Papst betet am Sonntag an der Mariensäule in Rom

Papst Franziskus begibt sich an diesem Sonntag zum traditionellen Gebet an die Mariensäule nahe der Spanischen Treppe in der römischen Innenstadt. Anlass ist das Hochfest der ohne Erbsünde empfangenen Jungfrau und Gottesmutter Maria. Wie das vatikanische Presseamt am Samstag mitteilte, wird er auf dem Rückweg einen Zwischenstopp an der Basilika Santa Maria Maggiore einlegen.
Radio Vatikan überträgt das Gebet des Papstes an der Mariensäule von 15.45 bis 17.15 Uhr live und mit deutschem Kommentar. Unser Kommentator ist P. Bernd Hagenkord SJ. (rv)

Ende des Jahrs des Glaubens: Eine Schlussbetrachtung

Bernd HagenkordGedanken zum Ende des Jahres des Glaubens von unserem Redaktionsleiter, Pater Bernd Hagenkord SJ.

Für Benedikt XVI. war es ein Herzensanliegen und Franziskus hat es in seiner ganz eigenen Art geprägt: An diesem Wochenende geht das „Jahr des Glaubens" zu Ende. Nicht wirklich ein Zentrum der Aufmerksamkeit, es gab zwar ein Logo und jede Menge Veranstaltungen, die unter diesem Logo auftraten, aber wirklich geprägt hat es die Kirche nicht. Bitte korrigieren Sie mich, wenn ich das falsch sehe.

Innerkirchlich gab es viele andere Themen, die dringender schienen, den Dialogprozess in Deutschland etwa, dann die Geschichten um Vatileaks und Bischofsbauten, um Missbrauchsaufarbeitung und die Pille danach, etc. Wirklich beschäftigt hat das Thema nicht.
„Porta Fidei" hieß das Dokument, das Benedikt XVI. an den Anfang gestellt hatte. Er wollte „den Weg des Glaubens wiederentdecken, um die Freude und die erneute Begeisterung der Begegnung mit Christus" deutlicher zu Tage treten zu lassen. Die Formulierung ist ganz Benedikt, aber der Inhalt könnte auch Franziskus sein. Immerhin beendet der neue Papst das Jahr in der kommenden Woche mit einem Schreiben, das „Evangelii Gaudium", Freude des Evangeliums, heißen wird.

Drei Dinge möchte ich zum Ende des Jahres noch einmal nennen.

Erstens: Unser Glaube ist dynamisch, er lebt von der Weitergabe, die Verkündigung ist in seine genetische Struktur eingewebt. Man schaue ganz einfach in die Evangelien, wie die Kirche den Auftrag Jesu durch die Jahrhunderte weitergegeben hat, da hat man das ganz zentral formuliert.

Zweitens: Die Diskussionen der evangelischen Kirchen um die Frage, was sie 2017 eigentlich feiern wollen, sollten auch uns eine Lehre sein. Immer öfter und lauter wird die Frage gestellt, was man mit Luther und den Thesen eigentlich feiere. Solche Gedenktage, -wochen oder -Jahre fassen Sinn zusammen. Zumindest ist das ihr Ziel. Die Tatsache, dass das Jahr des Glaubens nicht wirklich abgehoben hat, kann auf Organisation oder lokale Umstände zurück geführt werden, aber ein nicht geringer Teil hat auch damit zu tun, dass wir wohl nicht so recht wissen, was wir da eigentlich begehen, feiern, erinnern, erneuern. Hier ist Einsicht der erste Schritt zur Besserung.

Drittens glaube ich, dass sich genau hier der Vektor befindet, das Konzil richtig anzufassen. Nicht von ungefähr hat Benedikt XVI. das Jahr mit dem Jahrestag des Konzilsbeginns zusammen gelegt. Wenn das Konzil überhaupt einen „Geist" hatte, dann den, dass die Tradition der Kirche weitergeschrieben werden sollte. Sie brauchte eine Erneuerung, eine Formulierung in die Moderne hinein. Das ist jetzt aber auch schon fünfzig Jahre her und darf da nicht stehen bleiben.

Das „Jahr des Glaubens" mag jetzt nicht der krachende Erfolg gewesen sein, der alles andere in den Schatten stellt. Aber das musste es auch gar nicht sein. Wer in den vergangenen Monaten einen Konziltext in die Hand genommen hat, eine Debatte geführt, einmal sich die Frage gestellt hat, was die Glaubensweitergabe für sie oder ihn bedeutet, der hat das Jahr schon zu einem Erfolg gemacht.
(rv)

Kardinal Kasper: „Eine neue Phase des Papsttums beginnt“

Kardinal Walter KasperSchweigen, Respekt und Denken an das, was jetzt kommt, spricht aus den ersten Reaktionen während und nach der Rücktrittsankündigung von Papst Benedikt XVI. Im Konsistorium am Montag mit dabei war Kardinal Walter Kasper, der ehemalige Präsident des Päpstlichen Ökumenerates. Pater Bernd Hagenkord hat ihn gefragt, was ihm in diesem Moment und danach durch den Kopf ging.

„Zunächst waren wir alle völlig perplex und erstaunt. Es ist ein Schweigen ausgebrochen, wir wussten zunächst nichts zu sagen. Natürlich war da Respekt für die Entscheidung, es zeigt ja auch Größe, wenn man die eigene physische Schwäche in dieser Weise artikuliert und sagt, ich bin nicht mehr in der Lage, das Amt in der Weise, wie ich es selber erwarte, auszuüben. Diese Demut und Größe ist anerkannt worden.
Aber dann ist im Gespräch mit einigen Kardinälen auch sofort angesprochen worden, dass das ein Einschnitt ist in der Geschichte des Papsttums. Das hat Folgen für die kommenden Pontifikate. Ich will nicht sagen, dass es ein Präzedenzfall ist, aber es ändert die Sicht des Pontifikates, es de-sakralisiert es im gewissen Sinn. Und macht das Amt im gewissen Sinn auch menschlich, weil es deutlich macht, dass dahinter ein Mensch steht, der alt wird und der mit den normalen Beschwerden des Alters zu tun hat. Es ist jetzt eine neue Phase des Papsttums angebrochen.“

Wie ist denn im Augenblick die Stimmung im Vatikan?

„Es ist immer noch die Stimmung wie nach einem Erdbeben, und nach einem solchen Erdbeben wird es zunächst einmal still. Man wartet jetzt, was kommt. Aber dann kommt auch schon die Überlegung, die jeder Kardinal, der am Konklave teilnimmt, mit sich herum trägt: Für wen entscheide ich mich jetzt? Es gibt ja keinen, der wie der geborene Nachfolger erscheint. Das ist die allgemeine Stimmung. Man tauscht sich natürlich etwas aus mit Kardinälen, mit denen man befreundet ist, das ist ganz normal, um einfach auch sein eigenes Gewissen zu schärfen.
Es ist die Stimmung einer gewissen Unsicherheit.
Die bevorstehende Sedisvakanz wird lang sein, denn die zweieinhalb Wochen bis zur eigentlichen Sedisvakanz sind ja auch eine unvorhergesehene Zwischenzeit, und dann geht es noch einmal mindestens fünfzehn Tage, bis das Konklave beginnt. Ich hoffe, dass die katholischen Christen und auch andere es als eine Zeit der Besinnung und des Gebets nehmen, denn darauf sind wir auch als Kardinäle in dieser Situation sehr angewiesen.“

Sie selber sind in leitender Position gewesen, Sie sind noch keine achtzig, sie dürfen also am Konklave teilnehmen. Obwohl Sie um einige Jahre jünger sind als Josef Ratzinger / Benedikt XVI., werden auch Sie älter. Wie nehmen Sie die Situation menschlich wahr?

„Ich bin sehr berührt von seiner menschlichen Entscheidung. Ich kenne ihn jetzt genau seit fünfzig Jahren. Da ist sehr viel Begegnung und auch manche theologisch unterschiedliche Meinung, das ist etwas Normales gewesen. Ich war erst vor Kurzem zum Abendessen bei ihm eingeladen und das war eine wunderbare Begegnung, sehr freundschaftlich, sehr persönlich, sehr freundlich, brüderlich.
Jetzt denke ich natürlich an diesen Abend zurück – da ist man bewegt. Natürlich habe ich gesehen, dass er physisch sehr abnimmt, dass er sehr schmal und zerbrechlich geworden ist.
Er hat die Entscheidung lange überlegt und lange durchgebetet, das ist nicht von heute auf morgen gefallen, das ist gereift. Er hat ja am Schluss auch gesagt, er habe die Gewissheit bekommen. Das war schon eine durchbetete, auch durchlittene Entscheidung, wie ich annehme.
Und das ist dann auch menschlich. Wenn man eine Person so lange kennt, geht das einem, wie man so sagt, unter die Haut.“ (rv)

Kreuz.net offline und das ist gut so: Ein Kommentar

Seit Sonntagmorgen ist die Webseite kreuz.net im Internet nicht mehr zu erreichen: Eine Hetz-Seite, die vorgab, katholisch zu sein. Eine gute Nachricht für die Kirche, für alle Christen und für das Internet. Ein Kommentar von unserem Redaktionsleiter Pater Bernd Hagenkord.

Was der Internetseite den Garaus gemacht hat, ob es Druck war oder Angst, entdeckt zu werden, ob Hacker sie lahm gelegt oder die Macher sie selbst aus dem Netz genommen haben ist erst einmal egal: Das Ding ist erst einmal weg.

Unter meine Genugtuung mischt sich aber auch Ernüchterung. Das unsägliche Geschreibe im Netz hat Schaden angerichtet und ich befürchte, dass davon etwas bleibt. Und ich meine gar nicht, dass bei einigen Menschen der Eindruck bleiben könnte, die katholische Kirche könne da irgendwie doch mit zu tun haben. Das passiert, das ist bedauerlich, aber das ist nicht zu ändern. Ich meine den Schaden, der bei den beschimpften Menschen entstanden ist, die gesehen haben, dass man antisemitisch, misogyn, hasserfüllt und herabwürdigend schreiben und in die Welt herum lügen darf, ohne erwischt zu werden. Und dass das Erfolg hat, weil es Aufmerksamkeit bekommt.

Diese Webseite war einfach nur widerlich. Aber weil sie widerlich war, hatte sie Erfolg. Da waren zum einen diejenigen, deren niedere Instinkte sich angesprochen fühlten und die unsäglich menschenverachtend kommentierten. Dann waren da die, die unter dem Vorwand „man müsse doch wissen, was der Feind schreibt" immer wieder hingeschaut haben und wieder und wieder. Damit haben sie dieser Seite eben genau das gegeben, was sie am meisten brauchte: Aufmerksamkeit. Und dann waren da die anderen, die das glaubten oder unterstützten oder die meinten, auch wenn das alles schlimm sei, bewege es doch die Kirche und erwähne Themen, die sonst nicht erwähnt würden.

Wie gesagt, der Schaden ist angerichtet. Trotzdem ist es erst einmal gut, dass das Ding aus dem Netz ist. Hoffentlich für immer. (rv)

Zwischenbilanz der Reise – von P. Hagenkord

„Keiner soll alleine glauben": Ein Spruchband am Mariendom in Erfurt direkt neben dem Papstaltar bindet sehr gut zusammen, wofür der zweite Teil der Reise Papst Benedikt XVI. nach Deutschland steht.

Die Medien werden dominiert vom Wort „Enttäuschung", aber die Menschen, mit denen ich gesprochen habe, sehen einen anderen Besuch. Während die 90.000 in Etzelsbach auf den Papst warteten, stimmten sie spontan – es war gerade keine Musik – ein ‚Großer Gott wir loben dich’ an. Sowohl auf dem Feld zur Vesper als auch zur großen Messe auf dem Domplatz zu Erfurt herrschte eine freudige, erwartungsvolle und auch geistliche Stimmung.

Der Papst sprach beide male über die Situation der Menschen hier, über die Diktaturen der Vergangenheit und auch über die Herausforderungen der Gegenwart, durch Diaspora und Glaubensverlust.

Aber auch das Treffen von Erfurt, die Begegnung und der ökumenische Gottesdienst, waren Höhepunkte der Reise. Ich habe einen Papst gehört, der das Suchen und Ringen Martin Luthers ausdrücklich würdigte und damit – auch wenn er die Worte nicht gebrauchte – die Einschätzung von Präses Nikolaus Schneider teilte, Luther sei mehr ein Scharnier zwischen den Konfessionen denn Ort der Trennung.

Gewiss, es hat nicht die schnellen Lösungen gegeben. Die hoch gesteckten und leider auch überzogenen Erwartungen im Vorfeld konnten gar nicht erfüllt werden. Aber Benedikt XVI., und so haben es auch die Beteiligten nach dem Treffen gesehen, hat die Grundlagen einer jeden möglichen Ökumene abgesteckt: Den gemeinsamen Glauben an Jesus, den gemeinsamen Auftrag, diesen Glauben zu bezeugen und ihn weiterzugeben. Wie sehr das Motivation oder Anstoß war, das werden wir in den nächsten Monaten und Jahren erst noch sehen.

Erfurt und Etzelsbach: ‚Wie den Glauben konkret gemeinsam leben?’ So würde ich eine vorsichtige Überschrift über diese Tage setzen. „Glaube ist immer auch wesentlich Mitglauben", in den Worten des Papstes gesagt. Das bindet die Ereignisse dieser Tage zusammen: Mitglauben in der Diaspora, Mitglauben in der wieder gewonnenen Freiheit, Mitglauben in den Herausforderungen der Glaubensverdunstung, Mitglauben in der Ökumene. (rv)

P. Hagenkord: „Papst hat klare Worte gefunden“

Während des Deutschlandbesuches des Papstes ist für Radio Vatikan auch unser Redaktionsleiter, Pater Bernd Hagenkord, dabei. Wie sind die ersten Ereignisse aus der Sicht seines „Gefolges" von Journalisten verlaufen?

„Es war zunächst einmal ein ruhiger und wie gewohnt professioneller Flug, ein kurzer Flug noch dazu, fast schon zu kurz, um die übliche Pressekonferenz abzuhalten.
Der Papst beantwortete Fragen zu seinem „Deutschsein", ob er sich denn als Deutscher fühle, er sprach zum Missbrauch und zu den Kirchenaustritten in Deutschland. Aber er tat das vor allem in Italienisch. Es ist meine Erfahrung der letzten Tage und Wochen, dass es sehr schwierig ist, außerhalb der Deutsch sprechenden Länder zu vermitteln, wie genau die deutsche Kirche so funktioniert. Deswegen war es wahrscheinlich sehr wichtig, dass der Papst das für die Weltpresse auf Italienisch tat.
Gerade in der internationalen Presse sind in den letzten Tagen viele unsinnige und verzerrende Darstellungen über die Kirche in Deutschland geschrieben worden, über Austritte und so weiter, da hat der Papst gut und klar seine Worte zu gefunden."

Wir müssen aber auch auf die Proteste in Berlin eingehen. Waren die im Ablauf der Papstreise sichtbar? Haben die Einfluss auf den Ablauf oder gar den Inhalt?

„Während des Fluges hat der Papst natürlich darauf Bezug genommen. Aber viel wichtiger finde ich, dass die Besuchten, in diesem Fall erst einmal der Bundespräsident und die Kanzlerin, das auch getan haben. Sie haben das nicht konkret angesprochen, aber genau das gemacht, was so kritisiert wird, sie haben den Papst als Staatsgast angesprochen und empfangen.
Bundeskanzlerin Merkel hat ganz klar die europäische Einigung und die Finanzmärkte angesprochen, dass sind politische Themen. Der Papst wird als jemand empfangen, der für Deutschland und Europa nicht nur in geistlicher und kirchlicher Hinsicht wichtig ist, der auch für die ganze Gesellschaft und für die Politik wichtig ist.
Beim Willkommen in Schloss Bellevue hat Bundespräsident Wulff ebenfalls konkret Erwartungen angesprochen, zwar eher was bürgerliches Engagement angeht, aber trotzdem sehr klar und deutlich. Das waren nicht nur höfliche Worte, hier wird sichtbar, dass der Papst und die Kirche zur Gesellschaft und zum Staat beitragen können, dass das erwartet wird. Das ist ganz klar der Besuch eines Staates, nicht nur der Kirche." (rv)

Kommentar: Der Theologenbrief und die Medien

Zur an diesem Freitag veröffentlichten Erklärung deutschsprachiger Theologen ein Kommentar unseres Redaktionsleiters Pater Bernd Hagenkord:
 Die meisten Meldungen, die heute zur Erklärung „Kirche 2011: Ein notwendiger Aufbruch" auf dem Schreibtisch von uns Journalisten landen, lauten in etwa so: „144 Theologen fordern Abschaffung des Zölibates" (Focus, Stern, AFP, dpa). Oder wie die Süddeutsche Zeitung selber titelt: „Theologen gegen den Zölibat".
Angehängt an den Brief deutscher Politiker zu den viri probati – auch das wurde in den Medien als Zölibatsdebatte geführt – und die Auseinandersetzung zwischen Kardinälen um den Stil der Debatte fallen etwa 99 Prozent des Inhalts des Briefes dabei weg.
Blättern wir einige Jahre zurück, ins Jahr 1989 zur Kölner Erklärung, einem anderen von vielen Theologen unterzeichneten Aufruf. Dietmar Mieth, Unterzeichner damals wie auch heute, stellte vor zwei Jahren in einem Artikel rückblickend folgende Frage: „Wie sehr sind wir in diesen Dingen von einer medialen Event-Kultur abhängig?" Die aktuelle Erklärung selber spricht bereits im ersten Absatz an, dass es auch der bevorstehende Papstbesuch in Deutschland ist, der die Debatte prägt. Und – so möchte ich hinzufügen – der eine besondere Form der Aufmerksamkeit schafft.
Es ist klar, dass die Kirche sich schadet, wenn sie den Dialog verweigert, sowohl innerkirchlich, als auch mit Kultur und Gesellschaft. Aber ebenso deutlich muss gesagt werden, dass die Medienkultur nicht die einzige Instanz sein kann, die entscheidet, wann ein Dialog wirklich stattfindet und wozu er geführt werden darf. Es sind die viel beschworenen ‚Mühen der Ebene’, die es jetzt braucht, viel mehr noch als die symbolische und große Geste und das medial verwertbare Ereignis. Hier, und nicht in den inszenierten Events, wird sich zeigen, ob wir in Sachen Kommunikation aus dem vergangenen Jahr gelernt haben. (rv)

Wikileaks und der Vatikan: Ein Kommentar

Ein Kommentar zur Veröffentlichung von Dokumenten aus dem US-State Department über den Vatikan. Von unserem Redaktionsleiter Pater Bernd Hagenkord SJ.

Wikileaks, so weit das Auge reicht. Seit gestern können wir im Internet und dann auch bei Zeitungen, im Radio und auf Websites lesen und hören, was US-amerikanische Diplomaten an Informationen aus dem Vatikan an die eigene Regierung weitergegeben haben. Viel Erhellendes habe ich bis jetzt nicht lesen können. Spannend ist nur, dass diese Berichte jetzt als Quelle für Nachrichten behandelt werden. Oder besser: Wie sie behandelt werden. „Laut den von Wikileaks veröffentlichten Geheimberichten" heißt es, und dann werden die Einschätzungen der Diplomaten als Tatsachen berichtet. Der Vatikan sei verärgert gewesen über dies und habe Unterstützung für jenes gezeigt. Aus der Wiedergabe dessen, was die Diplomaten gemeldet haben, wird in den Köpfen ganz schnell Information über den Vatikan, und das ist schlechter Journalismus.
Erstens gilt immer noch: Selber recherchieren! Es gibt keinen Grund, all das ohne Zusatzinformationen und ohne zumindest ein Basiswissen in Sachen Vatikan einfach so für bare Münze zu nehmen. Es handelt sich nicht um Stellungnahmen offizieller vatikanischer Vertreter, es handelt sich auch nicht um Dokumente aus dem Vatikan: Es ist eine in Diplomatensprache formulierte Wiedergaben dessen, was US-amerikanische Diplomaten für die Meinung einzelner Vatikanmitarbeiter halten. Das sind zwei völlig verschiedene Paar Schuhe.
Zweitens: Wenn ein Journalist investigativ tätig ist, wenn er versucht herauszubekommen, was andere lieber verheimlichen würden, dann hat das meinen Respekt. Solche Medien brauchen wir. Aber einfach alles, was da ist, ohne Differenzierung auf den Markt zu werfen und dann erst zu schauen, ob vielleicht etwas Interessantes dabei ist, das ist naiv. Und was Journalismus angeht, ist das sogar schädlich. Jedenfalls werden wir in näherer Zukunft keinen Bericht mehr über Diplomatie und internationale Beziehungen lesen, der nicht von US-Diplomaten und deren Dokumenten dominiert ist. Als ob die Meinung dieser Diplomaten die Richtschnur für Berichtenswertes sei. Ob das einer fairen Berichterstattung gut tut, bezweifle ich sehr stark. (rv)

D: Theologisch viel los bei der Buchmesse

Das Internet habe sie verdrängt, Menschen nehmen sich keine Zeit mehr für sie – es wurde viel geredet über die nachlassende Attraktivität von Büchern. Dabei gibt es einen Ort, der jedes Jahr das Gegenteil beweist: die Internationale Buchmesse. Von den Fachspezialisierungen innerhalb der Spezialisierungen zu den sich neu auftuenden Genres: Die Bücherwelt lebt und die Nachfrage ist da. Das gilt auch für die Bücher rund um das Thema Kirche und Religion. An diesem Freitag sind die Tore der Buchmesse für das interessierte Publikum geöffnet. In den letzten Tagen fand dort eine reine Fachmesse statt. Unser Redaktionsleiter Pater Bernd Hagenkord hat sich dort umgeschaut nach den Neuigkeiten und Trends auf dem religiösen Buchmarkt.
 „Theologisch ist hier sehr viel los, das ist mir aufgefallen. interessanterweise sind das fast alles Namen, die man noch nicht kennt. Da kommt eine neue Generation neuer Theologen auf den Markt, das ist eine sehr gute Nachricht, da kann man viel Neues entdecken. Ansonsten sind mir viele Kirchen-Bücher aufgefallen. Kirche im Reformstau, Rückkehr der Religion, authentisch glauben."
Geschrieben wird zum Thema Religion und Kirche sowohl positiv, wie kritisch. Der literarische Prüfstand durchleuchtet die Kirche von heute und ihre Botschaft sehr detailliert.
„Viele Bücher sprechen eben davon, dass in der Kirche zu viel über Struktur und Geld geredet wird und dass eine veraltete Sprache benutzt wird. Da ist immer alles "ein Stück weit" und "da geht man zu den Menschen", solche Formulierungen, die nicht wirklich religiös heute noch tragen. Also Bücher, die anmahnen, man möge sich wieder verstärkt und in einer neuen klugen, angemessenen Sprache um Gott selber kümmern."
Für den Besucher ist der Durchblick auf der Frankfurter Buchmesse nur schwer zu behalten: Deshalb sein Tipp: Vorher schon ungefähr wissen, wonach man sucht. Die Verlage haben ihre Programme den Wünschen der Leseinteressierten angepasst. Und die gehen ziemlich auseinander.
„Also da gibt es die Kirchenfernen, die engagierten Kirchenmitglieder, es gibt die Suchenden, es gibt die Leute, die eigentlich mit Kirche und Gott bis jetzt gar nichts zu tun hatten und jetzt versuchen, da Informationen zu gewinnen. Alle diese Gruppen wollen verschieden bedient werden, und das merkt man sehr deutlich an den Ständen der Verlage. Das ist sehr bunt und interessant, sich da durchzublättern."
Man solle sich außerdem nicht davon abschrecken lassen, dass nicht alles, was an religiöser Literatur vorgestellt wird, auch von weitem erkennbar und mit dicken Kreuzen versehen ist. Die Nachfrage ist ungebrochen. Und sie bestimmt die Vielfalt.
„Es gibt anhaltendes Interesse am weitestgehend religiösen Buchmarkt. Das geht vom alten Druck einer Bibel bis zum New-Age-Mäßigen, spirituell Tastenden, aber da gibt es nach wie vor ein großes Interesse. Man richtet sich nach der veränderten Nachfrage, nach den verschiedenen Stilen." „Es gibt eine Bibel in Magazinform, Hochglanz, das sieht ein bisschen so aus wie ein modernes Modemagazin, aber da drin ist ausschließlich Bibel." (rv)

Kosovo: „Auf dem Balkan ist jede Entscheidung falsch“

Die Unabhängigkeitserklärung des Kosovo von Serbien im Jahr 2008 hat nicht gegen das Völkerrecht verstoßen. Zu diesem Schluss ist am Donnerstagnachmittag der internationale Gerichtshof der Vereinten Nationen in Den Haag gekommen. Bei dem Urteil des Gerichtes handelt es sich um eine nicht bindende Stellungnahme. Michael Feit ist Kosovo-Experte und arbeitet für die Caritas Luxemburg. Radio Vatikan hat ihn nach Veröffentlichung des Gutachtens um eine Einschätzung gebeten. Die Fragen stellte P. Bernd Hagenkord.
 „Auf dem Balkan ist jede Entscheidung falsch, das haben schon die Diplomaten im 19. Jahrhundert immer wieder gesagt. Trotzdem bin ich froh, dass die Konflikte, wie wir sie in den 90er Jahren erlebt haben, jetzt nicht mehr auf dem Schlachtfeld, sondern im Gericht entschieden werden. Da bin ich sehr froh. Ich denke, dass diese Entscheidung dazu beiträgt, den Balkan zu stabilisieren und nicht – wie es die Serben jetzt proklamieren – zu weiteren Auseinandersetzungen führen wird."
Warum stabilisiert ein solches Gutachten den Balkan?
„Es sorgt für Stabilität, weil jetzt die Möglichkeiten gegeben sind, tatsächlich Realpolitik zu machen. Bis jetzt konnten serbische Politiker den Kosovo nicht anerkennen. Das ging nicht. Wer sich für die Anerkennung des Kosovo ausspricht, hat in Serbien bei den Wahlen verloren. Durch das Gutachten können die serbischen Politiker jetzt sagen, dass sie alles versucht haben, sich aber jetzt mit dieser Rechtssituation abfinden müssen. Dies ist die einzige Möglichkeit, mittelfristig in die EU zu kommen. Dadurch kann jetzt Realpolitik gemacht werden. Und diese Realpolitik wird dazu beitragen, den Balkan weiter zu stabilisieren."
Es gab im Zuge der Begutachtung ja auch antiserbische Rhetorik. Ein EU-Vertreter sagte, das Urteil sei ein „Aufwärtshaken gegen das Kinn Serbiens". Das klingt ja nicht gerade versöhnlich…
„Es gibt sicherlich auch auf Seiten der EU Leute, die nicht die richtigen Worte finden. Hier muss jetzt das getan werden, was ja auch schon viele Politiker gemacht haben: Nämlich der Aufruf an beide Parteien, sich zu arrangieren im Sinne der Menschen, die dort leben, die sicherlich viele Probleme haben, sowohl in Serbien als auch im Balkan. Das sind Probleme des Alltags, ein vernünftiges Leben dort zu führen. Ich denke, dass man sich darauf konzentrieren sollte und nicht auf diplomatische Schlagabtausche."
Ein Blick auf die religiöse Situation, denn das spielt ja auch immer mit: Albaner, Kosovaren und Serben sind ja auch religiös voneinander getrennt. Ist das der Lack auf dem Konflikt oder ist das die Substanz? Wie schätzen Sie das ein?
„Wenn man das aus der Perspektive des Kosovo sieht: Die Serben, die dort leben, haben kein religiöses Problem. Natürlich sind das Serben und dadurch, dass sie in der Minderheit sind, dass sie unterdrückt sind, sind sie auch stärker religiös tätig. Die Albaner tun das eigentlich nicht. Natürlich wird die Islamisierung des Kosovo ein wenig von außen forciert und gesteuert, aber es ist nicht so stark wie in anderen Ländern. Wie gesagt, die Menschen im Kosovo haben tatsächlich andere Probleme. Sie haben eine Arbeitslosigkeit von 60 %, da haben sie andere Probleme, sich mit der Religiosität als Konflikt zu beschäftigen. Sicherlich finden viele darin einen Halt, aber sie sehen es nicht als Konfliktfeld. Ich sehe nicht, dass der Konflikt religiös geschürt werden kann."
Ist der Kosovo denn alleine überhaupt wirtschaftlich lebensfähig? Ich erinnere mich an sehr viele Diskussionen nach der Unabhängigkeit, in der viele Kommentatoren sagten, Kosovo sei überhaupt nicht alleine lebensfähig.
„Wir haben ein Handelsdefizit von 43 %. Das ist enorm und wird immer schlimmer. Wir haben ein Bruttosozialprodukt pro Kopf von 1.300 €. Im Augenblick ist der Kosovo nicht lebensfähig. Die Leute leben von dem Geld, das Kosovaren, die im Ausland leben, nach Hause zu ihren Familien schicken und wenn diese Quelle versiegt – wir haben das gesehen bei der globalen Finanzkrise – hat das einen enormen Einfluss zu Hause im Kosovo. In der derzeitigen Form mit der Korruption vor Ort geht das sicherlich nicht. Man muss die Korruption bekämpfen, man muss Infrastruktur schaffen, man muss die Basis schaffen für Investitionen. Erst dann kann der Kosovo nicht nur politisch, sondern auch wirtschaftlich unabhängig werden." (rv)