Gute Absichten, falsche Methoden? Was Papst Franziskus über Martin Luther sagte

cna_Franziskus und LutherROM – Auf dem Rückflug seiner dreitägigen Reise nach Armenien hat Papst Franziskus erneut eine Presse-Konferenz im Flieger gehalten. Dabei fragte ein Journalist über die Reise des Pontifex nach Lund, wohin der Heilige Vater in vier Monaten reist, um den 500. Gedenktag der Reformation zu begehen – und ob es eine häretische Frage sei, die Exkommunikation Martin Luthers aufzuheben oder zurückzunehmen. Papst Franziskus antwortete:

“Ich denke, die Absichten Martin Luthers waren nicht falsch, er war ein Reformator. Vielleicht waren seine Methoden nicht die richtigen. (…) In dieser Zeit war die Kirche kein Modell, das man hätte nachahmen können. Es gab Korruption in der Kirche, Weltlichkeit, man hing am Geld, an der Macht, und deshalb protestierte er.

Er war intelligent, und er ging einen Schritt weiter, in dem er begründete, was er tat. Heute sind sich Protestanten und Katholiken in der Rechtfertigungslehre einig, in diesem wichtigen Punkt hat er sich nicht geirrt.

Aber er hat eine Medizin für die Kirche angefertigt und diese Medizin hat sich verfestigt. Zu einem Stand der Dinge, zu einer Disziplin, zu einer Art zu glauben und zu handeln, zu einer liturgischen Form. Und er war auch nicht allein – es gab Zwingli, es gab Calvin, die ganz unterschiedlich waren, und hinter ihnen standen die Fürsten. Wir müssen uns in die Geschichte in jener Zeit versetzen. Es ist eine nicht leicht zu verstehende Geschichte und die Dinge nahmen dann ihren Lauf. Der Dialog heute ist eine sehr gute Sache und dieses Dokument zur Rechtfertigungslehre ist, meiner Meinung nach, eines der ökumenisch gehaltvollsten und tiefsten Dokumente. Es gibt Spaltungen, die hängen auch von den Kirchen ab.

In Buenos Aires gab es zwei protestantische Kirchen, die unterschiedliche Auffassungen hatten – auch in der lutherischen Kirche gibt es keine Einheit, aber sie respektieren sich, sie lieben sich. Die Verschiedenartigkeit ist das, was oft so viel Unheil für alle mit sich gebracht hat und heute versuchen wir, nach 500 Jahren, wieder auf dem Weg zu gehen, auf dem wir zusammenkommen.

Ich glaube, dass wir zusammen beten müssen, beten. Das Gebet ist wichtig.

Zweitens: arbeiten für die Armen, die Verfolgten, die Flüchtlinge, für so viele Menschen, die leiden. Zusammen arbeiten, zusammen beten und dass die Theologen zusammen forschen und suchen. Das ist ein weiter, ein sehr weiter Weg. Einmal habe ich gesagt: ich weiß, wann der Tag der vollkommenen Einheit kommen wird. Welcher? Der Tag nach der Wiederkunft des Menschensohnes. Aber man weiß es nicht: der Heilige Geist wird Gnaden schenken und in der Zwischenzeit müssen wir beten, uns lieben und gemeinsam arbeiten. Vor allem für die Armen, die Leidenden, für den Frieden und für so viele Dinge, in denen man zusammenarbeiten kann.” (CNA Deutsch)

Kardinal Koch: Ein spannendes Jahr für die Ökumene

Kardinal KochDie Einheit der Christen hat ein interessantes Jahr vor sich: Die Ökumene mit den Lutheranern, den Orthodoxen, den Orientalen und den Anglikanern steht vor unterschiedlichen und großen Herausforderungen. Wenn ab Montag die Gebetswoche für die Einheit der Christen begangen wird, dann sind diese Herausforderungen immer mit dabei, sagt Kardinal Kurt Koch, der als Präfekt des vatikanischen Einheitsrates für die Ökumene zuständig ist.

„Wir haben als Leitwort der Woche dieses schöne Wort gewählt, dass wir berufen sind, die Großtaten Gottes zu verkünden. In diesem Zusammenhang wird im biblischen Text gesagt, dass wir eine Zeit lang ausgeschlossen gewesen sind von der Barmherzigkeit, nun aber aus der Barmherzigkeit Gottes leben dürfen. Da haben wir eine schöne Koinzidenz mit dem Jubiläum der Barmherzigkeit, und dieses Jubiläum ist ein Anlass, tiefer über die Mitte des christlichen Glaubens gemeinsam nachzudenken. Ökumene heißt ja nicht nur, über die schwierigen, uns noch trennenden Fragen zu diskutieren, sondern gemeinsam die Mitte und das Herz des christlichen Glaubens zu vertiefen. Dazu ist das Heilige Jahr, das Jubiläum der Barmherzigkeit und die Einheitswoche eine gute Gelegenheit.“

Die Woche steht am Beginn eines interessanten Jahres für die Ökumene, die Kirchen gehen schließlich auf den 500. Jahrestag des Beginns der Reformation zu. Kardinal Koch ist überzeugt, dass die Kirchen gut darauf vorbereitet sind. „Wir haben bereits ein Dokument veröffentlicht unter dem Titel ‚Vom Konflikt zur Gemeinschaft’, in dem wir zeigen, wie man gemeinsam das Reformationsgedenken begehen kann. Auf der Basis dieses Dokuments hat eine Arbeitsgruppe liturgische Elemente erarbeitet, wie man dieses Reformationsgedenken gemeinsam begehen kann. Das wird nun vom Lutherischen Weltbund und von uns versandt. Dann sind wir aber auch in der Vorbereitung der liturgischen Begegnung zwischen Lutheranern und Katholiken auf weltweiter Ebene. Das ist geplant für Ende Oktober in Lund in Schweden, dem Geburtsort des Lutherischen Weltbundes. Hier haben wir die schöne Idee, dass die Lutheraner von Anfang an gesagt haben, dass nicht sie die Katholiken einladen, sondern dass Lutheraner und Katholiken gemeinsam die anderen einladen. So hoffe ich, dass dieses Ereignis in Lund die Einheit zwischen Lutheranern und Katholiken vertieft und ein guter Schritt ist auf dem Weg zur vollen Einheit.“

Reformation stehe für viele Christen für Konflikt und Trennung, kein Grund erst einmal für Feiern. Das müsse man ernst nehmen, sagt Kardinal Koch, denn die Reformation habe ja nicht nur die Wiederentdeckung der Bibel und der Rechtfertigungslehre gebracht, sondern auch die Trennung der Kirche heraufgeführt – und damit grausame Konfessionskriege.

„Papst Franziskus hat unlängst einmal gesagt: Wenn wir die aktuellen Auseinandersetzungen zwischen Sunniten und Schiiten sehen, dann müssen wir uns daran erinnern, dass wir dasselbe gemacht haben zwischen Lutheranern und Katholiken. In dem Sinn müssen wir Buße tun!“ Das sei aber nur die eine Seite, sagt der Ökumeneverantwortliche des Vatikans, man begehe nicht nur 500 Jahre Beginn der Reformation, sondern man feiere auch fünfzig Jahre des ökumenischen Dialogs zwischen Katholiken und Lutheranern. Für die dabei entdeckten Gemeinsamkeiten dürfe man dankbar sein.

Ökumene mit Orthodoxen und Orientalen

Das ist der eine Bereich der Ökumene, der Dialog mit den Kirchen der Reformation, besonders den Lutheranern. Aber auch in anderer Hinsicht wird 2016 ein ökumenisch interessantes Jahr: Die Kirchen der Orthodoxie haben ihr erstes Konzil seit der Trennung der Kirchen vor tausend Jahren geplant. „Ich denke, dass der Ökumenische Patriarch Bartholomaios den Ernst sehr klar erfasst hat, wenn er sagt, dass die Orthodoxen zwar immer sagen, dass sie eine synodale Kirche seien, nun müssten sie es der Welt auch zeigen. Auf der anderen Seite bin ich überzeugt, dass in der Panorthodoxen Synode (dem Konzil) die orthodoxen Kirchen unter sich mehr Einheit finden können und dass das auch eine große Hilfe sein wird, die Schwierigkeiten im katholisch-orthodoxen Dialog zu bearbeiten und zu überwinden.“

Bei diesen Schwierigkeiten geht es unter anderem um einen gemeinsamen Ostertermin, um die gegenseitige Anerkennung der Sakramente und um die Frage des Primats des Papstes. Er hoffe und bete, dass das Konzil wie vorgesehen wirklich zu Pfingsten stattfinden könne, so Kardinal Koch.

Der dritte Bereich der Ökumene, der Dialog mit den orientalischen Kirchen, sieht im kommenden Jahr ebenfalls ein wichtiges Ereignis: Bei einer Konferenz in Kairo wird die dritte Phase eines Dialogprozesses begonnen. In den ersten beiden Phasen habe man über die Kirche und ihre Sendung gesprochen, in der zweiten sei es um die Gemeinschaft zwischen den Kirchen gegangen. „Und jetzt beginnen wir einen Dialog über die Sakramente, vor allem über die Sakramente der Initiation, im Vordergrund steht die Taufe. Das wird kein leichtes Thema sein, weil einzelne orientalische Kirchen noch immer die Wiedertaufe haben, etwa bei Heirat oder bei Konversion. Das ist eine schwierige Herausforderung, weil Taufe und die gemeinsame Anerkennung der Taufe das Fundament der Ökumene ist. Da hoffe ich, dass wir mehr Konsens untereinander finden können.“

Ökumene mit den Anglikanern

In den Fokus gerückt ist in diesen Tagen die Entscheidung der anglikanischen Weltgemeinschaft, ihre Kirchen in den USA wegen der Anerkennung der gleichgeschlechtlichen Ehe für eine bestimmte Frist zu sanktionieren: Drei Jahre lang dürfen US-Amerikaner keine Leitungsaufgaben in der Gemeinschaft wahrnehmen. Er sei froh, dass es nicht zum endgültigen Bruch gekommen sei, kommentiert Kardinal Koch diese interne Entscheidung der Anglikaner. Er hoffe, dass die Zeit der Suspendierung der US-Anglikaner genutzt werden könne, um die tiefere Einheit wieder zu finden.

„Im ökumenischen Zeitalter, wo wir Einheit suchen, ist jede neue Spaltung eine große Gefahr und eine große Herausforderung. Ich glaube, dass wir unseren Dialog weiterführen, denn die Hauptthemen dieses Dialogs betreffen ja genau dieselben Fragen. Auf der einen Seite das Verhältnis von Ortskirche und Universalkirche, und auf der anderen Seite geht es darum, wie wir mehr Einheit finden können in der Behandlung von ethischen Differenzen. Das sind die Hauptthemen unseres Dialogs. Es wäre schön, wenn dieser Dialog helfen könnte, in der anglikanischen Gemeinschaft die Einheit wieder zu finden!“ (rv)

Papstbesuch bei Lutheranern: Mehr möglich als Bedenkenträger meinen

Luther_95_ThesenDas Wort „Ökumene“ hat Papst Franziskus gar nicht benutzt, aber dennoch ist ihm ein großer Schritt gelungen. Das sagt der Pfarrer der Evangelisch-Lutherischen Gemeinde in Rom, Jens-Martin Kruse, nach dem Besuch des Papstes in seiner Kirche an diesem Sonntag. Wir haben mit Kruse direkt nach dem Besuch gesprochen. „Ich glaube, dass wir heute ein schönes und verbindendes Zeichen gesetzt und vielleicht sogar aufgezeigt haben, dass man tatsächlich noch mehr in der Ökumene machen kann, dass der Papst ganz willig und bereit ist und mit großer Offenheit uns gegenüber ein Zeichen gesetzt hat. Das gibt unglaublich Mut und, wie ich hoffe, auch Schwung – auch auf dem Weg Richtung 2017 [Reformations-Gedenken]. Es ist viel mehr möglich, als die Bedenkenträger immer meinen!“

In einer Antwort auf eine ihm gestellte Frage hatte Papst Franziskus gesagt, dass er als Papst nicht einfach erlauben dürfe, dass gemischt-konfessionelle Paare zur Kommunion gehen. Aber dann hatte er auf das Gewissen und das gemeinsame Gebet des Paares verwiesen. Dass ihm diese Frage selber auch ein Anliegen ist, bewies der Papst in seinem Gastgeschenk: einem Kelch, wie die katholische Kirche ihn zur Eucharistie und die lutherische Kirche zum Abendmahl verwendet. „Das ist natürlich ein wirklich spektakuläres Geschenk und eine tolle Geste“, so Pfarrer Kruse. „An der Stelle, wo es eben noch keine Gemeinschaft gibt, das Zeichen zu setzen, dass wir diese Gemeinschaft wollen, dass wir dieses gemeinsame Abendmahl wollen. In diesem Sinn hat der Papst ja auch sehr fein auf die ihm gestellten Fragen nach der Gemeinschaft im heiligen Abendmahl geantwortet. Ich glaube, dass man da heute sehr dankbar sein darf für das Geschenk, das er uns gemacht hat. Das wird uns hier in Rom in den kommenden Wochen, Monaten und Jahren tragen.“

Bisher waren Papst Franziskus Zeichen in Richtung Ökumene mit der Orthodoxie gelungen und Begegnungen mit evangelikalen Christen, nun ist auch das Kapitel der „klassischen“ Ökumene mit den Kirchen der Reformation geöffnet. Pfarrer Jens-Martin Kruse ist hoffnungsvoll, dass das für seine Gemeinde und seine ganze Kirche noch zu mehr führt. „Wir haben im Kleinen gezeigt, was ökumenisch möglich ist. Und der Papst hat verstanden, auf die Herzlichkeit und Nähe der Gemeinde mit genau dieser Herzlichkeit und Nähe zu antworten, und mit Geschwisterlichkeit. Ich glaube, dass im Kleinen deutlich geworden ist, dass auch im Größeren mehr möglich ist.“

Hintergrund

Papst Franziskus ist bereits der dritte Papst, der die Gemeinde in der Nähe der römischen Villa Borghese besucht hat. 1983 war als erster Papst überhaupt in einer lutherischen Kirche Papst Johannes Paul II. zu Gast, 2010 besuchte dann Benedikt XVI. die Kirche. Die Gemeinde ist evangelisch-lutherisch und vor allem – aber nicht ausschließlich – deutschsprachig, die Pfarrstelle wird immer von Deutschland aus besetzt. (rv)

Ökumene-Kardinal: „Franziskus liegt Taizé sehr am Herzen“

Kardinal KochZum 10. Todestag des Taizé-Gründers Frère Roger hat Papst Franziskus „seinen“ Ökumene-Verantwortlichen in die französische Ortschaft geschickt. Der Schweizer Kurienkardinal Kurt Koch kannte den verstorbenen Gründer der Gemeinschaft von Taizé persönlich gut, wie er im Gespräch mit Radio Vatikan in Taizé sagte:

„Meine erste Begegnung mit Frère Roger war während der Seminarzeit, als ich im Priesterseminar in Luzern war. Da hatte der damalige Regens die gute Idee gehabt, eine Woche in Taizé zu verbringen. Als ich später Bischof von Basel war, habe ich immer die Exerzitien der Bistumsleitung dort gemacht. Das war jeweils eine Woche im Advent und da kam ich einmal nach Taizé und habe da Frère Roger besser kennengelernt. Das war sehr schön, weil er sich freute, einen Bischof empfangen zu dürfen. Man hat seine tiefe Spiritualität gespürt.“

Auch Papst Franziskus selber ist sehr von der Gemeinschaft von Taizé angetan, versichert Kardinal Koch.

„Papst Franziskus liegt Taizé sehr am Herzen, wie eigentlich allen Päpsten zuvor. Frère Roger hat zu allen Päpsten, die er in seinem Leben kennen lernen durfte, ganz gute Beziehungen gepflegt. Das geht jetzt weiter mit Frère Alois, der sowohl Papst Benedikt XVI. als auch Papst Franziskus mehrmals getroffen hat. Deshalb ist es für mich eine große Freude, hier in Taizé zu sein.“

Rund 100 katholische und evangelische Brüder gehören zur Gemeinschaft von Taizé in Ostfrankreich. Davon lebt etwa ein Viertel in bislang fünf kleinen Fraternitäten in Asien, Afrika und Südamerika. Diese Brüder teilen ihr Leben mit Straßenkindern, Gefangenen, Sterbenden und Vereinsamten. (rv)

Kardinal Müller: Bonhoeffers Potential für die Ökumene

Kardinal MüllerDass sich Kardinal Gerhard Müller mit Dietrich Bonhoeffer auskennt, liegt an seinem Lehrer, Kardinal Karl Lehmann. Ein Referat am Anfang seines Studiums führte den heutigen Präfekten der Glaubenskongregation zu einem der bedeutendsten Märtyrer der evangelischen Kirche, er befasste sich damals mit dem Sakramentsverständnis Bonhoeffers. Aus der Seminararbeit wurde später eine Diplomarbeit und aus dieser schließlich eine Doktorarbeit. 70 Jahre nach der Hinrichtung Bonhoeffers ehrt Kardinal Müller den protestantischen Theologen und Nazigegner in einem Vortrag in Rom als standhaften Glaubenszeugen und christlichen Märtyrer.

Nicht nur für Protestanten ist Bonhoeffer ein Begriff. Bekannt geworden ist Bonhoeffer vor allem durch seine eindrucksvollen Texte, die er während seinem Aufenthalt im Konzentrationslager kurz vor seiner Hinrichtung geschrieben hat. Ökumenische Fundstücke, die auch im katholischen Gotteslob einen festen Platz haben. Doch dabei darf es nicht bleiben, erläutert Müller: „In vielen Gemeinden ist Bonhoeffer präsent durch bestimmte Lieder und Texte, aber es ist auch die Frage, wie weit er dann in die ökumenische Theologie dann als solche auch eingeht, hier konnte er ja nur in seiner kurzen Lebenszeit einige Impulse geben."

Müller sieht auch für heute ein enormes Potential in Bonhoeffers Theologie. Gerade seine Verhältnisbestimmung von Kirche und Staat in einer säkularisierten Welt sind für Müller wichtige Impulse, auch für die heutige Zeit. Für die Ökumene ist Bonhoeffer nicht zuletzt auch wegen seines engen Kontakts zum Katholizismus und zur katholischen Theologie von Bedeutung. Während seiner Verfolgung in der Nazizeit fand er Unterschlupf im Kloster Ettal. Nach seinem Abitur einige Jahre zuvor verbrachte er sogar eine Zeit in Rom. Für einen Protestanten, der aus einem katholisch feindlichen Umfeld kam, eine positive Erfahrung, weiß Müller. „Er sagt ja dann, […] dass er hier zum ersten Mal erkannt und erlebt hat, was Kirche ist, denn aus seinem evangelischen Hintergrund ist Kirche ja nicht so anschaulich gelebt. Das hier Jung und Alt, aber das eben gebildete und nicht gebildete Menschen zusammen sind und beten, dass hat ihn sehr beeindruckt."

Bonhoeffer erlebte, dass in Rom viele zur Beichte gehen – das Sündenbekenntnis und die Gottesbegegnung über die Verkündigung hinaus. Das beeindruckte ihn laut Müller so sehr, dass Bonhoeffer versuchte die Beichte im evangelischen Sinne wieder in die religiöse Praxis zu integrieren. Der lutherische Theologe ist für Müller einer der Weichensteller der ökumenischen Bewegung, von katholischer Seite anschlussfähiger als so manch anderer lutherischer Theologe. Das liegt nicht zuletzt daran, dass Bonhoeffer nicht nur Theologe sondern auch Praktiker war, erklärt Müller:

„Er hat ganz bewusst den Schritt über das akademische hinaus gemacht zur Praxis hin. Nicht nur die Theorie umgesetzt, sondern die innere Einheit vom Bezug zu Gott im theologischen Denken im Gebet, aber eben auch in der konkreten Begegnung mit den Menschen, Mitgläubigen in der Gemeinde, aber auch denen, die distanziert sind zur Kirche. Diesen konkreten Schritt vom Theoretischen zum Praktischen – im weiteren Sinne des Wortes – den hat er getan und dieser ist für ihn auch maßgebend geworden."

Der Schritt zeigt sich auch im Umgang mit etwa der Armut, Müller bezog sich auf Bonhoeffers Begriff des „religionslosen Christentums". Was das heißt?: „Dass wir nun irgendwie schön singen und pietistisch unsere Seelen pflegen und schöne wunderbare Gefühle haben, während wir neben dran die massenhafte Armut und das Elend sehen. Das kann man eben nicht voneinander trennen. Christus in seinem Wort und seiner Verkündigung, wie er auch in den Sakramenten zu uns spricht, ist der Christus, der uns auch in den Armen begegnet. Deshalb ist es wichtig zu sagen, Christentum ist nicht nur am Sonntag in der Feierlichkeit der Kirche, des Ritus und der Musik, in den Zeremonien." In dieser Bonhoefferischen Theologie zeigt sich seine Aktualität, die auch Papst Franziskus verkündet. Der Glaube an Gott und die Begegnung mit Jesus stehen im Mittelpunkt, nicht als Selbstzweck, sondern zur Begegnung mit den Menschen. (rv)

Papst zu Reformation: 2017 Gebet und Vergebung statt Triumph-Feier

Bischof FeigePapst Franziskus blickt zurück auf fast fünfzig Jahre intensive Dialogarbeit zwischen Lutheranern und Katholiken: An diesem Donnerstag empfing das Kirchenoberhaupt eine Delegation der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands, die gemeinsam mit Vertretern der Ökumene-Kommission der katholischen Deutschen Bischofskonferenz in den Vatikan gekommen waren.

„Ungeachtet der theologischen Differenzen, die in verschiedenen Glaubensfragen noch bestehen, ist das Leben unserer Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften, die heute einen gemeinsamen ökumenischen Weg beschreiten, von Zusammenarbeit und geschwisterlichem Miteinander gekennzeichnet.“

Franziskus würdigte die bisherigen Meilensteine der Ökumene mit den Lutheranern: die einvernehmlich erstellten Texte wie die „Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre“ des Lutherischen Weltbundes und des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen, die vor 15 Jahren in Augsburg unterzeichnet wurden. Offene Fragen und unterschiedliche Interpretationen über Kirche und Einheit sollten Katholiken und Lutheraner nicht trennen, sondern dazu motivieren, die gemeinsame theologische Forschung zu fördern, sagte der Papst. Die Glocken der deutschen Kirchen, die vergangenen 21. November zum fünfzigsten Jahrestag des Konzildekrets (Unitatis redingretaio) läuteten, hätten eben dieses Zeichen gesetzt.

Papst Franziskus lobte auch die Kommission für den bilateralen Dialog der deutschen Bischofskonferenz und der evangelisch-lutherischen Kirche, die derzeit die Arbeit über das Thema „Gott und die Würde des Menschen“ abschließen. Gleichzeitig benannte er Stolpersteine in der Ökumene zwischen Katholiken und Lutheranern, nämlich unterschiedliche Haltungen in Themen wie Euthanasie, Stammzellforschung und gleichgeschlechtliche Partnerschaften:

„Von größter Aktualität sind die Fragen, welche die Würde der menschlichen Person am Anfang und am Ende ihres Lebens betreffen, wie auch jene zur Familie, zur Ehe und zur Sexualität – Fragen, die nicht übergangen oder vernachlässigt werden dürfen, nur weil man den bisher erreichten ökumenischen Konsens nicht aufs Spiel setzen will. Es wäre sehr schade, wenn es angesichts dieser wichtigen, mit dem menschlichen Dasein verknüpften Fragen zu neuen konfessionellen Differenzen kommen würde.“

Zum 2017 bevorstehende Gedenkjahr zum 500. Jahrestag der Reformation sagte Franziskus, lutherische und katholische Christen würden dieses Datums gemeinsam gedenken und „zum ersten Mal die Möglichkeit haben, weltweit ein und dasselbe ökumenische Gedenken zu halten, nicht in Form einer triumphalistischen Feier, sondern als Bekenntnis unseres gemeinsamen Glaubens an den Dreieinen Gott“. Im Mittelpunkt dieses Ereignisses stünden „das gemeinsame Gebet und die innige Bitte an den Herrn Jesus Christus um Vergebung für die wechselseitige Schuld“.

Die lutheranische Delegation war von Landesbischof Gerhard Ulrich angeführt, die katholische vom Magedburger Bischof Gerhard Feige. (rv)

Der neue EKD-Ratsvorsitzende im Gespräch

EKDDer bayerische Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm ist am Dienstag zum neuen Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche Deutschlands gewählt worden. Im Wocheninterview von Radio Vatikan spricht er von seinem Fokus auf digitale Medien, worin er die Herausforderungen der Kirche sieht und was er sich unter Ökumene vorstellt:

„Für mich ist die Ökumene eine ganz zentrale Dimension des christlichen Glaubens und eben auch der Kirche. Paulus fragt im ersten Korintherbrief: ‚Ist Christus etwa zerteilt?‘ Und die Antwort auf diese Frag ist ganz klar. Nein, Christus ist nicht zerteilt! Deswegen ist für uns als Kirche natürlich auch immer der Horizont so, dass wir die eine Kirche Jesu Christu auch sichtbar machen sollen. Davon sind wir jetzt noch entfernt, und diese Wunde muss uns schmerzen. Deswegen ist Engagement für die Kirche auch immer Engagement für die Ökumene. Was heißt Ökumene? Für mich ist Ökumene geprägt von der Vorstellung der ‚versöhnten Verschiedenheit‘. Wir können als Kirchen unterschiedliche Profile haben, solange wir von dem einen Herren Jesus Christus geprägt werden. Deswegen muss nicht alles gleich sein. Wir müssen nicht eine Einheitskirche haben. Aber wir müssen klar um Christus herum geprägt sein. Das ist mein Kern! Ich freue mich sehr, dass der Papst in einigen Aussagen der jüngeren Vergangenheit auch selbst diese Vorstellung von der versöhnten Verschiedenheit erwähnt hat. Das macht mir Hoffnung, dass wir da vielleicht auch in der konkreten Umsetzung der Ökumene weiterkommen werden.“

Heißt das, Sie wollen die Gemeinsamkeiten der unterschiedlichen Konfessionen sehen und nicht die Unterschiede?

„Ich glaube in der Tat, dass es nicht darum gehen kann, dass wir den Konfessionalismus verstärken, dass wir die Profilierung so verstehen, dass sie auf Kosten der anderen gehen muss, also eine Identität durch Abgrenzung gewinnen. Sondern Identität kommt immer von der Quelle der Identität, und die ist glasklar, die Quelle der Identität ist Christus – und Christus ist die Quelle der Identität aller Konfessionen! Wenn wir also wirklich auf Christus hören, dann wird uns das zusammenführen, davon bin ich fest überzeugt. Und in der konkreten Umsetzung heißt es, dass wir überlegen müssen: Wie verstehen wir die jeweiligen Dinge, und warum verstehen wir sie unterschiedlich? Und vor allem auch: Ist das, was uns da an unterschiedlichem Verständnis mitprägt, etwas Kirchentrennendes oder eben nicht? Ein Beispiel dafür, wie wir da wirklich vorangekommen sind, ist die gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre von 1999. Das war ein Riesenschritt, denn wir haben als Lutherischer Weltbund und als Vatikan erklären können, dass die unterschiedlichen Verständnisse der Rechtfertigungslehre nicht mehr kirchentrennend sind. Und wir haben die Taufe wechselseitig anerkannt! Also, wir sind da schon wichtige Schritte gegangen, und insofern ist meine Hoffnung, dass wir auf diesem Weg weitergehen können. Natürlich ist meine große Hoffnung, dass wir am Tisch des Herren zusammen Abendmahl feiern können.“

Wenn wir in die Zukunft sehen, dann sehen wir das Reformationsjubiläumsjahr 2017. Wie wollen Sie nun die Katholiken von dieser Feierlichkeit überzeugen?

„Für mich ist das ein wunderbares Fest, das große Reformationsjubiläum 2017. 500 Jahre Reformation: ein weltgeschichtliches Ereignis, das man nur einmal im Leben erlebt. Wir wollen es als großes Glaubensfest, als großes Christusfest feiern. Und wenn ich es so einführe, dann ist damit schon ganz klargestellt, dass wir das in einem ökumenischen Horizont feiern wollen. Nicht als lutherisches Heldengedenken oder als protestantische Selbstbeweihräucherung, sondern als großes Christusfest – und der Grund dafür, warum ich davon überzeugt bin, dass wir es auf diese Weise am besten feiern können, ist Martin Luther selbst. Denn Martin Luther wollte mit seiner Reformation neu auf Christus hinweisen, um nichts anderes ist es ihm gegangen! Und wenn Katholiken lieber von Reformationsgedenken sprechen, habe ich kein Problem damit. Denn es ist beides. Es ist ein Jubiläum, um eine Tradition zu feiern, die nicht nur den Evangelischen viel neuen Schwung gebracht hat, sondern auch die katholische Kirche verändert hat. Aber gleichzeitig ist es natürlich auch verbunden mit Konfessionskriegen, die auf beiden Seiten ungeheure Opfer gefordert haben und die barbarische Gewalt haben walten lassen, und da müssen wir auch Buße tun, als unterschiedliche Konfessionen, und müssen ausdrücklich auch die Kraft der Versöhnung sprechen lassen. Und das wollen wir auch mit einem entsprechenden Gottesdienst tun.“

Sie haben auch schon in einem Statement angekündigt, dass Sie sich vor allem dem Schwerpunkthema „Kommunikation des Evangeliums in der digitalen Gesellschaft“ widmen wollen. Wie stellen Sie sich diese Kommunikation konkret vor?

„Natürlich ist das nur einer der vielen Punkten, die wichtig sind, wenn wir darüber nachdenken, wie wir das Evangelium kraftvoll zur Geltung bringen können. Aber ich denke schon, dass es ein wichtiger Punkt ist. Die Lebenswelt hat sich verändert. Immer mehr Menschen verbringen mehr Zeit im Internet, in der digitalen Welt. Ich möchte, dass wir als Kirche dort dabei sind. Ich möchte, dass wir in der Lebenswelt der Menschen präsent sind, und da gibt es praktische Mittel. Wir können uns in den sozialen Medien beteiligen. Das ist so ein Punkt, den ich persönlich auch eingegangen bin. Also Facebook, Twitter – wo die Menschen im Internet miteinander in Kontakt kommen.“

Welche Aufgabe ist die größte Herausforderung der Kirche, welche Hindernisse muss sie überwinden?

„Ich glaube, die größte Herausforderung ist die junge Generation. Wir haben gerade eine große Kirchenmitgliedschaft-Umfrage gemacht, und was mich am meisten alarmiert hat, war der Befund, dass das Glaubenswissen nur noch zu einem recht geringen Teil weitergegeben wird. Die Frage ist: Wie können wir es schaffen, junge Leute für das Evangelium zu begeistern? Ich bin überzeugt davon, dass das Potenzial groß ist, weil junge Leute solche Fragen haben. Das kann man im Religionsunterricht tun, in der Trägerschaft für Kindertagesstätten oder eben auch in den Medien, die junge Menschen am meisten nutzen. Das ist eben auch ein Grund, warum ich selbst als Landesbischof auf Facebook bin.“ (rv)

Papst und Ökumene: Die Herausforderungen des Dialogs mit den Evangelikalen

Papst Franziskus Mit seinem Besuch bei italienischen evangelikalen Christen in Süditalien hat Papst Franziskus ein neues Kapitel der Ökumenebemühungen der katholischen Kirche aufgeschlagen, mit seiner Vergebungsbitte dort auch gleich persönlich und als Papst einen großen Schritt getan. Die Reaktionen blieben nicht aus, die meisten aus der evangelikalen und pfingstlerischen Tradition kommenden Kirchen begrüßen den Schritt des Papstes.

Aber wem ist der Papst da eigentlich genau begegnet? Da fangen die Probleme mit dieser Ökumene an, denn so einfach zu beschreiben ist das nicht, was genau wir unter „evangelikal“ verstehen. Das sagt Burkhard Neumann, Direktor am Johann Adam Möhler Institut für Ökumene in Paderborn. Man könne damit Gemeinschaften in Kirchen bezeichnen, Frömmigkeitsformen oder bestimmte Gemeinschaften.

„Es ist sozusagen eine Sammlung von ganz unterschiedlichen Gruppierungen, die sich durch ein paar Grundelemente – bei allen Unterschiedlichkeiten – miteinander verwandt oder verbunden fühlen. Das sine Elemente, bei denen es besonders um die persönliche Erweckung geht, die persönliche Umkehr, dann natürlich die Anerkennung der absoluten Autorität der Bibel für den Glauben und eine ganz starke Akzentuierung des Missionsauftrages.“

Klassische Fragen des Dialoges zur sichtbaren Einheit der Kirche treten da eher zurück, sagt Neumann, das sei für viele Evangelikale – nicht alle – eher nicht so wichtig. Dazu kommen dann noch einmal die Kirchen aus der pfingstlerischen Tradition. Dort könne man gut beobachten, dass es auf der einen Seite institutionalisierte Gruppen gibt wie etwa in den Freikirchen organisierte, auf der anderen Seite aber auch Bewegungen, die keine Strukturen entwickeln.

„Die Frage des organisiert-Kirche-Seins tritt an dieser Stelle zurück, es ist eine sehr erfahrungsbetonte Form von Christentum, wo man auch ganz selbstverständlich davon ausgeht, dass die Gaben des Heiligen Geistes, von denen im Neuen Testament berichtet wird, auch heute noch präsent sind. Das kann das Sprechen in Zungen sein, das kann das Abwehren böser Geister und Dämonen sein, das können Heilungswunder sein. In vielen Pfingstbewegungen geht man davon aus, dass so wie der Geist damals gewirkt hat so wirkt er heute auch.“

Diese Form des Glaubens ist im Zuge der Wahl Jorge Mario Bergoglios zum Papst vor allem in Lateinamerika verortet worden, riesige Tempelbauten in Brasilien oder wachsende Gemeinden in Argentinien sind immer wieder Thema, aber auch die Saddleback-Churches in den USA, Großgemeinden in dieser Tradition, sind ein bekanntes Phänomen. Auch in Asien und Teilen Afrikas gibt es diese Form des Glaubens.

„Hier in Deutschland stand man der Pfingstbewegung relativ schnell von Seiten der Kirchen und auch der Freikirchen abwehrend gegenüber. Deswegen ist bei uns diese Form des Christentums längst nicht so verbreitet wie in Lateinamerika oder in Asien.“

In den Gemeinden von Migranten dagegen komme diese Form des Glaubens aber durchaus auch bei uns vor, so Neumann. Eine andere Form sei, dass die etablierten Kirchen diese Formen selber aufgenommen hätten, etwa in der Form der charismatischen Erneuerungsbewegung.

Was die Ökumene mit Gemeinschaften dieser Tradition angeht, stellen sich ganz andere Fragen als in der traditionellen Ökumene, so Neumann. So hat es zwar in den 70er und 80er Jahren einen Dialog zwischen römisch-katholischer und evangelikalen Kirchen gegeben, in dem man sich über Mission und Glaubenserfahrung ausgetauscht habe.

„Es gibt auch einen Dialog mit Vertretern der Pfingstkirchen – nicht mit Den Pfingstkirchen, weil sie nicht weltweit organisiert sind – der mittlerweile auch schon fünf Phasen hinter sich gebracht hat und Erfahrungen aus der Pfingstbewegungen und deren theologische Reflexion einbringt in das Gespräch mit römisch katholischer Theologie.
Eine Herausforderung dabei ist natürlich die Erfahrungsdimension des Glaubens, wo wie aus der Tradition der Mystik mit einer gewissen kritischen Unterscheidungsgabe daran herangehen und sehr genau hinschauen, wo tatsächlich eine Gabe des Geistes als solche Erkennbar ist. Das ist das klassische Prinzip der Unterscheidung der Geister, das sich durch die ganze Spiritualitätsgeschichte zieht. Da ist die Frage nach der Beziehung von Erfahrung und Glaube und danach, wie ich den Glauben erfahren kann und ich diese Erfahrung unterscheiden kann von Illusionen und selbst gemachten Erfahrungen sicherlich ein ganz wichtiger Punkt.“

In Institutionen wie dem World Christian Forum und anderen würde man an Kontakten und Gesprächen arbeiten, die in der klassischen Ökumene, wie es sie etwa im Weltkirchenrat gäbe, nicht vorkämen.

„Und da muss man erst einmal abwarten, was daraus wächst. Ich denke, dass wie in allen anderen Bereichen auch das Wichtigste die persönlichen Beziehungen und Erfahrungen sind. Das merkt man jetzt ja auch an diesen Initiativen von Papst Franziskus, die aus solchen Erfahrungen kommen. Das hilft, Vorurteile erst einmal abzubauen und dann den anderen als Menschen, als Glaubenden und als Christ wahr zu nehmen und ernst zu nehmen.“ (rv)

D: Zum Reformationsjubiläum „gemeinsam diskutieren“

2017gemeinsam unterwegs Um das Gedenken der Reformation 2017 vorzubereiten, ist im deutschsprachigen Raum ein neues Internetprojekt gestartet: Unter der Adresse 2017gemeinsam.de kann jeder Gläubige, ganz gleich welcher Konfession, seine Meinung zu dem Thema einbringen. Ausgangspunkt ist das katholisch-lutherische Dialogdokument „Vom Konflikt zur Gemeinschaft“, das im letzten Jahr veröffentlicht wurde. Jeweils am Anfang der Woche stellen prominente Kirchenvertreter Beiträge ins Internet. So waren es an diesem Montag der Generalsekretär des Lutherischen Weltbundes, Martin Junge, sowie der vatikanische Ökumene-Verantwortliche, Kardinal Kurt Koch.

Oliver Schuegraf ist beim Verband der Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELK) für die ökumenischen Grundsatzfragen und Catholica zuständig. Im Gespräch mit uns sagt er, dass nach der Veröffentlichung des Dialogdokuments „Vom Konflikt zu Gemeinschaft“ eines klar wurde im deutschsprachigen Raum:

„Wir wollen das ökumenisch angehen, wenn es sich ja schon um ein ökumenisches Dokument handelt. Das war die Bitte des Lutherischen Weltbundes und des Vatikanischen Einheitsrates, nämlich das Dokument gemeinsam zu studieren.“

Wie das konkret geschehen soll, erläutert Burkhard Neumann, einer der Direktoren des Johann-Adam-Möhler-Instituts für Ökumenik in Paderborn. Er hat an dem Projekt 2017gemeinsam.de ebenfalls direkt mitgewirkt.

„Konkret sieht es so aus, dass jeder entsprechend kommentieren kann. Man muss sich natürlich vorher anmelden. Jeder Teil des Textes, jeder Paragraph des Dialogdokumentes kann entsprechend kommentiert werden, und alle, die Interesse daran haben, sind herzlich eingeladen, das zu tun! Der zweite Teil besteht aus Diskussionsthemen, die Prominente jeweils am Anfang der Woche schreiben.“

Aus lutherischer Sicht sei dieses Projekt an sich schon ein „ökumenischer Erfolg“, so Schuegraf vom VELK.

„Es zeigt ja, dass es sehr gute ökumenische Beziehungen in Deutschland gibt, so dass es ohne große Probleme möglich war, ein solches Projekt in die Wege zu leiten. Wir hoffen jetzt natürlich, dass ganz viele Menschen mitmachen von den beiden Kirchen. Aus unserer Sicht hoffen wir, dass nicht nur Lutheraner, sondern Vertreter aller evangelischen Kirchen mitmachen. Es geht darum, sich gemeinsam darauf zu besinnen: Was können wir eigentlich gemeinsam hin auf das Reformationsjubiläum 2017 tun?“

Das Reformationsjubiläum 2017 ist aus katholischer Sicht – und nicht nur – bisher auch kritisch betrachtet worden. Ökumene-Kardinal Kurt Koch erinnerte in Interviews mit Radio Vatikan mehrmals daran, dass es eigentlich nichts zu feiern, sondern vor allem ein Gedenkmoment sei. Das Dokument „Vom Konflikt zur Gemeinschaft“ behandelt auch die Hindernisse in den ökumenischen Gesprächen. Neumann vertritt sozusagen die katholische Seite beim Projekt 2017gemeinsam.de:

„Uns ist es wichtig zu sagen, dass das Dokument über den Kreis derjenigen, die sich von Berufs wegen oder als Fachleute mit diesem Dialogdokument beschäftigen und dessen Impulse weitergeben, verbreitet werden und möglichst viele erreichen soll. Es geht um die Ergebnisse des ökumenischen Dialogs. Das Jahr 2017 und die Herausforderungen, die damit verbunden sind, sollen für jeden selber, aber auch für das Leben in der Gemeinde vor Ort stärker wahrgenommen werden.“ (rv)

Kardinal Kasper „enttäuscht“ und „entsetzt“ über EKD-Papier

Kardinal Walter Kasper Der deutsche Kurienkardinal Walter Kasper kritisiert scharf das jüngste Dokument der Evangelischen Kirche Deutschlands, kurz EKD, zum Reformationsjubiläum. Die „Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre“ von 1999 werde darin „mit keinem Wort auch nur erwähnt“, so Kasper. Das habe ihn „enttäuscht“, und die Art und Weise, wie die „von vielen Seiten geäußerte Kritik“ zurückgewiesen wurde, habe ihn „entsetzt“. Kasper war bis 2010 als Präsident des vatikanischen Einheitsrates der Ökumene-Verantwortliche des Vatikans; er äußerte sich an diesem Dienstag schriftlich gegenüber Radio Vatikan.

Wörtlich schreibt Kardinal Kasper: „Sind wir in Deutschland wirklich so weit, dass die bloße Erwähnung eines wichtigen ökumenischen Dokuments für die Gemeinden in der EKD eine Belastung darstellt? Sollte das wirklich die Meinung der EKD sein, dann muss sie sich fragen, ob sie noch als ein ernsthafter ökumenischer Partner gelten will.“ 2017 wollen die Kirchen der Reformation den 500. Jahrestag des Thesenanschlags von Martin Luther in Wittenberg begehen. Mitte Mai 2014 hat die EKD dazu ein Grundlagenpapier mit dem Titel „Rechtfertigung und Freiheit“ veröffentlicht, das von einer Kommission des Rates der EKD unter Leitung von Professor Christoph Markschies erstellt wurde.

„Nationalkirchliche Eigenbrötelei“

Die „Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre“ von 1999 bedeutet einen ökumenischen Meilenstein, weil sie in einem zentralen Streitpunkt der Reformation einen Konsens herstellte. Dass sie im neuen EKD-Text nicht vorkommt, nennt Kardinal Kasper „nicht nur eine Absage an den katholischen Partner, sondern ebenso an den Lutherischen Weltbund, der dieses Dokument aufgrund eines Magnus consensus der weltweiten Lutherischen Kirchen durch den damaligen Präsidenten, ein deutscher Landesbischof, unterzeichnet hat“. Der Weltbund habe es unlängst in einer gemeinsam mit dem vatikanischen Einheitsrat veröffentlichten Erklärung zum Reformationsjubiläum „nochmals ausführlich positiv gewürdigt“, betont Kasper. Er weist auch darauf hin, dass der Weltrat der methodistischen Kirchen sich die Gemeinsame Erklärung 2006 in Seoul/Südkorea zu eigen gemacht habe. „Die Anglikanische Gemeinschaft hat sich ebenfalls grundsätzlich positiv geäußert, und bei meinem jüngsten Aufenthalt in den Vereinigten Staaten vor wenigen Wochen ist mir von allen Seiten nichts anderes gesagt worden“, so der Kardinal.

Wörtlich fährt Kasper fort: „Der Kritik namhafter evangelischer Reformationshistoriker, das Papier der EKD sei eine dogmatische Geschichtsdeutung, kann man aus katholischer Sicht nur zustimmen. Vielleicht sollten wir im Blick auf 2017 statt nationalkirchlicher konfessionalistischer Eigenbrötelei gemeinsam der im Guten wie im Schlechten gemeinsamen Geschichte der letzten 500 Jahre nachgehen, um uns gemeinsam den gemeinsamen heutigen Herausforderungen zu stellen.“ (rv)

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