Papst beim Kolosseum: Setzen wir diesen Kreuzweg im Alltag fort

B_Franziskus3.PapstFranziskus Franziskus hat am Abend des Karfreitag der Opfer von Krieg und Gewalt in vielen Regionen der Welt und vor allem im Nahen Osten gedacht. Bei der Kreuzweg-Zeremonie am römischen Kolosseum rief er zum Gebet für die Evakuierten und Heimatlosen auf. Hier lesen Sie, was der Papst wörtlich sagte:

Liebe Brüder und Schwestern,

ich danke euch, dass ihr so zahlreich an diesem Moment intensiven Gebetes teilgenommen habt. Und ich danke auch all denen, die sich uns über die Kommunikationsmittel angeschlossen haben, besonders den kranken und den alten Menschen.
Ich will nicht viele Worte hinzufügen. In dieser Nacht muss ein einziges Wort verbleiben – das Kreuz. Das Kreuz Jesu ist das Wort, mit dem Gott auf das Böse der Welt geantwortet hat. Manchmal scheint es uns, als antworte Gott nicht auf das Böse, als verharre er im Schweigen. In Wirklichkeit hat Gott gesprochen, er hat geantwortet, und seine Antwort ist das Kreuz Christi: ein Wort, das Liebe, Barmherzigkeit und Vergebung ist. Es ist auch Gericht: Gott richtet uns, indem er uns liebt. Wenn ich seine Liebe annehme, bin ich gerettet, wenn ich sie ablehne, bin ich verurteilt, nicht von ihm, sondern von mir selbst, denn Gott verurteilt nicht, er liebt nur und rettet.
Liebe Brüder und Schwestern, das Wort vom Kreuz ist auch die Antwort der Christen auf das Böse, das immer noch in uns und um uns wirkt. Die Christen müssen auf das Böse mit dem Guten antworten, indem sie wie Jesus das Kreuz auf sich nehmen. Heute Abend haben wir das Zeugnis unserer Brüder aus dem Libanon gehört: Sie sind es, die diese schönen Meditationen und Gebete geschrieben haben. Wir danken ihnen von Herzen für diesen Dienst und vor allem für das Zeugnis, das sie uns geben. Wir haben es gesehen, als Papst Benedikt in den Libanon gereist ist: Wir haben die Schönheit und die Kraft der Gemeinschaft der Christen in jenem Land und der Freundschaft vieler muslimischer Brüder und zahlreicher anderer gesehen. Es war ein Zeichen für den Nahen Osten und für die ganze Welt: ein Zeichen der Hoffnung.
Setzen wir jetzt diesen Kreuzweg im Alltagsleben fort. Beschreiten wir gemeinsam den Weg des Kreuzes, gehen wir, indem wir dieses Wort der Liebe und der Vergebung im Herzen tragen. Gehen wir in der Erwartung der Auferstehung Jesu! (rv)

Kardinal Boutros Raï erklärt die Kreuzwegsmeditationen

Patriarch RaiDie Ängste und die Hoffnungen des Nahen Ostens werden in diesem Jahr im Zentrum des Kreuzweges stehen, den der Papst mit seinem Bistum traditionell am Karfreitagabend am Kolosseum feiert. Die Texte und Meditationen sind von einer Gruppe junger Libanesen unter der Leitung des maronitischen Patriarchen und Kardinals Béchara Boutros Raï verfasst worden. Radio Vatikan gegenüber gab Kardinal Raï im Vorfeld des Kreuzweges einen Ausblick auf die Meditationen:

„Die jungen Leute, die die Meditationen auf Grundlage der Bibelstellen formuliert haben, haben drei Punkte ins Zentrum der Betrachtungen gestellt. Erstens, die spirituelle Meditation; zweitens, die Leiden des Nahen Ostens und der gesamten Menschheit, und drittens die Erwartung der Hoffnung durch den gekreuzigten Herrn Jesus Christus, der auferstanden ist. Und so sind die vierzehn sehr reichen Kreuzwegstationen zustande gekommen. Als ich die Arbeit zu Gesicht bekommen habe, war mein Eindruck, dass die Meditationen unterschiedliche Blickwinkel beleuchten, dies aber auf eine sehr koordinierte Art und Weise tun, die die Lebenswirklichkeit der gesamten Menschheit zum Inhalt hat."

Lebenswirklichkeit aller Menschen

Das Leiden Christi, das in den Stationen thematisiert werde, finde in den Leiden der gesamten Menschheit seine Fortsetzung, und – mit Blick auf die stets durchscheinende Hoffnung auf Erlösung, die der orientalischen Liturgie innewohnt – letztlich auch seine Erfüllung. Doch die Meditationen seien ebenso Ausdruck der orientalischen Lebenswirklichkeit und der Bedingungen, unter denen die jungen Verfasser heute im Nahen Osten leben, so der Patriarch:

„Der Krieg, die Gewalt, die enttäuschten Erwartungen der jungen Menschen, die die Horizonte vor sich verschlossen sehen, die Leiden der Migration, das Fehlen einer sicheren Zukunft für die Jugend und die unlösbaren Probleme, dass die internationale Gemeinschaft sich nicht darum kümmert, Lösungen für die Wahrung des Friedens und der Gerechtigkeit auf der Welt zu finden. Wir im Nahen Osten leben auch die große Tragödie des Palästinenser-Konfliktes, des Krieges in Syrien. Ebenso betreffen uns das Zusammenleben mit den Muslimen und die Zunahme des radikalen Fundamentalismus. Dies sind alles Probleme auf lokaler Ebene, die jedoch Auswirkungen auf die Internationale Gemeinschaft haben. Diese Probleme sind in die Gebete und Meditationen der Jugendlichen eingeschlossen worden."

Einfluss des Schreibens Benedikt XVI.

Auch die apostolische Exhortation „Ecclesia in Medio Oriente", die Papst Benedikt bei seinem Besuch im Libanon im vergangen Oktober überreicht hatte, sei intensiv studiert worden und in die Meditationen eingeflossen, erklärte der Patriarch.

„Die jungen Menschen haben verstanden, dass sie selbst die Kirche im Nahen Osten sind. Die Kirche findet ihren Ausdruck in den Christen, und insbesondere in den jungen Christen. Die Exhortation ist sehr reich und intensiv in ihrem Aufruf zur Einheit, sich dem anderen zu öffnen und Brücken zu all denen zu bauen, mit denen wir leben. In der Tat, die Einheit, von der die Exhortation spricht, geht von einer inneren Einheit der katholischen Kirche aus, die sich ausweitet auf die anderen christlichen Konfessionen, Orthodoxe, Protestanten, aber auch auf Muslime, Juden und andere Religionsgemeinschaften. Deshalb haben sie in der Exhortation viele Anregungen dafür gefunden, die Sorgen und Nöte, aber auch die Gebete in enger Anlehnung an die orientalische Liturgie auszudrücken."

Auch der Kreuzweg wird wie gewohnt live und mit deutschem Kommentar ab 21.05 Uhr übertragen, unsere Kommentatorin ist Gudrun Sailer. In den kommenden Tagen stehen weitere Live-Übertragungen auf dem Programm: Die Feier der Osternacht am 30. März mit wurde in diesem Jahr um eine halbe Stunde vorgezogen, auf 20.20 Uhr. Unser Kommentator ist Pater Bernd Hagenkord SJ. An Ostern, also am 31. März, feiert der Papst die Ostermesse um 10.05 Uhr. Danach verkündet der Papst um die Mittagszeit seine Osterbotschaft und spendet den Segen „Urbi et Orbi" – der Stadt und dem Erdkreis. Unsere Kommentatorin ist Stefanie Stahlhofen. (rv)