Wer aus Ländern deutscher Sprache nach Rom kommt und sich, pilgernd oder nicht, dem Vatikan nähert, steuert bei der Gelegenheit gerne auch den Campo Santo Teutonico an. „Deutscher Friedhof“ heißt das übersetzt, und selbst wenn hier auch ein Priesterkolleg und das römische Institut der Görres-Gesellschaft sitzen, so ist doch der Gottesacker der Mittelpunkt dieses Ortes. Der Friedhof der Deutschen im Vatikan ist malerisch, Palmen und Efeu grünen um die Wette, und die Kuppel des Petersdoms ist zum anfassen nahe. Verantwortlich für den Friedhof und die angrenzende Kirche zeichnet die hier ansässige Erzbruderschaft zur Schmerzhaften Muttergottes.
Endlich liegt nun auch ansprechender Bild- und Textband zum Campo Santo Teutonico vor, Untertitel: Eine deutschsprachige Exklave im Vatikan. Die einzelnen Kapitel geben Aufschluss über Lage, Name, Gründung des Campo Santo, der ins 8. Jahrhundert zurückreicht; über die Erzbruderschaft, die Kirche, den Friedhof, das Kolleg und das historische Forschungsinstitut, dem seit kurzem eine Papst-Benedikt-Bibliothek angegliedert ist. Das letzte Kapitel widmet sich dem Campo Santo Teutonico als Ort der Begegnung, denn an diesem deutschen Ort im Vatikan wird natürlich nicht nur zur letzten Ruhe gebettet, sondern rundherum auch viel gelebt, gefeiert und diskutiert.
Die Texte des Bandes stammen zum Großteil von Albrecht Weiland, Leiter des Verlags Schnell&Steiner, der seinerzeit schon die Doktorarbeit dem Campo Santo widmete.
RV: Wenn wir zurückblicken auf die 1.200-jährige Geschichte dieser Institution: was ist aus heutiger Warte das, was Sie am meisten überrascht, was uns am meisten herausfordert an dieser Geschichte?
Weiland: „Der rote Faden, der sich von Anfang an bis heute durch die Geschichte zieht, ist die Sorge für Pilger und Landsleute: Sie in Rom zu begleiten, ihnen zu helfen, wenn sie krank werden, und ihnen ein ordentliches Begräbnis zu verschaffen, wenn sie sterben. Dieser Faden geht durch die ganze Zeit seit der Gründung unter Karl dem Großen bis zur heutigen Zeit.“
RV: „Wobei das Ganze heute andere Formen angenommen hat als in früheren Jahrhunderten – da gab es immer Epochen, einzelne Schübe, wie muss man sich das vorstellen etwa zur Zeit der Gründung? Aus welcher Notwendigkeit heraus entstand das, was hier heute ist?
Weiland: „Der Campo Santo Teutonico wie er sich heute darstellt, seine Geschichte, auf die Zeit des 80. Jahrhunderts zurückführen kann, sehe ich im Kontext der Pilgerfahrten, die man zum Grab des Heiligen Petrus machte aus dem ganzen Reich. Und es ist ja klar, wenn ich mich in die Fremde begebe, ist es immer eine Hilfe, wenn ich dort Landsleute treffe, die meine Sprache sprechen, an die ich mich vertrauensvoll wenden kann, die mich auch unterstützen können. Deshalb haben sich unterschiedliche Landsmannschaften, Vertreter unterschiedlicher Regionen Europas, um Sankt Peter herum angesiedelt, um dort ihre Landsleute zu betreuen, wenn sie nach Rom zur Pilgerschaft kamen.“
RV: Wann war die größte Zeit für den Campo Santo im Lauf seiner Geschichte?
Weiland: „Eine schwierige Frage. Der Campo Santo hat viele Höhepunkte erlebt. Eine Blütezeit war sicher die Gründung der Bruderschaft, wo mit großem Elan man daran ging, die Institution zu festigen, sich sofort eine große Kirche zu gönnen für den Gottesdienst, da hat man keine Mittel gescheut, auch wenn es dann stockte, man hat versucht, aus der Heimat Gelder zu bekommen, was man auch erreichte, und hat dann diesen Ort gestaltet. Man hat ein großes Gemeinschaftsbewusstsein gepflegt, sich gegenseitig gestützt, man hat dann wenn es zum Ende des Lebens zuging, dieser Institution Vermögen vermacht, um sie zu stärken, und mit diesem Vermögen konnte die Bruderschaft wieder Gutes tun, sowohl im Sozial-Karitativen wie auch im Religiös-Baulichen, da wurden Altarstiftungen gemacht, Reliquiare gestiftet, es wurde Kunst gestiftet – es war eine gegenseitige Angelegenheit.
RV: Welche Neuerungen waren im Lauf der Jahrhunderte zu beobachten?
Weiland: „Die Bruderschaft hat sich immer wieder zu religiösen Neuerungen bereit gefunden. Zum Beispiel die Kreuzwegandachten: Die Bruderschaft ist wahrscheinlich eine der ersten gewesen, die in Rom einen monumentalen Kreuzweg errichtet hat, der zweite monumentale, mit Edikola gebaut Kreuzweg nach dem Kolosseum. Und Sie dürfen nicht vergessen, damals hat man auch im Kolosseum den Ort gesehen von Christenverfolgung, mit Christenblut, und ich vermute, dass in diesem Kontext, wo wir heute den richtigen und gesicherten Nachweis haben, dass hier (am Circus des Nero, auf dessen Grund der Campo Santo steht, Anm.) Christen den Märtyrertod erlitten haben, dass in diesem Kontext das Bestreben war, in diesem Kontext einen ebenso großen schönen und prächtigen Kreuzweg zu errichten.“
RV: Die Bruderschaft hatte seit ihrer Gründung von Anfang an auch Frauen in ihren Reihen, war das denn im 15. Jahrhundert etwas Besonderes, dass auch Frauen dabei waren?
Weiland: „Das kann ich nicht sagen, weil ich die anderen römischen Bruderschaften nicht kenne, ich kann mir aber vorstellen, dass das schon etwas Besonderes gewesen ist, vor allen Dingen, weil die Bruderschaft immer Wert darauf gelegt hat, eine Laienbruderschaft zu sein. Zwar hat sie bis in die höchsten Reihen hinein Kardinäle und andere hohe Geistliche als Mitglieder gehabt, aber das Heft in der Hand hatte die Laiengemeinschaft. Und da haben die Frauen zwar auch eine Rolle gespielt, aber nicht die, die sie heute ist. Man kann ja nicht die Zeit, die Epochen ungeschehen machen. Aber sie waren von Anfang an dabei, und das war schon bemerkenswert. Und dass die Bruderschaft sich so entwickelt hat, dass wir heute in den Statuten überhaupt keinen Unterschied machen, ob ein Vorstandsmitglied Mann oder Frau ist, das halte ich für eine wichtige Leistung, eine Entwicklung, die folgerichtig ist, die aber die Bruderschaft aus voller Überzeugung trägt.“
Der Campo Santo Teutonico, Eine deutschsprachige Exklave im Vatikan. Schnell&Steiner / Kunstverlag Josef Fink. Das Buch kostet etwa 25 Euro. (rv)
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