Mehr Pulverfass als Peripherie: Die Papstreise nach Burma und Bangladesch

In der Öffentlichkeit wird diese dritte Asienreise von Franziskus, die vom 27. November bis 2. Dezember geplant ist, aus gutem Grund mehr wahrgenommen als so manche andere.

VATIKANSTADT – Warum reist Papst Franziskus nach Burma und Bangladesch? Es ist weniger eine Reise an die Peripherie als mitten in ein Pulverfass, in dem mittlerweile die ganze Welt sitzt. Wie brisant die Lage ist, zeigt die Tatsache, dass der örtliche Kardinal dem Papst empfiehlt, das Wort „Rohingya“ nicht einmal in den Mund zu nehmen.

Warum reist der Papst nach Burma und Bangladesch? Aus katholischer Perspektive ist es eine Reise an die äußerste Peripherie, insofern dort kaum Katholiken leben: Im islamischen Bangladesch sind 0,2 Prozent der Bevölkerung katholisch. Die meisten von ihnen gehören Stämmen an, die als kleine Minderheiten im Land leben. Und im vorwiegend buddhistischen Burma, das auch als Myanmar bekannt ist, ist knapp ein Prozent der Menschen katholisch. Oft sind sie auch hier Angehörige verschiedener Minderheiten.

Insgesamt lebt in Burma und Bangladesch keine Million Katholiken: Das ist aus Sicht der Weltkirche mit über 1,2 Milliarden Gläubigen ein absoluter Promillebereich. In vielen Bistümern leben mehr Katholiken als in den beiden Ländern zusammengerechnet. Hinzu kommt noch die geographische Distanz, erklärte am Mittwoch Vatikan-Sprecher Greg Burke.

Der Papst wird drei Tage in Burma verbringen und dabei die Stadt Rangun und die Hauptstadt Naypyidaw besuchen. Anschließend ist er vom 30. November bis 2. Dezember in Dhaka, der Hauptstadt von Bangladesch.

Aus weltlicher Sicht reist das Oberhaupt der Kirche damit nicht an den Rand, sondern in ein Zentrum der Aufmerksamkeit, und an einen neuralgischen Punkt der Weltpolitik.

Tatsächlich wird in der Öffentlichkeit diese dritte Asienreise von Franziskus mehr wahrgenommen als manche andere, und politisch ist sie besonders brisant.

„Es ist ein Pulverfass und es muss etwas getan werden“, so Daniel Mark, Vorsitzender US-Kommission für Internationale Religionsfreiheit in einem Interview mit CNAs Washingtonkorrespondentin Adelaide Mena im vergangenen September.

Die Rede ist von den Rohingya, eine rund 1,1 Millionen Menschen umfassende muslimische Bevölkerungsgruppe im Westen Burmas. Anders als andere Gruppen im Vielvölkerstaat sind sie nicht anerkannt, gelten als illegale Einwanderer. Die burmesische Regierung erkennt auch nicht den Namen „Rohingya“ an. Für sie sind es Bengalis und Migranten aus dem Nachbarland.

Wie Pater Bernardo Cervellera gegenüber CNA sagte, geht es in der Tat um „Migranten im vollen Sinn des Wortes, sie haben keinen Ort, an dem sie ihr Haupt niederlegen können“.

Der Priester des Päpstlichen Institutes für die auswärtigen Missionen (PIME) kennt Burma und Bangladesch gut; er ist unter anderem Chefredakteur von AsiaNews.

Von Franziskus erwarte er vor allem, dass dieser „zur Verteidigung der Katholiken, zur Verteidigung der Minderheiten“ darüber sprechen werde, „dass der Weg des Friedens der fruchtbarste für alle Menschen ist“.

Die Frage freilich ist, wie der Weg des Friedens aussehen kann; nicht so sehr für die christlichen Minderheiten denn für die Rohingya, und welche Rolle Franziskus dabei spielen kann.

Franziskus und die Rohingya

Seit Jahrzehnten kommt es immer wieder zu gewalttätigen Spannungen zwischen der muslimischen Minderheit und der buddhistischen Bevölkerungsmehrheit, bis hin zu bewaffneten Auseinandersetzungen.

Die selbst-ernannte „Arakan Rohingya Salvation Army“ (ARSA) kämpft für einen eigenen muslimischen Staat in der Region.

Bewaffnete Rohingya überfielen unter anderem dutzende Polizeistationen und andere staatliche Einrichtungen; als Reaktion auf die Gewalt rief die burmesische Regierung 2012 den Notstand aus und ging mit gnadenloser Gewalt gegen die muslimische Volksgruppe vor. Hunderttausende Rohingya flohen. Laut den Vereinten Nationen werden die im Land gebliebenen, staatenlosen Muslime auch heute massiv, systematisch unterdrückt und selbst Zivilisten brutal verfolgt. Dabei schrecken, so Berichterstatter, Täter auch nicht vor Massakern zurück.

Schätzungsweise die Hälfte der Rohingya lebt als Flüchtlinge in ihrer vorgeblichen Heimat, Bangladesch, sowie einigen anderen Ländern. In Bangladesch werden viele jedoch nicht als Flüchtlinge anerkannt – und zum Teil gezwungen, das Land wieder zu verlassen.

Wird der Papst das Wort „Rohingya“ vermeiden?

Papst Franziskus hat sich wiederholt deutlich – und Kritikern zufolge nicht unbedingt differenziert – für die muslimische Volksgruppe stark gemacht, unter anderem bei Angelus-Gebeten, im Rahmen seiner täglichen Eucharistiefeiern, bei Generalaudienzen wie auch in Interviews mit Medien. Sogar bei einem Treffen mit über 1500 Mitgliedern der Internationalen Eucharistischen Jugendbewegung im Jahr 2015 sagte er:

„Lasst uns an unsere Brüder denken, die Rohingya. Sie wurden von einem Land zum anderen und dann zu einem weiteren gejagt“.

Bei der Generalaudienz am 8. Februar diesen Jahres bat der Papst die anwesenden Gläubigen, mit ihm „für unsere Brüder und Schwester, die Rohingya, zu beten. Sie wurden aus Burma vertrieben, sie gehen von einem Ort zum anderen und niemand will sie haben“.

Solche Worte wird Papst Franziskus in Burma vielleicht nicht direkt in den Mund nehmen – zumindest hat ihm das der erste und bislang einzige Kardinal des Landes nun in einem persönlichen Gespräch ans Herz gelegt.

Kardinal Charles Maung Bo wurde von Papst Franziskus am 18. November zu einer privaten Audienz empfangen, zur Vorbereitung auf die Reise.

Das Treffen habe etwa eine halbe Stunde gedauert, sagte der Erzbischof von Rangun, das offiziell Yangon heißt, gegenüber CNA-Vatikanist Andrea Gagliarducci. Dabei habe er dem Papst mehrere Empfehlungen gemacht für seine Reise.

Der erste Ratschlag: Das Wort „Rohingya“ zu vermeiden. Der Begriff sei stark umstritten und für die meisten Burmesen wie auch die Regierung des Landes nicht richtig. Der korrekte Terminus sei: „Muslime des Staates Aarakan“. Arakan, auch bekannt als Rakhaing, ist der an Bangladesch grenzende westlichste Staat Burmas.

Der zweite Ratschlag von Kardinal Bo: Ein Treffen mit General Min Aung Hlaing, dem Oberbefehlshaber der Burmesischen Streitkräfte. Das Land war 50 Jahre lang eine Militärdiktatur, und die Armee spielt in der jungen Demokratie nach wie vor eine prägende Rolle. Es sei wichtig, auch und gerade mit der Armee einen Dialog zu führen, so der Erzbischof gegenüber CNA.

Der dritte Ratschlag schließlich: Ein Treffen zur Förderung des interreligiösen Dialogs mit Vertretern verschiedener Religionen. Dazu habe er eine Gruppe von „etwa 15 Personen, Christen, Buddhisten, Muslime (darunter Muslime aus dem Staat Arakan, und Hindus“ empfohlen, sagte Kardinal Bo.

Interreligiöser Höhepunkt der Reise ist voraussichtlich ein gemeinsames Friedensgebet am 1. Dezember, in dem der Papst auch Vertreter der Rohingya persönlich treffen wird.

Ein enger und hoch sensibler Rahmen also laut Kardinal Bo, der möglicherweise einer vorsichtigeren Differenzierung bedarf als die landläufige Berichterstattung über das Thema vermuten lässt. Diese hat auch scharfe Kritik an Aung San Suu Kyi geäußert: Die Friedensnobelpreisträgerin hatte abgestritten, dass die Regierung die Zerstörung von Rohingya-Siedlungen autorisiert habe.

Anfang Oktober sagte Kardinal Bo dazu am Rande einer Veranstaltung in Taiwan, Aung San Suu Kyi bemühe sich, die mühsam errungene Demokratie zu stabilisieren. Dies sei ein Drahtseilakt. Dennoch hätte sie auch über die Opfer der Gewalt sprechen müssen, vor allem die Frauen und Kinder, die nun unter schwierigsten Umständen auf der Flucht seien, so der Erzbischof. Aung San Suu Kyi habe nun möglicherweise wichtige Unterstützung der internationalen Gemeinschaft verloren.

Eine Einschätzung, die zeigt, wie sensibel die Lage vor Ort ist – und wie anspruchsvoll die Friedensmission des Heiligen Vaters im Pulverfass sein wird, dessen Probleme längst globales Ausmaß erreicht haben.

Adelaide Mena, Andrea Gagliarducci, Elise Harris und Hannah Brockhaus trugen zur Berichterstattung bei. (© CNA Deutsch)