Mord an Bischof in der Türkei – Entsetzen und Fassungslosigkeit

 

Mord an Bischof Luigi Padovese in der Türkei: Der Vorsitzende der Bischofskonferenz ist am Donnerstag in Iskanderun erstochen worden. Tatverdächtiger ist sein Fahrer Murat A. Er wurde offenbar mit der Tatwaffe festgenommen. Der Fahrer, der kurdischer Herkunft und katholisch ist, arbeitete offenbar seit viereinhalb Jahren für den Bischof; er soll in psychologischer Behandlung gewesen sein. An diesem Freitag wurde Anklage gegen ihn erhoben. Nach türkischen Medienberichten gibt der 26-Jährige an, er habe aus einer „göttlichen Eingebung heraus" gehandelt. Die türkischen Behörden vermuten „persönliche Motive" hinter der Bluttat. Padovese, der aus Italien stammte, war 63 Jahre alt; er arbeitete seit 2004 als Apostolische Vikar von Anatolien in der Nähe der Ruinen von Antiochia. In dieser Stadt wurde den Anhängern Jesu in der Antike zum ersten Mal der Name „Christen" beigelegt.
Erschütterte Reaktionen
Aus aller Welt kommen erschütterte Reaktionen auf die Bluttat in der Türkei. Unterwegs nach Zypern sagte Papst Benedikt XVI. im Flugzeug: „Selbstverständlich bin ich tief erschüttert über den Mord an Monsignore Padovese. Er hatte einen großen Anteil an den Vorbereitungen der Synode gehabt. Auch in der Synode selbst sollte er eine elementare Rolle übernehmen. Wir vertrauen Gott seine Seele an… Dieser Schatten hat nichts zu tun mit den wirklichen Themen der Reise, wir dürfen diese Tat nicht der Türkei oder den Türken zuschreiben. Es ist eine Tat, über die wir noch sehr wenig wissen. Sicher ist nur, dass es kein politisches oder religiöses Attentat war, sondern es handelt sich um persönliche Motive. Wir warten das vollständige Bild ab, aber wir dürfen diese tragische Situation jetzt nicht mit dem Dialog mit dem Islam vermengen und anderen Problemen unserer Reise. Es ist ein so trauriger Vorfall, aber er darf in keiner Weise den Dialog verdunkeln, der das Thema und die Intention dieser Reise ist."
„Wir sind extrem beunruhigt und traurig über diese dramatische Nachricht", sagt der Sprecher des Papstes, Jesuitenpater Federico Lombardi. „Allerdings hinterläßt uns Bischof Padovese sehr schöne Erinnerungen: Er hat Jahrzehnte seines Lebens das Evangelium in der Türkei bezeugt und wurde von den Türken, auch von den Moslems, sehr respektiert. – Auch wir sind fast sicher, dass keine politischen oder religiösen Motive hinter dem Mord stehen und dass es keine Verbindung zu den Spannungen dieser Tage gibt. Was uns bewegt, ist, dass diese Nachricht jetzt kommt, wo der Papst uns darum bittet, an die Bischofssynode für den Nahen Osten zu denken. Man sieht, dass der Herr auch durch dieses Zeichen eine große Solidarität für diese katholischen Gemeinschaften in Nahost herbeiführen will…"
Die Deutsche Bischofskonferenz fordert eine zügige und lückenlose Aufklärung des Mordes. Der Konferenzvorsitzende Erzbischof Robert Zollitsch spricht in einem Statement von einem „brutalen und feigen Mord". Der Kölner Kardinal Joachim Meisner bewertet den Tod Padoveses als großen Verlust für die Katholiken in der Türkei. Der Rat der Europäischen Bischofskonferenzen (CCEE) zeigt sich „zutiefst erschüttert". Auch die deutsche Bundesregierung zeigt sich bestürzt und hat Kontakt mit der türkischen Seite aufgenommen. „Wir sind überzeugt, dass die türkischen Behörden alles tun werden, um diese schreckliche Tat aufzuklären", sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amtes. Die EU-Kommission äußerte sich besorgt über die Ermordung. Jeder Verlust an Menschenleben sei zu verurteilen, sagte eine Sprecherin von EU-Erweiterungskommissar Stefan Füle; der Täter müsse vor Gericht gestellt werden.
Rufe nach einer Untersuchung
Schon 2007 war in der türkischen Hafenstadt Izmir der italienische Priester Andrea Santoro ermordet worden; auch damals hieß es gleich, der Täter sei ein junger Mann mit psychischen Problemen. Der am Donnerstag ermordete Bischof Padovese urteilte damals, die Tat sei Ausdruck eines „allgemein spürbaren Unbehagens". Kurz zuvor waren im ostanatolischen Malatya drei christliche Aktivisten, Mitarbeiter eines Bibelverlages, getötet worden, darunter ein Deutscher. Immer wieder kommt es im EU-Anwärterland Türkei, das eine muslimische Bevölkerungsmehrheit hat, zu Schikanen gegen Christen.
Nicht alle Kirchenleute scheinen allerdings davon überzeugt, dass die Motive für den Mord an Padovese nur persönlicher Art waren. Es sei „schon eigenartig, dass auch Santoro schon auf diese Weise ums Leben kam", sagt ein Vatikan-Mitarbeiter. Er verweist auf Äußerungen eines Kapuziner-Verantwortlichen auf der italienischen Heiligland-Homepage „terrasanta": Der Geistliche zeigt sich perplex und weist darauf hin, dass der Fahrer und seine Familie schon sehr lange für die Kapuziner in der Türkei arbeiteten; es sei wichtig, die Todesumstände Padoveses eingehend zu untersuchen. Kirchenkreise gehen davon aus, dass die sterblichen Überreste des Ermordeten in sein Heimatbistum Mailand überführt und dort beigesetzt werden.
Der Mord an Bischof Padovese ist eine „doppelte Katastrophe", meint der missio-Experte in der Türkei, Ottmar Oehring: „Es ist eine menschliche Tragödie, es ist aber auch eine Katastrophe für die Kirche und damit für die Gläubigen. Sie sind jetzt in gewisser Weise führungslos." Oehring ist fest davon überzeugt, dass die Tat persönlich motiviert war, auch wenn die äußeren Umstände zunächst auf einen antichristlichen Mord hinwiesen.
„Zunächst einmal hätte man befürchten müssen, dass es sich tatsächlich um einen politischen Akt handelt, insbesondere, weil die Situation in der Türkei vor dem Hintergrund der Ereignisse im Meer vor Israel in den letzten Tagen natürlich massiv aufgeheizt worden ist. Zunächst hat sich die Wut eines Teils der Bevölkerung gegen Israel gewandt; in der Türkei ist es oftmals so gewesen, dass eine Gruppe gemeint war und am Ende dann aber eine andere angegriffen worden ist. Und deswegen wäre es natürlich durchaus nachvollziehbar gewesen, dass jemand aus einer christlichen Kirche angegriffen wird. Es war aber tatsächlich nicht so!" Oehring beruft sich auf Quellen aus dem kirchlichen Umfeld. Genaueres werden voraussichtlich die Ermittlungen der türkischen Behörden ergeben. Die kleine türkische Bischofskonferenz ist über die Tat entsetzt. Oehring hat den Eindruck, dass die Mitglieder zurzeit auch noch nicht genau wissen, wie es weiter geht. Zum jetzigen Zeitpunkt Namen eines Nachfolgers zu nennen, sei verfrüht. Padovese hatte sich in den vergangenen Jahren auch im Dialog mit der türkischen Politik einen festen Stand erarbeitet.
„Das ist natürlich in der Türkei schon eine wichtige Sache, dass man einen starken Führer hat, der Gespräche mit den Regierungsstellen führt. Auch wenn natürlich in den letzten Jahren viele dieser Gespräche nicht zu dem erwünschten Erfolg geführt haben – man denke nur an die Auseinandersetzungen um die Kirche in Tarsus. Aber Padovese war natürlich vor dem Hintergrund seines freundlichen Wesens ein regelmäßiger Gesprächspartner auch der türkischen Behörden. Und dass diese Gespräche oftmals nichts gebracht haben, ist sicher nicht ihm anzulasten, sondern einfach den Verhältnissen in der Türkei." (rv)