Papst betet am Grab des heiligen Petrus: „Das Martyrium eingeatmet“

Kardinal ComastriAls erster Papst hat Franziskus am Ostermontag die archäologischen Stätten unter dem Petersdom besucht. Am Nachmittag des 1. April besichtigte er in privater Form die Nekropole, in der sich auch das Petrusgrab befindet. Vom Erzpriester der Vatikanbasilika Kardinal Angelo Comastri und dem Archäologen Pietro Zander begleitet, ließ sich der Papst zunächst den vorderen Teil der Ausgrabungen unter der Basilika zeigen, danach besuchte er zum Gebet das Petrusgrab. Kardinal Comastri berichtete nach der historischen Visite im Interview mit Radio Vatikan:

„Der Papst wollte diese Quelle des römischen Papsttums sehen, in die die Vorsehung heute auch ihn selbst eingefügt hat. Wir haben auf Ebene der vatikanischen Grotten begonnen und sind dann zur Vatikanischen Nekropole hinabgestiegen und damit ungefähr 1.800 Jahre in die Vergangenheit zurückgegangen. Bis 1939/40 war die Nekropole mit Erde begraben, weil die Architekten von Konstantin im Jahr 320 den abschüssigen Teil des Hügels mit Erde aufgefüllt haben, um die Fußbodenebene der ersten Basilika zu schaffen. Nach den Ausgrabungen ist alles – fast wie ein Wunder – wieder aufgetaucht."

Erst 1939 war mit archäologische Ausgrabungen unter dem Petersdom ein Teil des Gräberfeldes freigelegt worden, das vermutlich bis unter das Zentrum des Petersplatzes reicht. Im Bereich unter dem Hauptaltar stießen die Forscher auf das Apostelgrab – den Fund verkündete Papst Pius XII. am 23. Dezember 1950 zum Ende des Heiligen Jahres offiziell in seiner Weihnachts-Radiobotschaft:

„Ist wirklich das Grab des heiligen Petrus wiedergefunden worden? Auf diese Frage gibt der Abschluss der Arbeiten und Studien als Antwort ein glasklares Ja. Das Grab des Apostelfürsten ist wiedergefunden worden."

Über dem Grab war im 2. Jahrhundert das Tropeion errichtet worden. Eine der Säulen dieses Monumentes war bei den Grabungen entdeckt worden. Genau über dem Apostelgrab hatte Kaiser Konstantin im frühen 4. Jahrhundert den ersten Petersdom errichtet. Daran erinnerte Pacelli 1950 in seiner Weihnachtsansprache:

„Die gigantische Kuppel wölbt sich genau über dem Grab des ersten Bischofs von Rom, des ersten Papstes; einem Grab demütigsten Ursprungs, auf dem aber die Verehrung der nachfolgenden Jahrhunderte und die wunderbarer Folge ihrer Werke den größten Tempel der Christenheit errichtete."

Der erste Petersdom war im 16. Jahrhundert durch die heutige Petersbasilika ersetzt worden. In seiner Radiobotschaft berichtete Pius XII. auch vom Fund menschlicher Knochen in der Nähe des Grabes – waren auch die sterblichen Überreste des Apostels gefunden worden? Die Vermutung lag schon damals in der Luft, die Bestätigung, dass diese Reste dem Apostel zuzuordnen wären, sollte aber erst knapp zwei Jahrzehnte später Papst Paul VI. über die Lippen kommen. Er verkündete bei der Generalaudienz am 26. Juni 1968 offiziell die Entdeckung der heiligen Reliquien:

„Wir haben recht, wenn wir glauben, dass die wenigen, aber geheiligten sterblichen Überreste des Apostelfürsten, des Simon, Sohn des Jona, des durch Christus Petrus genannten Fischers (…), ausfindig gemacht wurden. Damit werden zwar nicht die Untersuchungen, Prüfungen, Diskussionen und Streitereien abgeschlossen sein, aber es erscheint uns als unsere Pflicht, euch und der Kirche (…) zum jetzigen Stand der archäologischen und wissenschaftlichen Schlussfolgerungen diese frohe Botschaft zu geben."

Papst Franziskus ist laut Vatikanangaben der erste Papst, der die archäologischen Stätten unter dem Petersdom besucht hat. Kardinal Comastri hat als sein Begleiter die Schritte und Gesten des Papstes am Petrusgrab genau mitverfolgen können:

„Als wir zum Petrusgrabes kamen, war der Papst sichtbar bewegt. Er hat aufmerksam die mit Graffiti beschriebene weiße Wand angesehen, die von der Verehrung dem Apostel Petrus gegenüber zeugt. In der Klementinischen Kapelle vor dem Apostelgrab hat sich der Papst dann auf den Boden hingekniet und wir haben mit lauter Stimme die drei Glaubensbekenntnisse des Petrus wiederholt, von denen die Evangelien erzählen. Es war sehr schön, den Papst zu hören, der mit uns allen die Worte des Petrus sagte: ,Herr, du bist der Christus, der Sohn des lebendigen Gottes‘. Der Papst hat dann mit lauter Stimme das andere Glaubensbekenntnis des Petrus nach der Einsetzung der Eucharistie ausgesprochen: ,Herr, zu wem sollen wir gehen? – Du hast Worte des ewigen Lebens‘. Und schließlich haben wir das dritte Glaubensbekenntnis des Petrus wiederholt, das am Rande des Sees von Galiläa gesprochen wurde, als Jesus ihn – nach dem Verrat – drei Mal fragte: ,Simon, liebst du mich?‘ und Petrus am Ende sagte: ,Herr, du weißt alles: du weißt, dass ich dich liebe‘. Und es war auch für uns berührend, den Papst zu hören, wie seine Stimme sich praktisch über diese Worte des Petrus legte, wie er sie gleichsam wiederbelebte, denn heute hat er ja die Mission, das fortzuführen, was Jesus Petrus anvertraute."

Zum Abschluss habe Franziskus die Vatikanischen Grotten besucht und den Gräbern seiner Vorgänger aus dem 20. Jahrhundert die Ehre erwiesen: Benedikt XV.; Pius XI., Pius XII., Paul VI. und Johannes I. Am Dienstagnachmittag besuchte er hingegen die Gräber der Päpste im Petersdom, darunter anlässlich des Todestages am 2. April das von Johannes Paul II. Franziskus‘ Besuch am Petrusgrab ist für Kardinal Comastri eine Rückkehr zu den Quellen des Christentums – für den neuen Papst sei dieser Schritt eine Stärkung im Amt gewesen, so der Erzpriester der Petersbasilika:

„Ohne Zweifel, macht (der Besuch) deutlich, dass in der Kirche eine Kontinuität besteht. Nach ungefähr 2000 Jahren, kommt der Nachfolger Petri mit demselben Enthusiasmus der Ursprünge (des Christentums) an diesen Ort, und auch – wie er es selbst sagte – mit derselben Zerbrechlichkeit der Ursprünge – um eine Aufgabe fortzuführen, die uns erzittern lässt: die Mission, der Fels zu sein, auf den Christus seine Kirche baut. Man hat gesehen, dass der Papst diese Verantwortung sehr stark spürt: er hat aufmerksam alles angesehen, was sich auf Petrus bezieht, ja er hat das Klima des Martyriums, des Zeugnisses des Petrus, nahezu eingeatmet."

Begleitet wurde der Papst bei seinem Besuch der Ausgrabungen neben Kardinal Comastri von seinem Privatsekretär Alfred Xuereb, dem Delegaten der Dombauhütte von Sankt Peter, Bischof Vittorio Lanzani, sowie von den Verantwortlichen der Nekropole, Pietro Zander und Mario Bosco.
(rv)

Petrusgrab: Ort einer Verschwörung gegen Hitler?

Eine Verschwörung gegen Adolf Hitler, eingefädelt im Vatikan am geheimsten Ort, den es in jenen Tagen dort gab: am Petrusgrab in den Grotten der Vatikan-Basilika. Das klingt nach einer kühnen These, für die es freilich manch stichhaltiges Indiz sowie Zeugnisse aus erster Hand gibt. Die Historikerin Barbara Frale, die am vatikanischen Geheimarchiv arbeitet, hat Publikationen und Dokumente zu diesem Thema zusammengetragen. Sie erklärte uns:

„Die Schlüsselfigur ist Prälat Ludwig Kaas. Als Ausgrabungsleiter behielt er mit einem Auge die Archäologen im Blick, die mitunter auch mit ungeeigneten Methoden vorgingen. Und mit dem anderen Auge kontrollierte er die Bewegungen rund um den Austausch von Informationen, die gelegentlich dort unten in der Vatikan-Nekropole stattfanden. Wir haben da beispielsweise ein Dokument, das vor Jahren veröffentlicht wurde. Es stammt von dem deutschen Diplomaten Fritz Menshausen, Botschaftsrat an der deutschen Botschaft beim Heiligen Stuhl. Dieser schickte einen Protestbrief an Kardinalstaatssekretär Luigi Maglione, in dem er schrieb: „Im Vatikan findet eine Verschwörung statt, und im Mittelpunkt steht Kaas. Der Vatikan verletzt die Neutralität mit den Engländern – wir wissen das!" Klarerweise wies das Staatssekretariat das sofort zurück. Aber interessanterweise trägt das Dokument eine handschriftliche Notiz von Maglione, der schrieb: „Menshausen weiß alles".

In der Kurzversion: Es ging um einen Separatfrieden für Deutschland, der mit England ausgehandelt werden sollte. Ludwig Kaas, der frühere Zentrumspolitiker, der sich ab 1933 in den Vatikan flüchtete, richtete hier ein geheimes Informationsbüro ein. Unten in der Nekropole, in der ab 1939 die ersten Sondierungsgrabungen für die Auffindung des Petrusgrabes stattfanden, traf er sich mit dem jungen Münchner Anwalt Josef Müller, genannt: der Ochsensepp, Angehöriger des deutschen Widerstands. Der direkte Kanal zu Papst Pius XII. war dessen Beichtvater, der deutsche Jesuit Pater Robert Leiber. Das deutsch-vatikanische Komplott scheiterte – England nahm die Informationen aus dem Vatikan vermutlich nicht ernst genug. Doch der Mosaikstein zur Geschichte des Petrusgrabes bleibt hochinteressant; Dokumente aus dem Vatikanischen Geheimarchiv, dessen Bestände ab 1939 in wenigen Jahren freigegeben werden sollen, könnten Licht auf dieses Mysterium werfen. (rv)