Katholischer Pfarrer in Kairo: „Analphabetismus verschlimmert die Lage“

ÄgyptenEin großes Problem für die Zukunft – aber auch für die Gegenwart – Ägyptens ist die hohe Zahl an Analphabeten. Diese Masse sei sehr „einfach zu manipulieren". Das betont im Gespräch mit Radio Vatikan der Pfarrer der deutschen katholischen Gemeinde in Kairo, Mons. Joachim Schroedel. Über 50 Prozent der fast 90 Millionen Ägypter hätten kein Schulabschluss, so Schroedel. Man brauche deshalb Geduld und müsse das Land nicht im Stich lassen, fügt er an.

Zur aktuellen Lage sagt Schroedel, dass die Situation ruhig sei. Die Zusammenstösse seien in einigen wenigen Quartieren der ägyptischen Hauptstadt zu verzeichnen. Angriffe auf Kirche gäbe es in Kairo bisher nicht, doch in anderen Städten des Landes sei dies nicht der Fall. Christen gingen derzeit vorsichtiger um.

„Ich kriege eigentlich eher mit, dass Muslime, die mich kennen, wenn sie mich sehen, auf mich zukommen. Sie sagen mir, dass es ihnen leid tue, für die Angriffe auf christliche Gotteshäuser. Das sei nicht die allgemeine Meinung der Muslime und seien selbst wütend auf die Muslimbrüder. Ich selber war am Donnerstag – wie immer – mit Soutane mitten in der Stadt unterwegs und wurde eher freundlich begrüßt. Man weiß auch hier, was ein Priester ist und jeder Muslim hat davor Respekt, weil ein Priester als Mann Gottes betrachtet wird."

Über die schwankenden Zahlen der Opfer werde in Ägypten sehr viel diskutiert. Für Pfarrer Schroedel handele es sich auf jeden Fall um eine Zahl, die man relativieren müsse. In Kairo leben rund 25 Millionen Menschen.

„Es ist eine Tatsache, dass sechs Wochen lang die Demonstrationscamps Widerstandszellen waren. Die Menschen dort waren nicht zu Gesprächen bereit und die Führer der Muslimbrüder auch nicht. So schwer das nun auch für einen Christen klingen mag, die hohe Zahl an Toten in Kauf zu nehmen. Hätte man noch etwas zugewartet, dann wäre es noch viel schlimmer kommen können."

Islamisten und Muslimbrüder hatten zu Großdemonstrationen und einem „Freitag der Wut" aufgerufen. Um aus der Krise rauszukommen, brauche es allerdings etwas ganz anderes, so Schroedel.

„Wir, die in Ägypten wohnen, brauchen ein Großmaß an Geduld, Toleranz und vor allem an Friedfertigkeit. Natürlich wird es weiterhin so sein, dass die Muslimbrüder spüren, dass sie ihre Macht verloren haben. Jeder Politiker im Westen, der sagt, man müsse im Gespräch kommen und die Muslimbrüder einbinden, der hat – mit Verlaub gesagt – keine Ahnung, wer die Muslimbrüder eigentlich sind." (rv)