Franziskus: „Gewalt ist niemals der Weg des Friedens!“

FranzsikusEs war die längste Liturgie eines Papstes in der vergangenen Jahrzehnten: die vierstündige Gebetswache für den Frieden in Syrien und dem Nahen Osten an diesem Samstagabend. Papst Franziskus hatte angesichts der politischen Entwicklungen zu einem Tag des Fastens und des Gebets aufgerufen. "Krieg ist immer eine Niederlage der Menschheit", sagte das Kirchenoberhaupt auf dem Petersplatz.

„Die Welt Gottes ist eine Welt, in der sich jeder für den anderen, für das Wohl des anderen, verantwortlich fühlt", begann Papst Fraziskus seine Meditation mit Blick auf den Schöpfungsbericht, in dem „Gott sah, dass es gut war". Jeder einzelne von uns solle sich fragen: „Ist das nicht eigentlich die Welt, die ich mir wünsche? Ist das nicht die Welt, die wir alle im Herzen tragen? … Und ist die wirkliche Freiheit in der Wahl der einzuschlagenden Wege in dieser Welt nicht die, welche sich am Wohl aller orientiert und von der Liebe geleitet ist?"

Offensichtlich ist freilich auch der Widerspruch dieses inneren Wünschens zur äußeren Welt: „Gewalt, Auseinandersetzung und Krieg. Das geschieht, wenn der Mensch … den Horizont der Schönheit und der Güte aus dem Auge verliert und sich in seinem Egoismus verschließt". Wenn der Mensch „sich von den Götzen der Herrschaft und der Macht betören lässt" und an die Stelle Gottes sich selbst setze, zerstöre er alle Beziehungen, er „richtet alles zugrunde und öffnet der Gewalt, der Gleichgültigkeit und dem Konflikt Tür und Tor", sagte der Papst. Menschsein bedeute aber, „einander Hüter zu sein". „In jedem Gewaltakt, in jedem Krieg lassen wir Kain wieder aufleben. Wir alle!" Nach so vielen Konflikten, so vielen Kriegen ließen wir uns heute noch „von den Götzen, vom Egoismus, von unseren Interessen leiten", ja dieses Verhalten entwickle sich immer weiter:

„Wir haben unsere Waffen vervollkommnet, unser Gewissen ist eingeschlafen, und wir haben ausgeklügeltere Begründungen gefunden, um uns zu rechtfertigen. Als wäre es etwas Normales, fahren wir fort, Zerstörung, Schmerz und Tod zu säen! Gewalt und Krieg bringen nur Tod, sprechen vom Tod!"

Der Bericht der Schöpfungsgeschichte erzähle aber auch vom Ölzweig, den die Taube in ihrem Schnabel als Zeichen des Friedens brachte. Ein solcher Ölzweig sei in vielen Religionen eingepflanzt. Denn ja, fuhr der Papst fort, es ist möglich, einen anderen Weg als den der Gewalt und der Gegengewalt einzuschlagen. Es ist möglich, und mehr noch:

„Ich möchte, dass jeder von uns – vom Kleinsten bis zum Größten, bis hin zu denen, die berufen sind, die Nationen zu regieren – antwortet: Ja, wir wollen es!"

Er wünsche sich, dass „für einen Augenblick alle Menschen guten Willens auf das Kreuz schauten". Dort könne man die Antwort Gottes ablesen, denn dort, am Kreuz, zerbreche die „Spirale des Schmerzes und des Todes".

„Im Schweigen des Kreuzes verstummt das Getöse der Waffen und kommt die Sprache der Versöhnung, des Verzeihens, des Dialogs und des Friedens zu Wort. Ich möchte heute Abend den Herrn bitten, dass wir Christen, die Brüder und Schwestern der anderen Religionen, alle Menschen guten Willens mit Nachdruck rufen: Gewalt und Krieg sind niemals der Weg des Friedens!"

Der Weg des Friedens beginnt im Herzen eines jeden Individuums, erinnerte Franziskus.

„Möge ein jeder Mut fassen, auf den Grund seines Gewissens zu schauen und auf jene Stimme zu hören, die sagt:… Schau auf den Schmerz deines Bruders und füge nicht weiteren Schmerz hinzu, halte deine Hand zurück, baue die Harmonie wieder auf, die auseinander gebrochen ist – und das nicht mit dem Zusammenprall, sondern mit der Begegnung! Möge das Waffenrasseln aufhören! Krieg bedeutet immer das Scheitern des Friedens, er ist immer eine Niederlage für die Menschheit."
Die Worte seines Vorgängers Pauls VI. vor den Vereinten Nationen 1965 aufgreifend, sagte Franziskus: „Nicht mehr die einen gegen die anderen, nicht mehr, niemals! … niemals mehr Krieg, niemals mehr Krieg!" Die Worte des Friedens seien Vergebung, Dialog, Versöhnung – in der „geliebten syrischen Nation", im Nahen Osten und in der ganzen Welt.

Nach der Meditation des Papstes standen Momente der Eucharistischen Anbetung, biblische Texte, weitere Gebete und Fürbitten auf dem Programm. Jeweils zwei Personen aus Syrien, Ägypten, dem Heiligen Land, den USA und Russland brachten Weihrauch auf eine Rauchpfanne. Papst Franziskus, der ein Frühaufsteher ist, wirkte am Ende der vierstündigen Liturgie etwas mitgenommen. Zum Abschluss herrschte auf dem Petersplatz eine meditative Stille von 20 Minuten, ehe Franziskus den apostolischen Segen erteilte.

Bereits am Nachmittag hatte der Zustrom zum Petersplatz begonnen. Hunderttausend Menschen folgten der Einladung des Papstes, darunter viele Jugendliche und auch einige Vertreter anderer Religionen. Die islamische Gemeinde Italiens war unter anderem durch ihren Vizepräsidenten Yahya Sergio Pallavicini aus Mailand repräsentiert.

Zum Syrienkonflikt war es in den vergangenen Monaten in vielen Teilen der Welt zu öffentlichen Kundgebungen gekommen, bei denen zahllose Demonstranten Frieden für Syrien und seine geplagte Bevölkerung einforderten. Im Vergleich dazu hatte die Gebetswache auf dem Petersplatz einen ausgeprägt geistlichen Charakter. Einen Vorschlag seines Zeremonienmeisters Guido Marini aufgreifend, hatte Papst Franziskus für Beichtgelegenheiten auf dem Petersplatz gesorgt. Rund 50 Priester, angetan mit violetten Stolen, waren dazu unter den Kolonnaden postiert und spendeten das Sakrament der Versöhnung in verschiedenen Sprachen.

Vor dem eigentlichen Beginn der Gebetsvigil um 19 Uhr hörten die Pilger nochmals den Friedensappell von Papst Franziskus, den dieser beim Angelusgebet am vergangenen Sonntag lanciert hatte. Ein Aufruf, der „aus meiner tiefsten Seele kommt", so der Papst damals. „Wie viel Leid, wie viel Zerstörung, wie viel Kummer hat der Gebrauch der Waffen in diesem gepeinigten Land – Syrien – und insbesondere unter der wehrlosen Zivilbevölkerung verursacht." Mit besonderer Schärfe hatte der Papst den Gebrauch chemischer Waffen verurteilt, wie sie in Syrien zum Einsatz gekommen waren. Franziskus erinnerte daran, dass es ein unentrinnbares „Urteil Gottes und auch ein Urteil der Geschichte über unsere Taten" gebe.

Auf den Gesang des gregorianischen Hymnus „Veni Creator Spiritus", eine Bitte um Beistand des Heiligen Geistes, folgte die Ausstellung des berühmtesten Marienbildnisses Roms zur Verehrung. Die Ikone „Salus Populi Romani", auf Deutsch „Beschützerin des römischen Volkes", wird in der Papstbasilika Santa Maria Maggiore aufbewahrt und war für den Abend der Vigil von dort entliehen worden; zwei Jugendliche trugen sie zur Altarbühne, wo der Papst sie segnete.

Christen, Muslime und Juden in aller Welt beteiligen sich an der päpstlichen Initiative. Von Washington über Bagdad und Manila bis nach Sydney haben Bischöfe zu Gebet und Fasten für den Frieden aufgerufen, darunter auch zahlreiche Bischöfe in Deutschland. In Syrien selbst haben Muslime, Christen und Juden am Samstagmittag in der Omajjaden-Moschee von Damaskus gemeinsam für den Frieden gebetet. (rv)

Amtseinführung am 19. März – Papst telefoniert mit Benedikt XVI.

B_Franziskus I.Papst Franziskus wird am nächsten Dienstag, 19. März, auf dem Petersplatz feierlich in sein Amt eingeführt. Das hat Vatikansprecher Federico Lombardi bekannt gegeben. An diesem Donnerstag begab sich der Papst mit dem Auto in die römische Basilika Santa Maria Maggiore, wo die berühmte Marienikone „Maria Salus Popoli Romani“ (Maria, Heil des römischen Volkes) verehrt wird. Es war das erste Mal seit seiner Wahl zum Papst, dass er den Vatikan verließ. Franziskus wurde u.a. vom Präfekten des Päpstlichen Hauses, Erzbischof Georg Gänswein, begleitet, der auch Sekretär des emeritierten Papstes Benedikt XVI. ist. In seiner ersten Ansprache nach seiner Wahl hatte Papst Franziskus von der Loggia des Petersdomes aus angekündigt, sich als erstes bei der Muttergottes für seine Wahl bedanken zu wollen. Der Besuch in Maria Maggiore war informell und kurz; er diente nur einem kurzen Gebet des Papstes.

Ebenfalls an diesem Donnerstag Nachmittag um 17 Uhr wird der neue Papst eine Messe in der Sixtinischen Kapelle feiern. An ihr nehmen die Kardinäle teil, die ihn am Mittwoch zum römischen Bischof gewählt haben. Traditionell hält ein neuer Papst bei dieser Messfeier in der Sixtina eine programmatische Ansprache über die Grundlinien seines bevorstehenden Pontifikats. Am Freitag will Franziskus in der Sala Clementina des Vatikans das gesamte Kardinalskollegium empfangen, am Samstag hingegen trifft er im Vatikan die über 5.000 Journalisten, die seine Wahl auf den Stuhl Petri mitverfolgt haben.

Am Sonntag wird der Papst zum ersten Mal den Angelus vom Apostolischen Palast aus beten. Am nächsten Mittwoch hingegen gibt es noch keine Generalaudienz von Franziskus; stattdessen will der neue Papst die Vertreter anderer Kirchen und Religionen empfangen, die zu seiner Amtseinführung nach Rom reisen werden.

Vatikansprecher Lombardi, der wie der neue Papst dem Jesuitenorden angehört, zeigte sich „überrascht und tiefbewegt“ über die Wahl. Er habe den bisherigen Kardinal von Buenos Aires kaum gekannt und hätte nie erwartet, „in einmal in Weiß gekleidet zu sehen“. Lombardi wörtlich: „Ich stehe noch völlig unter Schock.“ Die Wahl zeige den „Mut der Kardinäle“, die sozusagen „den Ozean überquert“ hätten.

Schon kurz nach seiner Wahl hat Papst Franziskus seinen Vorgänger, den emeritierten Papst Benedikt XVI., angerufen. Die beiden Bischöfe wollten sich demnächst treffen, so Lombardi. (rv