Erzbischof Heße: Thema Flucht gehört zum Katholikentag

Erzbischof Stefan HeßeUm das Thema Flüchtlinge kommt man beim Katholikentag nicht herum, es ist wie ein roter Faden. Bereits bei der Ankunft im Bahnhof begegnet dem Besucher die Installation eines Flüchtlingsbootes, erstellt von Kindern. Aber auch in den Gesprächen auf den Podien und am Rande ist das Thema gegenwärtig. Das beobachtet Stefan Heße, Erzbischof vom Bistum Hamburg und Flüchtlingsbeauftragter der Deutschen Bischofskonferenz. Unsere Kollegin Pia Dyckmans hat mit Erzbischof Heße über seine Beobachtungen auf dem Katholikentag gesprochen.

Der Katholikentagspreis ging an eine Kantorei, die ein Musikstück zum Thema Flucht aufgeführt hat und Erzbischof Stefan Heße hat zusammen mit den Sternsingern im Rahmen ihrer Aktion „Leben retten“ die letzte Schiffsplanke entgegengenommen, mit der das „Leben retten“ –Boot vollendet wurde und nun im Leipziger Bahnhof ein Flüchtlingsschiff symbolisiert. Bischof Heße scheint das Thema Flucht omnipräsent. „Bis dahin, dass hier zu wenig Quartiere vorhanden waren für Teilnehmer und einige sind dann in eine nicht benutzte Flüchtlingsunterkunft, die noch nicht im Betrieb ist bzw. noch nicht gebraucht wurde, untergebracht worden. Die spüren sozusagen am eigenen Leib wie das ist, wenn man in so einem Camp lebt. Von daher habe ich den Eindruck, dass zieht sich durch den Katholikentag durch. Ich glaube, wir kommen an dem Thema gar nicht vorbei. Das ist das Megathema, dass uns die nächsten Jahre, Jahrzehnte beschäftigen wird, nicht nur mit der Willkommenskultur, die wir jetzt haben, sondern mit der Frage, wie geht Integration langfristig.“

Die Willkommenskultur war das beflügelte Wort im vergangenen Jahr. Menschenmassen, die mit Willkommenplakaten und Luftballons an den Bahnhöfen Deutschlands die Flüchtlinge empfangen haben. Heße bemerkt auf dem Katholikentag nicht so viel Kritik an der Willkommenskultur in Deutschland, eher Zustimmung. „Leipzig ist natürlich mit Legida schon bekannt, das Thema ist hier in der Stadt präsent. Ich selber kenne es aus Teilen meines eigenen Erzbistums. Wir haben aber auch in unseren Leitsätzen zur Flüchtlingsarbeit der deutschen Bischöfe auch vermerkt, dass es so kritische Tendenzen auch in unseren Gemeinden gibt. Es wäre also naiv davor die Augen zu verschließen. Im Gegenteil, man muss sich dem stellen, man muss damit kommunizieren und sehen, dass man in der Auseinandersetzung hoffentlich ein Stück nach vorne kommt.“

Aus Leipzig nimmt Heße Inspirationen für sein eigenes Bistum mit. Er ist Erzbischof von Hamburg, Schleswig-Holstein und dem Landesteil Mecklenburg. Sein Bistum hat gerade einmal sieben Prozent Katholiken, weit entfernt davon Volkskirche zu sein, wie Heße selber seine Situation beschreibt. Er weiß, dass Gott, Glaube und Kirche bei vielen Menschen heute weit weg ist. „Aber die Chance ist, die Leute sind unvoreingenommen. Es ist nicht so, dass die große Skepsis haben, sondern die kennen so wenig von Kirche und von Gott, dass wir fast wieder interessant wirken. Und ich mache die Erfahrung, wenn man persönliche Kontakte knüpft, ist das positiv und kann manches bewegen.“ Daher braucht es auch immer den Einzelnen, der sich berühren lässt und das hat Heße in Leipzig durchaus beobachten können. (rv)

Synode: „Wer direkte Ergebnisse erwartet, wird enttäuscht“

Erzbischof Stefan Heße„Die Erwartungen an die Synode sind riesig und ich habe ernsthaft die Sorge, dass viele Erwartungen enttäuscht werden“. Das sagt Erzbischof Stefan Heße, Erzbischof von Hamburg, über das wichtigste und emotionalste Thema, das die weltweite Kirche derzeit diskutiert. Heße ist ein ‚Bischof in Ausbildung‘, im Januar diesen Jahres zum Erzbischof ernannt und im März geweiht, absolviert er in diesen Tagen seinen Ausbildungskurs in Rom. 125 Bischöfe nehmen daran teil, die überwiegende Mehrheit derer, die im Laufe des vergangenen Jahres zu Bischöfen geweiht wurden.

In den informellen Gesprächen unter den Bischöfen würden die Debatten um die Synode eine Rolle spielen, so Heße, man spreche über die Unterschiedlichkeit der Situationen von Ehe und Familie in der Kirche. „Ich habe den Mitbrüdern erzählt, wie das in Deutschland ist, das sieht in manchen europäischen Ländern ähnlich aus, aber in Übersee sieht die Welt ganz anders aus. Afrikaner haben wir interessanterweise keinen einzigen in dem Kurs. Ich wette, wenn da noch afrikanische Bischöfe wären, die brächten noch einmal ein anderes Licht in die ganze Diskussion.“ Heße schwärmt von der Vielgestaltigkeit der Kirche, die sich in seinem Kurs zeige. Die Situationen der Kirche sei verschieden, „die Weltkirche ist ziemlich bunt und dadurch ziemlich reich“.

Aber er empfinde es gleichzeitig auch als schwierig, die Sichtweise der eigenen, der deutschen Kirche zu vermitteln. Schade sei, wenn einiges zu schnell abgetan werde, das bedauere er. „Vieles von dem, was an Diagnose gesagt wird, ist ja nicht von der Hand zu weisen. Ich bin der Meinung, dass wir erst einmal wahrnehmen müssen, was ist, um dann zu schauen, wie die Ideale, die wir als Kirche auch zurecht haben, umsetzbar und lebbar sind. Mir scheint es so zu sein, dass die Wirklichkeit der Menschen, die Wirklichkeit von Ehe und Familie sich so gewandelt hat, dass man fast davon sprechen muss, dass sie sich verflüssigt hat und dass es gar nicht mehr so leicht ist, unsere Ideale in diese veränderten Lebensformen hineinzubringen. Wie wir da eine Brücke schlagen können und das, was wir berechtigt vertreten, so vermitteln können, dass es gelebt werden kann, das scheint mir die entscheidende Frage der Synode zu sein, ohne sie auf „geschieden-wiederverheiratet“ und „Homosexualität“ zu begrenzen.“

Es gehe nicht nur um einzelne Sachfragen, so Erzbischof Heße, er würde sich wünschen, den engen Blick auf eine umfassende Perspektive zu weiten. „Die Erwartungen sind irgendwie geweckt worden, sie stehen im Raum und klar wird ja sein, dass die Synode sicherlich nicht eine Entscheidung trifft – das war noch nie bei einer Synode. Das heißt also, wer jetzt meint, einen Tag nach der Synode die Ergebnisse verkündet zu bekommen, der wird auf jeden Fall enttäuscht werden. Wie differenziert man da heran geht und wie sich das weiterentwickelt, da bin ich sehr gespannt.“ (rv)