P. Lombardi: „Keine Revolution, sondern mutiger Schritt“

In einer ersten Reaktion würdigte Vatikansprecher P. Federico Lombardi die Äußerungen als klärenden Beitrag in der Frage der Nutzung von Kondomen. Die Überlegungen seien nicht neu und könnten keineswegs als „revolutionär" bezeichnet werden. Gleichwohl habe erstmals ein Papst diese Überlegungen auch öffentlich geäußert:
 „Zahlreiche Theologen und angesehene kirchliche Würdenträger vertraten und vertreten weiterhin ähnliche Positionen. Es ist allerdings wahr, dass wir das noch nie mit solcher Klarheit aus dem Mund eines Papstes gehört haben, auch wenn es in einer Unterhaltung geschah und nicht in einer lehramtlichen Äußerung."
Benedikt XVI. schenke also mutig einen wichtigen und klärenden Beitrag in einer Frage, die schon lange diskutiert werde.
„Es ist ein ganz besonderer Beitrag, denn auf der einen Seite bleibt er den Moralprinzipien treu und verwirft hellsichtig einen illusorischen Weg wie allein auf das Präservativ zu vertrauen. Auf der anderen Seite zeigt er Weitsicht und Verständnis, und ist aufmerksam für die kleinen Schritte – auch wenn sie noch anfanghaft sind und konfus – einer spirituell und kulturell armen Menschheit hin zu einer menschlicheren und verantwortungsbewussteren Ausübung der Sexualität." (rv)

Sexualität und Verantwortung: ein Kommentar

Von Pater Bernd Hagenkord SJ.
 Dass es ausgerechnet der Osservatore Romano ist, der noch vor der Buchvorstellung lange Passagen aus dem neuen Interviewbuch mit Benedikt XVI. veröffentlicht, ist überraschend. Weniger überraschend ist aber vielleicht, dass der Papst seine Überlegungen wieder in den Zusammenhang von Sexualität und Verantwortung stellt. Denn da gehören sie hin.
In seinem Interview auf dem Weg nach Afrika vor eineinhalb Jahren hatte Benedikt XVI. gesagt: „Man kann das Aids-Problem nicht durch die Verteilung von Kondomen regeln. Ihre Benutzung verschlimmert vielmehr das Problem". Die Lösung liege vielmehr in einem „spirituellen und menschlichen Erwachen" und der „Freundschaft für die Leidenden". Das war in den Medien als „Papst verbietet Kondome" zitiert worden, Benedikt verurteile das Nutzen von Kondomen im Kampf gegen Aids. Die Stimmen Afrikas, die dem Papst damals recht gaben und die regelrecht zornig wurden, dass wir Europäer das Leiden dieser Länder auf eine einzige Frage reduzierten, sind wenig gehört worden.
Schauen wir uns das Zitat genauer an, dass der Osservatore an diesem Sonntag veröffentlicht, dann ist sein zentraler Punkt dem sehr ähnlich, was der Papst in Afrika gesagt hatte, es geht ihm um die „Vermenschlichung der Sexualität". Die Benutzung des Kondoms kann ein Schritt zu einer Moralisierung sein, die Sexualität nicht als Selbstzweck, sondern als Teil des Menschen betrachtet. Hier ist das wirkliche Anliegen des Papstes. Redet man nur von Kondomen, so ist das eine „Banalisierung des Problems", und das gilt sowohl für unsere Länder als auch für den Kampf gegen die HIV-Infektion in Afrika.
Bei aller inneren Übereinstimmung ist es aber trotzdem neu, dass der Papst das Kondom in seinen Aussagen nicht mit einem absoluten und strikten „Nein" belegt. Es kann Mittel sein, zu einem ganz bestimmten Ziel. Damit leistet Benedikt XVI. seinen Beitrag, damit wieder mehr über Menschlichkeit und Hilfe, und weniger über verhärtete Positionen gesprochen werden kann. Was das moraltheologisch bedeutet und was das für die innerkirchliche Diskussion bedeutet, dazu werden wir mit Sicherheit in den nächsten Tagen und Wochen noch viel hören. (rv)

Südafrika: Schwestern am Ball

Südafrika importiert vor der Fußball-WM „Millionen von Kondomen“ aus Großbritannien: Das sagt Erzbischof Buti Joseph Tlhagale von Johannesburg. Der Kirchenmann ist zutiefst besorgt, dass das Fußballereignis auch zu einem Fest des Menschenhandels wird. Nach seinen Schätzungen werden etwa 40.000 weibliche oder männliche Prostituierte eigens für die WM ins Land gebracht. Da sei es geradezu „heuchlerisch“, dass die südafrikanische Regierung über alles den Slogan decke: „Die Menschen zuerst“. Stefan Kempis berichtet.

„Dass der traurige Menschenhandel ein Ende finde, von dem leider Millionen von Frauen und Kindern betroffen sind“: Das war die Gebetsmeinung des Papstes für diesen Monat Mai. Doch kaum ist der Mai vorbei, startet im Juni die Fußballweltmeisterschaft in Südafrika – und damit der nächste große Sklavenmarkt. Zumindest befürchten das viele Ordensfrauen: Sie haben ein Netzwerk gegen Menschenhandel, Ausbeutung und Prostitution geschaffen. Eine von vielen: die Salesianerin Bernadette Sangma.
„In Südafrika sind die verwundbarsten Personen die, die vom Land kommen – die kann man leichter hereinlegen, weil sie ja kaum Zugang zu Informationen haben und häufig gar nicht lesen können. Wir befürchten also, dass vor allem Menschen vom Land das Opfer von Menschenhändlern werden – und vor allem junge Leute. Das liegt daran, dass die Regierung angeordnet hat, die Schulen während der ganzen Zeit der Weltmeisterschaft geschlossen zu halten. Die Schüler haben also die ganze Zeit frei und werden damit zu leichten Opfern.“
Die Schwestern, die beim Netzwerk mitmachen, wissen aber, dass sie während des Weltcups nicht nur in Südafrika selbst wachsam sein müssen.
„Uns ist klar, dass es auf dem Gebiet der sexuellen Ausbeutung auch Nachfrage nach Exotik gibt; also könnte es auch zu Menschenhandel nach Südafrika aus sogar sehr entlegenen Gebieten kommen – aus Osteuropa, Thailand oder einigen lateinamerikanischen Ländern.“
Schwester Bernadette, die aus Indien stammt, koordiniert das Netzwerk, dem Ordensfrauen aus fast zwanzig verschiedenen Gemeinschaften angehören. Es heißt „Talita kum“ – mit diesen Worten erweckte Jesus einmal (nach Schilderung des Markus-Evangeliums) ein totes Mädchen zum Leben. Schwester Bernadette hat eine Botschaft an alle Fußballfans:
„Ich würde ihnen gerne sagen, dass es bei der Weltmeisterschaft um das Spiel gehen sollte. Sie sollten sich doch bitte neben der Freude, die sie zu Recht am Fußball haben, nicht auch noch irgendwie auf sexuelle Ausbeutung einlassen!“
Die Bitte geht natürlich auch an die Fußballer selbst. Erst vor drei Wochen wurde bekannt, dass der französische Top-Spieler Frank Ribéry zu den Kunden einer nordafrikanischen Prostituierten gehörte: Offenbar ließ er die Minderjährige auch ins Trainingslager einfliegen, wenn er im Ausland spielte.
„Wenn die Fans und natürlich die Spieler sich nicht auf sexuelle Ausbeutung einlassen würden, dann wäre schon 95 Prozent aller Präventionsarbeit geleistet! Und sie würden sich nicht zu Komplizen machen, wenn so vielen Menschen Leid zugefügt wird.“
Ribéry wurde übrigens vom französischen Teamchef Domenech trotz des Skandals für die WM am Kap nominiert. (rv)