„Jugend braucht besondere Erziehung fürs Internet“

Kardinal TurksonDas globale Netz kann für viele Kinder und Jugendliche eine schlimme Gefahr darstellen. Daran erinnert der Vatikan anlässlich einer Kampagne unter dem Titel „Stoppt alle Gefahren im Internet“. Die internationale Kampagne hängt mit dem 25. Jahrestag der internationalen Konvention der Kinderrechte zusammen; sie will diese Rechte auch im Netz gewahrt wissen. Bei der Pressekonferenz im Vatikan von diesem Dienstagmittag sagte der Präsident des Päpstlichen Rates für Gerechtigkeit und Frieden, Kardinal Peter Kodwo Appiah Turkson:
„Es gehört zum Einsatz aller Menschen, gegen Missbrauch und Gewalt gegenüber Kindern und Jugendlichen einzustehen. Im Internet können verschiedene Gefahren lauern. Es ist wichtig, dass wir unsere Kinder und Jugendliche auf die Probleme hinweisen. Dazu gehört auch eine gute Ausbildung. Wir müssen unsere Jugend darauf hinweisen, dass man sich gegenseitig respektieren sollte und jeden Menschen mit Würde betrachten sollte, indem man ihn aufnimmt und umarmt, so wie er ist.“
Die italienische Stiftung „Meter“ engagiert sich seit Jahren gegen Kindesmissbrauch. Durch die wachsende Verbreitung des Internet seien auch die Fälle von Missbrauch durch die sozialen Netzwerke enorm gestiegen, so Fortunato Di Noto. Der Priester hat die Stiftung „Meter“ gegründet.
„Das Problem ist nicht der Computer, den mittlerweile alle zuhause haben. Das Problem sind die sogenannten Smartphones – also die Handys mit Internetanschluss. Denn heutzutage können Kinder und Jugendliche überall ins Internet. Ich würde sagen, dass man mit 14 Jahren ein Handy besitzen darf. Aber ich möchte keine verbindliche Altersvorgabe geben, vielmehr finde ich es wichtig, dass sich die Eltern mit ihren Kindern darüber auseinandersetzen und sie auf die Gefahren aufmerksam machen. Es gibt auch Projekte, wo man den Jugendlichen erst dann ein Smartphone schenkt, wenn sie sich dazu reif fühlen. Das sollten wir als Kirche fördern.“ (rv)

Kard. Turkson: „Armut ist nicht nur von Geld abhängig“

Als Vorsitzender des Päpstlichen Rates für Gerechtigkeit und Frieden bereist Kurienkardinal Peter Turkson die Welt, um sich aus erster Hand zu informieren, wie es im Kampf gegen Armut, Hunger und Krankheiten steht. Seine Aufgabe ist es, die Menschen zu unterstützen und ihnen die Tradition der Kirche zu Frieden und Menschenrechten nahezubringen – in der Hoffnung, so Strukturen der Ungleichheit und Unterdrückung zu ändern.

Zum Thementag der europäischen öffentlich-rechtlichen Medienanstalten „Why Poverty?" – „Warum gibt es Armut?" hat Radio Vatikan Kardinal Turkson getroffen. Wir haben mit ihm über seine Kindheit in Ghana, unsere veränderte Vorstellung von Armut und den Beitrag der Kirche im Kampf um Entwicklung und Menschenwürde für alle Menschen gesprochen.

Kardinal Peter Turkson, zu den Millennium-Entwicklungszielen der Vereinten Nationen gehört auch die Halbierung der Armut bis 2015. Wie schätzen Sie die Erfolgsaussichten dazu ein?

„Haben wir dieses Ziel schon erreicht? Nein, noch nicht. Es gibt Armut und das bedeutet zum Beispiel mit einem Dollar pro Tag über die Runden zu kommen. Aber direkt nach der Ankündigung, dieses ehrenwerte Ziel bis 2015 zu erreichen, gab es auch weiterführende Gedanken zu diesem Thema – etwa eine Neudefinition dessen, was Armut ist… Mittlerweile entwickelt sich die Ansicht weg von der Annahme, dass Ein-Dollar-pro-Tag alleine Armut definiert. Es geht jetzt auch um den Zugang zu Bildung, Gesundheitsvorsorge und zu einem annehmbaren Lebensstandard… Auch wer am Tag mehr als einen Dollar verdient, hat möglicherweise keinen Zugang zu all diesen Dingen."

Welchen Beitrag kann denn die katholische Soziallehre dazu leisten?

„Sie kann die Grundbedeutung von menschlicher Würde verdeutlichen, die zu verschiedenen Arten der Menschenrechte führt, das Recht auf einen annehmbaren Lebensstandard und Gesundheitsversorgung. Sie kann auf faire Löhne hinweisen und nicht zuletzt geht es uns auch um das Recht auf Energie und sauberes Wasser. Deshalb bin ich grundsätzlich froh darüber, dass wir das Konzept ausweiten. Gesundes Leben ist nicht nur abhängig von dem, was wir in unserem Geldbeutel haben… Außerdem gibt es jetzt auch Zugang zu modernen Kommunikationsmitteln. Ich habe erst kürzlich mit einem Bischof gesprochen, der über mangelnden Internetzugang in seinem Teil des Kongo klagte. "

Wie war das denn bei Ihnen persönlich? Wie sah Ihre Kindheit in Ghana aus?

„Wir waren zu zehnt, unsere Eltern hatten selbst keine Schule besucht. Mein Vater war Bergzimmermann in einer Bergbau-Firma, meine Mutter handelte auf dem Markt mit Gemüse. Wir hatten kein Auto, oder Fahrrad oder irgendetwas – sicher war nur, dass es drei Mahlzeiten am Tag gab, unsere Schulgebühren bezahlt werden konnten und einmal im Jahr, da gab es neue Kleider – an Weihnachten. Das machte unser Leben lebenswert. Nun hat jeder von uns einen guten Beruf gefunden. Deshalb weiß ich die Erweiterung des Armutskonzepts um die Dinge, die unser Leben lebenswert machen, sehr zu schätzen."

Welche Ziele sollten wir uns denn nach dem Jahr 2015 setzen, nach den Millenium-Entwicklungszielen?

„Da werden noch einige ‘Überhänge’ von den Millenium-Entwicklungszielen sein, die noch nicht wirklich erreicht wurden. Sauberes Wasser zum Beispiel, wird sicherlich weiter auf der Agenda stehen. Oder der Zugang zu Gesundheitsvorsorge und Bildung für alle – das werden sicher Dinge sein, an denen wir noch weiter arbeiten müssen. Für die Kirche geht es außerdem darum, zu erkennen, dass wir über etwas verfügen, was ein Motor für die menschliche Entwicklung sein kann: und zwar ist das die Soziallehre der Kirche. Es ist uns ein großes Anliegen, dass uns die Inhalte davon vertraut werden. In manchen Fällen ist es vielleicht ein vernachlässigtes Wissen – Ausbildungshäuser zum Beispiel wissen darüber oft nur sehr wenig. In der Vergangenheit lag der Schwerpunkt oft auf spirituellen Beziehungen. Das Zweite Vatikanum hat das geändert: Es hat uns dazu gebracht, uns als Familie zu erkennen und den Sinn der Kirche auch in sozialem Einsatz zu sehen."

Kann das aber nicht manchmal auch zu Spannungen zwischen Glauben und Handeln führen?

„Das sollte es nicht. Es gibt wohl keinen, der verneint, dass wir alle soziale Wesen sind… Wir müssen erkennen, was es bedeutet, in einer Gesellschaft zu leben, welche Beziehungen wir haben, und welche Folgen das hat. Die einfachste Definition der Kirchlichen Soziallehre lautet: ‘Wer bin ich, mit meinem christlichen Glauben? Wir sind eingeladen, die Liebe Gottes zu bezeugen – wie engagiere ich mich in der Gesellschaft, im politischen und wirtschaftlichen Leben dafür?’
Wir müssen dabei aber begreifen, dass der Glaube und die Nächstenliebe, die wir einbringen, nicht von allen geteilt werden. Ich spreche hier aber lieber von unterschiedlichen Ansichten, als von Konflikten… Seit dem Zweiten Vatikanum versucht die Kirche herauszufinden, wie wir mit anderen Christen zusammen arbeiten können, mit Menschen anderem Glaubens und mit der Gesellschaft. Wir bei uns haben uns vorgenommen, die Soziallehre der Kirche bekannter zu machen." (rv)