Nordafrikas Bischöfe tagen zu Migration und Jugend

Das Leben als christliche Minderheit in Ländern mit muslimischer Bevölkerungsmehrheit, die Flüchtlingsfrage und Perspektiven für die Jugend in Nordafrika: Das waren nur einige der Themen, mit denen sich die Nordafrikanische Bischofskonferenz CERNA im Rahmen ihrer jüngsten Vollversammlung beschäftigt hat. Vom 11. bis zum 15. November haben sich die Bischöfe aus dem südlichen Mittelmeerraum in Tunis getroffen, als Gast war auch ein Bischof aus Sizilien geladen.

Mit besonderer Aufmerksamkeit sei die Stellungnahme des Apostolischen Vikars von Tripolis und Administrators von Bengasi erwartet worden, hieß es in einer Mitteilung der CERNA im Anschluss an die Arbeiten. Denn seit seiner Berufung nach Libyen (im Jahr 2015) sei es Georges Bugeja nicht möglich gewesen, an den Versammlungen der Bischofskonferenz teilzunehmen, wird in der Stellungnahme betont. Der Bischof hatte auch das von ihm als Administrator verwaltete Bistum Bengasi wegen der andauernden Konflikte seit zwei Jahren nicht besuchen können, die Kirche vor Ort sei völlig zerstört und der Zugang in das Gebiet nach wie vor mit großen Risiken verbunden. In der Vollversammlung habe er nun einen Überblick über die Situation vor Ort gegeben. Insbesondere berichtete er von den großen Schwierigkeiten, denen sich die Migranten in Libyen gegenüber sähen, aber auch von dem Leben der Christen in Regionen, in denen Gemeinden vor allem von Katechisten getragen würden.

Großen Raum nahmen die Besprechungen zur Flüchtlingsfrage und die Suche nach globalen und humanitären Lösungen ein, hieß es weiter. Dabei werde auch die Kirche nördlich des Mittelmeers einbezogen. Ebenso gesellschaftlich relevante Fragen wie die Entscheidung Tunesiens, Frauen die Eheschließung auch mit Nicht-Muslimen zu erlauben sowie kirchlich bedeutsame Ereignisse wie die jüngsten Entwicklungen im Seligsprechungsverfahren von 19 algerischen Priestern und Ordensfrauen, die Mitte der 90-Jahre das Martyrium erlitten hätten, wurden den Angaben nach erörtert. (rv)

Bürgermeistertagung im Vatikan: „Klares Signal des Miteinander“

„Ich finde es toll, dass der Papst sich so klar positioniert hat, was die Flüchtlingsfrage angeht. Klarer kann man sich gar nicht positionieren.“ Freiburgs Bürgermeister Dieter Salomon ist einer der 70 Bürgermeister, die von der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften zum Tagung ‚Europa – Flüchtlinge sind unsere Brüder und Schwestern’ eingeladen wurden und die sich noch an diesem Samstag im Vatikan beraten.

Insgesamt sind 21 Bürgermeister aus Deutschland da. Selbstverständlich sei eine so klare Positionierung vielleicht für den Papst, in Deutschland sei das aber schon schwieriger, weil „wir in Deutschland ja gerade erleben, dass bei aller Hilfsbereitschaft viele Ängste herrschen. In Freiburg ist ja vor einigen Wochen eine junge Frau vergewaltigt sowie ermordet worden und vor einer Woche hat sich heraus gestellt, dass der mutmaßliche Tatverdächtige ein junger, unbegleiteter Flüchtling aus Afghanistan ist. Bundesweit sind die Wellen hoch geschlagen.“ In der Stadt könne man das ganz gut differenzieren, berichtet Salomon gegenüber Radio Vatikan. Einerseits das Entsetzen über den brutalen Mord, andererseits die Bestürzung, dass ein junger Flüchtling als Täter gefasst wurde, „weil in Freiburg ja eine große Hilfsbereitschaft herrscht“.

„In Deutschland ist es, seit es die AfD in den Parlamenten gibt und seitdem viele Menschen Angst vor Unbekanntem und Fremden haben, Wasser auf den Mühlen derjenigen, die immer schon gewusst haben, dass es nicht gut funktioniert. Da mit rationalen Argumenten durchzudringen, ist schwierig. Ich finde die Idee, 70 Bürgermeister aus ganz Europa einzuladen und bei denen, die sich ja vor Ort um die Menschen kümmern müssen, nachzufragen, was die Probleme eigentlich sind und ob es funktioniert oder nicht, richtig gut.“

Eine richtig gute Idee

„Das faszinierende ist eben, dass hier ganz unterschiedliche Persönlichkeiten in der Flüchtlingspolitik auf lokaler Ebene zusammen kommen.“ Thomas Hunsteger-Petermann ist Oberbürgermeister von Hamm und nimmt ebenfalls an der Veranstaltung im Vatikan teil. Die Herausforderungen seien sehr unterschiedlich, betont er. „Wenn ich die Kollegen von Lesbos höre, oder den Kollegen aus Salzburg, der in wenigen Wochen über 300.000 Flüchtlinge in Richtung deutsche Grenze hat durchschleusen müssen, dann sind da schon die Anforderungen sehr unterschiedlich. Wir sind jetzt in einem Stadium, wo wir den zweiten Schritt gehen müssen und da ist es schon sehr hilfreich, wenn wir von der Kirche, die sich in den einzelnen Ländern auf lokalere Ebene ja durchaus auch differenziert positioniert hat, ein klares Signal des Miteinander bekommen.“

Und Dieter Salomon ergänzt „Man merkt aus den Gesprächen hier, dass viele nationale Regierungen das Problem eigentlich ignorieren, nach dem Motto ‚solange die es unten gewuppt kriegen, brauchen wir ja nix tun’. Und das funktioniert nicht mehr.“ Im vergangenen Jahr etwa, als etwa eine Million Menschen nach Deutschland kamen, hätten die Kommunen sehr unbürokratisch und sehr menschlich geholfen. „Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben Mitgefühl und haben gemerkt, dass man jetzt nicht einfach nach Vorschrift handeln kann. Die haben immer gefragt ‚dürfen wir?’ und wir haben immer gesagt ‚macht!’. Dann wurde es sehr unbürokratisch und sehr flexibel.“

Das Jahr 2015: Parteiübergreifende Zusammenarbeit

„Wir haben uns 2015 in einer Situation befunden, die ich überhaupt noch nie erlebt habe, und ich bin jetzt 18 Jahre Oberbürgermeister“, fügt sein Kollege aus Hamm an. „Das war eine Situation, die einerseits von viel Freiheit geprägt war, man bekam eigentlich von den Parteien für jeden Vorschlag Unterstützung. Auf der anderen Seite hatten wir Situationen, wo wir pro Woche 150 oder noch mehr Flüchtlinge zugewiesen bekommen haben, da muss man erst einmal die Erstversorgung hinbekommen. Ich glaube, wir haben das gut geschafft, aber ich glaube auch, dass es nur geklappt hat, weil es einen gesamtgesellschaftlichen Konsens gegeben hat, wo auch Gruppen und Parteien miteinander gearbeitet haben, die sich traditionell noch nicht einmal gegrüßt hätten.“

Dieser Konsens würde durch eine Tagung, wie die im Vatikan, unter den kommunal Verantwortlichen gefördert, sagt Dieter Salomon. Vielfach müsse man erst noch begründen, warum man Menschen helfen wolle, dabei sei das doch mindestens für Christen logisch. „Da muss man als Voraussetzung anerkennen, dass andere Menschen Menschen sind. Und wenn alle Menschen gleich sind, dann muss man anderen Menschen, die der Hilfe bedürfen, einfach helfen. Das ist ganz banal, so banal, dass man sich manchmal überlegt, was eigentlich in Köpfen von Menschen vorgeht, die Angst haben und anderen nicht helfen wollen, sich abschotten wollen. Manche in Deutschland tun das ja auch noch mit der Begründung, sie wollten das ‚christliche Abendland’ verteidigen, das ist aus Sicht der christlichen Lehre der reine Hohn.“

Wider die Ghettoisierung

Auch Bürgermeister aus Ländern, deren nationale Regierungen der Aufnahme von Flüchtlingen eher skeptisch gegenüber stünden, setzen sich sehr für Integration und Willkommen ein, berichtete etwa Marcel Philipp, Bürgermeister von Aachen. Hier ist eine Spannung zwischen nationaler und kommunaler Ebene zu beobachten. „In Köln hat sich durch den Zuzug von Geflüchteten in den letzten Jahren weder die Sicherheitslage geändert noch durch die Silvesternacht die Willkommenskultur“: So beurteilte Henriette Reker, Oberbürgermeisterin von Köln, die Situation in ihrer Stadt. Laut Nachrichtenagentur KNA warnte sie in ihrem Beitrag bei der Vatikankonferenz vor einer Ghettoisierung von Geflüchteten. Ausgrenzung, Neid und Missgunst könnten am besten verhindert werden, wenn man sich kennenlerne und den Alltag teile, so Reker. „Ich bin zuversichtlich, dass die Integration gelingen wird, auch und gerade mit Hilfe der Religionsgemeinschaften.“

Dieter Salomon wirbt für eine „aufgeklärte Öffentlichkeit“, die sich dann auch mit den Problemen auseinander setzen könne, etwa den Vorfällen von Köln in der Silvesternacht, den Übergriffen in Diskotheken in seiner Stadt Freiburg oder auch dem brutalen Mord. Flüchtlinge und Migranten seien Menschen, nicht besser oder schlechter als andere Menschen auch, das müsse man realisieren. Die Polizeistatistik sage, dass Migranten und Flüchtlinge nicht krimineller seien, als Deutsch auch.

Eine klare Positionierung

Was bringt so ein Treffen von Bürgermeistern im Vatikan? „Das erste ist, dass man sieht, dass man nicht alleine steht“, sagt Hamms Oberbürgermeister Hunsteger-Petermann. „Das ist eine lokale Vernetzung der Bürgermeister untereinander.“ Aber auch von außen, vom Einladenden also vom Vatikan, käme ein wichtiger Impuls, „eine klare Positionierung der Kirche in dieser Frage.“

„Was hilft, ist einfach mitzubekommen, was andere machen“, ergänzt Dieter Salomon. „Es hilft, gespiegelt zu bekommen, wie weit wir sind oder ob wir andere Sachen machen. Wir haben jetzt so viel zu tun gehabt, halbes Leid ist da auch geteiltes Leid, das hat viel mit solidarischem Austausch untereinander zu tun. Und das tut einfach auch gut.“ (rv)