Ökumene mit der Orthodoxie: Einheit geschieht auf dem Weg

Es war die erste Begegnung zwischen einem Papst und dem orthodoxen Patriarchen von Moskau überhaupt, vor genau einem Jahr trafen sich die beiden in denkbar nüchterner Umgebung auf dem Flughafen von Havanna. Papst Franziskus war tags zuvor Richtung Mexiko aufgebrochen, um den Patriarchen auf Kuba treffen zu können.

„Wir sind Brüder, und es ist ganz klar, dass das hier der Wille Gottes ist,“ hatte der Papst damals nach der Unterzeichnung eines gemeinsamen Dokumentes gesagt. Was aber bleibt von diesem kurzen Treffen, ein Jahr danach? Dieser Frage ist am Sonntag an der Universität Fribourg in der Schweiz ein Studientag nachgegangen, den das dort ansässige Institut für Ökumenische Studien gemeinsam mit der Schweizer Bischofskonferenz ausrichtete. Mit dabei waren die Ökumene-Verantwortlichen sowohl der russisch-orthodoxen als auch der katholischen Kirche, Metropolit Hilarion aus Moskau und Kardinal Kurt Koch aus dem Vatikan.

Die Frage war, was sich in den Beziehungen zwischen katholischer und orthodoxer Kirche durch und seit der Begegnung auf Kuba getan hat. „Wahrscheinlich mehr noch als konkrete Ereignisse ist wichtig, dass sich die Atmosphäre geändert hat“, berichtet Barbara Hallensleben, Dogmatik-Professorin in Fribourg und eine der Organisatorinnen des Treffens. Patriarch und Papst hatten gewollt, dass ihr Wunsch, aufeinander zuzugehen und Vertrauen zu schenken, sich in den Kirchen verbreite.

Eine neue Art Theologie

Die Hauptvorträge des Tages hielten für die orthodoxe Kirche von Moskau Metropolit Hilarion und für den Vatikan der Ökumenebeauftragte Kardinal Kurt Koch. Beide sprachen auch konkretere Ergebnisse angesprochen, berichtet Hallensleben. „Eine Ökumene der Heiligen, eine kulturelle Ökumene und das, was sie die Ökumene der praktischen Zusammenarbeit genannt haben, die bis auf die politische Ebene geht. Hier wird die internationale politische Lage angesprochen, die Vertreibung der Christen in Syrien und anderen Kernlanden des ursprünglichen Christentums.“ Gemeinsame Reisen und Delegationen, zusammen vorgebrachte Appelle, aber auch gemeinsame Hilfe für die lokalen Bevölkerungen, das alles bringt die Ökumene voran.

„Was mich lange als Theologin beschäftigt hat war die Unruhe, ob das nicht eine Art Ausweichen aus der Theorie in die Praxis ist, aus der Glaubenslehre in eine einfache soziale Zusammenarbeit“, bekennt die Professorin, die auch als Konsultorin des von Kardinal Koch geleiteten Päpstlichen Einheitsrates wirkt. „Wenn ich aber die Texte jetzt lese und höre, was hier geschieht, scheint mir genau umgekehrt eine neue Art Theologie zu entstehen. Eine Theologie, welche die nichttheologischen Faktoren nicht einfach abtut, sondern sie in ihre Arbeit einbezieht, eine Theologie, die sich hier und heute engagiert, um den Glauben zu leben und Christus nachzufolgen.“

Misstrauen und Nichtwissen überwinden

Es gebe viel Misstrauen und Nichtwissen voneinander, so Hallensleben; dem versuchten die Dimensionen der Ökumene der Heiligen, also des Kennenlernens religiöser Traditionen, und die kulturelle Ökumene entgegen zu wirken. „Natürlich gibt es sowohl in der katholischen Kirche als auch in der russisch-orthodoxen Kirche gewisse Kreise, wo sehr viel Skepsis herrscht. Etwa in der katholischen Tradition gegenüber der Öffnung, für die Papst Franziskus steht, aber auch in der orthodoxen Kirche gibt es Skepsis gegenüber dem, was Patriarch Kyrill als Annäherung an die katholische Kirche vollzieht“, beobachten Hallensleben. Aber es sei zu schade, sich auf diese Beharrungskräfte und Widerstände zu konzentrieren. Wichtiger, zugleich auch schwieriger zu überwinden seien die verbreitete Unkenntnis und auch Missinformation übereinander. „Das kann man nicht in Grundsatzerklärungen in einem Schritt überwinden, sondern man braucht sehr viel Zeit und Geduld, man braucht Begegnung, man braucht neue und positive Erfahrungen, welche die alten negativen Erfahrungen und Elemente des Misstrauens mehr und mehr ersetzen.“

Darum solle diese Initiative von Havanna einerseits auch in Zukunft fortgesetzt werden, aber auch in die Ortskichen eingebracht werden, etwa durch Austausch von Studenten oder durch das Erlernen der jeweiligen Sprachen.

Die große Frage im Hintergrund ist immer die, ob denn in absehbarer Zeit einmal ein Papst auch nach Russland werde reisen können. Barbara Hallensleben wagt keine Prognose, findet aber die dezentral stattfindenden Jahrestage von Havanna im Prinzip nicht unwichtiger als eine solche Reise. „Ich bin sehr sicher, dass vielleicht tatsächlich sogar schon Patriarch Kyrill einmal Rom besuchen wird, als auch dass der Papst in absehbarer Zeit nach Moskau reisen wird.“ (rv)

Ökumene-Kardinal sieht Fortschritte beim Dialog mit Orthodoxen

Kard_KochDie Internationale Dialogkommission der katholischen und orthodoxen Kirchen konnte auf einer gemeinsamen Sitzung in Amman keinen Konsens über ein Papier zur Frage des Primats und der Synodalität finden: Der Entwurf zu Grundfragen der Kirchenverfassung fand bei den siebentägigen Gesprächen offenbar keine allgemeine Zustimmung. Den gemeinsamen Vorsitz des Treffens in Jordanien hatten der Vertreter des Ökumenischen Patriarchats, Metropolit Ioannis (Zizioulas) und der vatikanische Ökumene-Verantwortliche, Kardinal Kurt Koch. Trotz der Divergenzen in Amman sieht der Schweizer Kurienkardinal im Gespräch mit Radio Vatikan dennoch Fortschritte in der Verständigung.

„Der allergrößte Fortschritt ist aus meiner Sicht, dass alle Beteiligten bereit und auch willens sind, den Dialog weiterzuführen. Das ist nicht ganz einfach. Es war jetzt beispielsweise nicht möglich, mit einem Dokument an die Öffentlichkeit zu gehen. Das Vorbereitungsdokument, das zur Diskussion stand, wurde vor allem von orthodoxer Seite abgelehnt. Dann haben wir uns entschieden, ein neues Dokument zu erarbeiten und zwar über die wichtigsten Elemente des Hauptthemas von Synodalität und Primat im ersten Jahrtausend. Das wurde jedoch als nicht reif beurteilt. Nächstes Jahr soll nun ein neues Koordinierungskomitee den Text vertiefen und verbessern, um dann eine neue Plenarversammlung einzuberufen, sodass wir diesen Text zu Ende führen können.“

In zwei Jahren werde vor allem für die orthodoxen Kirche ein „heikles Jahr“ sein, so Kardinal Koch. Denn für 2016 ist das Panorthodoxe Konzil geplant. Deshalb werde die katholisch-orthodoxe Großversammlung kaum vor 2017 stattfinden, fügte der Ökumene-Verantwortliche an.

„Ich hoffe sehr, dass das Panorthodoxe Konzil überhaupt stattfinden wird, denn die Plenarversammlung hat uns gezeigt, wie viele Differenzen unter den orthodoxen Kirchen bestehen. Wir haben vielleicht mehr Differenzen unter den Orthodoxen als zwischen den Orthodoxen und Katholiken. Wenn die orthodoxen Kirchen auf einer Panorthodoxen Synode zu einer größeren Einheit unter sich finden, wird das auch eine große Hilfe für die Fortsetzung unseres Dialogs sein.“

Bedenken und Kritik kam in Amman vor allem von russisch-orthodoxer Seite. Dies ist kein Novum: bereits beim Treffen in Ravenna von 2007 gab es Vorbehalte aus Moskau. Die damalige Kritik werde auch heute noch eingebracht, so Kardinal Koch.

„Das Hauptproblem des Ravenna-Dokuments ist aus russisch-orthodoxer Sicht der Paragraph über die universale Ebene im Blick auf das Verhältnis von Synodalität und Primat. Sie akzeptieren einen Primat auf universaler Ebene, aber nur in einem pragmatischen und nicht in einem theologischen Sinn. Das ist für uns Katholiken eine schwierige Herausforderung, weil der Petrusdienst nicht einfach etwas rein administratives und pragmatisches ist. Da müssen wir eindeutig mehr Konsens finden. Aber ich darf ehrlich sagen, dass wir eine gute Zusammenarbeit mit der russisch-orthodoxen Delegation in Amman hatten.“

Metropolit Hilarion sei bereit gewesen, im Redaktionskomitee für den neuen Text mitzuarbeiten, gab Koch bekannt. Der Vertreter aus Moskau habe angeregt, den Konsenstext zu Ende zu führen.

„Was bei ihm aber immer wieder durchscheint, ist diese ungeheure Kritik an der griechisch-katholischen Kirche in der Ukraine. Da hat er auch immer wieder deutlich gesagt, dass der sogenannte Uniatismus – also die mit Rom unierten Kirchen – eine Wunde im Leib Christi seien. Da muss ich ihm natürlich widersprechen: die eigentliche Wunde ist die Trennung der Kirche zwischen Ost und West. Der Uniatismus ist eine Konsequenz dieser Wunde. Wenn wir das Problem des Uniatismus lösen wollen, dann müssen wir die Einheit finden.“

Am Rande der Vollversammlung war Metropolit Hilarion auch bilateral aktiv. So konferierte er mit dem Präfekten der vatikanischen Ostkirchenkongregation, Kardinal Leonardo Sandri, über die unterschiedliche Bewertung der Rolle der griechisch-katholischen Kirche im russisch-ukrainischen Konflikt. (rv)