D: „Nicht immer nur Nein sagen“

Die Präimplantationsdiagnostik PID wird wieder Thema der politischen Debatte: Das Bundeskabinett und der Bundesrat werden in den kommenden Wochen eine Rechtsverordnung beraten, die der deutsche Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr im Sommer erstellt hatte. Der Bundestag hatte nach langer Debatte ein Gesetz erlassen, dessen Ausführung nun ansteht, die PID kommt also Anfang 2013 in Gang.

„Da geht es ja darum, dass Gendefekte menschlicher Embryonen selektiert und verworfen werden. Es wird niemanden in Deutschland überraschen, dass die katholische Kirche das ablehnt", so kommentiert der Münchner Erzbischof, Kardinal Reinhard Marx, die aktuelle Gesetzgebungsdebatte zur PID. Die Herbstvollversammlung der bayrischen Bischöfe hatte dieses Thema beraten, Kardinal Marx fasste bei einer Pressekonferenz am Donnerstag die Überzeugung der Bischöfe zusammen. Man lehne die gesamte PID samt den geplanten Beratungszentren und Ethik-Kommissionen ab.

„Das ist eine eindeutige und klare Ablehnung, und deswegen werden wir uns auch nicht an den Ethik-Kommissionen beteiligen. Das geht nicht! Wir sind der Meinung, dass dies nicht akzeptabel ist, dass der Gedanke der Selektion jetzt sozusagen voranschreitet. Wir lehnen jegliche Tötung menschlicher Embryonen ab und wenden uns deshalb auch gegen eine Ausweitung der Zahl von Zentren in den Bundesländern, deren Beratung die Voraussetzung einer Anwendung von PID ist."

Die Gefahr liege aber nicht nur im Gedanken der Selektion menschlichen Lebens, in der Gesetzgebung lauere eine weitere Gefahr. Die Bischöfe glauben nämlich nicht, dass es bei Einzelfällen bleiben wird, sondern sehen eine Ausweitung: Wenn erst einmal die Infrastruktur dafür da sei, würden sicherlich marktwirtschaftliche Dynamiken greifen.

„Das Bundesgesetz hat ja ausdrücklich von Einzelfällen gesprochen. Durch eine solche Ausweitung sehen wir die Gefahr der Multiplizierung von Fällen und eines Wettbewerbs um Kunden für künftige PID-Beratung in diesen Ethik-Zentren."

Aber damit nicht genug: Die PID ist nicht das einzige gesellschaftlich-ethische Thema, zu dem sich die bayrischen Bischöfe in ihrer Versammlung positioniert haben. Sie wenden sich ebenfalls klar gegen die gewerbsmäßige Suizidbeihilfe, ebenfalls ein Thema, bei dem Marktwirtschaft und Ethik kollidieren.
Seit Mitte Oktober beräte der deusche Bundesrat ein Gesetz, das wegen mangelnder gesetzlicher Regelung in dieser Frage in die Kritik gekommen ist. So hatte der Deutsche Hospiz- und Palliativverband darauf hingewiesen, dass der Gesetzentwurf befördert, was er eigentlich verhindern will – weil durch die „völlig unzureichenden Regelungen" Anreize geschaffen würden für andere Formen der organisierten oder geschäftsmäßigen Beihilfe zum Suizid. Ähnlich sehen das auch die bayrischen Bischöfe. Kardinal Marx:

„Wir haben begrüßt, dass der Gesetzentwurf die gewerbsmäßige Suizidbeihilfe verbieten soll, aber wir kritisieren, dass das Verbot eines ärztlich assistierten Suizids in dem Entwurf nicht hinreichend geregelt ist."

Hier sehe er auch eine Gemeinsamkeit mit Ärzten, welche die Sterbehilfe nicht als Aufgabe eines Arztes ansähe. Die Kirche wende sich gegen jede Form von aktiver Sterbehilfe. Die Kirche sei aber nicht nur dagegen, sie setze sich gleichzeitig auch aktiv für einen anderen, menschlichen Umgang mit dem Sterben ein.

„Deswegen bemühen wir uns nach unseren Kräften, im Bereich der Palliativ- und Hospizarbeit unseren Beitrag zu leisten. Ich bin ziemlich froh, dass das in den letzten Jahren, ja Jahrzehnten ein ganz entscheidender Bereich geworden ist und dass sich die Kirchen – beide Kirchen – intensiv bemühen. Denn es geht darum, nicht immer nur Nein zu sagen und zu sagen, was man nicht will; man muss auch zeigen, was man positiv beitragen will. Da sind die Hospizbewegung und die Palliativversorgung ein ganz entscheidender Bereich, und da wollen wir auch weiterhin mithelfen. (rv)

D: „PID-Gesetz wirft neue Fragen auf“

Katholische Bischöfe und Verbände sind enttäuscht über die Zulassung von PID in Deutschland. Der Deutsche Bundestag hat die umstrittene Methode am Donnerstag mit einer Mehrheit von 326 Stimmen unter Auflagen erlaubt. „Wir deutschen Bischöfe hatten uns intensiv für ein klares Verbot der PID eingesetzt", sagt dazu Robert Zollitsch, der Erzbischof von Freiburg, der auch an der Spitze der deutschen Bischofskonferenz steht.
„In Übereinstimmung mit den Ergebnissen der embryonalen Forschung geht die katholische Kirche davon aus, dass mit der Vereinigung von menschlicher Ei- und Samenzelle ein neues menschliches Leben entsteht."

Die Kirche verstehe zwar die „Nöte von Eltern" und den „Wunsch nach einem gesunden Kind". Doch die „Selektion von menschlichen Embryonen" sei ein Verstoß gegen „das Achtungsgebot der Menschenwürde".

„Jeder Mensch ist einmalig als Person und Träger seiner unverfügbaren Würde, unabhängig von seinem Entwicklungsstand, seinen aktuellen Fähigkeiten, seinen Begabungen, Stärken, Schwächen oder seiner sozialen Stellung und zwar in allen Phasen seines Daseins!"

Die Bischöfe wollen nun „mit Nachdruck" darauf drängen, die im Gesetz erwähnten Ausnahmefälle, in denen die PID nicht rechtswidrig sein wird, „eng zu umgrenzen", so der Erzbischof. Eine „immer weitere Ausdehnung der Anwendungsfälle von PID" müsse verhindert werden.

„Das nun beschlossene Gesetz wirft neue Fragen auf. Beispielsweise ist nicht geklärt, ob den Eltern die bei der Untersuchung durch Zufall miterhobenen sogenannten Nebenbefunde (zum Beispiel das Geschlecht) mitgeteilt werden."

Auch Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse ist beunruhigt über die beschlossene Zulassung der Präimplantationsdiagnostik. Im Interview mit dem Kölner Domradio fordert der SPD-Politiker, der zum Zentralkomitee der deutschen Katholiken gehört, Christen sollten künftig noch stärker für die Menschenwürde eintreten.
„Bisher galt der Schutz des menschlichen Lebens von Anfang an. Nun wird dieser Schutz des menschlichen Lebens abgestuft. Die Präimplantationsdiagnostik besteht doch darin, dass eine Mehrzahl von Embryonen erzeugt werden muss, um einen zu verwenden. Diejenigen, die genetisch schlechte Eigenschaften haben, werden verworfen – also dem Tode übergeben. Das ist wirklich ein Einstieg in einen Prozess, der mich beunruhigt, weil Menschenwürde sozusagen am Anfang des Lebens geringer geschätzt wird als bisher."
Wie schon in der Bundestagsdebatte findet Thierse auch im Interview nach dem Votum scharfe Worte zur PID.
„PID ist Auswahl, ist Selektion – und das ist beunruhigend. Das war unserer Rechtsordnung bisher gänzlich fremd."
Er wolle „nicht wie Kassandra reden", so der Politiker, aber „es ist nicht auszuschließen, dass der Druck größer wird, sich genetisch untersuchen zu lassen":
„Wenn eine junge Frau ein Kind mit Behinderung gebärt, wird dann der Vorwurf kommen: Warum hast Du Dich nicht genetisch untersuchen lassen? Warum hast Du das nicht ausgeschlossen? Es ist durchaus zu befürchten, dass die gesellschaftliche Atmosphäre in dieser Hinsicht sich verändert."
(rv)

Zollitsch: „Wir sind klar gegen PID“

 Die Debatte um die Präimplantationsdiagnostik – kurz PID – wird offenbar verschoben. Eigentlich hätte der Bundestag bereits vor zwei Wochen darüber befinden sollen. Wegen der Katastrophe in Japan wurde dann die Debatte an diesem Donnerstag ins Auge gefasst. Nun heißt es aber, dass die Erörterung auf den 14. April verschoben werde. Die Meinungen bleiben gespalten, eine klare Mehrheit für oder gegen die Einführung der umstrittenen Diagnostik zeichnet sich nicht ab.
Die katholische Kirche spricht jedenfalls Klartext in Sachen PID. Das sagte im Gespräch mit uns der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch.
„Wir selber haben eine klare Position als katholische Kirche: Es gibt keine Möglichkeit für die Präimplantationsdiagnostik. Denn das würde bedeuten, Menschen auf diese Weise auszuwählen, und somit wären wir Herren über das Leben. Es war gut, dass auf dem CDU-Parteitag in Karlsruhe dieses Thema sehr lebhaft diskutiert wurde. Unsere Haltung gewann dort, allerdings nur mit einer schwachen Mehrheit."
Nach Informationen der Katholischen Nachrichten-Agentur liegen die strikten Gegner der PID um die Abgeordneten Katrin Göring-Eckardt (Grüne) und Johannes Singhammer (CSU) sowie die Gruppe mit dem liberalsten Ansatz um Ulrike Flach (FDP) und Peter Hintze (CDU) mit jeweils rund 190 Unterschriften ungefähr gleichauf.
„Wir haben im Augenblick drei verschiedene Vorschläge im Bundestag. Gott sei Dank lautet einer davon, dass es keine Ausnahme bei der Diagnostik geben soll. Ich hoffe, dass es in der Diskussion im Bundestag gelingt, sie im gleichen Ernst wie auf dem CDU-Parteitag zu führen. Die Abgeordneten sollen erkennen, hier ist eine Grenze, die dürfen wir nicht überschreiten. Wenn wir das aber tun, dann ist ein Damm gebrochen, und wir machen uns zum Herrn über den Menschen. Wir dürfen nicht aufhören, das den Bürgern bewusst zu machen!" (rv)

D: Meisner warnt vor „Wanderdüne“

Der Kölner Kardinal Joachim Meisner warnt erneut eindringlich vor einer Freigabe der Präimplantations-Diagnostik, kurz PID. Im Gespräch mit Radio Vatikan sagte Meisner am Dienstag Abend bei einem Besuch in Rom, schon seit Jahren sei „eine Wanderdüne in Bewegung", die immer weiterwandere und das menschliche Leben immer schutzloser mache. „Wenn wir das nicht aufhalten, dann geht das immer so weiter", mahnte Kardinal Meisner. Er freue sich zwar darüber, dass die CDU sich bei ihrem letzten Parteitag mit knapper Mehrheit gegen PID ausgesprochen hat. „Aber ich kann mich nicht ganz des Verdachts erwehren: Das haben die nur gemacht, weil sie denken, dass sie ja hinterher im Bundestag ohnehin so abstimmen können, wie sie wollen", so der Kardinal. Immerhin sei das Niveau der PID-Debatte auf dem Parteitag „sehr ernsthaft" gewesen. Allerdings dürfe man nicht vergessen, dass sich der vorletzte CDU-Parteitag noch mehrheitlich für PID ausgesprochen habe.
 Meisner bekannte sich zu seinem Vergleich zwischen PID und dem Kindermord von Betlehem; diese Worte in seiner Predigt am Fest der Unschuldigen Kinder waren auf Kritik gestoßen. „Ich würde das heute noch einmal so sagen", erklärte der Kardinal. „Damals wie heute ging es um Selektion von Kindern." Übrigens habe er vor dem Vergleich ausdrücklich gesagt: „Jetzt kommt etwas, das nicht politisch korrekt ist." (rv)