion in dieser Weise verunglimpft zu sehen, weil sie mit blinder Gewalt in eins gesetzt wird.“

Der französische Bischof Michel Dubost hatte die vier Imame nach Rom begleitet. Dubost leitet in der Bischofskonferenz seines Landes den Rat für die interreligiösen Beziehungen. „Priez pour moi“, betet für mich, habe Franziskus die vier Imame gebeten, als er nach der Audienz einige Sätze mit ihnen wechselte. Kurz danach kam die Nachricht von dem Attentat auf das Satiremagazin „Charlie Hebdo“. Die Imame seien als Franzosen wie als Muslime ehrlich schockiert gewesen, berichtet Bischof Dubost. „Wir haben das mit ihnen den ganzen Tag gemeinsam erlebt, das war ein sehr wichtiger Moment für mich“, so der Dialogverantwortliche der französischen Bischofskonferenz. (rv)