Kardinal Turkson: Würde ist Indikator für Entwicklung

Kirche und Entwicklung: Das reimt sich. Jedenfalls ist der aus Ghana stammende Kardinal Peter Turkson fest davon überzeugt. „Die Rolle der Kirche bei der Förderung von Entwicklung ist sehr stark! Nicht nur im Süden der Welt, sondern so ziemlich überall…“. Turkson leitet die neue Vatikan-Einrichtung für ganzheitliche Entwicklung des Menschen. Am Montag und Dienstag ist er Gastgeber eines Kongresses zu fünfzig Jahren „Populorum progressio“, die Sozialenzyklika von Papst Paul VI., von der sich der Kardinal für den Aufbau seines Friedens-, Umwelts- und Gerechtigkeits-Ministeriums leiten lassen will.

„Eigentlich ist das Fördern von Entwicklung so etwas wie die Natur der Kirche“, sagt Turkson: „Von Anfang an war ja klar, dass man Menschen nicht evangelisieren kann, wenn man sich nicht auch um ihr Wohlergehen kümmert. Bei den ersten Christen wurde gepredigt, aber dann hat man auch das Brot miteinander geteilt und sich vergewissert, ob es Arme in ihren Reihen gab. So ist das in der Kirche auch heute noch. Das Evangelium verkünden – aber gleichzeitig den Menschen fördern. Damit er zumindest das Minimum hat, das ihm seine Würde garantiert.“

„Bruttoinlandsprodukt darf nicht einziger Indikator für Entwicklung sein“

Eigentlich ist das neue Dikasterium, das Papst Franziskus ins Leben gerufen hat, damit irgendwie zuständig fürs große Ganze – worauf will sich der Kardinal denn konzentrieren? „Zuallererst auf den Sinn des Fortschritts, den Sinn der Entwicklung. Das ist das Erste. Wenn Entwicklung nicht bei allem, was in die Wege geleitet wird, jedes mal mitgedacht wird, und wenn dabei nicht auch die Stimme der Religion berücksichtigt wird, dann führt das zu Gewalt – dann ist ganzheitliche Entwicklung der Menschen nicht möglich,“ so der Kardinal, um dann hinzu zu fügen: „Wir glauben wirklich, dass wir in dieser Debatte über die Entwicklung der Menschen einen Beitrag zu leisten haben. Es geht darum, die Menschen nicht auf Objekte zu reduzieren, an denen man eine Entwicklung vollführen muss – nein, sie sind Subjekte, sie müssen selbst die Akteure ihrer eigenen Entwicklung sein! Nur diese Sicht entspricht der Natur des Menschen, den Gott nach seinem Bild geschaffen hat.“

Akteure der eigenen Entwicklung

In diesen Kontext gehört das Bemühen von Papst Franziskus, dafür zu sorgen, dass sich Volksbewegungen und lokale Initiativen immer mehr zusammenschließen. Auf Veranlassung des Papstes haben schon mehrere Kongresse von Basisgruppen stattgefunden, um sie stärker untereinander zu vernetzen. Aber natürlich kann der Vatikan nicht einfach die obere Ebene überspringen, er muss auch mit den großen Playern reden, mit der UNO zum Beispiel.

„Innerhalb der UNO gibt es das UNDP, das Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen“, weist Turkson hin. „Hier hat eine Debatte über menschliche Entwicklung begonnen, und hier wurden verschiedene Kriterien für Entwicklung erarbeitet, zum Beispiel Zugang zu Schule und Bildung – damit nicht mehr das Bruttoinlandsprodukt der einzige Indikator für Entwicklung ist! Und dieses Erarbeiten von Kriterien war hervorragend. Man hat endlich mal nicht nur wirtschaftliche, sondern auch den menschlichen Faktor berücksichtigt, und daher rührt im UNO-Rahmen dieser Ausdruck „menschliche Entwicklung“.“

Das hört sich vielleicht noch etwas unkonkret an – gibt auch Kardinal Turkson zu. Aber er arbeitet daran, um das alles ganz konkret zu machen, sagt er. „Wenn man versucht, mehr ins Detail zu gehen und zu fragen, worin besteht denn menschliche Entwicklung, dann hört man als Antwort immer nur: Wahlfreiheit. Dass Leute sich Verschiedenes aussuchen können. Und hier finden wir, dass die Dinge nicht wirklich ins Ziel treffen. Es geht um Würde! Um die Würde des Einzelnen, die Würde der Menschen. Das müsste ein großer Indikator sein, wenn man darauf schaut, was für menschliche Entwicklung sorgt und was sie behindert.“ (rv)