„Ohne Frieden sind wir nicht vollkommen“

Papst FranziskusEs waren zwei Kriegsteilnehmer, die sich an diesem Sonntagabend zu Gebeten im Vatikan trafen: Sowohl Mahmud Abbas – unter dem Namen Abu Mazen – als auch Shimon Peres waren an Kriegen beteiligt, gegeneinander seit 1948, Abbas aber auch in Bürgerkriegen unter den Palästinensern. Nun standen sie gemeinsam mit Papst Franziskus in den Gärten des Vatikan und beteten um Frieden. Ein wenig verfrüht erreicht um 18.10 Uhr die erste Delegation den Vatikan, Shimon Peres wurde von Papst Franziskus sichtbar herzlich empfangen. Die beiden ziehen sich zurück, der Kustos des Heiligen Landes, Franziskanerpater Pierbattista Pizzaballa ist als Übersetzer dabei. Um 18.30 Uhr trifft dann der Präsident Palästinas ein, direkt aus Ägypten kommend. Auch hier sieht man eine herzliche Begrüßung durch den Papst. Auch diese beiden ziehen sich kurz zum Gespräch zurück, kurz vor 19 Uhr treffen die beiden Präsidenten des Nahostkonfliktes dann aufeinander, „Love to see you“ und „Nice to see you“ hört man, die Fotografen rundherum knipsen um ihr Leben, als sich die beiden Präsidenten herzhaft begrüssen. Sie lächeln, umarmen und küssen sich auf die Wange. Der Papst begrüßt auch den ökumenischen Patriarchen Bartholomaios und dieser wiederum die Präsidenten. Ein weißer Bus transportiert die vier Protagonisten zu dem neutralen Ort im Vatikan. Sie unterhalten sich während der Fahrt, es scheint, als würden sie scherzen. Sie fahren zu dem Rasenstück zwischen vatikanischen Museen und päpstliche Akademie der Wissenschaften. Vogelgezwitscher und strahlender Sonnenschein. Der dreieckige Rasen, umzäunt von hohen Sträuchern. Juden, Moslems und Christen warten bereits auf die Ankunft der Protagonisten dieser einmaligen Gebetsinitiative. In der Spitze des Rasenstücks stehen drei Stühle für den Papst, Peres und Abbas. Der Papst setzt sich in die Mitte, Peres rechts von ihm, Abbas links von ihm. Die Stimmung ist schlagartig anders – sie wirken ernst und konzentriert. Nach einer englischen Einführung, auf einem der Stehpulte, die auf dem Rasen stehen, kommt es zu den Gebetsmomenten und zu den Musikeinlagen. Nach dem jüdischen Gebet erklingt die Musik von Violinen, nach den Christen die Harfe und nach dem muslimischen Gebet die Flöte und die Geige. Kardinal PeterTurkson spricht für die Christen auf italienisch – er erwähnt auch die Migranten und bittet um Menschenwürde für alle Menschen. Die drei Protagonisten wirken sehr konzentriert, nachdenklich, lesen in ihren Gebetsbüchern mit. „Si sente?“, fragt der Papst zu Beginn seiner leidenschaftlichen italienischen Rede für den Frieden, „kann man mich hören?“. Er dankt den Präsidenten und den Teilnehmern für ihre Anwesenheit bei dieser Initiative, zu welcher er eingeladen hat, während seiner Reise ins heilige Land. Er dankt seinem „Bruder Bartholomaios“. Die Welt sei ein Erbe, aber auch eine Leihgabe für unsere Nachkommen. Man benötige Mut um Frieden zu schließen, sagt der Papst und bittet den Gott um Frieden und um die Kraft und den nötigen Mut – „Nie mehr Krieg“. Shalom, Amen, Salam. Es folgt die Ansprache von Peres. Auch seine Rede eine leidenschaftliche Ansprache für den Frieden. „Liebe deinen Nächsten“, wir müssen Frieden schließen, ohne Frieden sind wir nicht vollkommen. Er spricht auf Englisch. „Ich bin alt“, sagt er zum Schluss, „ich habe den Krieg erlebt.“ Es folgt die Friedensansprache des palästinensischen Präsidenten. Und dann die erwartete Friedensgeste: Papst Franziskus und die Präsidenten Abbas und Peres reichen sich die Hände. Sie küssen sich und umarmen sich – wie auch schon zu Beginn des Treffens. Dann kommt auch der Patriarch hinzu. Im Hintergrund ertönt klassische Musik, gespielt von den Musikern, während die vier Protagonisten mit jeweils einer blauen Schaufel einen Olivenbaum pflanzen. Während seiner Reise ins Heilige Land hatte Papst Franziskus die Einladung zu dieser Begegnung der Gebete zuerst in Bethlehem, danach bei seiner Ankunft in Tel Aviv ausgesprochen. Die Büros der Präsidenten Abbas und Peres haben danach sehr bald ihr Kommen zugesagt. Ein genauer Termin für das Treffen wurde aber erst vor einer Woche bekannt gegeben. Hintergrund: Peres und Abbas Shimon Peres‘ Amtszeit endet am 27. Juni, bereits an diesem Dienstag, dem 10. Juni, wählt das Parlament Israels einen Nachfolger. Die Wahl ist im Land heiß umstritten, vor allem das Verhalten von Premierminister Benjamin Natanyahu hat ihm in den Medien viel Kritik eingebracht. Peres wurde 1923 im heutigen Weißrussland geboren, er ist das älteste Staatsoberhaupt der Welt. Seine politische Karriere begann bereits mit den Kriegen nach dem Ende des britischen Manadats, seitdem ist deine Biographie engstens mit der Politik der Landes verflochten. In den 40er Jahren war er für die Verteidigung des Landes aktiv, ab Ende der 50er Jahre hatte er immer wieder Regierungsverantwortung inne. 1994 erhielt Peres gemeinsam mit Mahmud Abbas‘ Vorgänger Jassir Arafat und dem israelischen Ministerpräsidenten Jitzchak Rabin den Friedensnobelpreis. Mahmud Abbas‘ Werdegang ist ebenfalls engstens mit dem Palästina-Konflikt verbunden. Zwölf Jahre jünger als Peres floh er als Kind mit seiner Familie während des ersten Krieges nach Syrien. Er gehört zu den Gründern der PLO und der Fatah-Bewegung, dort wurde er Abu Mazen genannt, jahrlang fungierte er dort als Stellvertreter von Jassir Arafat. Nach dem Tod von Arafat wurde er 2005 zum Präsidenten der palästinensischen Autonomiebehörde gewählt. Seine Amtszeit ist vom Streit mit der islamistischen Hamas geprägt, die im Gaza-Streifen die Mehrheit hat, während Fatah im Westjordanland stark ist. Er suchte trotz teilweise bürgerkriegähnlicher Zustände die Versöhnung mit Hamas, die bis zur Bildung einer Einheitsregierung vor einer Woche führte. (rv)