Zwei Jahre Papst Franziskus: Das Gesicht der Kirche ändern

Kardinal Walter KasperFrischer Wind, Zuversicht, neue Hoffnung: alles Dinge, die Papst Franziskus in die Kirche gebracht hat. So charakterisiert Kardinal Walter Kasper die zwei Jahre, die seit der Wahl Jorge Mario Bergoglios zum Papst vergangen sind. An diesem Freitag jährt sich das Konklave zum zweiten Mal. Franziskus habe eine Wende verursacht, denn aufgrund von Vatileaks und den Missbrauchsskandalen habe zuvor eine gedrückte Stimmung geherrscht. „Auffallend und erfreulich ist auch, dass er weit über die katholische Kirche hinaus Achtung und Gehör findet," so Kardinal Kasper im Interview mit Radio Vatikan. Darüber hinaus habe der Papst eine ganze Reihe von Reformen mindestens eingeleitet, Kasper nennt vor allem die Reform der Finanzinstitutionen, die schon weit gediehen sei . Außerdem wolle der Papst die Bischofssynode hervorheben und habe einen synodalen Prozess – den zum Thema Familie – begonnen. „Es ist vieles in Bewegung geraten, und ich denke, dass wir diese Bewegung brauchen. Wenn man stehen bleibt, schläft man ein", so Kasper. Bei all dem sei vor allem das umgesetzt worden, was im Vorkonklave vor über zwei Jahren dem zu wählenden Papst aufgetragen worden sei, nämlich ein mehr pastorales Selbstverständnis vor allem in die Kurie zu bringen.

„Das Entscheidende aber ist: Alle diese äußeren Reformen, so wichtig sie auch sind, setzen eine Mentalitätsreform, eine innere Erneuerung voraus, sonst versanden sie und werden unfruchtbar. Daran arbeitet er vor allem." Deswegen habe er – Kasper – auch die Ansprache des Papstes an die Kurie, in der von fünfzehn Krankheiten die Rede war, als eine Art Exerzitienvortrag zur eigenen Gewissenserforschung verstanden. „Ich denke, dass er [Papst Franziskus] es auch selber so empfunden hat."

Ein radikaler Papst

Vor einigen Wochen hat Kardinal Kasper ein Buch veröffentlicht, in dem er den theologischen und geistlichen Wurzeln Papst Franziskus nachgeht. Er betont dort, dass der Papst nicht in unser „angestaubtes Bild von progressiv und konservativ" hineinpasse. „Das ist ein in der westlichen Welt aufgekommenes Schema, das in den Modernisierungsdiskurs hinein gehört. (…) Ich würde ihn als einen radikalen Papst im ursprünglichen Sinn des Wortes verstehen, der zurück geht auf das Evangelium, die „radix", die Wurzel." Damit stelle er sich in die Tradition der großen christlichen Reformbewegungen. „Das Evangelium ernst nehmen und von da her Zukunft für die Kirche wecken", das sei der Weg, den Papst Franziskus der Kirche weise, so Kardinal Kasper.

Ein zentraler Begriff dazu sei der der Bekehrung, der häufig etwa im programmatischen Papstschreiben Evangelii Gaudium falle, auch wenn er da als „Neuausrichtung" übersetzt werde. Im Original sei aber „Bekehrung" gemeint, urteilt der deutsche Kurienkardinal. Papst Franziskus wolle eine solche Bekehrung – und spreche deswegen auch von der „Bekehrung des Papsttums".

Bei alldem setze der Papst aber vor allem fort, was seine Vorgänger begonnen hätten: Kardinal Kasper sieht keinen Bruch, auch nicht zwischen Franziskus und dem emeritierten Papst Benedikt. Der Kardinal nennt als Beispiel die Barmherzigkeit, einen der wichtigsten Begriffe des Papstes. Das gehe schon auf Papst Johannes XXIII. zurück; wichtig sei auch das geworden, was Johannes Paul II. dazu gesagt habe, und natürlich die Enzyklika Deus Caritas Est von Benedikt XVI. – all diese Akzente fänden sich nun auch bei Papst Franziskus. „In der Persönlichkeit, im Stil gibt es einen großen Unterschied, Benedikt vertritt die klassische europäische Tradition auf einem sehr hohen Niveau, Papst Franziskus kommt von der südlichen Halbkugel und ist von daher geprägt; das sind natürlich Unterschiede, die man auch nicht übergehen darf. Aber es sind Ansätze in der Methode und im Zugang, nicht in den Glaubenswahrheiten."

Wie geht es weiter mit Papst Franziskus?

„Der Papst wird weiter sein Programm abarbeiten," zeigt sich Kardinal Kasper überzeugt. „Aber was er in Evangelii Gaudium aufgestellt hat, ist ein Jahrhundertprogramm, das kann kein Papst innerhalb seiner Amtszeit abarbeiten. Sein Prinzip ist es, nicht so sehr Positionen zu besetzen als Prozesse einzuleiten, die dann nicht mehr umkehrbar sind. Das ist seine Intention." Das habe durchaus praktische Auswirkungen, wie man etwa bei den Kardinalsernennungen sehen könne: „Er will das Gesicht der Kirche verändern – nicht das Wesen – und eine neue Richtung geben." Dazu gehöre das Wahrnehmen der sozialen Probleme heute; so sei die Mehrzahl der Christen heute arm, während wir in Europa insgesamt eher in einer Überflussgesellschaft lebten. Franziskus sei also die Stimme derer, die bisher relativ wenig zu Wort gekommen seien.

Von der Synode erhoffe er sich eine gewisse Öffnung in Ehe- und Familienfragen, so Kasper. Das sei es auch, was viele praktizierende Laien von der Kirche erwarteten. Wie das genau aussehen werde, wisse er aber nicht.

Das Buch von Kardinal Walter Kasper heißt: Papst Franziskus – Revolution der Zärtlichkeit und der Liebe, Theologische Wurzeln und pastorale Perspektiven. Es ist im Verlag Katholisches Bibelwerk erschienen. (rv)