Ratzinger-Schüler denken über Europas geistliche Krise nach

Papst Benedikt XVI.Der emeritierte Papst Benedikt XVI. ist voller Sorge über Europa und lässt aus diesem Grund den Ratzinger-Schülerkreis in seiner bevorstehenden Jahrestagung über Auswege aus der spirituellen Krise des Kontinents debattieren. Das sagte Pater Stephan Otto Horn, der langjährige Koordinator des Theologenzirkels, im Gespräch mit Radio Vatikan. Die Angehörigen des Ratzinger-Schülerkreises kommen von 25. bis 28. August wie bereits seit 2005 in Castel Gandolfo zusammen.

„Wir wollen über Europa reden unter dem Aspekt, wie die innere Situation von Europa ist, und was das für Herausforderungen für uns Christen in sich trägt“, sagt der Salvatorianerpater. Zunächst gehe es um eine Diagnose, denn: „Papst Benedikt hat uns das sehr ans Herz gelegt, wenn wir von Europa sprechen, müssen wir sehr tief die Situation von Europa analysieren“. Die beiden Hauptreferenten der Tagung von früheren Studenten und Mitarbeitern des einstigen Theologieprofessors Joseph Ratzinger, nachmals Papst Benedikt XVI., sind der emeritierte Grazer Diözesanbischof Egon Kapellari sowie der Rektor des „Istituto Universitario Europeo“ in Florenz, Joseph Weiler. Der US-amerikanische Jurist wird eine Bestandsaufnahme der spirituellen Krise Europas vorlegen, so Pater Horn.

„Wir erwarten von ihm einen Beitrag von jemandem, der von außen kommt, der nicht Christ ist sondern Jude, aber doch in dieser jüdisch-christlichen Tradition sehr verwurzelt ist und die Werte des Christentums sehr schätzt.“ Bischof Kapellari hingegen werde „mehr noch die Therapie“ dieser europäischen Krise in den Blick nehmen: „Er will über die alten und die neuen Baustellen sprechen, die Europa für uns Christen bereit hält.“

Benedikt XVI. selbst nimmt seit seinem Amtsverzicht 2013 nicht mehr an der Jahresversammlung seiner theologischen Schüler teil, empfängt sie aber im Vatikan. In diesem Jahr feiert er erstmals nicht mehr die Heilige Messe mit ihnen, sondern begrüßt 15 von ihnen bei sich in den vatikanischen Gärten.

Der 89 Jahre alte emeritierte Papst hat als Theologe und Intellektueller viel über Europa geschrieben, erinnert Pater Horn.

„Das ist eines der Themen, die ihm sehr am Herzen liegen. Zugleich ist er voller Sorge über Europa. Und darin stimmt er offenbar mit Präsident Weiler sehr überein. Insofern war er fast ein wenig erschrocken [über den Themenvorschlag des Schülerkreises], er hat gesagt, Europa ist wirklich in einer Krise und muss neu zum Leben kommen. Deshalb muss man die jetzige Situation sehr tief analysieren und von da aus versuchen, neue Wege zu finden, Europa neu zu beleben.“

Der Schülerkreis geht auf das Jahr 1978 zurück. Der Dogmatikprofessor Joseph Ratzinger war 1977 zum Erzbischof von München ernannt worden und beendete seine Universitätslaufbahn. Seit 1978 trafen sich die Teilnehmer jeden Sommer mit ihrem Lehrer zu einer Studienwoche. Im Mittelpunkt stand und steht jeweils ein von Ratzinger benanntes Thema. Die Treffen wurden auf Wunsch Benedikts XVI. nach seiner Papstwahl fortgesetzt: sie verlagerten sich in die päpstliche Sommerresidenz Castel Gandolfo bei Rom, und Benedikt, der dort Sommerfrische machte, nahm bis 2012 daran teil.

Wie Pater Horn sagte, könne man nunmehr wieder von einem einzigen „Ratzinger-Schülerkreis“ sprechen, weil der ursprüngliche Zirkel und der 2008 gegründete „Neue Schülerkreis“ von jüngeren Theologen nun zusammenwachse. „Wir sind in einer Phase des Übergangs“, so der Salvatorianer. Er ist Jahrgang 1934 und plant eine behutsame Übergabe des Ratzinger-Schülerkreises in jüngere Hände.

„Ich selber kann mich noch nicht ganz zurückziehen, möchte ja Papst Benedikt auch nicht im Stich lassen, aber es ist gut, wenn es einen langsamen, allmählichen Übergang gibt. So möchte ich den jüngsten des ursprünglichen Schülerkreises stärker mit ins Boot holen, Josef Zöhrer, der in Freiburg im Breisgau tätig war und jetzt emeritiert ist, und dann können wir Älteren langsam etwas zurücktreten und die Jungen können vorangehen.“

Der bayerische Salvatorianerpater Horn wirkte von 1972 bis 1977 als Assistent Professor Ratzingers an der Universität Regensburg. Zu den Angehörigen des Schülerkreises gehört unter anderem der Wiener Erzbischof Kardinal Christoph Schönborn, während der Schweizer Kurienkardinal Kurt Koch dem neuen Schülerkreis zugerechnet wird. Beide wollen im Kreis der rund 40 Theologen und Theologinnen an der Studientagung in Castel Gandolfo teilnehmen. (rv)

Vatikan: Nachwuchs für Ratzinger-Schülerkreis

Am Sonntag ist das diesjährige Treffen des Schülerkreises des ehemaligen Professors Joseph Ratzinger zu Ende gegangen. In Castelgandolfo traf man sich für drei Tage zu theologischem Austausch. Der Schülerkreis existiert seit den Professorentagen Ratzingers in Regensburg, aber er hat sich über die Jahre verändert. Der Hamburger Weihbischof Hans-Jochen Jaschke gehört seit seiner eigenen Promotion dazu. Er blickt für Radio Vatikan auf das diesjährige Treffen und auf den Kreis.
 „Wir bilden eine Mischung aus einem Veteranenclub und einem Akademikerclub: wir alle werden älter. Wir kennen uns seit vielen Jahren. Dieser Schülerkreis hat sich ja ursprünglich in eigener Formation gebildet und wir haben den Professor dazu eingeladen, dass er einen Tag mit uns verbringt. Seit er Papst ist, hat der heilige Vater das Heft in die Hand genommen und er lädt uns zu sich nach Rom ein, aber er wird doch wieder der alte Professor."
Papst Benedikt selbst war nur am Samstag für einige Stunden bei den Diskussionen dabei, außerdem zur Feier der Messe am Sonntag.
„Wir haben immer ein Thema für das Treffen, dieses mal war es das Thema der Hermeneutik des Zweiten Vatikanums, die eine Hermeneutik der Reform, nicht aber eine Hermeneutik der Diskontinuität oder der Brüche ist. Dazu haben wir Referate gehört und dazu haben wir mit ihm diskutiert und. Wir haben quasi in Seminaratmosphäre zusammen gesessen. Er hat die Leitung gehabt und aufmerksam den Referaten zugehört und die Diskussion geführt und sich auch mit dem einen oder anderen Statement eingeschaltet."
Es waren auch Theologen dabei, die selbst nie bei Professor Ratzinger studiert haben. Der Schülerkreis will sich seit einigen Jahren erweitern und lädt vor allem jüngere Theologinnen und Theologen ein, zu den Treffen zu kommen, wenn auch nicht zu den Sitzungen mit dem Papst, der Kreis soll seine Identität nicht ganz verlieren.
„Wir haben mit den Jungen drei Tage gemeinsam im Haus verbracht und intensiv über das Zweite Vatikanum diskutiert. Wir sind uns in diesem Jahr auch ein gutes Stück näher gekommen, denn wenn zu einem Kreis zehn junge Leute dazu stoßen dann muss man sich erst einmal beschnuppern und sehen, dass man theologisch ins Gespräch kommt." (rv)