Der unsichtbare Papst – ein Korrespondentengespräch

Papstreise nach Großbritannien: 1. Tag

Erster Tag der Papstreise nach Großbritannien: Von London aus verfolgt unser Redaktionsleiter Pater Bernd Hagenkord SJ Benedikts erste Schritte auf schottischem Boden. Wir fragten ihn, inwieweit die Briten für die Visite aus Rom gerüstet sind. Reden denn die Leute über den Staatsgast aus dem Vatikan?
„Wir haben die Möglichkeit gehabt, einige Orte schon vorher zu besuchen, zum Beispiel den Lambeth Palace – die Halle und auch die Privaträume, wo das Treffen mit Primas Rowan Williams sein wird –, die Westminster Cathedral und anderes. Alles ist bestens vorbereitet. Und auch inhaltlich: Ich habe mit einigen Verantwortlichen sprechen können und den Eindruck, dass der Papst hier sehr willkommen ist, vor allem auch in der anglikanischen Kirche. Man will die Gelegenheit nutzen, miteinander zu sprechen. Die Vorbereitungen sind bestens – jetzt werden wir sehen, was der Papst und die Menschen, die er trifft, daraus machen…"
Und merkt man in der britischen Hauptstadt schon etwas davon, dass der Papst an diesem Donnerstag Abend dort eintrifft?
„Die Zeitungen an jeder Straßenecke haben ein Bild vom Papstbesuch auf der Titelseite, aber sonst ist der Besuch in London – noch – unsichtbar. Ein wenig merkwürdig ist das schon, vor allem für uns Journalisten. Da ist ein Großereignis – und es ist nicht wirklich sichtbar. Wenn man nicht wüßte, was in den nächsten Tagen passiert, könnte man das glatt uebersehen. Einige der Stände, wo man Souvenirs kaufen kann, Teddys in Gardeuniformen und so, verkaufen zwar auch gelb-weisse Fahnen, aber nur wenig. Sonst ist da so gut wie nichts sichtbar. Mit den Verkehrssperrungen wird das zwar schnell anders werden, es zeigt aber auch, dass der Papst kein Heimspiel hat, wenn ich das einmal so ausdrücken darf. Es wird nicht einfach für ihn werden, die Menschen zu erreichen, mit ihnen zu sprechen; zu viele interessiert das einfach nicht."
Für was interessiert sich der Mann auf der Straße denn im Moment sonst, wenn nicht für den bevorstehenden Papstbesuch in London?
„Bei den Straßengesprächen oder in den Pubs ist das kein großes Thema. Auf der Straße redet man über die Verurteilung von George Michael und über die fehlende Polizei und über Politik, aber der Papst ist nicht wirklich ein Thema. Es ist ein großer Unterschied zu Johannes Paul II. Mit seinem Charisma hat er auch in nicht-katholischen Ländern Massen angezogen. Benedikt ist anders. Und das sieht man ganz deutlich besonders bei diesem Besuch: Er will Themen ansprechen, den Atheismus und seine Folgen, die Ökumene mit den Anglikanern, die Frage nach Gott in der Gesellschaft, all diese Dinge… und das ist natürlich keine einfache Kost. Benedikt reist nicht, um bejubelt zu werden, sondern um Themen anzusprechen. Und wenn man das tut, muss man sich klar sein, dass das in einer modernen Gesellschaft nicht alle interessiert. Und er ist trotzdem gekommen. Das zeigt, das Benedikt diese Diskussionskultur Ernst nimmt und sich beteiligen will. Aber er muss Überzeugungsarbeit leisten. Mein Eindruck ist, dass man nicht so genau weiss, was man von Benedikt halten soll. Bei Johannes Paul war das einfacher; jetzt muss man denken und genau zuhören, einfacher Jubel für den Star reicht nicht. Die Starkultur ist sehr stark hier, besonders auch in der Politik und überhaupt im öffentlichen Leben; da will Papst Benedikt nicht so richtig reinpassen. Oder besser: Da will er sich auch gar nicht einfügen. Deswegen werden, denke ich, erst die nächsten Tage zeigen, was die Briten von Benedikt halten."
Der Papst hat ja schon auf dem Flug nach Edinburgh das Thema Missbrauchs-Skandale angesprochen…
„Das ist schon fast eine Tradition geworden. Es gibt Dinge, die den Besuch begleiten werden, und die Missbrauchs-Debatte gehört dazu. Es ist ja nicht das erste Mal, dass Benedikt im Flugzeug die heiklen Punkte quasi schon vorweg nimmt. Damit schafft er das Thema nicht aus der Welt, aber er kann den richtigen Ton finden. Die Menschen, zu denen er kommt, sind ja schon viel länger als wir in Deutschland oder Österreich oder der Schweiz mit diesen Missbrauchsfällen beschäftigt, und die Menschen wollten hören, wie der Papst dazu steht. Das hat er im Flugzeug noch einmal sehr klar und sehr persönlich ausgedrückt. Das hier ist eine gebrochene Kirche, durch diese Missbrauchsfälle gebrochene Kirche, und dem hat der Papst mit seinen Worten Respekt erwiesen."
Der Papst befindet sich auf dieser Reise sozusagen im Epizentrum des neuen (und manchmal auch kämpferischen) Atheismus. Wie wird sich das auswirken?
„Atheismus ist vielleicht die geheime Überschrift über der Reise, zumindest eine Kapitelüberschrift. Viel von der harten Kritik um Vorfeld und auch jetzt auf den Bildschirmen kommt von Menschen, die sich als Atheisten bezeichnen und die eine Rolle spielen hier, mindestens in den Medien. Dass er das auch im Flugzeug angesprochen hat, zeigt, dass er genau weiss, was ihm hier begegnen wird. Ich glaube, man muss diese Kritik als das nehmen, was sie ist. Man muss mit den Kritikern sprechen, und genau dazu wird der Papst sicherlich auch einiges sagen, spätestens in der Westminster Hall. Natürlich gibt es auch hier die üblichen Verdächtigen, die selber keine Kritik vertragen, aber so ist das. Was der Papst immer wieder sagt, ist, dass eine Welt ohne Gott und ohne Religion keinen Grund hat, dass das gefährlich ist für uns Menschen. Und das wird sicherlich auch hier ein Thema für ihn sein." (rv)