Italien/Vatikan: Fake News zum Fall Orlandi

Vatikansprecher Greg Burke hat die jüngsten Veröffentlichung bei italienischen Medien im Fall der in den 80er Jahren entführten Vatikanbürgerin Emanuela Orlandi als „Falschmeldungen“ bezeichnet. Der italienische Journalist Emiliano Fittipaldi behauptet, er habe Vatikan-Dokumente in der Hand, in denen der Vatikan zugäbe, fast eine halbe Milliarde italienischer Lira von 1983 bis 1997 in dem Fall Orlandi ausgegeben zu haben. Das entspräche in etwa 250.000 Euro. Der angebliche Brief sei an die Kardinälen Giovanni Battista Re und Jean-Louis Tauran adressiert gewesen, die im Staatssekretariat tätig waren. Kardinal Re bestritt gegenüber italienischen Medien, ein solches Dokument jemals erhalten zu haben.

Emanuela Orlandi war am 22. Juni 1983 spurlos verschwunden. Seither gab es etliche Spekulationen und Verschwörungstheorien. Da sie Vatikanbürgerin war und zwei Jahre zuvor das Attentat auf Papst Johannes Paul II. verübt worden war, brachte man immer wieder diese Elemente zusammen und als Gründe für das Verschwinden der jungen Vatikanbürgerin an. Fest steht, dass sie an jenem Tag nicht mehr von der Musikschule in Rom nach Hause zurückkehrte. Aus Sicht der Vatikan-Justiz sei der Fall längst abgeschlossen, ohne konkrete Beweise, dass sie von der Mafia oder einer anderen kriminellen Organisation entführt worden sei. Auch mögliche Auftragsgeber wurden nie offiziell genannt oder angeklagt. Falls die Dokumente, die der Journalist nun vorlegt, echt wären, würde es bedeuten, der Vatikan habe gewusst, wo Orlandi nach ihrem Verschwinden verblieben sei. Genau das sei die Falschmeldung, so Burke.

Der italienische Journalist Fittipaldi stand vor einem Jahr vor dem Vatikan-Richter, da er einer der beiden Mitangeklagten Journalisten war, der im sogenannten Vatileaks-Zwei-Prozess die internen Vatikandokumente der Wirtschaftsprüfstelle Cosea in einem Buch veröffentlicht hatte. Fittipaldi wurde freigesprochen von der Anklage, die Dokumente erpresst zu haben. (rv)

Vatikan zum Fall Orlandi: „Einsatz und Transparenz“

Der Vatikan hat auf Vorwürfe einiger italienischer Medien reagiert, der Heilige Stuhl habe im Fall Emanuela Orlandi nicht alles ihm Mögliche getan, um dem Verschwinden der Vatikanbürgerin auf den Grund zu gehen. Am 22. Juni 1983 war die damals 15-jährige Orlandi entführt worden; sie ist bis heute verschwunden. Der Fall hatte international für Aufmerksamkeit gesorgt, über einen möglichen politischen Hintergrund kursieren Gerüchte. In jüngster Zeit wurde in Italien erneut über den Fall spekuliert, „jemand aus dem Vatikan weiß die Wahrheit", hieß es in Presseberichten. Es folgte an diesem Samstag die Erklärung des Vatikans.

An eine detailliierte Überprüfung der Ereignisse sei nach so vielen Jahren nicht zu denken, schickt Vatikansprecher Pater Federico Lombardi zu Beginn der dreiseitigen Erklärung vorweg. Es bestand und besteht aber „volle Bereitschaft zur Zusammenarbeit" der vatikanischen Verantwortlichen mit den italienischen Behörden, sagt Lombardi und führt Beispiele an. So hätten die Ermittler damals Zugang zur vatikanischen Telefonzentrale gehabt, um eingehende Anrufe möglicher Entführer zu hören. Der Vatikan habe auch das Abhören des Telefons der Familie Orlandi erlaubt. Dank der Zusammenarbeit zwischen italienischen und vatikanischen Behörden sei es gelungen, Täuschungsversuche „angeblicher Informanten" abzuwenden.

Lombardi verweist auf eine ganze Liste von Vatikan-Erklärungen im Fall Orlandi, die im Kontext der Aufklärungsbemühungen gegenüber der italienischen Gerichtsbarkeit gemacht worden seien und die bis heute gültig seien: Die Erklärung des Heiligen Stuhles vom 4. März 1987 (Nr. 187.168) sowie – in der zweiten Untersuchungsphase zum Fall – die Erklärungen zu drei Befragungen aus den Jahren 1994 und 1995 (Nr. 346.491 vom 3. Mai 1994; Nr. 369.354 vom 27. April 1995; Nr. 372.117 vom 21. Juni 1995). Die entsprechenden Akten existierten und seien den Ermittlern nach wie vor zugänglich, so der Vatikansprecher.

Es gebe also keine Grundlage für die Behauptung, der Vatikan verweigere die Zusammenarbeit mit den italienischen Behörden, folgert Lombardi. Alle Verantwortlichen des Heiligen Stuhls hätten damals mit „Einsatz und Transparenz" in allen Phasen der Untersuchung mitgewirkt. Überhaupt sei es für den Heiligen Stuhl eine normale Praxis, auf internationale Befragungen zu antworten. Das Gegenteil zu behaupten, sei „ungerecht", fügt der Pater mit Blick auf die jüngste Untersuchung im Fall der Vatikanbank IOR an. Und weiter wörtlich: „Falls die italienischen Ermittler – im Zuge der laufenden Untersuchungen – es für nützlich oder nötig erachten, vatikanische Verantwortliche erneut nach der üblichen Praxis Befragungen zu unterziehen, können sie dies in jedem Moment tun."

Leider sei dem Vatikan „kein nützliches Element" bekannt, das zu einer Lösung des Falles beitragen könne, bedauert Lombardi, der auch auf die Spur, die Orlandis Verschwinden in angeblichen Zusammenhang mit dem Papst-Attentäter Ali Agca brachte, eingeht. Aufgrund der damaligen Informationslage habe der Vatikan die vorherrschende Vermutung geteilt, dass für das Verschwinden der jungen Frau eine „obskure kriminelle Vereinigung" verantwortlich gewesen sei. Nach dem Anruf eines angeblichen Entführers war man damals zunächst der Möglichkeit nachgegangen, dass Orlandi von der „Antichristlichen Türkischen Befreiungsfront" entführt worden sei und das Mädchen gegen Freilassung des inhaftierten Papst-Attentäters Ali Agca wieder frei kommen könnte. Papst Johannes Paul II. hatte mehrfach an die mutmaßlichen Entführer appelliert, das Mädchen freizulassen. Ali Agca hatte sich geweigert, auf diese Weise freizukommen.
(rv)