Vatikan/England: „Bewusstseinsbildung in Sachen Missbrauch muss immer weitergehen“

Der Wille zur Aufklärung und Prävention von sexuellem Missbrauch durch Kleriker zeigt sich im Befolgen der päpstlichen Lehre; Benedikt XVI. sei der „perfekte Steuermann", um das „Schiff Petri" aus diesem Sturm herauszufahren. Das hat jetzt der Missbrauchsbeauftragte der vatikanischen Kongregation für die Glaubenslehre betont. Der aus Malta stammende Priester Charles Scicluna hält sich in diesen Tagen in London auf, wo er an einem Theologenkongress zum Thema Missbrauch teilnahm. Auf die Frage unserer englischen Kollegin, ob es im Vatikan bis jetzt eine ausreichende Reflektion darüber gegeben habe, welche Strukturen Missbrauch begünstigen können, sagte Scicluna:

„Der Wille dazu ist klar, wenn die Lehre des Heiligen Vaters befolgt wird. Wir wissen, dass er klare und theologisch fundierte Worte zum Thema findet, aber auch sehr inspirierende Worte, für alle. Der Vatikan ist aus Menschen gemacht, und wir sind alle auf dem Weg der Bekehrung. Aber wenn wir sagen wollen, wo das Schiff Petri hinfährt, müssen wir darauf schauen, wer es fährt. Meiner Meinung nach ist Benedikt XVI. der perfekte Steuermann in diesen Fragen. Hier gibt es eine unbestrittene Führerschaft."

In der interdisziplinären Aufarbeitung des Missbrauchsskandals sieht Scicluna große Chancen für den Kampf gegen das Phänomen. Auf der Konferenz von London sei einmal mehr klar geworden, dass es eine Öffnung der Diskussion brauche, die Bewusstseinsbildung müsse immer weitergehen:

„Wir müssen weiter offen sein gegenüber Diskussionen, die inklusiv sind (…) Das bedeutet, die Mitverantwortung der Laien und der Theologen zu stärken, damit sie eine kirchliche Realität im eigentlichen Sinne lehren. Sie versuchen Antworten auf die Folgen von Machtmissbrauch zu geben, und dazu gehört auch der sexuelle Missbrauch von Minderjährigen, eine Plage in der Kirche." (rv)

GB: Papst verläßt Großbritannien – Verabschiedung in Birmingham

„Vier unglaublich bewegende Tage für unser Land": So beschreibt der neue britische Premierminister, der Konservative David Cameron, die Papstvisite in Großbritannien. Am Sonntag Abend meint er bei der Verabschiedung Benedikts in Birmingham, der Staatsbesuch sei „wahrhaft historisch gewesen":
„Sie haben zu einer Nation mit sechs Millionen Katholiken gesprochen, aber Ihnen haben auch mehr als sechzig Millionen Staatsbürger überhaupt und weitere Millionen von Menschen anderswo in der Welt zugehört. Sie hatten eine Botschaft nicht nur für die katholische Kirche, sondern für jeden von uns – egal, ob gläubig oder nicht."
Der Papst habe „wirklich die ganze Gesellschaft herausgefordert, mal einen Moment innezuhalten und nachzudenken" – und er denke, so der Politiker, das könne „nur eine gute Sache sein". Großbritannien wolle seine Zusammenarbeit mit dem Heiligen Stuhl in internationalen Schlüsselfragen verstärken: Cameron nannte Klimawandel, Weltfrieden, Entwicklung und Religionsgespräch. Was die Millenniumsziele betreffe, auf die Benedikt die Briten angesprochen hatte, meinte der „Prime Minister": „Diese Nation wird ihre Hilfsversprechen halten, und wir werden auch andere Länder dazu anhalten, das ebenfalls zu tun."
Papst Benedikt fand in seiner letzten Rede auf britischem Boden noch ein freundliches Wort für die multikulturelle Gesellschaft, die er bei seiner Ankunft am Donnerstag noch vorsichtig als „interessantes Unternehmen" qualifiziert hatte.
„Die große Vielfalt des modernen Großbritanniens ist eine Herausforderung für die Regierung und für das Volk, aber sie bietet auch eine gute Möglichkeit für einen weiteren interkulturellen und
interreligiösen Dialog zur Bereicherung der ganzen Gemeinschaft."
Er sei dankbar für die Gelegenheiten dieser Tage, mit Politikern und Vertretern der Zivilgesellschaft Großbritanniens zusammenzukommen. „Ich hoffe aufrichtig, daß diese Gelegenheiten dazu beitragen, die ausgezeichneten Beziehungen zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Vereinigten Königreich weiter zu festigen und zu vertiefen, besonders in der Zusammenarbeit für internationale Entwicklung, in der Sorge für die Umwelt und beim Aufbau einer bürgerlichen Gesellschaft mit einem erneuerten Sinn für gemeinsame Werte und Zielsetzungen." (rv)

GB: Papst spricht Newman selig und gedenkt des II. Weltkriegs

Papstreise nach GB: 4. Tag

Bei einer Heiligen Messe in Birmingham hat Papst Benedikt XVI. den britischen Kardinal John Henry Newman selig gesprochen. Newman (1801-1890) war ein anglikanischer Theologe, der 1845 zur katholischen Kirche übertrat. Papst Leo XIII. erhob ihn in den Kardinalsstand. Benedikt würdigte den neuen Seligen bei dem Gottesdienst als großen Intellektuellen und Seelsorger. Mit seinen „heroischen Tugenden eines heiligen Engländers" stehe er in einer Reihe mit prägenden Heiligen und Gelehrten aus der Geschichte des Landes.
 60.000 Menschen hatten sich zu dem Gottesdienst unter freiem Himmel in einem Park versammelt. Trotz des nasskalten Wetters hatten viele Pilger dort bereits die Nacht verbracht. Zu Beginn der Feier klarte aber der Himmel auf.
Mit bewegenden Worten gedachte der Papst abermals des Zweiten Weltkriegs, bei dem auch viele Briten ums Leben gekommen waren, um sich, so Benedikt, den „Kräften jener üblen Ideologie zu widersetzen"
„Meine Gedanken gehen besonders zum nahe gelegenen Coventry, das im November 1940 ein so schweres Bombardement erlitt und einen enormen Verlust an Menschenleben zu beklagen hatte. Siebzig Jahre danach erinnern wir uns beschämt und entsetzt an den furchtbaren Preis von Tod und Zerstörung, den der Krieg fordert, und wir erneuern unseren Entschluss, für Frieden und Versöhnung zu arbeiten, wo immer die Gefahr eines Krieges sich bedrohlich abzeichnet."
In der Predigt unterstrich der Papst vor allem das spirituelle Profil des neuen Seligen, das bis heute eine Faszination auf die Menschen ausübe.
„Newman lebte diese zutiefst menschliche Sicht des priesterlichen Dienstes in seiner treuen Fürsorge für die Menschen von Birmingham während der Jahre, die er in dem von ihm gegründeten Oratorium verbrachte, indem er die Kranken und die Armen besuchte, die Hinterbliebenen tröstete und sich um die Gefangenen kümmerte."
Außerdem habe Newman einen bleibenden Beitrag für die Pädagogik geleistet, die bis heute die katholischen Schulen präge. Newman sei ein Gegner eines rein zweckorientierten Bildungsansatzes gewesen und habe ein pädagogisches Umfeld gefordert, „in dem intellektuelle Übung, moralische Disziplin und religiöses Engagement miteinander verbunden sein sollten". Das fördere ein recht verstandenes Laienapostolat.
„Welches Ziel könnten Religionslehrer sich setzen, das besser wäre als der berühmte Appell des seligen John Henry für einen intelligenten, gut unterrichteten Laien: „Ich wünsche mir Laien, nicht arrogant, nicht vorlaut, nicht streitsüchtig, sondern Menschen, die ihre Religion kennen, die sich auf sie einlassen, die ihren eigenen Standpunkt kennen, die wissen, woran sie festhalten und was sie unterlassen, die ihr Glaubensbekenntnis so gut kennen, dass sie darüber Rechenschaft ablegen können, die über so viel geschichtliches Wissen verfügen, dass sie ihre Religion zu verteidigen wissen."
Beim abschließenden Angelusgebet betonte der Papst die marianische Frömmigkeit Newmans, der in vielfältigster Weise sein Priestertum „im Geist kindlicher Ergebenheit zur Muttergottes" gelebt habe. Außerdem wandte er sich mit einem Gruß an die Katholiken im südspanischen Sevilla, wo am Tag zuvor die Ordensfrau Mutter Maria de la Purisima de la Cruz seliggesprochen worden war.
Bei der Eucharistiefeier verwendete Benedikt einen Kelch aus dem Besitz Newmans. Als Gedenktag ist der 9. Oktober festgesetzt worden. Es ist der Tag, an dem Newman zum Katholizismus konvertierte.
Im Anschluss an den Gottesdienst besucht der Papst das Wohnhaus Newmans. Am Nachmittag steht ein Treffen mit den katholischen Bischöfen von England, Wales und Schottland auf dem Programm. Am Sonntagabend fliegt Benedikt XVI. nach Rom zurück. (rv)